BGH, Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 143/12
Nach § 566a Satz 2 BGB ist der bisherige Vermieter dem Mieter weiterhin zur Rückgewähr der geleisteten Mietkaution verpflichtet, wenn dieser bei Beendigung des Mietverhältnisses die Sicherheit von dem neuen Erwerber und Vermieter nicht erlangen kann (Rn. 16).
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 17. April 2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Der Kläger nimmt den Beklagten, seinen ehemaligen Vermieter, auf Rückzahlung der Mietkaution in Anspruch.
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Der Kläger, der zusammen mit Frau P. B. seit dem Jahr 2003 Mieter einer Wohnung des Beklagten in Berlin war, leistete zu Beginn des Mietverhältnisses eine Barkaution von 1.242 €.
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Das Hausgrundstück befand sich vom 7. Oktober 2005 bis 13. Mai 2008 unter Zwangsverwaltung. Der Beklagte veräußerte das Grundstück an die P. S. AG, welche am 24. Juni 2008 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde.
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Mit Schreiben vom 26. Mai 2008 forderte der Zwangsverwalter den Kläger und Frau B. unter Übersendung eines Vordrucks “Einverständniserklärung zur Kautionsübertragung” auf, der Weiterreichung der Kaution an die neue Eigentümerin und der Entlassung des Zwangsverwalters aus der “bürgenähnlichen” Haftung zuzustimmen, andernfalls der Kautionsbetrag an den Kläger und Frau B. ausbezahlt werde. Gleichzeitig wies der Zwangsverwalter darauf hin, dass in diesem Fall die Mieter eine neue Mietsicherheit gegenüber der neuen Vermieterin zu erbringen hätten.
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Der Kläger und Frau B. sandten die ausgefüllte und unterschriebene Einverständniserklärung an den Zwangsverwalter zurück. Der Kautionsbetrag wurde an die neue Vermieterin weitergeleitet.
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Das Mietverhältnis über die Wohnung endete zum 7. September 2009. Laut Wohnungsübergabeprotokoll konnte die Kaution im Hinblick auf den Zustand der Wohnung unter Berücksichtigung der Mietzahlung zur Auszahlung gelangen. Am 18. März 2010 wurde erneut die Zwangsverwaltung des Grundstücks angeordnet. Mit Schreiben vom 13. April 2010 teilte die Hausverwaltung dem Kläger mit, dass das Kautionskonto mit einem Abschlussguthaben von 1.273,54 € aufgelöst und dem Mietenkonto gutgeschrieben worden sei und Auszahlungen wegen Kontopfändungen zu keiner Zeit möglich gewesen seien.
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Der Kläger hat behauptet, er habe die neue Vermieterin erfolglos mit anwaltlichem Schreiben vom 30. November 2010 zur Kautionsrückzahlung aufgefordert. Er nimmt den Beklagten als seinen ehemaligen Vermieter gemäß § 566a Satz 2 BGB auf Zahlung des Kautionsguthabens von 1.273,54 € nebst Zinsen in Anspruch.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
9
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
11
Der Kläger habe gegen den Beklagten gemäß § 566a Satz 2, § 812 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB einen Anspruch auf Rückgabe der geleisteten Mietkaution einschließlich Zinsen in unbestrittener Höhe von 1.273,54 €. Unerheblich sei, dass der Beklagte am Ende des Mietverhältnisses im September 2009 nicht mehr Vermieter der Wohnung gewesen sei und auch die Kaution nicht mehr innegehabt habe. Denn er hafte gemäß § 566a Satz 2 BGB für die Kaution.
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Der Beklagte sei vom Kläger nicht aus der Haftung für die Kautionszahlung entlassen worden. Seine Haftung gemäß § 566a Satz 2 BGB sei nicht wirksam individualvertraglich abbedungen worden. Das Einverständnis des Klägers mit der Übertragung der Kaution vom Zwangsverwalter an die neue Erwerberin der Wohnung stelle keine Erklärung in Bezug auf den Beklagten dar. Zwar habe der Zwangsverwalter während der Zwangsverwaltung auch die Pflicht zur Abrechnung und Auskehrung von Mietkautionen. In der Einverständniserklärung komme jedoch ein Wille, die gesetzliche Regelung in § 566a Satz 2 BGB in Bezug auf den Beklagten als Vermieter und Schuldner abzubedingen, nicht erkennbar zum Ausdruck. Auch wenn der Zwangsverwalter für den Beklagten als Schuldner tätig geworden sei, so habe er doch im eigenen Namen gehandelt.
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Auch sei die Zustimmungserklärung unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB. Es handele sich bei der Einverständniserklärung um eine vom Zwangsverwalter für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Durch diese habe die gesetzliche Regelung aus § 566a Satz 2 BGB nicht wirksam abbedungen werden können.
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Der Kläger habe auch dargelegt, dass er die Kaution von der Erwerberin beziehungsweise der letzten Vermieterin nicht erlangen könne. Ausreichend seien insoweit zumutbare Anstrengungen des Mieters, die deutlich machten, dass eine Befriedigung durch den Erwerber nicht zu erwarten sei. Entgegen der Ansicht des Beklagten ergebe sich aus der Mitteilung der Hausverwaltung über die Gutschrift auf dem Mieterkonto nicht, dass die Gutschrift zur Verrechnung mit Ansprüchen des Vermieters erfolgt sei. Jedenfalls könne das Schreiben der Hausverwaltung nicht dazu herangezogen werden, dem Kläger aufzuerlegen, weitere Auskünfte beim Zwangsverwalter einzuholen und ihm damit doch wirtschaftlich das Risiko der fehlenden Nachweismöglichkeit aufzubürden.
II.
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Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Der Beklagte ist dem Kläger zur Rückzahlung der Kaution verpflichtet. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die dem Zwangsverwalter gegenüber abgegebene Einverständniserklärung des Klägers nicht zu einer Entlassung des Beklagten aus der Haftung nach § 566a Satz 2 BGB geführt hat.
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1. Nach § 566a Satz 2 BGB ist der bisherige Vermieter dem Mieter weiterhin zur Rückgewähr der geleisteten Mietkaution verpflichtet, wenn dieser bei Beendigung des Mietverhältnisses die Sicherheit von dem neuen Erwerber und Vermieter nicht erlangen kann.
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a) Zwar kann der Mieter auf die Haftung des Vermieters nach dieser Vorschrift durch Individualvereinbarung verzichten. Bei der von den Klägern gegenüber dem Zwangsverwalter auf dessen Aufforderung abgegebenen Erklärung über die “Weiterleitung der Kaution und der Entlassung des Zwangsverwalters aus der bürgenähnlichen Haftung” handelt es sich indes nicht um eine Individualvereinbarung, sondern um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Die Einverständniserklärung war, was auch die Revision nicht in Abrede stellt, vom Zwangsverwalter im Wesentlichen vorformuliert und zum Gebrauch in einer Vielzahl von Fällen vorgesehen worden. Dass sie keine Vertragsbedingung, sondern eine einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung des Mieters zum Gegenstand hat, ändert nichts an ihrem Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung. Denn die Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB sind mit Rücksicht auf ihren Schutzzweck auch auf eine vom Verwender vorformulierte einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung des anderen Teils, die – wie hier – im Zusammenhang mit einem Vertragsverhältnis steht, anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 – I ZR 241/97, NJW 2000, 2677 unter II 3 a mwN [zu § 1 ff. AGBG]). Ohne Bedeutung ist dabei auch, ob dem anderen Vertragspartner die Wahl zwischen bestimmten, vom Verwender vorgegebenen Alternativen eingeräumt wird (BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 – I ZR 241/97, aaO mwN). Es ist daher ohne Belang, dass die vom Zwangsverwalter vorbereitete Erklärung den Mietern eine Wahlmöglichkeit aufzeigt und es ihnen überlässt, ob sie einer Weitergabe der Kaution an die neue Eigentümerin zustimmen oder eine solche ablehnen und die Kaution ausbezahlt erhalten.
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b) Als Allgemeine Geschäftsbedingung führt die vom Kläger formularmäßig abgegebene Erklärung schon deshalb nicht zu einer Entlassung des Beklagten aus der Haftung nach § 566a Satz 2 BGB, weil ihr jedenfalls nach der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB ein solcher Inhalt nicht beigelegt werden kann. Die Erklärung betrifft nach ihrem Wortlaut nur die Haftung des Zwangsverwalters, der zum damaligen Zeitpunkt nach § 152 Abs. 2 ZVG die Rechte und Pflichten des Vermieters wahrzunehmen hatte. Zudem ist nicht die Rede von der subsidiären Vermieterhaftung nach § 566a Satz 2 BGB, sondern von einer im Gesetz nicht vorgesehenen “bürgenähnlichen Haftung”. Es ist daher zumindest auch die Auslegung möglich, dass sich die gegenüber dem Zwangsverwalter auf dessen Wunsch abgegebene Erklärung auf dessen eigene Haftung beschränkte, ohne die Vermieterhaftung nach § 566a Satz 2 BGB generell abzubedingen. Da mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen, ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB diese für den Mieter günstigere Deutung zugrunde zu legen. Da der Beklagte schon im Hinblick auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB aus der Erklärung nichts zu seinen Gunsten herleiten kann, bedarf es keiner Entscheidung, ob die formularmäßige Einverständniserklärung darüber hinaus auch einer Inhaltskontrolle standhielte. Insbesondere kann offen bleiben, ob ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) vorliegt, weil die Erklärung nicht klar und verständlich ausdrückt, was mit der “bürgenähnlichen Haftung” des Zwangsverwalters gemeint ist.
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2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch festgestellt, dass der Kläger die Kaution bei Beendigung des Mietverhältnisses nicht vom Erwerber erlangen konnte. Zwar ist der Mieter gemäß § 566a Satz 2 BGB grundsätzlich gehalten, zunächst den Erwerber als den gegenwärtigen Sicherungsnehmer und Mietvertragspartner in Anspruch zu nehmen, solange dies nicht aussichtslos erscheint (BGH, Urteil vom 24. März 1999 – XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160, 169 zu § 572 BGB aF; BT-Drucks. 14/4553, S. 63). Letzteres ist hier allerdings schon deshalb der Fall, weil – worauf das Berufungsgericht zutreffend abstellt – zwischenzeitlich erneut die Zwangsverwaltung über das Grundstück angeordnet worden ist und eine Auszahlung des Kautionsbetrags wegen der Kontopfändung zu keinem Zeitpunkt möglich war.
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3. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass die Kautionsforderung auf noch offene Mietforderungen des Erwerbers verrechnet worden sei, erhebt er den Einwand der Erfüllung, § 362 BGB. Für die Erfüllung des Kautionsrückzahlungsanspruchs durch Verrechnung mit Gegenansprüchen des Erwerbers ist nach allgemeinen Regeln der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Der Beklagte hat indes nicht dargelegt, welche Mietforderungen des Erwerbers gegen den Beklagten offen geblieben sind und demzufolge mit der Kaution verrechnet werden konnten.