BGH, Urteil vom 07.02.2012 – VI ZR 249/11
Im Falle einer nur quotenmäßigen Haftung des Schädigers hat dieser dem Geschädigten dessen Sachverständigenkosten im Umfang der Haftungsquote zu erstatten (Rn. 10)
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 24. August 2011 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger begehrt weiteren Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 11. Mai 2008, bei dem sein Pkw beschädigt wurde. Als der Kläger einen Traktor mit Anhänger überholen wollte und der Pkw sich in Höhe des Traktors befand, stießen beide seitlich zusammen. Der Beklagte zu 1 war Fahrer des bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversicherten Traktors, der Beklagte zu 2 dessen Halter. Nach dem vom Kläger eingeholten Schadensgutachten übersteigen die voraussichtlichen Nettoreparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs. Der Gutachter schätzte diesen auf 6.000 € und den Restwert auf 1.900 €. Der Kläger hat Ersatz der Nettoreparaturkosten und der Sachverständigenkosten, die Zahlung einer Kostenpauschale und die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht ihr in Höhe von 1.859,19 € nebst Zinsen und hinsichtlich eines Teils der geltend gemachten Anwaltskosten stattgegeben. Es hat dem Kläger jeweils 40 % des Wiederbeschaffungsaufwands von 4.100 €, der Sachverständigenkosten von 522,98 € und der Kostenpauschale von 25 € zuerkannt. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren hinsichtlich der restlichen Sachverständigenkosten weiter.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Berufungsgericht billigt dem Kläger gemäß § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG einen Anspruch auf Ersatz von 40 % des ihm entstandenen Schadens zu, weil der Unfallhergang letztlich ungeklärt bleibe und die Betriebsgefahr des überholenden Pkw etwas höher gewesen sei als die des Schleppergespanns. Die Haftungsquote von 40 % gelte nicht nur für den zu ersetzenden Wiederbeschaffungsaufwand und die Kostenpauschale, sondern auch für die geltend gemachten Sachverständigenkosten. Diese seien ein Teil des Sachschadens und deshalb ebenfalls entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Parteien zu quoteln. Da die obergerichtliche Rechtsprechung hierzu uneinheitlich sei, werde insoweit die Revision zugelassen.
II.
3
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
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Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht dem Kläger im Hinblick auf seine Eigenhaftungsquote von 60 % einen Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten ebenfalls nur in Höhe von 40 % zugebilligt hat. Der in der Rechtsprechung und im Schrifttum vereinzelt vertretenen Auffassung, der Schädiger habe auch im Falle einer nur quotenmäßigen Haftung dem Geschädigten dessen Sachverständigenkosten zu 100 % zu erstatten, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen.
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1. Nach der vom OLG Rostock (vgl. OLG Rostock, DAR 2011, 263, 264 und NJW 2011, 1973 f. mit Anm. Balke, SVR 2011, 337 f. und Anm. Nugel, jurisPR-VerkR 10/2011 Anm. 2) und dem OLG Frankfurt a. M. (OLG Frankfurt, SP 2011, 255) im Anschluss an das AG Siegburg (vgl. AG Siegburg, NJW 2010, 2289 mit Anm. Poppe, jurisPR-VerkR 12/2010 Anm. 1; Winnefeld, DAR 1996, 75 ff.) und vereinzelten Stimmen in der Literatur (vgl. Poppe, DAR 2005, 669 f.; ders., jurisPR-VerkR 12/2010 Anm. 1; Kappus, DAR 2010, 727, 729; Janetz, SVR 2011, 213 f.) vertretenen Auffassung ist der Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten nicht entsprechend der Verursachungsquote zu kürzen. Diese Kosten seien vielmehr in vollem Umfang erstattungsfähig, weil sie nur entstünden, wenn der Geschädigte seinen erstattungsfähigen Anteil des Gesamtschadens gegenüber dem Schädiger beziffern und belegen müsse; sie fielen überhaupt nicht an, wenn der Geschädigte den Unfall allein verursacht habe, und dienten ausschließlich dazu, den aufgrund der jeweiligen Haftungsquote erstattungsfähigen Anteil von dem Schädiger ersetzt zu bekommen. Auch könne hier nicht – anders als bei den Rechtsanwaltskosten – ein Anteil entsprechend den Schadensverursachungsbeiträgen errechnet werden, weil der Sachverständige seine Leistung insoweit nicht teilen könne.
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2. Diese Auffassung ist abzulehnen, denn sie findet im Gesetz keine Stütze und ist mit den Grundsätzen des Schadensersatzrechts nicht vereinbar (vgl. OLG Düsseldorf, r + s 2011, 268 f. mit Anm. Balke, SVR 2011, 335 ff. und Anm. Wenker, jurisPR-VerkR 11/2011 Anm. 3; Wenker, jurisPR-VerkR 23/2011 Anm. 3; vgl. auch LG Aurich, SP 2011, 281; AG Landshut, SP 2010, 404; Wortmann, NJW 2011, 3482, 3483 f.).
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a) Wird ein Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt, hat der Schädiger dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Soweit zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs eine Begutachtung durch einen Sachverständigen erforderlich und zweckmäßig ist, gehören die Kosten eines vom Geschädigten eingeholten Schadensgutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen (vgl. Senatsurteile vom 30. November 2004 – VI ZR 365/03, VersR 2005, 380 und vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 Rn. 11; BGH, Urteil vom 29. November 1988 – X ZR 112/87, NJW-RR 1989, 953, 956). Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. Senatsurteile vom 6. November 1973 – VI ZR 27/73, VersR 1974, 90, insoweit in BGHZ 61, 346 nicht abgedruckt; vom 29. Januar 1985 – VI ZR 59/84, VersR 1985, 441, 442; vom 30. November 2004 – VI ZR 365/03, aaO und vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 Rn. 11; Wortmann, VersR 1998, 1204, 1210 f.). Unter beiden Gesichtspunkten sind diese Kosten grundsätzlich in vollem Umfang erstattungsfähig.
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b) Ist der geschädigte Fahrzeughalter in erheblicher Weise für den Schaden mitverantwortlich, so führt dies nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG allerdings zu einer Beschränkung von Grund und Umfang des Schadensersatzanspruchs. Die Bestimmung statuiert – ebenso wie § 254 Abs. 1 BGB, § 9 StVG und § 4 HaftPflG – eine Ausnahme von dem Grundsatz der Totalreparation (Alles-oder-Nichts-Prinzip des Schadensersatzrechts). Sie hat zur Folge, dass auch der Anspruch auf Ersatz der Kosten eines Sachverständigengutachtens nur ungeschmälert fortbestehen kann, wenn sich aus “den Umständen”, insbesondere aus der Feststellung, “inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist” (§ 17 Abs. 1 StVG) ein solches Ergebnis rechtfertigen lässt (OLG Düsseldorf, aaO).
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c) Aus den “Umständen”, insbesondere den Verursachungsbeiträgen, ergibt sich eine solche Rechtfertigung hier nicht. Auch die Kosten des Sachverständigengutachtens sind durch den Unfall verursacht, denn ohne die Unfallbeteiligung des Geschädigten wäre es dazu nicht gekommen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens dient nicht allein dem Nachweis des vom Schädiger zu tragenden Schadensanteils, sondern liegt auch im eigenen Interesse des Geschädigten, weil das Gutachten ihm Gewissheit über das Ausmaß des Schadens und die von ihm zu tragenden Kosten verschafft. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen zur Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltskosten, denn bei dieser Schadensposition handelt es sich um eine Nebenforderung, deren Höhe sich erst bestimmen lässt, wenn die Hauptforderung konkretisiert ist. Das trifft auf Sachverständigenkosten nicht zu, denn diese sind, wie oben ausgeführt, dem Sachschaden zuzurechnen und damit auch Bestandteil der Hauptforderung (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, aaO Rn. 10 ff.; OLG Düsseldorf, aaO). Zudem hängt ihre Höhe nicht in gesetzlich bestimmter Weise vom Umfang des übrigen Schadens ab. Während bei den Anwaltskosten eine Berücksichtigung der Mitverantwortung des Geschädigten nicht durch eine Quotierung der Kosten, sondern durch eine Quotierung des Streitwerts erfolgt, der nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren bestimmt, kennt das für den Ersatz von Sachverständigenkosten maßgebende Schadensersatzrecht eine solche Differenzierungsmöglichkeit nicht. Hier kann die Mitverantwortung des Geschädigten für die Schadensentstehung nicht anders als durch eine Quotierung dieser Kosten Berücksichtigung finden (OLG Düsseldorf, aaO). Einer solchen Quotelung steht auch die sogenannte Differenzhypothese nicht entgegen, wonach die Frage, ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, grundsätzlich durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen ist (vgl. Senatsurteile vom 18. Januar 2011 – VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78 Rn. 8 und vom 15. November 2011 – VI ZR 4/11, zVb, jeweils mwN), denn diese Grundsätze betreffen allein die Frage der Schadenshöhe, nicht aber die Frage der Haftungsverteilung (OLG Düsseldorf, aaO; a.A.: AG Siegburg, aaO; Poppe DAR 2005, 669).
10
d) Im Falle einer nur quotenmäßigen Haftung des Schädigers hat dieser dem Geschädigten dessen Sachverständigenkosten mithin im Umfang der Haftungsquote zu erstatten (vgl. auch OLG Hamm, DAR 2012, 20; OLG München, Urteil vom 27. Mai 2010 – 10 U 3379/09, juris Rn. 24 f.; OLG Hamm, NJW-RR 2011, 464, 465).
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.