Internationaler Warenkauf: Zur Frage der Wirksamkeit der Annahme eines per Email übermittelten Angebots per Post

OLG Dresden, Urteil vom 30.11.2010 – 10 U 269/10

Internationaler Warenkauf: Zur Frage der Wirksamkeit der Annahme eines per Email übermittelten Angebots per Post

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Zwickau, Außenkammern Plauen, vom 26.01.2010 – Az.: 5 O 0051/08 –

abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 20% abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 20% leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 48.551,00 EUR festgesetzt.

Gründe
I.

1
Die Klägerin, eine Firma mit Sitz in Dänemark, produziert und vertreibt Unterwäsche, Bademoden, Tag- und Nachtwäsche sowie Accessoires. Die Beklagte vertreibt „im Partyverkauf“ Damen- und Herrenunterwäsche. Zwischen den Parteien bestand über mehrere Jahre hinweg eine Geschäftsbeziehung, in deren Rahmen die Klägerin für die Beklagte Dessous anfertigte und lieferte. Nach der zwischen den Parteien bestehenden Geschäftspraxis kam ein Vertrag über die Lieferung von Ware durch eine entsprechende Order der Beklagten sowie eine Auftragsbestätigung der Klägerin zustande.

2
Anfang 2006 übergab die Klägerin der Beklagten mehrere Muster ihrer Kollektionen „Margrethe“, „Josephina“ und „Maria“ zur Ansicht. Mit E-Mail vom 13.03.2006 (Anl. K1) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie wolle gern die Serie „Margrethe“ in ihr Sortiment aufnehmen. Bevor sie die Serie bei der Klägerin ordern könne, sei es erforderlich, dass diese ihr verschiedene BH in bestimmten Größen als Muster übersende. Mit E-Mail vom 23.03.2006 übermittelte die Beklagte der Klägerin eine „Order 03/2006″ über 9.560 Dessousteilen der Serie „Margrethe“ zu einem Gesamtpreis von 77.561,00 EUR.

3
Mit E-Mail vom 04.05.2006 (Anl. K3) teilte die Beklagte der Klägerin in Bezug auf verschiedene Dessousteile mit, dass diese „OK“ seien, sie aber noch geänderte Muster benötige, bevor die Klägerin mit der Gradierung beginnen könne. Ferner beanstandete sie, die Spitze habe an mehreren Stellen abstehende Fadenenden, was die Ansicht erheblich störe. Sie bitte die Klägerin daher, eine Verbesserung der Spitzenqualität zu veranlassen.

4
Nach Übersendung der Muster teilte die Beklagte der Klägerin am 15. Juni 2006 um 11:42 Uhr per E-Mail (Anl. K5) in Bezug auf die beiden BH der Serie „Margrethe“ mit, dass die Passform der Größe 80F des wattierten BH D 175 „OK“ sei und die Klägerin mit dem Größensatz beginnen solle, während es bei dem Bügel-BH D 170 noch viel Handlungsbedarf gebe. Ferner erklärte die Beklagte, die Spitze der neuen Muster habe immer noch die langen Fadenenden, obwohl ihr die Klägerin zugesagt gehabt habe, dass die Spitze für die Produktion verbessert werde. Gleichzeitig bat sie die Klägerin, ihr ein Muster dieser verbesserten Qualität zuzusenden.

5
Die Klägerin antwortete hierauf noch am gleichen Tag um 16:28 Uhr ihrerseits per E-Mail (Anl. K4). In Bezug auf die Fadenenden teilte sie der Beklagten mit, die Musterteile seien immer noch nicht die „finale Meterware“. Sie schätze aber, dass „die BH in der richtigen Meterware wären“. Es werde natürlich nicht ganz ohne die Fadenenden gehen, diese sollten aber etwas kürzer sein.

6
Mit E-Mail vom 8. August (Anl. K6) bedankte sich die Beklagte bei der Klägerin für die beiden geänderten Strings und die Stoffproben der elastischen Spitze und des Tülls. Gleichzeitig teilte sie ihr mit, dass sie die Spitze „in dieser minderen Qualität“ ablehnen müsse. Entgegen den Zusagen der Klägerin sei die Qualität der Spitze nicht verbessert worden. Die abstehenden Fadenenden seien noch genauso lang wie bei den ersten Mustern.

7
Nachdem es am 15.08.2006 zu einem Gespräch zwischen dem Verkäufer der Klägerin, dem Zeugen A….. O….. und dem Inhaber der Beklagten, Herrn D….. H….., gekommen war, versicherte der Zeuge O….. der Beklagten mit E-Mail vom 18.08.2006, die Meterware sei „100% in Ordnung im Vergleich zu den Musterproben und dem was technisch möglich sei“ (Anl. K7). Gleichzeitig bat er die Beklagte, der Klägerin schnellstmöglich die letzten Änderungen mitzuteilen, damit diese die letzten Teile produzieren könne. Der E-Mail waren als Anhang eine Auftragsbestätigung (Anl. B1) sowie eine Rechnung (Anl. B2) über die durch die Beklagte georderten Dessousstücke aus dem Programm „Margrethe“ beigefügt.

8
Mit Anwaltsschreiben vom 28.08.2006 (Anl. K8) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie widerspreche der mit E-Mail vom 18.08.2006 übersandten Auftragsbestätigung. Die Ware sei „mangel- und fehlerhaft und nicht abnahmefähig“, weil das „auf den Artikeln“ verwendete Material, die Spitze, sogenannte „Pallets“ aufweise. Derartiges habe sie nicht bestellt. Im Übrigen sei am 15.08.2006 ausdrücklich vereinbart worden, dass ein Auftrag nicht zustande komme. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 05.09.2006 (Anl. B6) teilte die Beklage der Klägerin erneut mit, ein Vertragsschluss und/oder eine Abnahme der Ware komme nicht in Frage.

9
In der Folgezeit hat die Klägerin die Dessousteile, welche die Beklagte mit E-Mail vom 23.03.2006 georderte hatte, zu einem Preis von 29.010,00 EUR an eine Firma „T……“ verkauft.

10
Die Klägerin hat vorgetragen, zwischen ihr und er Beklagten sei ein wirksamer Vertrag über die Lieferung von 9.560 Dessousteilen zu einem Gesamtpreis von 77.561,00 EUR zustande gekommen. Nachdem sie in Bezug auf den Vertragsschluss zunächst erklärt hatte, einer Auftragsbestätigung ihrerseits habe es hierfür nicht bedurft, hat sie später vorgetragen, im vorliegenden Fall sei – „wie auch sonst in der Vergangenheit zwischen den Parteien üblich“ – eine Auftragsbestätigung durch sie erfolgt. Diese datiere auf den 23.03.2006 und sei per Post an die Beklagte verschickt worden. Ein Doppel dieser Auftragsbestätigung, die in ihrem Computer in Dateiform noch vorhanden gewesen sei, habe sie zusammen mit der Rechnung als Anhang zu der E-Mail vom 18.08.2006 an die Beklagte übersandt.

11
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Differenzbetrages zu, der zwischen dem von ihr durch den Verkauf der Dessousteile an die Firma „T……“ erzielen Kaufpreis und demjenigen Preis besteht, den ihr die Beklagte auf Grund des geschlossenen Vertrages hätte bezahlen müssen.

12
Die Klägerin hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

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1. 48.551,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 01.06.2007;

15
2. außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.890,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit

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zu zahlen.

17
Die Beklagte hat beantragt,

18
die Klage abzuweisen.

19
Sie hat die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien sei keine vertragliche Vereinbarung über den Kauf der Dessousteile zustande gekommen. Mit der Order habe sie der Klägerin lediglich Gelegenheit gegeben, ihre Produktionszeiten einzutakten bzw. die Produktionsintervalle „zu blocken“. Sie, die Beklagte, habe im Übrigen von der Klägerin unmittelbar im Anschluss an die Order keine Auftragsbestätigung erhalten. Eine solche sei ihr erstmals mit E-Mail vom 18.08.2006 zugegangen.

20
Das Landgericht Zwickau, Außenkammern Plauen, hat die Beklagte mit Urteil vom 26.01.2010 verurteilt, an die Klägerin 48.551,00 EUR nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, zwischen den Parteien sei im März 2006 ein Vertrag über die von der Beklagten mit E-Mail vom 23.03.2006 georderten Dessousteile geschlossen worden. Das Gericht sei auf Grund der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin unmittelbar nach Erhalt der E-Mail-Order per Post eine Auftragsbestätigung an die Beklagte übersandt habe und diese der Beklagten auch zugegangen sei. Im Übrigen bestünden keine Zweifel daran, dass es auf Grund der Order vom 23.03.2006 – unabhängig von der Frage des Zugangs der Auftragsbestätigung – zu einem Vertrag gekommen sei. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

21
Gegen das der Beklagten am 01.02.2010 zugestellte Urteil des Landgerichts Leipzig hat diese mit am 23.02.2010 beim Oberlandesgericht Dresden eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit am 26.03.2010 eingegangenem Schriftsatz begründet.

22
Die Beklagte wendet ein, das Landgericht sei rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass sie der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet sei.

23
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei zwischen den Parteien kein Vertrag über die Herstellung und Lieferung der in Rede stehenden Dessousstücke geschlossen worden. Das Landgericht habe insoweit die erhobenen Beweise unzutreffend gewürdigt und die Regeln zur Beweislast nicht richtig angewendet.

24
Das Landgericht sei rechtsfehlerhaft zu der Überzeugung gelangt, dass ihr vor dem 18.08.2006 eine Auftragsbestätigung der Klägerin zugegangen sei. Ferner habe das Landgericht fälschlich angenommen, dass sie gegenüber der Klägerin mit E-Mail vom 04.05.2006 die Produktion freigegeben habe.

25
Rechtsfehlerhaft sei auch die Auffassung des Landgerichts, die ihr durch die Klägerin angebotenen Dessousteile seien im Hinblick auf die Spitze nicht mangelhaft gewesen. Ihr – der Beklagten – sei es immer darauf angekommen, dass die Spitze keine abstehenden Fadenenden aufweist.

26
Die Beklagte beantragt,

27
das Urteil des Landgerichts Zwickau, Außenkammern Plauen, vom 26.01.2010 – Az.: 5 O 0051/08 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

28
Die Klägerin beantragt,

29
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

30
Sie trägt vor, die „Order 03/2006“ der Beklagten vom 23.03.2006 (Anl. K2) sei als kaufmännisches Bestätigungsschreiben zu werten. Daher sei bereits durch ein Schweigen ihrerseits der Vertrag zustande gekommen. Doch auch dann, wenn die „Order“ nicht als ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, sondern als bloßes Angebot der Beklagten zu qualifizieren wäre, wäre ein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen, da sie – die Klägerin – sowohl ausdrücklich durch schriftliche Auftragsbestätigung als auch für die Beklagte erkennbar durch ihr Verhalten im Anschluss an die „Order“ das Angebot der Beklagten angenommen habe. Auch in der Übersendung von Mustern an die Beklagte im April 2006 könne eine konkludente Annahme der Order der Beklagten durch die Klägerin gesehen werden.

31
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Verhandlungsprotokoll vom 14.10.2010 Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Dr. R……. M….

II.

32
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

33
Der Klägerin steht gegen die Beklagte wegen der Nichtabnahme der in Rede stehenden Dessousteile kein Schadensersatzanspruch zu, weil zwischen den Parteien kein Vertrag zustande gekommen ist, auf Grund dessen die Beklagte zur Abnahme der Ware und Zahlung des Kaufpreises verpflichtet gewesen wäre. Ein Vertragsschluss scheitert daran, dass die Klägerin das Vertragsangebot der Beklagten in Form der „Order“ vom 23.03.2006 nicht im Sinne von Art. 18 Abs. 2 CISG rechtzeitig angenommen und die Beklagte eine verspätete Annahme nicht gemäß Art. 21 CISG unverzüglich gebilligt hat. Auch auf andere Weise ist zwischen den Parteien kein Vertrag über die Herstellung und Lieferung der Dessousteile geschlossen worden.

34
1. Auf das Rechtsverhältnis der Parteien sind die Bestimmungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) anwendbar.

35
Die Parteien hatten zum Zeitpunkt des streitigen Vertragsschlusses ihre jeweilige Niederlassung in verschiedenen Vertragsstaaten, was sich aus den damals bereits vorhandenen Geschäftsbeziehungen ohne weiteres ergibt (Art. 1 Abs. 1 und 2 CISG – Dänemark und Deutschland). Ferner stehen Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Waren nach Art. 3 Abs. 1 1. HS CISG grundsätzlich den Kaufverträgen im Sinne des CISG gleich. Ein Ausnahmefall nach Art. 3 Abs. 1 2. HS CISG liegt nicht vor.

36
2. Nach Art. 14ff CISG kommt ein Vertrag durch Angebot und Annahme zustande. Mit E-Mail vom 23.03.2006 (Anl. K2) hat die Beklagte der Klägerin ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages über die Herstellung und Lieferung von 9.650 Dessousteilen zu einem Preis von 77.561,00 EUR unterbreitet.

37
Der Vortrag der Beklagten, ihre „Order“ habe lediglich eine „Vorabinformation über die voraussichtliche Menge“ darstellen bzw. der Klägerin die Gelegenheit geben sollen, „Produktionsintervalle zu takten“ oder zu „blocken“, kann nicht überzeugen. Die E-Mail der Beklagten vom 23.03.2006 enthält neben den genauen Angaben zu Zahl, Größe und Preis der Dessousstücke die Vorgabe eines verbindlichen Liefertermins. Dies konnte aus Sicht der Klägerin als Erklärungsempfängerin nur als Angebot der Beklagten auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages verstanden werden. Dem steht nicht entgegen, dass die Produktion der Teile erst „nach OK vom Größensatz“ beginnen sollte. Soweit die Zeugin F…… bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht geäußert hat, die Order habe „für uns“ – d.h. für die Beklagte – erst nach dem „OK“ in Bezug auf den Größensatz verbindlich sein sollen, handelt es sich um die persönliche Ansicht der Zeugin, die nicht den Schluss zulässt, die Klägerin habe die „Order“ nicht als verbindliches Angebot der Beklagten auf Abschluss eines Vertrages verstehen dürfen.

38
3. Die Klägerin hat das ihr mit E-Mail der Beklagten vom 23.03.2006 unterbreitete Angebot nicht rechtzeitig angenommen.

39
a. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ein Vertrag nicht bereits dadurch zustande gekommen, dass sie auf die Order der Beklagten geschwiegen hat. Der E-Mail der Beklagten vom 23.03.2006 kann nicht die Wirkung eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens beigemessen werden.

40
Zum einen ist aus Art. 18 Abs. 1 S. 2 CISG der Grundsatz zu entnehmen, dass Schweigen oder Untätigkeit allein keine Billigung eines Vorschlages sein kann. Deshalb liegt für die Anwendbarkeit der (deutschen) Regeln über das kaufmännische Bestätigungsschreiben keine Lücke vor, die durch Rückgriff auf nationales Recht zu schließen wäre. Die Wirkung eines unwidersprochen gebliebenen Bestätigungsschreibens kann deshalb nur dann und soweit gegeben sein, als ein internationaler Handelsbrauch im Sinne von Art. 9 Abs. 2 CISG besteht oder dem Verhalten des Adressaten Erklärungsbedeutung im Sinne einer Zustimmung zum Bestätigten zukommt (Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, 4. Aufl., Rdnr 51). Hierfür gibt es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.

41
Zum anderen hat die Klägerin auch die Grundvoraussetzungen für die Annahme eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens nicht dargetan. Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben ist die schriftliche Bestätigung eines mündlichen Vertragsschlusses unter Kaufleuten (Palandt, BGB, 69. Aufl., § 147 Rdnr 8). Dass die Parteien sich bereits vor der E-Mail der Beklagten vom 23.03.2006 über den Inhalt eines Vertrages geeinigt gehabt hätten, der durch die E-Mail lediglich bestätigt worden sei, hat die Klägerin nicht dargetan. Dies würde ferner auch dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien widersprechen, wonach in ihrer Geschäftsbeziehung nach erteilter Order ein Vertrag stets erst durch eine auf die Order hin erfolgte Auftragsbestätigung zustande gekommen sei.

42
b. Nach Art. 18 Abs. 2 S. 2 CISG wird die Annahme eines Angebots nicht wirksam, wenn die Äußerung der Zustimmung dem Anbietenden nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist oder bei Fehlen einer solchen Frist, innerhalb einer angemessenen Frist zugeht; dabei sind die Umstände des Geschäfts einschließlich der Schnelligkeit der vom Anbietenden gewählten Übermittlungsart zu berücksichtigen.

43
Da die Beklagte der Klägerin ihre „Order“ per E-Mail übermittelt hat, sind bereits Zweifel daran angebracht, ob eine per Post erklärte Annahme rechtzeitig erfolgt wäre. Dies kann aber letztlich dahinstehen, da die Klägerin nicht bewiesen hat, dass die von ihr angeblich am 23. oder 24.03.2006 per Post versandte Auftragsbestätigung der Beklagten zugegangen ist. Entgegen der Annahme des Landgerichts sind die Angaben des Zeugen O….. als Beweis für einen Zugang bei der Beklagten nicht ausreichend. Der Zeuge hat lediglich erklärt, er könne sich daran erinnern, dass er die Auftragsbestätigung in die Ablage gelegt habe, in der die gesamte Post des Tages gesammelt und anschließend durch den „Rezeptionisten“ zur Postannahmestelle gebracht werde. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, dass die zur Post gegebene Sendung die Beklagte als Empfängerin auch tatsächlich erreicht hat. Ein entsprechender Anscheinsbeweis besteht nicht (Palandt, a.a.O., § 130 Rdnr 8).

44
Eine rechtzeitige – konkludente – Annahme des Angebots der Beklagten kann nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin der Beklagten im April 2006 Muster übersandt hat, welche die Beklagte auch unstreitig erhalten hat. Dem steht bereits entgegen, dass ein per E-Mail übermitteltes Angebot zeitnah, d.h. jedenfalls noch im März 2006, hätte angenommen werden müssen.

45
4. Ein Vertragsschluss ist nicht dadurch erfolgt, dass die Beklagte eine verspätete Annahme der Klägerin dieser gegenüber unverzüglich gebilligt hat (Art. 21 Abs. 1 CISG).

46
a. Gegen die Auffassung der Klägerin, in der Übersendung von Musterstücken im April 2006 könne eine – verspätetet – konkludent erklärte Annahme der Order der Beklagten gesehen werden, spricht, dass die Bitte der Beklagten an die Klägerin zur Übersendung von Musterstücken nicht erst mit E-Mail vom 23.03.2006, sondern bereits mit E-Mail vom 13.03.2006 erfolgte. Die Beklagte konnte und musste daher der Übersendung von Musterstücken durch die Klägerin nicht die Bedeutung beimessen, dass diese dadurch konkludent die Annahme ihres Angebots auf Vertragsschluss zu den in der E-Mail vom 23.03.2006 genannten Konditionen erklärt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Annahme einer Order in der Geschäftsbeziehung der Parteien bis dahin unstreitig durch ausdrücklich erklärte Auftragsbestätigung erfolgte. Auch dies spricht dagegen, die Übersendung von Musterstücken als konkludent erklärte Annahme zu werten.

47
b. Zwar kann angenommen werden, die Klägerin habe mit ihrer E-Mail vom 15.06.2006, mit der sie auf eine vorangegangene E-Mail der Beklagten vom gleichen Tag reagiert hat, der Beklagten gegenüber – wenn auch verspätet – zum Ausdruck gebracht, sie nehme deren Angebot vom 23.03.2006 an. Eine solche verspätet erklärte Annahme hat die Beklagte aber nicht unverzüglich gebilligt (Art. 21 Abs. 1 CISG). Vielmehr hat die Beklagte der Klägerin hierauf sowie im Anschluss an die Übersendung von weiteren Stoffproben mit E-Mail vom 8. August 2006 mitgeteilt, sie müsse die Spitze in dieser minderen Qualität ablehnen. Der als Anhang zur E-Mail der Klägerin vom 18.08.2006 übermittelten Auftragsbestätigung hat die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 28.08.2006 ausdrücklich widersprochen. Von der Billigung einer verspätet erklärten Annahme der „Order“ durch die Klägerin kann daher keine Rede sein.

48
5. Ein Vertrag über die Lieferung und Herstellung der Dessousstücke ist zwischen den Parteien auch nicht dadurch zustande, dass die Beklagte die Klägerin zur Produktion der zuvor georderten Teile aufgefordert und die Klägerin umgehend die Aufnahme der Produktion veranlasst hat.

49
Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann weder der E-Mail der Beklagten vom 04.05.2006 noch derjenigen vom 15.06.2006 eine Aufforderung an die Klägerin zum Beginn der Produktion in Bezug auf bestimmte Dessousstücke entnommen werden. Mit E-Mail vom 04.05.2006 hat die Klägerin lediglich mitgeteilt, dass einzelne Musterstücke in Bezug auf Ausführung, Größe und Passform „OK“ sind. Ferner hat sie die Klägerin gebeten, ihr vor Beginn der Gradierung (Anm.: nicht „Graduierung“, wie im Urteil des Landgerichts angeführt), d.h. dem schrittweisen Vergrößern oder Verkleinern des Grundschnitts, weitere Muster zu übersenden. Soweit sie die Klägerin mit E-Mail mit 15.06.2006 aufgefordert hat, mit dem Größensatz zu beginnen, hat sich die Beklagte eine Prüfung der „umgestuften“ Dessousteile ausdrücklich vorbehalten. Von einer Aufforderung an die Klägerin zum Produktionsbeginn kann daher keine Rede sein.

50
6. Anlass für eine Wiedereröffnung des Verfahrens bestand nicht. Der Senat hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung am 14.10.2010 darauf hingewiesen, dass ungeachtet der erfolgten Zeugenvernehmung erhebliche Bedenken in Bezug auf einen wirksamen Vertragsschluss bestehen. Ferner hat der Senat die Parteien auf die Vorschriften des Art. 18 Abs. 3 und Art. 21 CISG sowie die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen aufmerksam gemacht. Im Hinblick darauf wurde den Parteien angeraten, eine einvernehmliche Beendigung des Rechtsstreits in Erwägung zu ziehen.

III.

51
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Revisionsgrund nach § 543 Abs. 2 ZPO vorliegt.

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