BGH, Urteil vom 10.06.2005 – V ZR 251/04
Zum Anspruch auf Rückschnitt von Grenzbepflanzung gemäß Nachbarschutz im Saarland
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 4. November 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehen auf dem Grundstück der Beklagten serbische Fichten, Zypressen und weitere Anpflanzungen, die seit mehr als fünf Jahren eine drei Meter überschreitende Höhe erreicht haben.
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Das Amtsgericht hat die Beklagte unter anderem verurteilt, diese Anpflanzungen auf eine Höhe von drei Metern zurückzuschneiden und sie durch regelmäßigen Rückschnitt auf dieser Höhe zu halten. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die hierauf gerichtete Klage abgewiesen.
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Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Berufungsgericht meint, die Anpflanzungen hätten ihren ursprünglichen Charakter als Hecke verloren, weil sie höher als drei Meter gewachsen seien. Sie stellten sich nunmehr als Baumreihe dar, deren Rückschnitt gemäß § 55 des Saarländischen Nachbarrechtsgesetzes (NachbRG SL) nur binnen fünf Jahren verlangt werden könne. Diese Ausschlußfrist, die in dem Zeitpunkt beginne, in dem infolge unterlassenen Rückschnitts der Hecke auf drei Meter ein nachbarrechtswidriger Zustand eintrete, sei abgelaufen, da die Anpflanzungen der Beklagten seit über fünf Jahren höher als drei Meter seien. Ein Anspruch auf Zurückschneiden der Hecke ergebe sich auch nicht aus den Regeln über das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, denn es sei nicht ersichtlich, daß die Beklagte eine sich aus dem Nachbarrecht ergebende formale Rechtsposition in rechtsmißbräuchlicher Weise ausnutze.
II.
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Soweit diese Ausführungen einer revisionsrechtlichen Prüfung zugänglich sind, halten sie ihr im Ergebnis stand.
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1. Nach § 545 Abs. 1 ZPO kann die Revision allerdings nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf der Verletzung von Bundesrecht oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt. Da das Saarländische Nachbarrechtsgesetz nur im Bereich des Oberlandesgerichts Saarbrücken gilt, unterliegt die Anwendung seiner Bestimmungen durch das Berufungsgericht nicht der Überprüfung durch den Bundesgerichtshof. Daran ändert sich nicht dadurch etwas, daß das Berufungsgericht die Revision wegen einer für die Auslegung des Landesnachbarrechts maßgeblichen Frage zugelassen hat (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 543 Rdn. 42).
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Entgegen der Auffassung der Revision führt auch der Umstand, daß das Saarländische Nachbarrechtsgesetz mit dem Nachbarrechtsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz inhaltlich identisch ist und sich eine § 55 NachbRG entsprechende Bestimmung in § 26 des Nachbarrechtsgesetzes von Baden-Württemberg findet, nicht zur Revisibilität der von dem Berufungsgericht angewendeten landesrechtlichen Vorschriften. Eine nur tatsächliche Übereinstimmung der in mehreren Oberlandesgerichtsbezirken geltenden Gesetze genügt nicht, um die in § 545 Abs. 1 ZPO vorausgesetzte Identität der Rechtsnorm zu begründen (BGHZ 118, 295, 297). Diese liegt nur vor, wenn die Übereinstimmung der Vorschriften bewußt und gewollt zum Zwecke der Rechtsvereinheitlichung herbeigeführt worden ist (BGHZ 118, 295, 298; BGH, Urt. v. 13. Juni 1996, I ZR 102/94, NJW 1997, 799, 800; Urt. v. 15. April 1998, VIII ZR 129/97, NJW 1998, 3058, 3059). Für eine solche Intention des Saarländischen Gesetzgebers gibt es keine Anhaltspunkte.
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2. Das Berufungsurteil unterliegt der revisionsgerichtlichen Nachprüfung aber insoweit, als auch ein auf Bundesrecht gestützter Anspruch des Klägers verneint worden ist.
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a) Das Berufungsgericht ist im Ergebnis jedoch zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger den Rückschnitt der Anpflanzungen nicht nach § 1004 Abs. 1 BGB verlangen kann.
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Das folgt allerdings nicht daraus, daß Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB nicht unmittelbar auf den Rückschnitt von Anpflanzungen, sondern auf die Beseitigung einer bestehenden bzw. auf die Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen gerichtet sind und es grundsätzlich dem in Anspruch Genommenen überlassen bleibt, auf welchem Weg er die Beeinträchtigung abwendet. Läßt sich dies im Einzelfall nur durch ein bestimmtes positives Tun erreichen, kann der Nachbar auf der Grundlage von § 1004 Abs. 1 BGB nämlich auch die Vornahme einer Handlung, wie etwa die Beseitigung oder den Rückschnitt eines Baums, verlangen (vgl. Senat, Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037).
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Auch stünde einem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB nicht die Ausschlußfrist des § 55 NachbRG SL entgegen. Das Landesrecht kann das Grundstückseigentum zwar zu Gunsten des Nachbarn noch anderen als den im Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmten Beschränkungen unterwerfen (Art. 124 EGBGB). Es kann aber nicht zu Ungunsten des Nachbarn dessen im Bundesrecht verankerten Rechte ausschließen oder verändern (Senat, Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, aaO).
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Das Berufungsurteil erweist sich aber als richtig, weil ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB nur im Fall einer Eigentumsstörung besteht. Eine solche wird nicht schon dadurch begründet, daß Bäume und Sträucher einen bestimmten Grenzabstand oder eine bestimmte Höhe überschreiten. Erforderlich ist vielmehr eine von den Anpflanzungen ausgehende konkrete Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks. Dabei kann dahinstehen, ob ein durch hohe Hecken verursachter Entzug von Licht und andere sog. negative Einwirkungen zu den nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehrfähigen Beeinträchtigungen zählen (bislang verneinend: Senat, BGHZ 113, 384, 386; Urt. v. 11. Juli 2003, V ZR 199/02, WM 2004, 231, 232; vgl. aber auch Wenzel, NJW 2005, 241, 247). Denn das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die an der Grundstücksgrenze befindlichen Anpflanzungen anders als durch das Übergreifen von Wurzelausläufern und durch überhängende Zweige – insoweit ist die Beklagte zur Beseitigung verurteilt worden – auf das Eigentum des Klägers einwirken. Die Revision zeigt diesbezüglich auch keinen übergangenen Sachvortrag auf.
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c) Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch auf Rückschnitt der Bäume und Sträucher auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis hergeleitet. In Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet es die Nachbarn zwar zu gesteigerter gegenseitiger Rücksichtnahme. In der Regel begründet das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis aber keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt – ebenso wie § 242 BGB – als Schranke der Rechtsausübung in Fällen, in denen ein über die in den §§ 905 ff. BGB und den Nachbarrechtsgesetzen der Länder enthaltenen Regelungen hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint (vgl. Senat, BGHZ 113, 384, 389).
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.