BGH, Urteil vom 06.02.2018 – II ZR 17/17
Ein Anleger, der durch unrichtige Prospektangaben bewogen wurde, einer Anlagegesellschaft als Kommanditist beizutreten, kann im Rahmen des Vertrauensschadens entweder die Rückabwicklung seiner Beteiligung verlangen oder an seiner Anlageentscheidung festhalten und Ersatz des Betrages verlangen, um den er seine Beteiligung wegen der unrichtigen Prospektangaben zu teuer erworben hat (Fortführung von BGH, Urteil vom 3. Februar 2003, II ZR 233/01, DStR 2003, 1494).
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Revisionen der Kläger zu 4, 12, 16, 18, 25, 26, 31, 40, 41, 61, 62, 67, 74, 85, 91, 92, 93, 94, 99, 107, 109, 110 und 114 wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 14. Dezember 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Kläger nehmen die Beklagten auf Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne im Zusammenhang mit ihren Beteiligungen als Kommanditisten an der W. GmbH & Co. KG (im Folgenden: W. KG) in Anspruch. Der Beklagte zu 2 ist Gründungskommanditist, die Beklagte zu 3 Gründungskomplementärin der W. KG.
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Die Kläger zeichneten Ende 2001 Kommanditbeteiligungen an der W. KG in unterschiedlicher Höhe von 10.000 DM bis zu 100.000 DM, jeweils zuzüglich 5 % Agio. Die Beteiligung wurde mit den Modellen „Kurzläufer“ und „Langläufer“ angeboten. Die Beteiligung als „Kurzläufer“ hatte eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2012. Bereits mit dem Beitritt wurde mit den Anlegern der Verkauf und die Abtretung ihrer Beteiligung zu einem Preis von 106 % des Kommanditkapitals mit Wirkung zum 1. Januar 2013 an die frühere Beklagte zu 1 vereinbart, wobei ein zu diesem Zeitpunkt ggf. negatives Kapitalkonto nicht ausgeglichen werden musste. Die Beteiligung als „Langläufer“ war auf Dauer angelegt und frühestens zum 31. Dezember 2007 mit der Folge einer Abfindung nach vertraglichen Regelungen kündbar. Die in voller Höhe einzuzahlende Mindestkommanditeinlage betrug bei beiden Modellen 10.000 DM.
3
Die Kläger nehmen die Beklagten zu 2 und zu 3 wegen ihrer Auffassung nach unrichtiger Darstellung der Windertragsprognosen im Anlageprospekt auf Ersatz eines von ihnen behaupteten Minderwerts ihres Kommanditanteils in Anspruch, den sie mit der Hälfte ihres jeweiligen Anlagebetrages beziffern. Sie behaupten, bei Ansatz der richtigen Windertragsprognosen sei von einem dauerhaft um 10 % niedrigeren Gesamtertrag als im Prospekt ausgewiesen auszugehen, weswegen der wahre Wert ihrer Beteiligung im Zeitpunkt der Zeichnung weniger als 50 % des Anlagebetrages betragen habe. Außerdem begehren sie den Ersatz entgangener Zinserträge, die sie ihrer Behauptung nach bei anderweitiger Anlage des überzahlten Anlagebetrages erzielt hätten, sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung jeden weiteren Schadens aus der Beteiligung.
4
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Kläger den von ihnen geltend gemachten Schaden – selbst bei Annahme entscheidungserheblicher Prospektmängel – im Rahmen der Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht ersetzt verlangen könnten. Die Kläger verlangten mit ihrer Berechnung des Minderwerts ihrer Beteiligung auf der Grundlage der von ihnen behaupteten Mindererträge der Anlage letztlich so gestellt zu werden, als ob die ihrer Auffassung nach unzutreffenden Prospektangaben eingetreten seien. Damit machten sie in unzulässiger Weise ihr Erfüllungsinteresse geltend, welches der Geschädigte im Rahmen der Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht ersetzt verlangen könne. Die von den Klägern angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der der Geschädigte ausnahmsweise am Vertrag festhalten und verlangen könne, so gestellt zu werden, als sei ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage ein Vertragsschluss zu einem niedrigeren Preis gelungen, betreffe Kaufverträge über Gegenstände mit verhandelbarer Preisgestaltung und sei auf eine Kommanditbeteiligung nicht übertragbar. Die Beteiligungssumme der Kläger sei dadurch vorgegeben gewesen, dass damit das erforderliche Kommanditkapital aufzubringen gewesen sei, so dass die Kläger die Beteiligungen auch bei ihrer Ansicht nach richtiger Aufklärung über die Winderträge nicht für einen geringeren finanziellen Aufwand hätten erwerben können. Vielmehr sei die von der Gesellschaft angestrebte Errichtung des Windparks ohne Aufbringen des Beteiligungskapitals nicht oder nur mit anderweitiger, ertragsmindernder Kapitalbeschaffung zu verwirklichen gewesen. Im Übrigen sei nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Beteiligungen der Kläger in gleicher Weise an Wert verlören, wie prognostizierte Erträge nicht einträten. Dagegen spreche die vertraglich vereinbarte Rückerstattung der Einlage in voller Höhe an die „Kurzläufer“ nach Beendigung ihrer Beteiligung und die Tatsache, dass die Kläger an ihren Beteiligungen festhalten wollten. Schließlich hätten die Kläger jedenfalls gegen ihre Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB verstoßen, da sie die durch einen Gesellschafterbeschluss im November 2015 geschaffene Möglichkeit zur Kündigung der Beteiligung zum Ende des Jahres 2015 gegen eine Abfindung von rund 192 % des Nominalbetrages unter Beibehaltung der bis 2014 erhaltenen Ausschüttungen und Steuervorteile nicht genutzt hätten.
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II. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kläger könnten im Rahmen der Prospekthaftung im weiteren Sinne grundsätzlich keine Erstattung des von ihnen behaupteten Minderwerts ihrer Kommanditbeteiligung verlangen, trifft nicht zu. Nach den bisherigen Feststellungen ist ein solcher Erstattungsanspruch auch nicht aus anderen Gründen auszuschließen.
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1. Sind die Kläger – wovon revisionsrechtlich mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zu ihren Gunsten auszugehen ist – durch entscheidungserhebliche Prospektfehler zum Beitritt zu der W. KG mit dem von ihnen jeweils gezeichneten Anlagebetrag bewogen worden, können sie im Rahmen der Prospekthaftung im weiteren Sinne grundsätzlich auch einen etwaigen Minderwert ihrer Kommanditbeteiligung als erstattungsfähigen Schaden geltend machen.
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a) Im Ausgangspunkt ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass ein Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung im weiteren Sinne als Fall der Haftung wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten gemäß §§ 280, 311 Abs. 1 und 2, § 241 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur auf Ersatz des Vertrauensschadens, d.h. des negativen Interesses gerichtet ist. Der Geschädigte hat danach Anspruch auf Erstattung des Schadens, den er dadurch erlitten hat, dass er auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben vertraut hat (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1988 – XI ZR 4/88, ZIP 1988, 1464, 1467; Urteil vom 26. September 1991 – VII ZR 376/89, BGHZ 115, 213, 220; Urteil vom 19. Mai 2006 – V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 21 mwN). Er ist so zu stellen, wie er bei Offenbarung bzw. richtiger Darstellung der für seinen Vertragsschluss maßgeblichen Umstände stünde (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2006 – V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 21 mwN). Ein Anspruch auf das Erfüllungsinteresse kommt im Rahmen der Haftung wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung nur ausnahmsweise unter der Voraussetzung in Betracht, dass ohne die haftungsbegründende Pflichtverletzung ein Vertrag zu anderen, für den Geschädigten günstigeren Bedingungen mit einem Dritten oder auch demselben Vertragspartner zustande gekommen wäre. Dies hat der Geschädigte darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1998 – XII ZR 126/96, WM 1998, 2210, 2211; Urteil vom 6. April 2001 – V ZR 394/99, ZIP 2001, 1465, 1466; Urteil vom 19. Mai 2006 – V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 23 mwN).
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b) Ein Anspruch auf das Erfüllungsinteresse steht den Klägern danach nicht zu. Dass sie die Beteiligung bei Angabe ihrer Ansicht nach richtiger Ertragsprognosen tatsächlich für die Hälfte der von ihnen geleisteten Einlage hätten zeichnen können, ist nicht festgestellt und wird von der Revision auch nicht geltend gemacht.
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c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können die Kläger im Rahmen des Vertrauensschadens aber nicht nur die Rückabwicklung ihrer Beteiligung verlangen, sondern stattdessen an der Anlage festhalten und die Erstattung eines etwaigen Minderwerts der Beteiligung im Zeichnungszeitpunkt wählen.
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aa) Der durch Verletzung von Mitteilungs- oder Aufklärungspflichten zum Vertragsschluss veranlasste Geschädigte kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen des Vertrauensschadensersatzes zwischen zwei Möglichkeiten des Schadensausgleichs wählen. Er kann entweder die Rückabwicklung des Vertrages verlangen oder stattdessen an dem Vertrag festhalten und den Ersatz der durch das Verschulden des anderen Teils veranlassten Mehraufwendungen verlangen (sog. „kleiner Schadensersatz“, vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 1977 – VIII ZR 186/75, BGHZ 69, 53, 56, 58; Urteil vom 2. Juni 1980 – VIII ZR 64/79, ZIP 1980, 549, 550 f.; Urteil vom 8. Dezember 1988 – VII ZR 83/88, NJW 1989, 1793, 1794; Urteil vom 2. Dezember 1991 – II ZR 141/90, ZIP 1992, 324, 325; Urteil vom 11. Februar 1999 – IX ZR 352/97, ZIP 1999, 574, 577; Urteil vom 6. April 2001 – V ZR 394/99, ZIP 2001, 1465, 1468; Urteil vom 19. Mai 2006 – V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 21). In diesem Fall wird der Vertrag nicht angepasst, sondern der zu ersetzende Vertrauensschaden auf die berechtigten Erwartungen des Geschädigten reduziert, die durch den zustande gekommenen Vertrag nicht befriedigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2006 – V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 21 mwN).
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Bei einem Kaufvertrag geschieht dies durch die Herabsetzung der Leistung des Geschädigten auf das tatsächlich angemessene Maß. Der Geschädigte wird damit so behandelt, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Sein Schaden ist danach der Betrag, um den er den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat. Da es sich hierbei nur um die Bemessung des verbliebenen Vertrauensschadens handelt, braucht der Geschädigte in diesem Fall auch nicht nachzuweisen, dass sich der Vertragspartner auf einen Vertragsschluss zu einem niedrigeren Preis eingelassen hätte. Entscheidend ist vielmehr allein, wie der Geschädigte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung verhalten hätte. Verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten des aufklärungspflichtigen Verkäufers (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 1977 – VIII ZR 186/75, BGHZ 69, 53, 58; Urteil vom 2. Juni 1980 – VIII ZR 64/79, ZIP 1980, 549, 550 f.; Urteil vom 8. Dezember 1988 – VII ZR 83/88, NJW 1989, 1793, 1794; Urteil vom 6. April 2001 – V ZR 394/99, ZIP 2001, 1465, 1469; Urteil vom 19. Mai 2006 – V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 22 mwN).
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bb) Diese Grundsätze gelten auch für die Beteiligung als Kommanditist an einer Kommanditgesellschaft.
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Ein Anleger, der auf dem Kapitalmarkt durch unrichtige Prospektangaben oder die Verletzung von Aufklärungspflichten bewogen wurde, einer Anlagegesellschaft als Gesellschafter oder über einen Treuhandkommanditisten beizutreten, hat im Rahmen des Vertrauensschadens die Möglichkeit, als Schadensausgleich entweder die Rückabwicklung der Beteiligung zu wählen oder aber an seiner Beteiligung festzuhalten und den Ersatz der durch das Verschulden des anderen Teils veranlassten Mehraufwendungen zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2003 – II ZR 233/01, DStR 2003, 1494, 1495 f.; Urteil vom 2. Dezember 1991 – II ZR 141/90, ZIP 1992, 324, 325). Danach steht einem Anleger, der für seine Kommanditbeteiligung wegen unzutreffender Prospektangaben einen überhöhten Einlagebetrag geleistet hat, bei Festhalten an seiner Beteiligung ein Anspruch auf Ersatz des Betrages zu, um den der von ihm für die Beteiligung geleistete Betrag den tatsächlichen Wert seiner Beteiligung übersteigt. Anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Berufungsgericht angeführten Besonderheiten der originären Beteiligung der Kläger an einer Kommanditgesellschaft.
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(1) Dass die Beteiligungssumme der Kommanditisten durch die Mindestkommanditeinlage und das aufzubringende Kommanditkapital vertraglich vorgegeben war und das beabsichtigte Geschäftsmodell der Gesellschaft ohne die vorgegebene Beteiligung nicht oder nur mittels anderweitiger Finanzierung zu verwirklichen gewesen sein mag, steht dem Ersatz des Vertrauensschadens durch Herabsetzung des Einlagebetrages nicht entgegen.
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Für die Bemessung des verbliebenen Vertrauensschadens des Anlegers anhand der Differenz zwischen seinem geleisteten Beteiligungsbetrag und dem tatsächlichen Wert seiner Beteiligung kommt es gerade nicht darauf an, ob sich der Vertragspartner auf einen Vertragsschluss zum tatsächlichen Beteiligungswert eingelassen hätte, da der tatsächliche Beteiligungswert nur ein Rechnungsposten bei der Schadensberechnung ist. Ob die Kläger ihre Beteiligungen tatsächlich gegen Zahlung eines Betrags in der Höhe des von ihnen behaupteten geringeren Werts der Beteiligung hätten zeichnen können, ist daher in diesem Zusammenhang unerheblich.
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(2) Eine teilweise Erstattung des Anlagebetrages als „kleiner Schadensersatz“ würde auch nicht – wie das Landgericht angenommen hat – zu einem Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung der Kläger wegen teilweiser Rückerstattung ihrer Einlage gemäß § 172 Abs. 4 HGB führen. Dem steht bereits entgegen, dass sich der Anspruch der Kläger aus Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht gegen die W. KG richten würde, sondern gegen die Initiatoren der Gesellschaft, die Gründungsgesellschafter und gegen diejenigen, die sonst für die Mängel ihres Beitritts verantwortlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707). Eine etwaige Schadensersatzzahlung der Beklagten hätte damit auch keinen Einfluss auf das von den Klägern in voller Höhe eingebrachte und der W. KG weiterhin zur Verfügung stehende Kommanditkapital.
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(3) Nicht zutreffend ist auch die Annahme des Landgerichts, diese Art der Schadensberechnung führe zu einer dem Schadensrecht fremden „Gewinnmaximierung“, weil danach ein Anleger sogar dann die teilweise Erstattung seines eingesetzten Kapitals verlangen könne, wenn er im Laufe der Beteiligung viel höhere Ausschüttungen erhalte, als selbst nach den (überhöhten) Ertragsprognosen im Prospekt zu erwarten gewesen seien.
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Maßgeblich für die Bemessung des zu erstattenden Vertrauensschadens beim „kleinen Schadensersatz“ in Form der vom anderen Teil veranlassten Mehraufwendungen ist nach den obigen Ausführungen grundsätzlich der Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Revisionserwiderung angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der ein Schaden zu verneinen sein kann, wenn der Vertragsschluss trotz der Abweichung vom Prospekt insgesamt nicht nachteilig ist, weil der Wert der Gegenleistung seine eigene Leistung zumindest erreicht, es sei denn, die erworbene Anlage ist von der im Prospekt beschriebenen grundlegend verschieden oder für die Zwecke des Anlegers nicht brauchbar (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1988 – XI ZR 4/88, ZIP 1988, 1464, 1467; Urteil vom 19. Dezember 1989 – XI ZR 29/89, WM 1990, 681, 684; Urteil vom 26. September 1991 – VII ZR 376/89, BGHZ 115, 213, 221). Auch diese Rechtsprechung stellt für die Feststellung eines erstattungsfähigen Minderwerts auf einen Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab.
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Eine schadensmindernde Berücksichtigung späterer, nicht prognostizierter Ausschüttungen käme nur im Rahmen einer Vorteilsausgleichung in Betracht. Hierfür fehlt es aber an dem dafür notwendigen inneren Zusammenhang, sofern der Anleger die Ausschüttungen auch bei einem Erwerb der Beteiligung zu einem ihrem damaligen tatsächlichen Wert entsprechenden Anlagebetrag erzielt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 1977 – VIII ZR 186/75, BGHZ 69, 53, 59).
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(4) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung müssen die Kläger im Gegenzug zu einer Erstattung des überzahlten Anlagebetrages auch keine entsprechende Reduzierung des Nennwerts ihrer Gesellschaftsbeteiligung hinnehmen. Dass der Nennwert ihrer Beteiligung im Fall einer solchen Teilerstattung höher ist als die von ihnen bei wirtschaftlicher Betrachtung tatsächlich geleistete Zahlung, ändert nichts daran, dass sie die Beteiligung für einen überhöhten Betrag erworben haben und ihnen dadurch ein zu erstattender Vertrauensschaden entstanden ist.
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2. Ausgehend davon haben die Kläger einen ersatzfähigen Vertrauensschaden in Form des von ihnen behaupteten Minderwerts ihrer Beteiligung schlüssig dargetan.
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a) Die Kläger haben ihrer Darlegungslast genügt. Der Sachvortrag eines Klägers ist schlüssig, wenn er Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017 – II ZR 88/16, ZIP 2018, 283 Rn. 9 mwN). Hier haben die Kläger nicht nur behauptet, der Minderwert ihrer Beteiligung im Zeitpunkt der Zeichnung sei mit mindestens 50 % des jeweiligen Anlagebetrages zu veranschlagen, sondern haben diese Behauptung anhand tabellarischer Berechnungen für beide Laufzeitmodelle und unter Vorlage eines Privatsachverständigengutachtens im Einzelnen näher erläutert.
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b) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts stellt diese Berechnung der Kläger auch keine verdeckte Geltendmachung ihres Erfüllungsinteresses dar. Vielmehr handelt es sich um eine grundsätzlich mögliche Methode der Wertermittlung anhand des Ertragswerts der Beteiligung.
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Das Erfüllungsinteresse der Kläger bestünde in der Erstattung der Differenz zwischen den Erträgen der Beteiligung, die nach den – nach ihrer Behauptung unrichtigen – prospektierten Prognosen zu erwarten waren, und ihren tatsächlich erzielten Erträgen. Eine solche Ertragsdifferenz wird von den Klägern aber weder direkt, noch im Ergebnis mit ihrer Schadensberechnung geltend gemacht. Vielmehr haben die Kläger den von ihnen behaupteten Minderwert der Beteiligung anhand des Ertrags der Anlage nach den prospektierten Windenergie- und Ertragsprognosen einerseits sowie den nach ihrer Behauptung bei zutreffenden Prospektangaben im Zeitpunkt der Zeichnung tatsächlich zu erwartenden Ertragsergebnissen andererseits ermittelt. Dabei haben sie sich auch nicht – wie das Berufungsgericht meint – auf die Behauptung beschränkt, dass der Wert ihrer Beteiligungen im gleichen Verhältnis gemindert sei, wie die richtigerweise zu prospektierenden Ertragsprognosen hinter den prospektierten Erwartungen zurückblieben. Vielmehr haben sie die jeweiligen Ertragsprognosen als wertbildenden Umstand ihrer Wertberechnung zugrunde gelegt und anhand dessen den Barwert ihrer Beteiligungen mittels des internen Zinsfußes der Investition, den sie aus dem Prospekt errechnet haben, ermittelt.
27
c) Dagegen macht die Revisionserwiderung ohne Erfolg geltend, die prospektierten Windertragsprognosen und Renditeberechnungen seien keine festen Renditezusagen, die als fester wertbildender Faktor für die Beteiligung eingestellt werden könnten.
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Zwar handelt es sich bei Prognosen um zukunftsorientierte Informationen, bei denen der Prospektherausgeber grundsätzlich keine Gewähr für den Eintritt der prognostizierten Entwicklung übernimmt, sondern vielmehr der Anleger das Risiko trägt, dass sich eine auf Grund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch herausstellt (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 17; Urteil vom 27. Oktober 2009 – XI ZR 337/08, ZIP 2009, 2377 Rn. 19). Das setzt aber voraus, dass die Prognosen im Prospekt durch sorgfältig ermittelte Tatsachen gestützt und – aus ex ante-Sicht – vertretbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 17 mwN), um dem Anleger ein zutreffendes Bild von der Beteiligung zu vermitteln und ihm eine Bewertung ihrer Rentabilität – und damit auch ihres Werts als solchen – zu ermöglichen. Das gilt insbesondere für die hier streitige Darstellung der Winderträge einer Windpark-Beteiligungsgesellschaft, die jedenfalls eines der entscheidenden Kriterien für die Rentabilität der Anlage und damit auch ein maßgeblicher Umstand für die Bemessung des Werts einer solchen Beteiligung sind (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2008 – II ZR 85/07, ZIP 2008, 1118 Rn. 8).
29
d) Ob die allein am Ertragswert ausgerichtete Bewertung im Fall einer – wie hier – unternehmerischen Beteiligung zutreffend ist, oder stattdessen ein evtl. Marktwert der Beteiligung auf dem Zweitmarkt zu ermitteln oder eine umfassende Bewertung der Vermögensanlage (etwa unter Berücksichtigung von Aufwendungen und Steuern für das Unternehmen, steuerlicher Aspekte für die Anleger, damaligen Markterwartungen etc.) vorzunehmen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 1977 – VIII ZR 186/75, BGHZ 69, 53, 58; Urteil vom 18. April 2002 – IX ZR 72/99, ZIP 2002, 1144, 1149), ist keine Frage der Schlüssigkeit des Klägervorbringens, sondern eine Frage der richtigen Berechnung des Minderwerts, die gegebenenfalls durch Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären wäre.
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e) Nach den bisherigen Feststellungen ist ein erstattungsfähiger Schaden der Kläger auch nicht aus den vom Berufungsgericht und der Revisionserwiderung angeführten weiteren Gründen von vorneherein auszuschließen.
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aa) Dass die Kläger, die sich als „Kurzläufer“ an der W. KG beteiligt haben, vertragsgemäß bei Veräußerung ihrer Beteiligung zum 31. Dezember 2012 einen zugesicherten Ablösebetrag von 106 % des Anlagebetrages erhalten haben bzw. erhalten konnten, steht einem Schaden in Form eines Minderwerts ihrer Beteiligung nicht von vorneherein entgegen. Diese zugesicherte Ablösezahlung mag bei der Ermittlung des Beteiligungswerts zum Zeichnungszeitpunkt werterhöhend zu berücksichtigen sein. Das allein rechtfertigt aber noch nicht die Annahme, dass der Wert der Beteiligung als „Kurzläufer“ deshalb – trotz der unterstellt zu erwartenden geringeren Ertragsfähigkeit der Gesellschaft – dem Wert der von den Anlegern erbrachten Einlageleistung entsprach. Hierzu bedarf es vielmehr konkreter Feststellungen dazu, ob eine etwaige Wertminderung aufgrund der geringeren Ertragserwartungen durch die Zusage der Ablösung nebst Rendite wieder ausgeglichen wurde.
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bb) Gegen die Annahme eines erstattungsfähigen Schadens lässt sich auch nicht anführen, dass die Kläger an ihren Beteiligungen festhalten und keine Rückabwicklung verlangen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt dies nicht den Rückschluss zu, dass ihre Beteiligungen offensichtlich nicht weniger wert sind als die von ihnen dafür aufgewandten Beträge. Es ist gerade Inhalt des Rechts auf den „kleinen Schadensersatz“, sich mit dem Minderwert der Beteiligung, d.h. auch mit einer etwaigen geminderten Rendite, abzufinden und lediglich den Ausgleich einer dadurch bedingten Überzahlung zum Zeichnungszeitpunkt zu verlangen.
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cc) Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand der Revisionserwiderung, auch die als „Langläufer“ beigetretenen Kläger könnten keinen angeblichen Minderwert der Anlage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltend machen, weil die Beteiligung sich tatsächlich plangemäß entwickelt habe, die tatsächlichen Erträge nicht hinter den prognostizierten Erträgen zurückgeblieben seien und auch die Langfristprognose positiv ausfalle. Ob sich die Anlage plangemäß entwickelt hat und die prognostizierten Erträge erwirtschaftet wurden, ist zwischen den Parteien streitig. Die Kläger haben das Vorbringen der Beklagten bestritten. Feststellungen des Berufungsgerichts dazu liegen nicht vor. Zudem würde auch eine prospektgemäße Entwicklung des Fonds einen Anspruch der Kläger auf Erstattung des im Zeitpunkt der Zeichnung überzahlten Anlagebetrages nicht ausschließen, soweit die Kläger die dadurch erzielten Erträge auch bei einem Erwerb der Beteiligung zu ihrem damaligen tatsächlichen Wert erhalten hätten.
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3. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Kläger kann schließlich nicht mit der weiteren Begründung des Berufungsgerichts verneint werden, die Kläger hätten gegen ihre Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB verstoßen, indem sie von der Möglichkeit der Sonderkündigung ihrer Beteiligung zum Ende des Jahres 2015 gegen Erstattung von 192 % des Nominalwerts der Einlagesumme keinen Gebrauch gemacht haben.
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Allerdings gilt auch im Rahmen des „kleinen Schadensersatzes“ die Schadensminderungsobliegenheit des § 254 Abs. 2 BGB. Die Schadensminderungsobliegenheit des § 254 Abs. 2 BGB ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben, der dann eingreift, wenn der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder Minderung ergreifen würde (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2011 – IX ZR 162/08, WM 2011, 1529 Rn. 17). Von dem Geschädigten dürfen in diesem Rahmen allerdings keine überobligationsmäßigen Anstrengungen verlangt werden. Ein eigenes Verhalten des Geschädigten, zu dem er nicht aufgrund seiner Schadensabwendungs- und -minderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) verpflichtet ist, darf wegen des Grundsatzes, dass überobligationsmäßige Anstrengungen den Schädiger nicht entlasten sollen, weder in die Schadensberechnungsbilanz eingestellt werden, noch braucht der Geschädigte es sich im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2011 – IX ZR 162/08, WM 2011, 1529 Rn. 17).
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Den Klägern kann hier schon nicht zur Last gelegt werden, von dem Sonderkündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht zu haben, da ihnen mit der Möglichkeit der Geltendmachung des „kleinen Schadensersatzes“ grundsätzlich gerade das Recht eingeräumt wird, an der Beteiligung festzuhalten und ihren Minderwert zu liquidieren.
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III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO), damit es die zur Beurteilung der Begründetheit der Klage erforderlichen Feststellungen treffen kann.