BGH, Urteil vom 22.05.2012 – VI ZR 157/11
Zur Einstandspflicht des Arztes für die Folgen eines Zweiteingriffs durch einen nachbehandelnden Arzt, der erforderlich wird, weil dem vorbehandelnden Arzt beim Ersteingriff ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.(Rn.16)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. April 2011 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussrevision der Klägerin wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihres Anspruchs auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von 3.231,83 € zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
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Am 15. Dezember 2004 wurden bei der Klägerin im Rahmen einer Koloskopie ein ca. 5 cm großer Tumor am Übergang zum Sigma sowie weiter proximal ein kleiner gestielter Polyp festgestellt. Der Polyp wurde abgetragen. Von dem Tumor wurden Proben entnommen. Ausweislich des histopathologischen Befundberichts vom 17. Dezember 2004 wiesen die entnommenen Proben Anteile eines invasiven, mäßig differenzierten Adenokarzinoms auf. Am 17. Januar 2005 nahm der Beklagte zu 2 in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Klinikum bei der Klägerin eine Rektumresektion vor. Er entfernte die Basis des bei der Koloskopie abgetragenen Polypen, nicht hingegen den tiefer gelegenen Tumor. Nachdem im Rahmen einer Kontrollendoskopie vom 19. Oktober 2005 festgestellt worden war, dass der Tumor nicht entfernt worden war, unterzog sich die Klägerin am 28. Oktober 2005 einem erneuten Eingriff im Klinikum G., bei dem der vom Tumor betroffene Darmabschnitt entfernt und ein künstlicher Darmausgang gelegt wurde. In der Folge stellte sich eine Wundheilungsstörung im Bereich der Bauchdecke sowie eine Anastomoseinsuffizienz im Bereich der Darmnaht ein. Der weitere Heilungsverlauf war äußerst komplikationsbehaftet.
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Mit der Klage hat die Klägerin die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 € sowie Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 25.193,03 € verlangt. Das Landgericht hat der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € zuerkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 € sowie materiellen Schadensersatz in Höhe von 14.369,52 € zu zahlen. Es hat darüber hinaus festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus und in Zusammenhang mit ihrer Behandlung im Krankenhaus der Beklagten zu 1 noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Anschlussrevision eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 3.231,83 €.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Berufungsgericht, dessen Urteil in VersR 2011, 1012 veröffentlicht ist, hat aufgrund der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagten den Operationsauftrag grob fehlerhaft nicht ausgeführt hätten. Es sei schlichtweg unverständlich, dass sich der Beklagte zu 2 vor Durchführung der Operation nicht vergewissert habe, welche Darmteile zu entfernen seien. Wenn der Beklagte zu 2 nicht nur die Basis des Polypen, sondern auch den Tumor entfernt hätte, wäre der zweite Eingriff nicht erforderlich geworden. Der zweite Eingriff stelle den Primärschaden dar. Die eingetretene Nahtinsuffizienz und die sich daraus ergebenden Komplikationen seien kausal auf die Nachoperation zurückzuführen und deshalb als Sekundärschäden zu bewerten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler, der Nachoperation und den infolge der Nachoperation eingetretenen Komplikationen nicht zu verneinen. Zwar habe sich bei dem zweiten Eingriff ein operationsimmanentes Risiko verwirklicht, das durch den vorangegangenen fehlerhaft durchgeführten Eingriff nicht erhöht worden sei. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Erstoperation kein erhöhtes Nahtinsuffizienzrisiko bei der Nachoperation bewirkt. Dieser Umstand führe aber nicht zu einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs. Denn die im Streitfall eingetretenen Schäden fielen nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm. Die Beklagten hätten durch die Verletzung ihrer Verpflichtung, den bei der Klägerin festgestellten Tumor zu entfernen, die Notwendigkeit einer Nachoperation herbeigeführt und die Klägerin damit dem Risiko des Eintritts operationsimmanenter Risiken durch eine zweite Operation ausgesetzt. Es sei völlig offen, ob sich die Risiken auch bei der ersten Operation verwirklicht hätten. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Nachoperation in derselben Körperregion mit gleicher Schnittführung – auch wenn sie das Risiko einer Nahtinsuffizienz nicht erhöht habe – nach den Ausführungen des Sachverständigen grundsätzlich risikobehafteter als ein Ersteingriff gewesen sei. Das Ergebnis sei nicht unbillig, da die Beklagten die Gefahr der Risikoverwirklichung herbeigeführt hätten und ihnen der Nachweis offenstehe, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Diesen Nachweis hätten sie allerdings nicht erbracht. Die Klägerin könne daher ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 40.000 € beanspruchen.
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Darüber hinaus sei ihr ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 13.207,02 € zuzusprechen. Zur Bemessung des Schadens könne auf die Berechnungstabellen von Schulz-Borck, 6. Aufl., zurückgegriffen werden. Sie böten eine ausreichende Grundlage, um den Arbeitsaufwand für die Haushaltsführung nach § 287 ZPO zu schätzen. Für den Haushalt der Klägerin sei Anspruchsstufe 3 (43 Wochenstunden) anzusetzen. Allerdings sei hinsichtlich des Umfangs der Gartenarbeiten ein Zuschlag von 0,3 Stunden pro Quadratmeter, d.h. von 1,15 Wochenstunden zu machen. Gemäß Tabelle 8 liege der Anteil der Klägerin an der Haushaltsführung bei 62,3 %, so dass von einem Arbeitsaufwand von 27,4 Wochenstunden für die volle Haushaltsführung und 18,4 Wochenstunden für die reduzierte Haushaltsführung auszugehen sei. Die Zeiten für die reduzierte Haushaltsführung ergäben sich aus den von der Klägerin angegebenen und durch Vorlage der Auszüge aus den Krankenakten belegten stationären Aufenthalten in den Kliniken. Von dem danach errechneten Haushaltsführungsschaden sei der hypothetische Haushaltsführungsschaden abzuziehen, der bei einer ordnungsgemäßen ersten Operation entstanden wäre. Der Senat gehe in ständiger Rechtsprechung von einem Stundensatz in Höhe von 8,50 € aus.
II.
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Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision, nicht hingegen denen der Anschlussrevision stand.
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1. Die zulässige Revision der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin von den Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung Ersatz der ihr infolge der Nachoperation entstandenen materiellen und immateriellen Schäden verlangen kann (§ 280 Abs. 1, §§ 278, 823 Abs. 1, §§ 831, 253 Abs. 2 BGB).
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a) Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, den Beklagten sei ein (grober) Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil der bei der Beklagten zu 1 beschäftigte Beklagte zu 2 im Rahmen der von ihm durchgeführten Rektumresektion den vom Tumor betroffenen Darmabschnitt der Klägerin nicht mit entfernt hat. Die Revision stellt auch die Annahme des Berufungsgerichts nicht in Frage, dass sich die Klägerin aufgrund dieses Behandlungsfehlers einem zusätzlichen Eingriff unterziehen musste, der ihr bei korrektem medizinischem Vorgehen erspart geblieben wäre. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
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b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Einstandspflicht der Beklagten beschränke sich nicht auf die unmittelbar mit dem Zweiteingriff verbundenen gesundheitlichen Belastungen der Klägerin, sondern umfasse auch die im Zusammenhang mit diesem Eingriff aufgetretenen Komplikationen (Nahtinsuffizienz, Fistelbildung, misslungene Stomarückverlagerung). Die Revision macht in diesem Zusammenhang ohne Erfolg geltend, es fehle an dem erforderlichen Kausal- und am Zurechnungszusammenhang, weil die Erstoperation mangels Erhöhung des Risikos einer Nahtinsuffizienz keinen primären Schaden hervorgerufen habe; die im Streitfall eingetretenen Komplikationen hätten schon bei der ersten Operation eintreten können.
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aa) Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Die haftungsbegründende Kausalität betrifft den Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und der Rechtsgutsverletzung, d.h. dem ersten Verletzungserfolg im Sinne einer Belastung der gesundheitlichen Befindlichkeit des Patienten (Primärschaden). Hingegen bezieht sich die haftungsausfüllende Kausalität auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Rechtsgutsverletzung und weiteren Gesundheitsschäden des Patienten (vgl. Senatsurteile vom 24. Juni 1986 – VI ZR 21/85, VersR 1986, 1121, 1122 f.; vom 21. Juli 1998 – VI ZR 15/98, VersR 1998, 1153, 1154; vom 16. November 2004 – VI ZR 328/03, VersR 2005, 228, 230; vom 12. Februar 2008 – VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 10, 13).
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bb) Das Berufungsgericht hat den haftungsbegründenden Primärschaden zu Recht in den unmittelbar mit dem Zweiteingriff verbundenen gesundheitlichen Belastungen der Klägerin (Bauchschnitt, Darmresektion mit der Notwendigkeit des Legens weiterer Anastomosen) gesehen und die in der Folgezeit eingetretenen Komplikationen (Nahtinsuffizienz, Fistelbildung, misslungene Stomarückverlagerung) der haftungsausfüllenden Kausalität zugeordnet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wären diese Folgeschäden in ihrer konkreten Ausprägung ohne den zweiten Eingriff nicht eingetreten. Seine Beurteilung, die Folgeschäden seien adäquat kausal auf die Primärschädigung zurückzuführen, begegnet keinen Bedenken.
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cc) Der Umstand, dass bei korrektem medizinischen Vorgehen, d.h. bei Entfernung des vom Tumor betroffenen Darmabschnitts der Klägerin bereits im Rahmen des ersten Eingriffs, möglicherweise ebenfalls eine Nahtinsuffizienz mit vergleichbaren Folgen aufgetreten wäre, stellt die haftungsausfüllende Kausalität nicht in Frage. Ob und welche Risiken sich im Falle der Vornahme nur eines Eingriffs realisiert hätten, betrifft nicht die Kausalität der tatsächlich durchgeführten Behandlung für den eingetretenen Schaden, sondern einen hypothetischen Kausalverlauf bei rechtmäßigem Alternativverhalten, für den der Beklagte beweispflichtig ist (vgl. Senatsurteile vom 15. März 2005 – VI ZR 313/03, VersR 2005, 836, 837; vom 9. Dezember 2008 – VI ZR 277/07, BGHZ 179, 115 Rn. 11 mwN). Steht – wie hier – fest, dass ein Arzt dem Patienten durch fehlerhaftes und rechtswidriges Handeln einen Schaden zugefügt hat, so muss der Arzt beweisen, dass der Patient den gleichen Schaden auch bei rechtmäßigem und fehlerfreiem ärztlichem Handeln erlitten hätte (vgl. Senat, Urteil vom 5. April 2005 – VI ZR 216/03, VersR 2005, 942 mwN; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. B 230, C 151 mwN). Dass das Berufungsgericht diesen den Beklagten obliegenden Nachweis als nicht geführt angesehen hat, weil es völlig offen ist, ob sich die Risiken auch bei Entfernung des Tumors im Rahmen der ersten Operation verwirklicht hätten, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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dd) Entgegen der Auffassung der Revision ist der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang zwischen der vom Beklagten zu 2 verursachten Rechtsgutsverletzung und den von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsschäden auch nicht aufgrund des Schutzzwecks der haftungsbegründenden Norm zu verneinen.
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(1) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es anerkannt, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2010 – V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 Rn. 24; vom 11. Januar 2005 – X ZR 163/02, NJW 2005, 1420 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., vor § 249 Rn. 29 f. mwN). Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein „äußerlicher“, gleichsam „zufälliger“ Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1988 – VI ZR 37/88, VersR 1988, 1273, 1274; vom 6. Mai 2003 – VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128, 1130; BGH, Urteil vom 14. März 1985 – IX ZR 26/84, NJW 1986, 1329, 1332, jeweils mwN).
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(2) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn nach einem Behandlungsfehler durch den erstbehandelnden Arzt Folgeschäden aus einer Behandlung durch einen nachbehandelnden Arzt zu beurteilen sind. In solchen Fällen kann es an dem erforderlichen inneren Zusammenhang fehlen, wenn das Schadensrisiko der Erstbehandlung im Zeitpunkt der Weiterbehandlung schon gänzlich abgeklungen war, sich der Behandlungsfehler des Erstbehandelnden auf den weiteren Krankheitsverlauf also nicht mehr ausgewirkt hat (vgl. Senatsurteile vom 28. Januar 1986 – VI ZR 83/85, VersR 1986, 601, 602; vom 20. September 1988 – VI ZR 37/88, aaO; Frahm/Nixdorf/Walter, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. 73). Gleiches gilt, wenn es um die Behandlung einer Krankheit geht, die mit dem Anlass für die Erstbehandlung in keiner Beziehung steht, oder wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht gelassen und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen hat, dass der eingetretene Schaden seinem Handeln haftungsrechtlich-wertend allein zugeordnet werden muss (Senatsurteile vom 20. September 1988 – VI ZR 37/88, aaO; vom 6. Mai 2003 – VI ZR 259/02, aaO).
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(3) Nach diesen Grundsätzen kommt eine Begrenzung der Einstandspflicht der Beklagten aufgrund des Schutzzwecks der Norm nicht in Betracht. Die im Streitfall eingetretenen Schäden fallen nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm. Die die Beklagten treffende Verpflichtung zu einer den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechenden Versorgung der Klägerin diente u.a. dem Zweck, sie vor einem an sich nicht erforderlichen Zweiteingriff und den damit einhergehenden Folgen zu bewahren. Die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsschäden stehen auch in einem inneren Zusammenhang mit der durch die Beklagten geschaffenen Gefahrenlage. Der den Beklagten vorzuwerfende Behandlungsfehler hat den weiteren Krankheitsverlauf entscheidend geprägt, zumal den nachbehandelnden Ärzten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kein Behandlungsfehler vorzuwerfen ist. Durch den Behandlungsfehler des Beklagten zu 2 ist die Nachoperation der Klägerin veranlasst worden. Die Klägerin musste sich nur deshalb einer zweiten Darmoperation unterziehen, weil dieser im Rahmen der von ihm vorgenommenen Darmresektion den von dem Tumor betroffenen Darmabschnitt (grob) fehlerhaft nicht mit entfernt hatte. Die eingetretenen Folgeschäden beruhen auf diesem zusätzlichen Eingriff, der der Klägerin bei korrektem medizinischem Vorgehen erspart geblieben wäre.
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2. Die Anschlussrevision der Klägerin ist zulässig.
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a) Es kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht die Zulassung der Revision trotz der insoweit uneingeschränkten Fassung des Urteilstenors nur zugunsten der Beklagten ausgesprochen oder – wie die Revision meint – auf den Grund des Anspruchs beschränkt hat (vgl. zum Grundurteil über die haftungsausfüllende Kausalität: BGH, Urteil vom 26. September 1996 – VII ZR 142/95, NJW-RR 1997, 188). Denn gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) setzt die Statthaftigkeit der Anschließung abweichend von dem bis dahin geltenden Recht nicht mehr voraus, dass auch für den Anschlussrevisionskläger die Revision zugelassen worden ist. Daher kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 2003 – KZR 32/02, NJW 2003, 2525; vom 26. Juli 2004 – VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174, 3176; vom 22. November 2007 – I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 39).
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b) Auch nach neuem Recht erfordert die Statthaftigkeit der Anschließung allerdings, dass zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der Revision ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 22. November 2007 – I ZR 74/05, aaO Rn. 40). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Revision und Anschlussrevision betreffen jedenfalls zum Teil denselben Anspruch, nämlich die Forderung der Klägerin auf Ersatz des ihr entstandenen Haushaltsführungsschadens, der ihr infolge der im Zusammenhang mit dem Zweiteingriff aufgetretenen Komplikationen (Nahtinsuffizienz, Fistelbildung, misslungene Stomarückverlagerung) entstanden ist.
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3. Die Anschlussrevision hat auch in der Sache Erfolg. Sie wendet sich mit Erfolg gegen die Schätzung des der Klägerin schadensbedingt entstandenen Haushaltsführungsschadens.
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a) Die Anschlussrevision beanstandet allerdings nicht, dass sich das Berufungsgericht bei der Bemessung des der Klägerin entstandenen Haushaltsführungsschadens an dem Tabellenwerk von Schulz-Borck (Schadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl.) orientiert hat. Die Anschlussrevision nimmt auch hin, dass das Berufungsgericht den objektiv erforderlichen Zeitaufwand für die Aufrechterhaltung der Haushaltsführung nach dem bisherigen Standard auf dieser Grundlage auf 1.553,76 Stunden geschätzt hat. Die diesbezüglichen Erwägungen des Berufungsgerichts lassen Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. zur Berücksichtigung anerkannter Tabellenwerke bei der Schätzung: Senatsurteil vom 3. Februar 2009 – VI ZR 183/08, VersR 2009, 515).
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b) Die Anschlussrevision beanstandet aber mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens die Vergütung einer fiktiven Ersatzkraft mit 8,50 € pro Stunde bemessen hat.
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aa) Zwar ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 3. Februar 2009 – VI ZR 183/08, VersR 2009, 515 Rn. 5; vom 12. Juli 2011 – VI ZR 214/10, AfP 2011, 362 Rn. 15; vom 27. März 2012 – VI ZR 40/10, juris Rn. 6). Zur Ermöglichung der Überprüfung muss der Tatrichter aber die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihrer Auswertung darlegen (BGH, Urteile vom 30. April 1952 – III ZR 198/51, BGHZ 6, 62, 63; vom 26. März 2003 – XII ZR 167/01, NJW-RR 2003, 873, 874; Musielak/Foerste, ZPO, 9. Aufl., § 287 Rn. 10).
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bb) Hieran fehlt es vorliegend. Das Berufungsgericht hat die Höhe der Vergütung einer fiktiven Ersatzkraft pauschal auf 8,50 € pro Stunde geschätzt. Die Anschlussrevision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht nicht zu erkennen gegeben hat, wie es auf diesen Betrag gekommen ist. Den Entscheidungsgründen ist nicht zu entnehmen, welche Erwägungen für die getroffene Entscheidung insoweit maßgebend waren.