Zur Frage des Eigentums an der Spree gelegenen Ufermauer

BGH, Urteil vom 27. März 2015 – V ZR 216/13

Zur Frage des Eigentums an einer an der Spree gelegenen Ufermauer

Tenor

Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Kammergerichts vom 19. Juli 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Klägerin, eine Immobiliengesellschaft des Landes Berlin, gehört ein Ufergrundstück an der Spree im früheren Ostteil von Berlin. Die Spree ist eine Binnenwasserstraße, die als Bundeswasserstraße im Eigentum der beklagten Bundesrepublik Deutschland (fortan: Beklagte) steht. Sie verläuft vor dem Grundstück der Klägerin entlang einer Ufermauer, die zwischen 1907 und 1910 durch den Magistrat der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin, der das Grundstück damals gehörte, errichtet wurde. Nach den Ergebnissen einer Grenzvermessung befindet sich die Krone der Ufermauer auf dem Ufergrundstück der Klägerin. Das Fundament der Mauer setzt in ihrem sichtbaren Teil auf einer unter dem Wasserspiegel befindlichen schrägen Spundwand auf, die ihrerseits schräg in das Gewässerbett der Spree eingebracht ist und dort gründet.

Die Parteien streiten wegen der damit verbundenen Unterhaltungs- und Sanierungskosten um das Eigentum an dieser Ufermauer. Die Klägerin hält sie für Bundeseigentum, die Beklagte meint hingegen, die Ufermauer gehöre der Klägerin.

Das Landgericht hat die auf Feststellung des Alleineigentums der Beklagten gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht der Klage – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – aus einem im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag stattgegeben und hälftiges Miteigentum der Parteien an der Mauer festgestellt.

Mit ihren von dem Senat zugelassenen Revisionen möchten beide Parteien die Feststellung des Alleineigentums der jeweils anderen Partei an der Ufermauer erreichen.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht meint, die Ufermauer sei eine Grenzanlage im Sinne von § 921 BGB und stehe als solche im hälftigen Miteigentum der Parteien. Eine Einordnung als Scheinbestandteil im Eigentum der Klägerin scheitere daran, dass sie nicht zum nur vorübergehenden Verbleib auf dem Gewässerbett der Spree bestimmt gewesen sei. Die Mauer sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Überbaus als wesentlicher Bestandteil insgesamt entweder dem der Beklagten gehörenden Gewässerbett der Spree oder dem Ufergrundstück der Klägerin zuzurechnen. Die Annahme eines Überbaus zu Lasten des Ufergrundstücks scheitere daran, dass die Mauer von der damaligen Eigentümerin des Ufergrundstücks errichtet worden sei. Einem Überbau zu Lasten des Gewässergrundstücks der Beklagten stehe entgegen, dass die Mauer als eine Art „umgekehrter Überbau“ nicht von dem Ufergrundstück auf das Gewässerbett der Spree, sondern von diesem aus auf das Ufergrundstück gebaut worden sei. Außerdem seien Mauern begrifflich nicht als Gebäude im Sinne des § 912 BGB anzusehen. Die Mauer stehe auch nicht auf Grundlage des Bundeswasserstraßengesetzes oder anderer öffentlichrechtlicher Regelungen im Alleineigentum der Beklagten. Hierbei könne es auf sich beruhen, ob das Ufergrundstück einschließlich der Mauer Zubehör der Spree im öffentlichrechtlichen Sinne sei. Die Zubehöreigenschaft führe nicht ohne Weiteres zu einer Enteignung des bisherigen Berechtigten zu Gunsten der Beklagten.

II.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung in den entscheidenden Punkten nicht stand.

Zur Revision der Beklagten:

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Ufermauer stehe in hälftigem Miteigentum der Parteien, weil sie eine Grenzanlage sei, ist rechtsfehlerhaft. Eine Grenzanlage steht nicht im Miteigentum, sondern im entlang der Grenze lotrecht geteilten (Allein-)Eigentum der Grundstücksnachbarn.

1. Nach nahezu einhelliger Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung besteht an einer Grenzanlage vertikal gespaltenes Eigentum entsprechend dem Verlauf der Grundstücksgrenze (vgl. RGZ 162, 209, 212; OLG Düsseldorf, OLGZ 1978, 190, 191 f. und NJW-RR 1991, 656, 657 mwN; LG Gießen, NJW-RR 1995, 77; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, 3. Aufl., § 921 Rn. 10; Erman/A. Lorenz, BGB, 14. Aufl., § 921 Rn. 4; Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 921 Rn. 4; PWW/Lemke, BGB, 9. Aufl., § 921 Rn. 9; MüKoBGB/Säcker, 6. Aufl., § 921 Rn. 5; Soergel/Baur, BGB, 13. Aufl., § 921 Rn. 8; Staudinger/Roth, BGB

[2009], § 921 Rn. 17; aA Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl., B § 7 S. 15 ff.). Der Senat hat die Frage bislang nicht allgemein entschieden (Urteile vom 25. Mai 1984 – V ZR 19/82, BGHZ 91, 282, 287 und vom 15. Oktober 1999 – V ZR 77/99, BGHZ 143, 1, 4), ist dem aber für den ungefällten Grenzbaum im Sinne von § 923 BGB (Urteil vom 2. Juli 2004 – V ZR 33/04, BGHZ 160, 18, 21 f.) und – bei einem unentschuldigten Überbau – für die Kommunmauer vor dem Anbau durch den Nachbarn gefolgt (Urteil vom 17. Januar 2014 – V ZR 292/12, NJW-RR 2014, 973 Rn. 25 f.).

2. Für eine Ufermauer zwischen dem Ufergrundstück und dem Gewässer gilt nichts anderes.

a) Die Befugnis zur gemeinsamen Benutzung und die Verpflichtung zur gemeinsamen Unterhaltung einer Grenzeinrichtung nach den §§ 921, 922 BGB besagen über die Eigentumsverhältnisse nichts. Der Gesetzgeber ist bei Schaffung der genannten Vorschriften davon ausgegangen, dass die Eigentumsverhältnisse an Grenzeinrichtungen oft nicht eindeutig und nicht einfach festzustellen sind. Er hat im Interesse einer praxisnahen Lösung gerade nicht den Versuch unternommen, die Eigentumsverhältnisse zu klären, sondern sich dafür entschieden, die praktisch wichtigen Fragen der Benutzung, der Unterhaltung und einer möglichen Entfernung der Grenzeinrichtung unabhängig von der Eigentumslage und möglichem Streit hierüber zu regeln (vgl. Motive III S. 274 f. und Senat, Urteil vom 15. Oktober 1999 – V ZR 77/99, BGHZ 143, 1, 4). Damit bleiben für das Eigentum an einer Grenzanlage die Regelungen in § 946, § 94 Abs. 1 und § 905 Satz 1 BGB maßgebend, aus denen sich der Grundsatz der vertikalen („lotrechten“) Teilung ergibt. Dies hat zur Folge, dass jedem Grundstückseigentümer derjenige Teil der Grenzeinrichtung gehört, der sich auf seinem Grundstück befindet (vgl. Senat, Urteil vom 2. Juli 2004 – V ZR 33/04, BGHZ 160, 18, 21 f. – Grenzbaum).

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt aus dem Vergleich zu einer Kommunmauer nichts anderes. Richtig ist zwar, dass an einer solchen Mauer hälftiges Miteigentum beider Grundstückseigentümer bestehen kann (Senat, Urteil vom 17. Januar 2014 – V ZR 292/12, NJW-RR 2014, 973 Rn. 26). Hälftiges Miteigentum entsteht an einer Kommunmauer aber nur, wenn ein Anbau tatsächlich erfolgt (Senat, Urteile vom 30. April 1958 – V ZR 178/56, BGHZ 27, 197, 199, vom 2. Februar 1965 – V ZR 247/62, BGHZ 43, 127, 129 und 17. Januar 2014 – V ZR 292/12, NJW-RR 2014, 973 Rn. 26). Denn erst dadurch wird die Mauer zum wesentlichen Bestandteil zweier Gebäude. Diese Besonderheit bei der Kommunmauer ist der Grund dafür, dass an ihr mit dem Anbau hälftiges Miteigentum entsteht. Zu einem solchen Anbau kann es bei einer Ufermauer, von hier nicht einschlägigen Ausnahmen wie Hafen- oder Schleusenanlagen abgesehen, nicht kommen. Darum kann die Ufermauer an einer Wasserstraße des Bundes weder als Kommunmauer angesehen noch einer solchen gleich gestellt werden.

Zur Revision der Klägerin:

Auch die Revision der Klägerin ist begründet. Nach den bisherigen Feststellungen lässt sich Alleineigentum der Beklagten an der Ufermauer nicht ausschließen. Diese kann, was das Berufungsgericht übersehen hat, nach den öffentlichrechtlichen Bestimmungen über die Entstehung und die Zuordnung des Eigentums an Bundeswasserstraßen im früheren Ostteil von Berlin mit dem Eigentum an der Spree auch das Eigentum an der Mauer als deren Zubehör erworben haben.

1. Die Beklagte hat das Eigentum an dem Teilstück der Spree, an dem das Grundstück der Klägerin liegt, mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 kraft Gesetzes erworben. An diesem Tag ist im früheren Ostteil von Berlin nach Art. 8 EinigungsV unter anderem § 1 WaStrVermRG in Kraft getreten, nach dessen Satz 1 die bisherigen Reichswasserstraßen als Bundeswasserstraßen Eigentum des Bundes sind. Die Vorschriften dieses Gesetzes gehen als die spezielleren Regelungen den allgemeinen Regelungen über die Zuordnung ehemaligen Volkseigentums vor. Die Zuordnungsvorschriften setzen zwar voraus, dass in der DDR Volkseigentum an den zugeordneten Vermögenswerten entstanden ist und schaffen es nicht (Senat, Urteile vom 11. Juli 1997 – V ZR 313/95, BGHZ 136, 228, 231 und vom 7. Dezember 2012 – V ZR 180/11, NJW 2013, 1236 Rn. 26). An der Spree war aber Volkseigentum entstanden, weil sie mit dem 1. April 1921 Reichseigentum geworden war. Das ergibt sich aus § 1 Nr. 1 und der Anlage A des Staatsvertrags betreffend den Übergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich (fortan Staatsvertrag oder WasserStrÜbergangVtr), wonach die Spree zur Reichswasserstraße und als solche Eigentum des Reichs wird. Diese Regelung ist durch Absatz 1 des Ratifikationsgesetzes vom 29. Juli 1921 (RGBl. S. 961) mit Wirkung vom 1. April 1921 als (Reichs-)Gesetz in Kraft gesetzt worden. In der Anlage A des Staatsvertrags ist die Spree in dem hier relevanten Abschnitt als auf das Reich zu übertragende Wasserstraße genannt. Daran knüpft § 1 Satz 4 WaStrVermRG für die Zuordnung der Spree als Bundesvermögen an.

2. Mit dem Eigentum an der Spree kann die Beklagte auch das Eigentum an der Ufermauer erlangt haben.

a) Der Übergang des Eigentums an einer Wasserstraße nach Art. 8 EinigungsV umfasste gemäß § 1 Satz 4 WaStrVermRG mit § 1 Nr. 1 Satz 2 WasserStrÜbergangVtr alle Bestandteile und das gesamte für die Verwaltung erforderliche Zubehör, insbesondere an Grundstücken. Den Eigentumserwerb hinderte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht, dass sich die Ufermauer nach den bisherigen Feststellungen zu einem erheblichen, wenn nicht überwiegenden Teil auf einem Grundstück befindet, das bei Wirksamwerden der Übertragung der Wasserstraße auf das Reich am 1. April 1921 nicht dem an dem Staatsvertrag beteiligten Freistaat Preußen, sondern der Stadt Berlin gehörte. Der in dem Staatsvertrag vereinbarte Eigentumsübergang trat nämlich auch ein, wenn den Ländern (Privat-)Eigentum an den übertragenen Binnenwasserstraßen und ihrem Zubehör nicht zustand. Das betraf nicht nur den Fall, dass an den Binnenwasserstraßen kein bürgerlichrechtliches, sondern öffentlichrechtliches Eigentum (BGH, Urteil vom 28. Mai 1976 – III ZR 186/72, BGHZ 67, 152, 155) oder nur ein staatliches Zugriffsrecht (Senat, Urteil vom 25. Juni 1958 – V ZR 275/56, BGHZ 28, 34, 37 und BGH, Urteil vom 22. Juni 1989 – III ZR 266/87, BGHZ 108, 110, 112) bestand. Das Reich und damit die Beklagte erwarb solche Wasserstraßen mitsamt ihrem Zubehör nach § 1 Nr. 1 Abs. 2 und § 2 Buchstabe c WasserStrÜbergangVtr auch, wenn sie im privaten Eigentum unbeteiligter Dritter standen (Senat, Urteil vom 26. Februar 1958 – V ZR 123/56, BGHZ 26, 384, 385 f.; Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 6. Aufl., Einl. Rn. 19 aE). Etwaiges Privateigentum Dritter musste zugunsten des verfassungsrechtlich begründeten Eigentums des Reichs zurücktreten (vgl. Erläuterung des Staatsvertrags in der Begründung zum Entwurf des Ratifikationsgesetzes zu dem Staatsvertrag [fortan Erläuterung des Staatsvertrags] in Verhandlungen des Reichstages, Band 367 Nr. 2235 S. 22 f. zu § 1 des Staatsvertrags; Friesecke, Recht der Bundeswasserstraßen, 1962, S. 62), nach § 1 Nr. 2 Satz 2, § 2 Buchstabe c Satz 3 WasserStrÜbergangVtr gegen eine Entschädigung nach Maßgabe des Landesenteignungsrechts.

b) Die Ufermauer, um deren eigentumsrechtliche Zuordnung die Parteien streiten, kann Bestandteil oder Zubehör der Spree in Sinne dieser Vorschriften sein.

aa) Der Staatsvertrag beschreibt den Umfang der Zuweisung des – jetzt in jedem Fall bürgerlichenrechtlichen – Eigentums an diesen Wasserstraßen in § 1 Nr. 1 Satz 2 unter Verwendung der auch im bürgerlichen Recht gebrauchten Begriffe „Bestandteil“ und „Zubehör“. Das bedeutet aber nicht, dass diese Begriffe im bürgerlichrechtlichen Sinne zu verstehen wären. Ihre Auslegung wird vielmehr durch den öffentlichrechtlichen Zweck der Vorschrift bestimmt.

bb) Mit dem Regelungsauftrag in Art. 97 und 171 WRV und dem diesen umsetzenden Staatsvertrag sollten die verkehrswichtigen Wasserwege des Reichs wegen ihrer infolge der wirtschaftlichen Entwicklung zunehmend gewachsenen Verkehrsbedeutung und zur weiteren Stärkung und Förderung des allgemeinen Wohls im gesamtstaatlichen Interesse in der Hand des Reichs vereinigt werden (vgl. Erläuterung des Staatsvertrags in Verhandlungen des Reichstages, Band 367 Nr. 2235 S. 21). Dem Reich sollte nicht nur die zentrale Verwaltung des Verkehrs auf dem Wasser übertragen werden. Es sollte vielmehr auch volles privatrechtliches Eigentum mit allen daran haftenden Rechten und Pflichten an den in seine Verwaltung übergehenden Wasserstraßen erlangen (Erläuterung des Staatsvertrags in Verhandlungen des Reichstages, Band 367 Nr. 2235 S. 22 zu § 1 des Staatsvertrags). Der innere Grund für diese Verknüpfung von Eigentum und Verwaltung liegt in der praktischen Erleichterung der dem Reich – jetzt dem Bund – obliegenden Unterhaltung und Verwaltung der Wasserstraßen (BGH, Urteil vom 22. Juni 1989 – III ZR 266/87, BGHZ 108, 110, 117). Um dieses Ziel zu erreichen, sollte alles dasjenige in das Eigentum des Reichs übergehen, was der Verwaltung der Wasserstraße bisher schon diente.

cc) Diese Voraussetzungen können entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht auch bei Ufermauern vorliegen. Weder § 1 WaStrVermRG noch der Staatsvertrag oder seine Erläuterung ergeben einen Anhaltspunkt dafür, dass Ufermauern von dem Übergang des Eigentums von Wasserstraßenzubehör generell ausgenommen sind. Dagegen spricht schon, dass der dem Träger einer Wasserstraße erster Ordnung vorbehaltene Ausbau des Ufers die Herstellung einer Ufermauer umfassen und dass die Anlegung einer künstlichen Wasserstraße die Anlegung auch einer Uferbefestigung in der Form einer Ufermauer erfordern kann. Der Bundesgesetzgeber sieht das nicht anders. Er hat in § 1 Abs. 4 Nr. 2 WaStrG bestimmt, dass zu den Bundeswasserstraßen auch die ihrer Unterhaltung dienenden bundeseigenen Ufergrundstücke gehören. Das Bundeswasserstraßengesetz regelt zwar nicht das Eigentum an den Wasserstraßen, sondern im Wesentlichen die öffentlichrechtlichen Vorgaben für ihre Benutzung, ihre Verwaltung und ihren Ausbau, folgt aber bei der Beschreibung des Anwendungsbereichs den Vorgaben des Staatsvertrags (dazu: Entwurfsbegründung in BT-Drucks. V/352 S. 19 f.) und enthält damit eine legislative Interpretation der in dem Staatsvertrag verwendeten Begriffe „Zubehör“ und „Bestandteil“ einer Wasserstraße.

dd) Richtig ist allerdings, dass an die Qualifikation einer Ufermauer als Zubehör einer Wasserstraße strenge Anforderungen zu stellen sind. Als Zubehör einer Wasserstraße im Sinne von § 1 Nr. 1 WasserStrÜbergangVtr kann eine Ufermauer nicht schon angesehen werden, wenn sie der Verkehrsfunktion der Wasserstraße nützlich ist, sondern nur, wenn sie für die Herstellung oder Aufrechterhaltung der Verkehrsfunktion auf Dauer erforderlich ist. Das folgt daraus, dass die Qualifikation einer Ufermauer auf einem Ufergrundstück zur Teilenteignung kraft Gesetzes von dessen Eigentümer führt. Eine solche Teilenteignung lässt sich als Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentum nur rechtfertigen, wenn die Ufermauer, wie es in der Erläuterung des Staatsvertrags bezogen auf den Übergang von Zubehör allgemein heißt, „bisher den Zwecken und der Verwaltung der Wasserstraße gewidmet war und für deren Zwecke dauernd erforderlich ist“ (vgl. Verhandlungen des Reichstages, Band 367 Nr. 2235 S. 22 zu § 1 des Staatsvertrags).

ee) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen lässt sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder annehmen noch ausschließen. Das Berufungsgericht hat bei der Frage nach dem Vorteil der Mauer als Grenzanlage im Sinne von § 921 BGB festgestellt, die Mauer verhindere ein unkontrolliertes Abtragen der Böschung am Grundstück der Klägerin und sichere so eine ausreichend breite Fahrrinne und eine gute Schifffahrt auf der Spree. Eine Widmung und Notwendigkeit der Mauer für Zwecke der Wasserstraße Spree folgt hieraus nicht. Ob die Mauer bei Wirksamwerden des Staatsvertrags am 1. April 1921 für die Nutzung und Verwaltung der Spree gewidmet und erforderlich war, lässt sich nur nach dem Zweck beurteilen, zu dem die Mauer seinerzeit errichtet worden ist. Dazu fehlen aber die erforderlichen Feststellungen. Für das Revisionsverfahren ist deshalb zugunsten der Klägerin zu unterstellen, dass die genannten Voraussetzungen am 1. April 1921 vorgelegen haben.

III.

Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist mangels der erforderlichen Feststellungen nicht zu Endentscheidung reif. Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Zunächst wird festzustellen sein, aus welchem Anlass und zu welchem Zweck die Mauer von 1907 an errichtet worden ist. Wurde sie nach dem damals noch geltenden § 79 II 15 pr. ALR zum Ausbau des Spreeufers oder sonst zur Sicherung der Schiffbarkeit der Spree angelegt, kann sie am 1. April 1921 Zubehör der Spree gewesen und damit Alleineigentum zunächst des Reichs und später der Beklagten geworden sein. Voraussetzung dafür wäre allerdings eine plausible Erklärung dafür, dass die Maßnahme nach den getroffenen Feststellungen nicht von dem preußischen Staat, der als damaliger Gewässereigentümer nach § 79 II 15 pr. ALR eine solche Maßnahme zu veranlassen gehabt hätte, sondern von der Stadt Berlin als damaliger Eigentümerin des Ufergrundstücks durchgeführt worden ist. Sollte die Mauer durch die Stadt Berlin errichtet worden sein, um eine bessere Nutzung ihres Ufergrundstücks, insbesondere dessen Aufschüttung, zu ermöglichen, könnte die Mauer nicht als Zubehör der Spree angesehen werden.

2. Sollte die Ufermauer in erster Linie zur besseren Nutzung des Ufergrundstücks errichtet worden sein, wäre unter Berücksichtigung der vorgelegten Genehmigungsunterlagen und Vereinbarungen zwischen dem Freistaat Preußen und der Stadt Berlin weiter festzustellen, ob der Freistaat Preußen der Errichtung der Mauer nur zugestimmt hat, um der Stadt Berlin einen Ausbau des Ufergrundstücks zu ermöglichen und weil die Gründung der Mauer im Gewässerbett der Spree die Schiffbarkeit nicht beeinträchtigte (vgl. § 61 II 15 pr. ALR) oder ob er seine Zustimmung wegen – konkret festzustellender – begleitender substantieller Vorteile erteilt hat, die die Mauer für die Schiffbarkeit bot (vgl. unten b) cc)).

a) Im ersten Fall wäre die Mauer als infolge Zustimmung rechtmäßiger Überbau anzusehen. Sie stünde dann vollständig im Alleineigentum der Klägerin.

aa) Anders als das Berufungsgericht meint, scheitert die Annahme eines rechtmäßigen Überbaus weder daran, dass die Ufermauer kein Gebäude im Sinne von § 912 BGB ist, noch daran, dass es an einem „Bauen über die Grenze“ im Sinne dieser Vorschrift fehlt.

(1) (a) Die Vorschrift des § 912 BGB sieht eine Duldungspflicht zwar nur für Gebäude vor. Im Schrifttum wird aber überwiegend, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung angenommen, dass die Regelungen des Überbaus für andere größere Bauwerke gelten (Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, 3. Aufl., § 912 Rn. 8; Erman/Lorenz, BGB 14. Aufl., § 912 Rn. 2; HK-BGB/A. Staudinger, 8. Aufl., § 912 Rn. 5; Jauernig/Berger, BGB, 15. Aufl., § 912 Rn. 5; Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 912 Rn. 4; PWW/Lemke, BGB, 9. Aufl., § 912 Rn. 5; Staudinger/Roth, BGB [2009], § 912 Rn. 6; Gunia, Grenzüberbau und Akzessionsprinzip, 2008, S. 99; Tersteegen RNotZ 2006, 433, 435; Wolff-Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl., § 55 I 1 Fn. 2; im Ergebnis ebenso: MüKoBGB/Säcker, 6. Aufl., § 912 Rn. 4 f.; aA Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl., B § 24 S. 4 f.). In der Rechtsprechung ist eine entsprechende Anwendung von § 912 BGB auf eine Siloanlage bejaht (LG Meiningen, OLG-NL 1996, 281, 283), für den Damm eines Fischweihers (Senat, Urteil vom 22. September 1972 – V ZR 8/71, MDR 1973, 39) und eine Terrasse (Senat, Urteil vom 29. April 2011 – V ZR 174/10, NVwZ 2010, 1148 Rn. 15, 21) dagegen verneint worden. In der ersten der beiden Entscheidungen hat der Senat dahinstehen lassen, ob § 912 BGB im Grundsatz auch auf größere Bauwerke analog angewendet werden könnte (aaO). In der zweiten Entscheidung ist er von der Geltung der Vorschrift auch für größere Bauwerke ausgegangen (aaO Rn. 15). Daran hält der Senat fest.

(b) Unter einem Gebäude wird im bürgerlichen Recht regelmäßig ein Bauwerk verstanden, das durch räumliche Umfriedung Schutz gewährt und den Eintritt von Menschen gestattet (vgl. Soergel/Marly, BGB, 13. Aufl., § 94 Rn. 4). Ob und in welchem Umfang andere größere Bauwerke unter den Begriff Gebäude fallen, lässt sich nicht rein begrifflich, sondern nur unter Einbeziehung des Zwecks der jeweiligen Vorschrift entscheiden. So umfasst der Begriff Gebäude in § 94 BGB auch andere größere Bauwerke, weil sich sonst die Zielsetzung der Vorschrift, wirtschaftliche Werte zu erhalten und für rechtssichere Vermögenszuordnungen zu sorgen, nicht erreichen lässt (MüKoBGB/Stresemann, 6. Aufl., § 94 Rn. 1, 21; Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB [2012], § 94 Rn. 23).

(c) Bei § 912 BGB liegt es ebenso. Die Vorschrift beruht auf dem Rechtsgedanken, dass die mit der Beseitigung eines Überbaus verbundene Zerschlagung wirtschaftlicher Werte vermieden werden soll (Senat, Urteile vom 4. April 1986 – V ZR 17/85, BGHZ 97, 292, 294, vom 16. Januar 2004 – V ZR 243/03, BGHZ 157, 301, 304 und vom 19. September 2008 – V ZR 152/07, NJW-RR 2009, 24; Staudinger/Roth BGB [2009], § 912 Rn. 1; MüKoBGB/Säcker, 6. Aufl., § 912 Rn. 1). Dieser lässt sich nicht durch eine dem Wortsinn verhaftete Auslegung des Begriffs Gebäude sachgerecht verwirklichen, sondern nur durch eine Auslegung, die den Zweck der Vorschrift in den Blick nimmt. Bliebe man beim Wortlaut stehen, müsste der Nachbar einen Überbau auch dann dulden, wenn die auf sein Grundstück ragenden Bauteile eines Wohngebäudes entfernt werden könnten, ohne den in dem Wohngebäude liegenden wirtschaftlichen Wert zu zerstören. Umgekehrt dürfte er die Entfernung eines größeren Bauwerks, dessen wirtschaftlicher Wert dem eines Wohn- oder Bürogebäudes entspricht, verlangen, auch wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Duldungspflicht vorliegen. Ein solches Verständnis des Begriffs Gebäude verfehlte den Zweck der Vorschrift. Richtig ist es daher, die Vorschrift im ersten Fall einschränkend auszulegen (vgl. Senat, Urteile vom 19. September 2008 – V ZR 152/07, NJW-RR 2009, 24 Rn. 10 und vom 19. Oktober 2012 – V ZR 263/11, NJW-RR 2013, 652 Rn. 17) und sie im zweiten Fall teleologisch erweiternd auch auf andere größere Bauwerke anzuwenden, deren Beseitigung eine dem (Teil-)Abriss eines Gebäudes im engeren Sinne vergleichbare Zerschlagung wirtschaftlicher Werte bedeutete. Das ist bei der Beseitigung einer größeren Ufermauer an einer schiffbaren Binnenwasserstraße, um die es hier geht, in aller Regel der Fall.

(2) Der Anwendung des § 912 BGB steht nicht entgegen, dass es sich bei der Ufermauer um einen „umgekehrten Überbau“ handelt, der auf dem Nachbargrundstück begonnen und in das eigene Grundstück hineingeführt worden ist. Für die Anwendung der Vorschriften über den Überbau spielt es keine Rolle, wie der Überbau ausgeführt worden ist (vgl. Senat, Urteile vom 22. Februar 1974 – V ZR 103/73, BGHZ 62, 141, 146 und vom 23. Februar 1990

V ZR 231/88, BGHZ 110, 298, 302; BGH, Urteil vom 12. Juli 1984 – IX ZR 124/83, NJW 1985, 789, 790; Staudinger/Roth, BGB [2009], § 912 Rn. 13). Entscheidend ist, dass der Überbau einem Stammgrundstück zugeordnet werden kann (Senat, Urteil vom 20. Juni 1975 – V ZR 206/74, BGHZ 64, 333, 337 f.). Wenn die Mauer zum Nutzen des Ufergrundstücks errichtet worden sein sollte, wäre das Stammgrundstück, dem sie zuzuordnen ist, eben dieses Ufergrundstück.

bb) Die Mauer stünde dann vollständig im Eigentum der Klägerin. Bei einem – wie hier – rechtmäßigen oder sonst nach § 912 BGB zu duldenden Überbau gehört der überbaute Teil des Bauwerks nicht dem Eigentümer des überbauten Grundstücks, hier der Spree, sondern entsprechend § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Eigentümer des Stammgrundstücks, hier der Klägerin als heutiger Eigentümerin des Ufergrundstücks (vgl. Senat, Urteil vom 17. Januar 2014 – V ZR 292/12, NJW-RR 2014, 973 Rn. 22 f.).

b) Sollte die Errichtung der Mauer auch dem Staat konkrete substantielle Vorteile für die Schiffbarkeit der Spree geboten haben und sollte er seine Zustimmung zur Errichtung der Mauer wegen dieser Vorteile erteilt haben, wäre die Mauer eine Grenzanlage, sofern sie bei ihrer Errichtung von der Grenze zwischen dem Gewässerbett der Spree und dem Ufergrundstück geschnitten war. Sie stünde dann in entlang der Grenze lotrecht geteiltem (Allein-)Eigentum beider Parteien.

aa) Der Annahme einer Grenzanlage gemäß § 921 BGB scheitert entgegen der Ansicht der Beklagten nicht daran, dass die Grenze der Spree durch die Uferlinie bei Mittelwasserstand bestimmt wird und sich mit diesem verändern kann. Dieser Umstand mag dazu führen, dass eine auf der Grenze errichtete Anlage ihren Charakter als Grenzanlage im Sinne von §§ 921, 922 BGB verliert, wenn sich die Uferlinie als maßgebliche Grenze so verändert, dass die Anlage nicht mehr von ihr durchschnitten wird. Er hindert den Eigentümer des Ufergrundstücks aber nicht, auf der Uferlinie eine Mauer zu errichten, die unter den Voraussetzungen der §§ 921, 922 BGB von dem Gewässereigentümer zu dulden und zusammen mit dem Eigentümer des Ufergrundstücks zu unterhalten ist, solange sie Grenzanlage bleibt.

bb) Ob die Ufermauer von der Grenze zwischen dem Gewässerbett der Spree und dem Ufergrundstück geschnitten war, ist an sich nach den Verhältnissen in dem Zeitpunkt zu beurteilen, zu dem der Staatsvertrag und mit ihm der Eigentumsübergang auf das Reich wirksam geworden ist. Das ist der 1. April 1921. Hier kommt es aber ausnahmsweise auf die Verhältnisse bei der Errichtung der Mauer an. Durch die Errichtung der Mauer ist die Grenze zwischen dem Gewässerbett der Spree und dem Ufergrundstück tatsächlich unveränderlich geworden. Daran ändert es nichts, dass die Grenze zwischen der Spree und den Grundstücken an ihren Ufern im Land Berlin heute nach § 4 Abs. 5 WHG, § 6 Abs. 1 BerlWG durch die Uferlinie bestimmt wird, die sich ihrerseits nach dem Mittelwasserstand gemäß § 4 Abs. 3 BerlWG richtet. Der Mittelwasserstand ist nämlich, wie sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 BerlWG ergibt, nur ein Hilfsmittel, um die seitlich an das eigentliche Gewässerbett angrenzende Landfläche zu bestimmen, die dauernd von dem Wasser – hier – der Spree bedeckt wird. Bedeutung hat der Mittelwasserstand nur bei Ufern, welche das Wasser der Wasserstraße je nach ihrem Wasserstand in unterschiedlichem Umfang bedeckt. Bei Ufern, die auf Grund ihrer Gestalt(ung) die seitliche Ausdehnung des Wassers dauerhaft begrenzen, ist der Mittelwasserstand dagegen zur Bestimmung der Uferlinie ohne Bedeutung. Denn das Ufer beginnt, „wo der Spiegel, der Wasserstand, aufhört, …, dasselbe reicht so weit, als das Wasser sich nach seinen gewohnten Abflussverhältnissen zu erheben pflegt“ (pr. OVG, pr. OVGE 18, 259, 264 f.; ebenso pr. OVGE 11, 233, 236 f.). Damit kommt es hier nur darauf an, ob die Mauer damals, wie von dem Landgericht angenommen, auf der Uferlinie errichtet worden ist.

cc) Für die Beantwortung der Frage nach substantiellen Vorteilen für die Schiffbarkeit der Spree kommt es auf den Zustand vor der Errichtung der Mauer an. Sie wäre nur zu bejahen, wenn die Schiffbarkeit der Spree auf Grund von Gestalt und Zustand ihrer seinerzeitigen natürlichen Ufer eingeschränkt oder gefährdet war und dieser Zustand durch die Befestigung des Ufers eine nachhaltige Verbesserung erfahren hat. Dass die Ufermauer heute verhindert, dass das gegenüber dem Ausgangszustand erhöhte Gelände des Ufergrundstücks unkontrolliert in die Spree abgetragen wird, könnte dagegen nicht als substantieller Vorteile für die Schiffbarkeit der Spree angesehen werden. Denn der Eigentümer eines Ufergrundstücks dürfte eine Aufschüttung seines Grundstücks nur vornehmen, wenn er die notwendigen Vorkehrungen gegen eine Beeinträchtigung der angrenzenden Bundeswasserstraße trifft.

3. Sollte sich nicht feststellen lassen, aus welchem Grund der Staat damals der Errichtung der Mauer zugestimmt hat, wohl aber, dass sie substantielle Vorteile auch für die Schiffbarkeit der Spree hatte, dann wäre sie auf Grund der Vermutung des § 921 BGB als Grenzanlage anzusehen. Das Eigentum wäre dann lotrecht entlang der Grenze geteilt.

4. Sollten sich zwar eine Zustimmung des Staats zur Errichtung, aber weder das Motiv hierfür noch ein Vorteil für die Schiffbarkeit der Spree feststellen lassen, schiede die Annahme einer Grenzanlage aus. Die Mauer wäre dann ein rechtmäßiger Überbau und gehörte insgesamt allein der Klägerin.

Dieser Beitrag wurde unter Zivilrecht abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.