BayObLG, Beschluß vom 14.10.1999 – 3 ObOWi 96/99
Unterlassene Anmeldung Schulpflichtiger zum Schulunterricht stellt Verstoß gegen die Schulpflicht dar
Tenor:
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Neustadt a. d. Aisch vom 8. April 1999 im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben; mitaufgehoben wird die Kostenentscheidung.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Richter des Amtsgerichts Neustadt a. d. Aisch zurückverwiesen.
III. Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß der Betroffene zweier weiterer sachlich zusammentreffender Ordnungswidrigkeiten der Nichterfüllung der Pflicht zur Sorge für den Schulbesuch schuldig ist und die Liste der angewandten Vorschriften um Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG, § 20 OWiG ergänzt wird.
Gründe:
I.
Der Betroffene ist US-amerikanischer Staatsangehöriger und baptistischer Pastor. Als Erziehungsberechtigter seines am 11. 3. 1990 geborenen Sohnes und seiner am 24. 8. 1991 geborenen Tochter unterließ es der Betroffene, diese seit 1. 8. 1996 bzw. 1. 8. 1998 vollzeitschulpflichtigen Kinder zum Besuch der Volksschule anzumelden, da diese Kinder am Fernunterricht der „Roanoke Baptist Church und School“ teilnähmen.
Das Amtsgericht Neustadt a. d. Aisch verurteilte den Betroffenen am 8. 4. 1999 wegen einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit der Unterlassung der ihm obliegenden Anmeldung eines Schulpflichtigen zum Besuch der Volksschule in zwei Fällen zu zwei Geldbußen in Höhe von je 1 000 DM.
Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
II.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist zulässig (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO), aber nur zum Teil begründet.
1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen den Schuldspruch richtet, ist sie unbegründet und führt zu einer Schuldspruchergänzung.
1.1. Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Nichtanmeldung Schulpflichtiger zum Besuch der Volksschule in zwei Fällen (Art. 119 Abs. 1 Nr. 1, Art. 35 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 BayEUG) begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist der Betroffene der Erziehungsberechtigte der beiden Kinder, und diese sind seit 1. 8. 1996 bzw. 1998 vollzeitschulptlichtig (Art. 37 Abs. 1 Satz 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayEUG).
Die Anmeldepflicht des jetzigen Art. 35 Abs. 4 BayEUG wurde vom Gesetzgeber erstmals durch § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Schulpflicht vom 15. 1. 1952 (GVBl S. 11) eingeführt. Die Einführung wurde damit begründet, daß „zur Sicherung des rechtzeitigen Eintritts der schulpflichtig gewordenen Kinder in die Volksschule nach der allgemeinen Erschwerung aller Lebensverhältnisse während der jüngeren Vergangenheit eine gesetzliche Verpflichtung zur Schulanmeldung notwendig geworden“ sei (vgl. Entwurf des Gesetzes über die Schulpflicht, Verhandlungen des Bayerischen Landtags, Beil. Bd. 11 Beil. 1856 S. 7/8). Nach neuerer Gesetzeslage dient diese Pflicht aber nicht nur der „Gestellung“ schulpflichtiger Kinder, also nicht nur der Inkenntnissetzung der Schulbehörden über die bevorstehende Schulpflicht eines Kindes, sondern ersichtlich auch weiteren organisatorischen Zwecken wie der Personalbedarfsplanung (vgl. Art. 35 Abs. 4 Satz 1, Art. 42 Abs. 1 und 2 BayEUG, § 2 Abs. 1 der Volksschulordnung [VSO] vom 23. 7. 1998 [GVBl S. 516 ff.]), der Überprüfung der Schulfähigkeit (§ 2 Abs. 4 VSO), der Einweisung in eine Jahrgangsstufe (Art. 36 Abs. 3 Satz 1 BayEUG) oder der Vorbereitung einer Ausnahmegenehmigung nach Art. 36 Abs. 2 BayEUG. Aus diesem Grund ist die Anmeldepflicht auch der Pflicht der Erziehungsberechtigten, für den Schulbesuch Sorge zu tragen (Art. 76 Satz 1 BayEUG), zeitlich vorgeschaltet (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 VSO) und auch inhaltlich von dieser Pflicht zu unterscheiden. Während in der Pflicht zur Anmeldung nur zum Ausdruck kommt, daß eine Schulpflicht besteht, baut die Pflicht zur Sorge für den Schulbesuch darauf auf, wie die Schulpflicht zu erfüllen ist. Diese Zielrichtungen gehen auch klar aus § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Schulanmeldung (3. AVVoSchG) vom 18. 4. 1969 (GVBl S. 108) hervor, wonach die Pflicht zur Schulanmeldung auch dann besteht, wenn die Erziehungsberechtigten beabsichtigen, ihr Kind vom Besuch der Volksschule zurückstellen zu lassen, oder die Genehmigung eines Gastschulverhältnisses beantragen wollen.
Daß Kinder einer Schulausbildung zuzuführen sind, stellt im Grunde auch der Betroffene nicht in Abrede. Sein Verteidigungsvorbringen richtet sich ersichtlich gegen die Art und Weise, wie die Schulpflicht zu erfüllen sei. Hinsichtlich der Pflicht zur Anmeldung können aber im Hinblick auf deren Zweckbestimmung die verfassungsrechtlichen Einwände des Betroffenen (Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 GG) ebensowenig durchdringen wie die Hinweise der Rechtsbeschwerde auf supranationale Konventionen. Dieses Verteidigungsvorbringen ist jedoch im Rahmen der Beurteilung von Verstößen gegen die Schulbesuchspflicht zu erörtern (s. unten 1.2.).
1.2. Aufgrund des vom Amtsgericht festgestellten Sachverhalts hat sich der Beschuldigte aber auch (vorsätzlich begangener) Ordnungswidrigkeiten nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG in zwei Fällen schuldig gemacht. Nach Art. 76 Satz 1 BayEUG hatte er als Erziehungsberechtiger dafür zu sorgen, daß seine beiden minderjährigen schulpflichtigen Kinder regelmäßig am Unterricht teilnahmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besuchten. Die Voraussetzungen des inneren Tatbestands hat der Amtsrichter auf S. 6/7 des angefochtenen Urteils festgestellt.
Der Vorwurf, dies nicht getan zu haben, ist bereits Gegenstand der beiden Bußgeldbescheide vom 27. 11. 1998, in denen zwar als verletzte Vorschriften nur Art. 35 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 und Art. 119 Abs. 1 Nr. 1, nicht hingegen Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG aufgeführt sind, die Nichterfüllung der Pflicht zur Sorge für den Schulbesuch aber dadurch zum Ausdruck kommt, daß neben der Nichtanmeldung darauf hingewiesen wird, daß die Kinder an einem Fernunterricht der „Roanoke Baptist Church und School“ teilnehmen, den das Bayerische Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst nicht als Schulbesuch im Sinne des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen anerkenne. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, daß die Kinder des Betroffenen nicht nur nicht angemeldet worden sind, sondern auch die Volksschule nicht besuchen.
Der Umstand, daß die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit und die angewendeten Bußgeldvorschriften (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG) hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit der Nichterfüllung der Pflicht, für den Schulbesuch zu sorgen, im Bußgeldbescheid nicht angeführt sind, beeinträchtigt jedoch dessen Wirksamkeit als Verfahrensvoraussetzung nicht, da für den Betroffenen trotz dieser Fehlbezeichnung nicht in Frage stehen konnte, welcher Sachverhalt ihm zur Last gelegt werden soll und gegen welchen Vorwurf er daher seine (mögliche) Verteidigung zu richten habe (BayObLGSt 1994, 135/137; OLG Düsseldorf VRS 90, 200/211 je m. w. N.; Göhler OWiG 12. Aufl. § 66 Rn. 12 und 16). Das vom Amtsgericht in den Urteilsgründen wiedergegebene Verteidigungsvorbringen des Betroffenen stellte folgerichtig auch darauf ab, daß seine Kinder deshalb nicht schulpflichtig seien, weil sie an dem genannten Fernunterricht teilnehmen.
Zwar hat das Amtsgericht wie die Ordnungswidrigkeitenbehörde in Verkennung des Verhältnisses von Anmeldepflicht und Pflicht zur Sorge für den Schulbesuch ebenfalls nur wegen Nichterfüllung der Anmeldepflicht verurteilt, dennoch aber die für die Verletzung der Pflicht zur Sorge für den Schulbesuch erforderlichen Tatsachen festgestellt und sich insoweit mit dem Verteidigungsvorbringen des Betroffenen auseinandergesetzt.
Die Pflicht des Erziehungsberechtigten, dafür zu sorgen, daß schulpflichtige Kinder an Schulunterricht und Schulveranstaltungen teilnehmen, hatte der bayerische Gesetzgeber in § 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Ahndung der Schulversäumnisse vom 3. 9. 1949 (BayBS II S. 578) wiederaufgenommen und in § 9 Abs. 1 dieses Gesetzes unter Strafe gestellt. Erstmals im Schulpflichtgesetz vom 15. 4. 1969 (GVBl S. 97) wurden in Art. 4 die Anmeldepflicht (Abs. 1) und die Pflicht zur Sorge für den Schulbesuch (Abs. 2) zusammengeführt und Verstöße hiergegen als Ordnungswidrigkeiten ausgestaltet (Art. 119 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BayEUG).
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese gesetzlich normierte Pflicht bestehen auch im Hinblick auf die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht, so daß auch eine Berufung auf § 16 OWiG ausscheidet. In den Entscheidungen vom 17. 12. 1975 (BVerfGE 41, 29 ff.), vom 16. 10. 1979 (BVerfGE 52, 223 ff.) und vom 5. 9. 1986 (NJW 1987, 180) hat sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und der durch Art. 7 Abs. 1 GG gewährleisteten Schulhoheit auseinandergesetzt. Danach gewährt Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG den Eltern das Recht und die Pflicht, die Pflege und Erziehung ihrer Kinder nach ihren eigenen Vorstellungen frei und – vorbehaltlich des Art. 7 GG – mit Vorrang vor anderen Erziehungsträgern zu gestalten. Hierzu gehört auch das Recht zur Erziehung der Kinder in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht. Auch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG schließt das Recht der Eltern ein, ihren Kindern die von ihnen für richtig gehaltene religiöse oder weltanschauliche Überzeugung zu vermitteln. Andererseits erteilt Art. 7 Abs. 1 GG dem Staat einen verfassungsrechtlichen Erziehungsauftrag hinsichtlich der Schulerziehung. Zum staatlichen Gestaltungsbereich, der den Ländern im Schulwesen übertragen ist, gehört nicht nur die organisatorische Gliederung der Schule, sondern auch die inhaltliche Festlegung der Ausbildungsgänge und der Unterrichtsziele. Der Staat kann daher in der Schule grundsätzlich unabhängig von den Eltern eigene Erziehungsziele verfolgen. Der Erziehungsauftrag des Staates ist eigenständig und dem Erziehungsrecht der Eltern gleichgeordnet; weder dem Elternrecht noch dem Erziehungsauftrag des Staates kommt ein absoluter Vorrang zu. Danach ist die Einführung christlicher Bezüge bei der Gestaltung der öffentlichen Schulen nicht schlechthin verboten, mag auch eine Minderheit der Erziehungsberechtigten, die bei der Erziehung ihrer Kinder dieser Schule nicht ausweichen kann, keine religiöse Erziehung wünschen Die Schule darf jedoch keine missionarische Schule sein und keine Verbindlichkeit christlicher Glaubensinhalte beanspruchen; sie muß auch für andere weltanschaulichen religiöse Inhalte und Werte offen sein. Das Erziehungsziel einer solchen Schule darf – außerhalb des Religionsunterrichts, zu dessen Besuch niemand gezwungen werden kann – nicht christlich konfessionell fixiert sein. Die Bejahung des Christentums in den profanen Fächern bezieht sich in erster Linie auf die Anerkennung des prägenden Kultur- und Bildungsfaktors, wie er sich in der abendländischen Geschichte herausgebildet hat, nicht auf die Glaubenswahrheit und ist damit auch gegenüber dem Nichtchristen durch das Fortwirken geschichtlicher Gegebenheiten legitimiert. Zu diesem Faktor gehört nicht zuletzt der Gedanke der Toleranz für Andersdenkende (BVerfGE 52, 223/235 ff.; vgl. auch BVerfGE 41, 29/50 f.). Unter diesen Gesichtspunkten beschränken die allgemeine Schulpflicht und die sich daraus ergebenden weiteren Pflichten in zulässiger Weise das in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete elterliche Bestimmungsrecht über die Erziehung des Kindes (BVerfG NJW 1987, 180).
Auch die von der Rechtsbeschwerde angeführten Normen supranationalen Rechts gehen inhaltlich nicht über das einschlägige Recht der Bundesrepublik und ihrer Länder hinaus, wie es z. B. in Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Art. 7 GG seinen Niederschlag gefunden hat. Dies gilt vor allem im Hinblick auf Art. 7 Abs. 5 GG, wonach das Grundgesetz im Rahmen der sog. Privatschulgarantie unter den in Art. 7 Abs. 4 und 5 GG genannten Voraussetzungen auch die Möglichkeit der Zulassung einer Privatgrundschule auf Antrag von Erziehungsberechtigten vorsieht. Dem ist in Art. 134 Abs. 3 BV und im Dritten Teil des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen Genüge getan, wobei auch für Privatschulen die Bestimmungen über die Schulpflicht gelten (vgl. Art. 90 Satz 3 BayEUG). Auch besteht die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung nach Art. 36 Abs. 2 BayEUG, die aber im vorliegenden Falle nicht erfolgt ist. Den Grundsätzen aus Art. 136 BV wird durch Art. 46 BayEUG, § 15 VSO entsprochen.
Da der Tatrichter alle tatsächlichen Voraussetzungen einer Verurteilung wegen Nichterfüllung der Pflicht zur Sorge für den Schulbesuch festgestellt hat und dieser Vorwurf auch Gegenstand der Bußgeldbescheide war, kann der Senat den Schuldspruch insoweit ergänzen, wobei die Anmeldepflichten und die Pflichten zur Sorge für den Schulbesuch tatmehrheitlich zusammentreffen (§ 20 OWiG), da die Pflichten verschiedene Inhalte und Tragweiten haben und sich zeitlich nicht zwangsläufig decken, die Anmeldepflicht vielmehr regelmäßig der Pflicht aus Art. 76 Satz 1 BayEUG vorausgeht. Eines Hinweises gemäß § 265 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG bedurfte es nicht, da sich der Betroffene insoweit ersichtlich nicht anders hätte verteidigen können, als er dies bereits getan hat, indem er sich gegen die Pflicht gewandt hat, seine Kinder die Volksschule besuchen zu lassen.
2. Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält indessen einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2.1. Die Bußgeldbemessung kann schon deshalb keinen Bestand haben, da der Amtsrichter nicht berücksichtigt hat, daß der Betroffene sich zweier sachlich zusammentreffender Ordnungswidrigkeiten der Nichterfüllung der Pflicht zur Sorge für den Schulbesuch schuldig gemacht hat, vielmehr Anmeldepflicht und Pflicht zur Sorge für den Schulbesuch miteinander vermengt hat. Insoweit liegt hinsichtlich der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des Grads des Vorwurfes, der den Täter trifft, das Gewicht eindeutig bei dem Verstoß nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG, während der Nichterfüllung der Anmeldepflicht wesentlich geringere Bedeutung zukommt, zumal den Schulbehörden inzwischen die wesentlichen Umstände bekanntgeworden sind, die bei einer Anmeldung anzugeben waren. Insoweit wird allerdings der Tatrichter bei der Festsetzung der Geldbußen das Verschlechterungsverbot gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG zu beachten haben.
2.2. Bei der Bemessung der Geldbuße hat der Amtsrichter im Fall der Nichtanmeldung des seit 1. 8. 1996 schulpflichtigen Sohnes auch nicht berücksichtigt, daß sich der Bußgeldrahmen während der andauernden Ordnungswidrigkeit der Nichtanmeldung (bzw. auch der Nichterfüllung der Sorge für den Schulbesuch) geändert hat. Art. 119 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BayEUG setzt selbst keinen Bußgeldrahmen fest, so daß bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze vom 26. 1. 1998 (BGBl I S. 156) – in Kraft getreten am 1. 3. 1998 (BGBl. I S. 340) – der Bußgeldrahmen gemäß § 17 Abs. 1 OWiG nur bis 1 000 DM reichte und erst ab diesem Zeitpunkt auf 2 000 DM erhöht wurde. Ändert sich aber während des Tatzeitraums die Bußgelddrohung, so ist zwar nach § 4 Abs. 2 OWiG das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tathandlung gilt, dabei aber eine Gewichtung der Zeiträume vorzunehmen, in denen die Handlung unter einer milderen bzw. verschärften Bußgelddrohung stand (vgl. BayObLGSt 1995, 188/189 = NJW 1996, 1422).
2.3. Auch die Auffassung des Amtsrichters, der Betroffene könne wegen der ein für allemal getroffenen Gewissensentscheidung nicht erneut verurteilt werden, begegnet rechtlichen Bedenken (vgl. BayObLG vom 17. 11. 1986 – 3 ObOWi 161/86 = SPE [Sammlung schul- und prüfungsrechtlicher Entscheidungen] 734 Nr. 9), da hinsichtlich der hier in Frage stehenden Gewissensentscheidung ein Anerkennungsverfahren ähnlich wie bei Kriegsdienstverweigerer nicht besteht und auch ein Vergleich mit dem Gewissenskonflikt eines Kriegs- oder Zivildienstverweigerers nicht gegeben ist.
2.4. Schließlich hat der Tatrichter die Höhe der Geldbuße zwar „unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen“ (Urteil S. 11) festgesetzt, diese Verhältnisse aber im angefochtenen Urteil nicht wiedergegeben. Wird aber eine Geldbuße in der hier verhängten Größenordnung ausgesprochen, so ist eine kurze Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen geboten. Andernfalls ist nicht nachprüfbar, ob der Tatrichter die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen im erforderlichen Maß berücksichtigt hat (§ 17 Abs. 3 OWiG). Da dies im angefochtenen Urteil nicht geschehen ist, ist dem Senat auch eine eigene Bußgeldzumessung verwehrt (§ 79 Abs. 6 OWiG).
III.
Aus den dargelegten Gründen wird daher auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen sowie im Kostenausspruch aufgehoben (§ 353 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Richter des Amtsgerichts Neustadt a. d. Aisch zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG), der auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden haben wird.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß der Betroffene auch zweier weiterer sachlich zusammentreffender Ordnungswidrigkeiten der Nichterfüllung der Pflicht zur Sorge für den Schulbesuch schuldig ist und die Liste der angewandten Vorschriften um Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG und § 20 OWiG zu ergänzen ist.
Die Entscheidung ergeht nach Übertragung vom 30. 9. 1999 durch Beschluß gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1, § 80a Abs. 3 OWiG.