LG Hamburg, Beschluss vom 10.07.2017 – 326 T 181/16
Zur Versagung der Restschuldbefreiung wegen unterlassener Angabe einer titulierten Forderung
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgericht Hamburg vom 08.11.16, Aktenzeichen 68a IK 465/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Über das Vermögen des Schuldners wurde am 07.08.2015 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Hinsichtlich der sonstigen Einzelheiten des Verfahrensablaufs wird auf die in dem angegriffenen Bescheid dargestellten Gründe I. inhaltlich Bezug genommen.
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Aufgrund des Antrages einer Gläubigerin des Schuldners, die in dem Gläubigerverzeichnis bei Antragstellung nicht aufgeführt war, hat das Insolvenzgericht dem Schuldner mit Beschluss vom 08.11.2016, zugestellt am 18.11.16, die Restschuldbefreiung gemäß § 290 I Nr. 6 InsO versagt. Auch wenn der Schuldner sich bei der Antragstellung der Unterstützung eines Anwaltes bedient und dieser die Gläubigerin in das Verzeichnis nicht mit aufgenommen habe, sei ihm dieses Verschulden nach § 4 InsO, §85 II ZPO zuzurechnen. Er habe im Übrigen den Antrag selbst unterschrieben und damit versichert, dass dieser vollständig und richtig sei. Die Forderung mache 18% der zur Tabelle angemeldeten Forderungen aus. Die Gläubigerin habe 4 Monate vor der Insolvenzeröffnung einen Vollstreckungsversuch getätigt. Dass sie in dem Verzeichnis fehlt, hätte dem Schuldner auffallen müssen. Ihm sei zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
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Hiergegen legte der Schuldner sofortige Beschwerde ein, die am 01.12.16 bei Gericht einging. Er habe die Gläubigerin nicht wissentlich und nicht absichtlich übergangen. Es handele sich um ein Versehen. Ihr Fehlen in der Gläubigerliste sei ihm nicht aufgefallen. Er habe die Unterlagen von seinem Anwalt mit der Bitte bekommen, diese zu unterzeichnen. Die einzelnen Forderungen seien nicht durchgesprochen worden. Der Schuldner gehe davon aus, dass er sämtliche relevanten Unterlagen an seinen Anwalt übergeben habe. Die Gläubigerliste habe 79 Gläubiger umfasst und Forderungen von insgesamt rund 67.000 €. Die Forderung der Gläubigerin habe lediglich € 3.800 betragen. Der Schuldner habe die Gläubigerliste durchgesehen. Das Fehlen der Beschwerdegegnerin sei ihm nicht aufgefallen. Die Forderung sei durch Vollstreckungsbescheid bereits im Jahr 2010 tituliert worden. Von dem Vollstreckungsversuch der Gläubigerin sei der Schuldner nicht unterrichtet worden. Der Gerichtsvollzieher habe der Gläubigerin lediglich mitgeteilt, dass vor kurzem bereits eine Vermögensauskunft erteilt worden sei (Bl. 243 f. d. A.). Das Versehen des Schuldners sei daher nicht als grob fahrlässig einzustufen.
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Das Insolvenzgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vor. Die Gläubigerin habe eine der größeren Forderungen gegen den Schuldner.
II.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 290 III InsO, aber unbegründet.
6
Der Schuldner hat durch die Nichtangabe der Beschwerdegegnerin in seinem Gläubigerverzeichnis unstreitig den objektiven Versagungstatbestand des § 290 Abs. I Nr. 6 InsO erfüllt.
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Ihm ist auch grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
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Zwar kann dem Schuldner entgegen der Ansicht des Insolvenzgerichts ein etwaiges Fehlverhalten eines Verfahrensbevollmächtigten oder einer Schuldnerberaterin nicht über §§ 4 InsO, 85 II ZPO zugerechnet werden. Im Rahmen des § 305 I Nr. 3 InsO kann die Frage des Verschuldens nur nach dem Verhalten des Schuldners selbst beurteilt werden, denn es kommt allein auf seine persönliche Redlichkeit an und ob in seiner Person Versagungsgründe gegeben sind (BGH IX ZB 250/08, 10.02.11).
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Zu verhindern ist jedoch, dass der Schuldner sich durch die Einschaltung einer Hilfsperson jeglicher Verantwortung entledigen kann. Lässt er das Vermögensverzeichnis von einem Dritten erstellen oder vervollständigen, hat er daher vor der Unterzeichnung die Richtigkeit aller Angaben zu überprüfen. Unrichtige Angaben sind ihm sodann als eigenes Fehlverhalten zuzurechnen (BGH, a.a.O.). Dieses ist grob fahrlässig, wenn er die Überprüfung unterlassen hat.
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Im vorliegenden Fall spricht einiges für die Annahme, dass der Schuldner das Gläubigerverzeichnis schon nicht mit der gebotenen Sorgfalt hat erstellen lassen. Denn der Schuldner vermutet nach seiner eigenen Einlassung nur, dass er auch die Unterlagen bezüglich der Forderung der Beschwerdegegnerin für das Schuldenbereinigungsverfahren an seinen Anwalt übergeben habe. Aus seiner Formulierung, er „geht davon aus“ ist zu schlussfolgern, dass er dies nicht überprüft hat und selbst heute keine konkreten Angaben dazu machen kann, warum die Gläubigerin nicht in dem Verzeichnis enthalten ist. Er ist sich somit selbst nicht sicher, ob wirklich „nur“ ein Verschulden seines Anwaltes die Ursache war.
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Offenbar hat der Schuldner die Gläubigeraufstellung auch nicht noch einmal anhand der von ihm vorgelegten Unterlagen mit der gebotenen Sorgfalt geprüft. So trägt er vor, „er sei davon ausgegangen, dass alle Gläubiger in die Gläubigerliste eingetragen würden“, da er ja alle Unterlagen an seinen Anwalt übersandt habe (Bl. 238 Rs d.A.). Ferner hat er angegeben, vor der Unterschrift seien „die einzelnen Forderungen nicht besprochen worden“.
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Schließlich kann auch aufgrund der konkreten Umstände bzgl. der hier betroffenen Forderung nicht von einer nur leichten Fahrlässigkeit des Schuldners ausgegangen werden.
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Die Forderung war tituliert, d.h. mit Nachdruck verfolgt worden. Dem Schuldner müssen insoweit immer wieder gerichtliche Schreiben zugestellt worden sein. Zwar stammt der Vollstreckungsbescheid, der der Forderung zugrunde liegt, aus dem Jahr 2010. Der Schuldner hat jedoch eine Vielzahl von alten Forderungen, die aus den Jahren 2005 bis 2012 stammt, in sein Gläubigerverzeichnis aufgenommen. Es kann also nicht zugunsten des Schuldners davon ausgegangen werden, dass sein Blick sich auf den fraglichen Zeitraum bei Insolvenzantragstellung versehentlich nicht mehr auf das Jahr 2010 gerichtet hat, weil z.B. alle übrigen Forderungen erst jüngeren Datums gewesen wären.
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Die Forderung war auch der Höhe nach nicht unauffällig. Sie macht ca. 5% aller Verbindlichkeiten gegen den Schuldner aus. Die sonstigen Forderungen liegen zum größten Teil im lediglich 3-stelligen Bereich. Diese Forderung ist die vierthöchste Forderung, die gegen den Schuldner besteht. Es ist daher nicht plausibel, dass der Schuldner das Fehlen dieser Forderung bei der gebotenen sorgfältigen Durchsicht des Gläubigerverzeichnisses nicht aufgefallen wäre.
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Die sofortige Beschwerde war daher zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, § 4 InsO.
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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung für die Rechtsfortbildung oder Rechtsvereinheitlichung.
(LG Hamburg, Beschluss vom 10. Juli 2017 – 326 T 181/16 –, Rn. 17, juris)