Zur Verantwortlichkeit für die Ladungssicherung

OLG Hamm, Beschluss vom 28.01.2013 – III-5 RBs 213/12, 5 RBs 213/12

1. Fahrer und Verlader sind für die Einhaltung der Vorschriften über die Beladung und Handhabung nach Kapitel 7.5 ADR verantwortlich (§ 9 Abs 13 GGVSE).(Rn.15)

2. Halter und Beförderer haben dem Fahrzeugführer die zur Durchführung der Ladungssicherung erforderliche Ausrüstung zur Verfügung zu stellen (§ 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE). Insoweit genügt es, dass sie die im Einzelfall benötigten Sicherungsmittel in ausreichender Anzahl an einem Standort zur Verfügung stellen, an dem sich der Fahrzeugführer ihrer ohne Schwierigkeiten bedienen kann. Die tatsächliche Benutzung der zur Verfügung gestellten Sicherungsmittel ist allein Sache des Verladers und des Fahrzeugführers. Diesbezüglich obliegt dem Halter und Beförderer auch keine Kontroll- und Überwachungspflicht.(Rn.15)

(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Betroffene wird auf Kosten der Staatskasse, die auch seine notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.

Gründe

I.
1

Das Amtsgericht Essen hat den Betroffenen mit Urteil vom 07. September 2012 wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit nach § 37 Abs. 1 Nr. 6 o i.V.m. § 19 Abs. 2 Nr. 15 GGVSEB und Abschnitt 7.5.7 ADR i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 GGBefG zu einer Geldbuße in Höhe von 1.000,00 EUR verurteilt. Gegen dieses in Anwesenheit des Betroffenen verkündete und seinem Verteidiger auf Anordnung des Vorsitzenden vom 27. September 2012 am 08. Oktober 2012 zugestellte Urteil hat der Betroffene mit am 07. September 2012 bei dem Amtsgericht Essen eingegangenem Telefax-Schreiben seines Verteidigers vom selben Tage Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit am 11. Oktober 2012 bei dem Amtsgericht Essen eingegangenem Schreiben seines Verteidigers vom 08. Oktober 2011 unter näheren Ausführungen mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
2

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, wie vom Senat erkannt.

II.
3

Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde, die rechtzeitig eingelegt und fristgerecht begründet worden ist, hat entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft mit der Sachrüge Erfolg.
4

Die tatrichterlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Nichtzurverfügungstellung von Ladungssicherungsmitteln als Beförderer von Gefahrgut nicht.
5

Das Amtsgericht hat hierzu u.a. folgende Feststellungen getroffen:
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“Der 75-jährige Betroffene ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist als Transportunternehmer berufstätig und leitet einen Betrieb, zu dem nach Angaben des Betroffenen 11 Fahrzeuge gehören. Nach eigenen Angaben ist der Betroffene in dieser Branche seit seinem 18. Lebensjahr tätig. Seine persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse beschreibt der Betroffene als “geregelt”. Wörtlich ergänzte der Betroffene: “Mit dem Einkommen der letzten Jahre war ich zufrieden.”
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Über Vorbelastungen des Betroffenen in seiner Funktion als Beförderer ist dem Gericht nichts bekannt. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass der Betroffene insoweit nicht vorbelastet ist.
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Am 27.5.2010 gegen 22.17 Uhr befuhr der Zeuge Q mit einer Sattelzugmaschine mit Anhänger (amtliche Kennzeichen: … und …) die Autobahn 2 aus den Niederlanden kommend. In Gelsenkirchen wurde der Zeuge angehalten. Sein Fahrzeug wurde vom Bundesamt für Güterverkehr überprüft. Halter der Fahrzeuge war die Firma des Betroffenen, nämlich die Spedition X. Der Fahrer fuhr im Auftrag des Betroffenen.
9

Bei der Überprüfung wurde festgestellt, dass die Ladung mangelhaft gesichert oder gar völlig ungesichert war. Die Ladung bestand aus Gegenständen verschiedener Art, die überwiegend in Kartons verpackt waren. Das Gesamtgewicht der Ladung lag über 8 Tonnen. Zur Ladung des Fahrzeugs gehörte auch Gefahrgut, nämlich 50 Kilogramm Farbe, die in 4 Stahlfässern verpackt war. Die UN-Nummer des Gefahrguts lautet 1263. Es handelt sich um Gefahrgut der Klasse 3 mit dem Klassifizierungscode F 1. Die Nummer der Gefahrzettelmuster lautet 3. 45 kg Farbe waren in 3 Stahlfässern der Verpackungsgruppe III untergebracht. 5 kg Farbe befanden sich in einem Stahlfass der Verpackungsgruppe II.
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Das Gefahrgut stand auf der Ladefläche des Anhängers ungesichert inmitten anderer Ladungsgüter auf der Ladefläche eines Curtainsiders. Rutschhemmende Mittel wurden auf allen Ebenen nicht verwendet. Die Versandstücke waren untereinander nicht formschlüssig. Ladelücken waren vorhanden. Da das Verdeck mit den Spriegeln keine Ladungssicherheit darstellt, war die Ladung insgesamt ungesichert. Einige Versandstücke waren bereits verrutscht bzw. übereinander gestürzt. Die einzelnen Versandstücke waren auf Paletten geladen. Die darum angebrachte Schrumpffolie umschloss jedoch die Palette nicht, so dass auch keine wirksamen Verladeeinheiten hergestellt wurden. Somit entfalteten auch die Palettenanschlagleisten keine Wirkung.
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Eine Ladungssicherung mit Zurrgurten war so nicht möglich. Vorhandene Zurrpunkte am Anhängerboden waren zugestellt.
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Eine Ladungssicherung an Ort und Stelle war nicht möglich. Zurrgurte und rutschhemmende Matten waren zwar vorhanden, konnten jedoch nicht zu einer ordnungsgemäßen Ladungssicherung benutzt werden. Zur ordnungsgemäßen Ladungssicherung wäre es unbedingt erforderlich gewesen, die Ladung auf der Ladefläche komplett anders zu verteilen, um Lücken formschlüssig zu schließen. Dies hätte allenfalls durch Zuhilfenahme eines Gabelstaplers bewirkt werden können. Ein solcher war nicht vorhanden. Darüber hinaus war auch kein Material zum Schließen von Staulücken vorhanden.
13

Die Weiterfahrt des Lastwagens wurde an Ort und Stelle unterbunden. Das Ladegut wurde am Folgetag umgeladen.
14

Die Beladung des Anhängers war in den Niederlanden durch die Firma T in Y erfolgt. Der Fahrer hatte den Anhänger in den Niederlanden nach Dienstschluss der Beladefirma abgeholt. Er war beim Abholen dort allein. Eine ordnungsgemäße Beladung war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Es hätte zumindest eine komplette Entladung des Fahrzeugs mit einem Gabelstapler erfolgen müssen und anschließend das Ladegut formschlüssig erneut aufgeladen werden müssen unter Freihaltung der Zurrpunkte, gegebenenfalls wäre dann unter Zuhilfenahme von rutschhemmenden Matten und Zurrgurten eine ordnungsgemäße Ladungssicherung möglich gewesen. Angesichts der Aufbaulabilität des Curtainsiders ist aber auch nicht sicher, ob eine ordnungsgemäße Ladungssicherheit unter diesen Umständen überhaupt erreichbar gewesen wäre. Das Gericht geht jedenfalls zu Gunsten des Betroffenen davon aus, dass bei ordnungsgemäßer Beladung ein solcher Zustand erreichbar gewesen wäre.”
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Die tatrichterlichen Feststellungen belegen einen vorwerfbaren Verstoß gegen § 37 Abs. 1 Nr. 6 o GGVSEB nicht, wonach derjenige ordnungswidrig handelt, der vorsätzlich oder fahrlässig dem Fahrzeugführer entgegen § 19 Abs. 2 Nr. 15 GGVSEB eine erforderliche Ausrüstung nicht übergibt. Ein solcher Pflichtenverstoß des Betroffenen ist vorliegend nicht festgestellt, denn das Amtsgericht hat lediglich festgestellt, dass die näher bezeichneten Gefahrgüter nicht hinreichend gegen Verrutschen gesichert waren und die an Bord des Fahrzeugs befindlichen Sicherungsmittel nicht eingesetzt wurden. Diese Mängel können jedoch nicht dem Betroffenen in seiner Eigenschaft als Inhaber der Spedition X, die Fahrzeughalter und Beförderer war, angelastet werden. Der Halter und der Beförderer haben nach § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE im Straßenverkehr lediglich dafür zu sorgen, dass der Fahrzeugführer über die erforderliche Ausrüstung zur Durchführung der Ladungssicherung nach Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR verfügt. Damit reicht die Verantwortlichkeit des Halters und des Beförderers nicht so weit wie diejenige des Verladers und des Fahrzeugführers, die gemäß § 9 Abs. 13 GGVSE im Straßenverkehr die Vorschriften über die Beladung und die Handhabung nach Kapitel 7.5 ADR zu beachten haben. Während der Verlader und der Fahrzeugführer die volle Verantwortung für die Beachtung der Vorschriften über die Be- und Entladung und die Handhabung gefährlicher Güter nach Kapitel 7.5 ADR tragen – gegen den Fahrer Q ist ein gesondertes Bußgeldverfahren anhängig gewesen -” erschöpft sich die Verantwortlichkeit des Halters und des Beförderers für die Ladungssicherung darin, dem Fahrzeugführer die zur Durchführung der Ladungssicherung erforderliche Ausrüstung in ausreichender Anzahl an einem Standort zur Verfügung zu stellen, an dem sich der Fahrzeugführer ihrer ohne Schwierigkeiten bedienen kann. Die tatsächliche Benutzung der zur Verfügung gestellten Sicherungsmittel ist, wie sich aus § 9 Abs. 13 GGVSE ergibt, hingegen allein Sache des Verladers und des Fahrzeugführers. Diesbezüglich obliegt dem Halter und dem Beförderer auch keine Kontroll- und Überwachungspflicht (vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 26. Mai 2005 – 1 Ss OWi 98/05 – und vom 1. April 2008 – 3 Ss OWi 128/08; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.01.2008 – lV-2 Ss (OWi) 50/07 – (OWi) 79/07 III, 2 Ss (OWi) 50/07 – (OWi) 79/07 III -; jeweils zitiert nach juris; OLG Zweibrücken NZV 1989, 203).
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Dem Betroffenen kann demzufolge ein Pflichtenverstoß nicht gemacht werden. Vielmehr hat das Amtsgericht positiv festgestellt, dass Zurrgurte und rutschhemmende Matten vorhanden war. Der Betroffene hat damit seine Verpflichtung, die erforderliche Ausrüstung zur Verfügung zu stellen, erfüllt.
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Der Senat hat von der ihm in § 79 Abs. 6 OWiG eingeräumten Möglichkeit, selbst in der Sache zu entscheiden, Gebrauch gemacht und den Betroffenen frei gesprochen.
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Es ist auszuschließen, dass eine neue Hauptverhandlung noch weiteren Aufschluss zu erbringen vermag. Das Amtsgericht Essen ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, es lasse sich nicht ausschließen, dass die Ladungssicherheit mit der vom Betroffenen zur Verfügung gestellten Ausrüstung zu erzielen gewesen wäre. Zu diesem Schluss ist auch die Sachverständige ausweislich der Urteilsgründe gekommen, die nicht sicher ausschließen konnte, dass “bei formschlüssiger ordnungsgemäßer Beladung der Frachtgegenstände auf dem Auflieger unter Freihaltung der Zurrpunkte eine ordnungsgemäße Sicherung möglich gewesen wäre. Diese sei nunmehr nicht mehr vollständig zu klären, da die Konsistenz der einzelnen Ladegegenstände nunmehr nicht mehr vollständig in Erfahrung zu bringen sei.”

III.
19

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.

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