Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19.04.2012 – 5 U 33/11
Der Begriff „Verhandlungen“ im Sinne von § 203 Satz 1 BGB ist weit auszulegen. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht (Anschluss BGH, 14. Juli 2009, XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76).(Rn.31)
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 27. April 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) – 13 O 160/10 – teilweise abgeändert und unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils vom 5. Januar 2011 insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen durch Vorlage eines Verzeichnisses über die in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2009 auf Grundlage des Pachtvertrages mit dem Yachtclub D… e. V. vom 6. Oktober 1990 vereinnahmte Pacht.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.073,16 € zu zahlen.
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufrechterhalten und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 6/10 und die Beklagte zu 4/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Auskunftsauspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Zahlungsausspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 65.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Kläger ist Bucheigentümer des im Grundbuch von D… Blatt 56 des Amtsgerichts Fürstenwalde gebuchten Grundstücks Flur 2, Flurstück 38 mit einer Größe von rund 990 qm. Mit Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 6. September 2005 ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu dessen Abwesenheitspfleger mit dem Wirkungskreis u. a. der Verwaltung des Grundstücks bestellt worden. Die Beklagte ist Eigentümerin der angrenzenden Katasterparzellen 36, 37 und 39. Sämtliche Grundstücke – des Klägers und der Beklagten – sind durch einen schmalen, vermutlich in Bundeseigentum stehenden Uferstreifen von dem …see getrennt (Liegenschaftskarte 26 GA). Mit Vertrag vom 6. Oktober 1990 (28 GA) verpachtete die Beklagte u. a. den
„Bootshafen mit seinen Anlagen: Bootssteg mit Bootsstände …
Bootsschuppen
Gleisanlage – Slipanlage
Sanitärgebäude
Nutzbare Wasserfläche 3300 qm
Landfläche 3664 qm D… Flur 2 Flurst. 36/37/38/39 …“
an den Yachtclub D… e. V. zu einem anfänglichen Pachtszins von 45.000,00 DM jährlich.
2
Der Pächter zahlte zwischen 1990 und 2008 insgesamt 299.105,73 € an die Beklagte. Im selben Zeitraum verwendete die Beklagte gemäß § 3 Nr. 8 des Pachtvertrages 105.609,40 € auf die Pachtsache. Am 19. Mai 2010 veräußerte der Kläger sein Grundstück an die Beklagte.
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Mit seiner am 7. Mai 2010 (unbedingt) eingereichten Klage verlangt der Kläger von der Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über die vom 1. Januar 2009 bis 30. April 2010 auf Grundlage des Pachtvertrages gezogenen Nutzungen und klagehäufend Herausgabe der vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 2008 auf dieser Grundlage gezogenen Nutzungen in Höhe von 61.056,76 € (= [299.105,73 – 105.609,40 =] 193.496,33 : 3 = 64.498,78 – 3.442,02 [herausgegebener Nutzungen]).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
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Das Landgericht hat – unter Aufrechterhaltung eines klageabweisenden Versäumnisurteils im Übrigen – der Zahlungsklage in Höhe von 1.492,98 € stattgegeben: Auskunft sei mit Vorlage des Pachtvertrages und Mitteilung der vereinnahmten Pachtzinsen erteilt. Der Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen sei für die Jahre 1990 bis 2006 verjährt, da die dreijährige Verjährungsfrist spätestens am 1. Januar 2007 begonnen habe und die Frist aufgrund der Verhandlungen der Parteien über den Anspruch lediglich zweieinhalb Monate von Mitte Juni bis Ende August 2008 gehemmt gewesen sei, so dass Verjährung vor Klageerhebung im Mai 2010 eingetreten sei. Für die Jahre 2007 und 2008 habe der Kläger einen Nutzungsherausgabeanspruch anteilig im Verhältnis der Größe seines Grundstücks zu der Pachtfläche ([990 : [3300 + 3664 =] 6964] x 100) von 14,22 % des tatsächlich gezahlten Pachtzinses abzüglich Erhaltungsaufwendungen. Ausweislich der von der Beklagten erteilten Auskunft vom 6. Mai 2009 (37 GA) habe diese 2007 per Saldo 6.333,81 € (richtig 6.333,82 €) und 2008 per Saldo 6.713,30 € vereinnahmt, womit ein Anspruch von (jeweils 14,22 % ) 900,67 € und 954,63 € entstanden sei, der in Höhe von jeweils (3.442,02 : 19 [Jahre] =) 181,16 € durch Erfüllung erloschen sei, so dass der Kläger noch 719,51 € für 2007 und 773,47 € für 2008, mithin insgesamt 1.492,98 € beanspruchen könne. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
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Gegen dieses ihm 28. April 2011 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 13. Mai 2011 eingelegten und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 28. Juli 2011 am 14. Juli 2011 begründeten Berufung.
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Der Kläger begründet seinen Auskunftsanspruch damit, dass sich allein aus der vertraglich geschuldeten Pacht sein Anspruch auf Nutzungsherausgabe für die Zeit ab 1. Januar 2009 nicht errechnen lasse, weil die tatsächlichen Pachtzahlungen abweichen könnten und die Verrechnung mit Aufwendungen des Pächters praktiziert wurde. Weiterhin habe er gemäß § 430 BGB Anspruch auf ein Drittel der per saldo gezogenen Nutzungen, da das Eigentum von drei Eigentümern (Kläger, Beklagte und Bundesrepublik Deutschland) verpachtet worden sei. Jedenfalls müsse bei einer Aufteilung der Nutzungen nach den Grundstücksgrößen die Wasserfläche geringer gewichtet werden, da der Bund von Vereinen für Wasserflächen nicht mehr als rund 1,00 € je qm verlange. Weiterhin vertritt der Kläger unter Bezugnahme auf den Schriftwechsel mit der Beklagten die Auffassung, dass die Verjährung bei Klageerhebung nicht vollendet gewesen sei. Danach sei die Verjährung von Mitte Juni 2008 jedenfalls bis zum Schreiben der Beklagten 21. April 2010 gehemmt gewesen, da diese frühestens mit diesem Schreiben weitergehende Nutzungsherausgabeansprüche des Klägers zurückgewiesen habe.
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Der Kläger beantragt,
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in Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinen erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf es und ihr erstinstanzliches Vorbringen. Außerdem behauptet die Beklagte, ab dem 1. Januar 2010 keine Pacht für das streitgegenständliche Grundstück mehr vereinnahmt zu haben, weil es nach einem neuen, mit dem Yachtclub geschlossenen Pachtvertrag ab diesem Datum nicht mehr Pachtgegenstand sei.
II.
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Die Berufung, deren Zulässigkeit keinen Bedenken unterliegt, hat in der Sache teilweise Erfolg.
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1. Auskunft
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a) aa) Der Kläger kann zunächst Auskunft verlangen. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus § 812 ff., § 987 Abs. 1, 988, § 989, § 260 Abs. 1 BGB. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum Eigentümer, die Beklagte war in diesem Zeitraum Besitzer des Grundstücks. Ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) hat die insoweit darlegungsbelastete Beklagte nicht subsumtionsfähig vorgetragen, die lediglich pauschal ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis in Abrede stellt.
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bb) Die Verneinung des Anspruchs durch das Landgericht überzeugt nicht. Aus der von der Beklagten bis einschließlich 2008 erteilten Auskunft ergibt sich, dass sich die vereinnahmten Nutzungen (§ 99 Abs. 3, § 100 BGB) nicht mit dem ausbedungenen Pachtzins deckten. Weshalb das in der Zeit ab dem 1. Januar 2009 anders gewesen sein soll, ist nicht ersichtlich.
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Das Landgericht ist anscheinend der Auffassung, dass sich etwaige Aufwendungen der Beklagten ohnehin nicht anspruchsmindernd auswirken können. Das widerspricht freilich nicht nur der übereinstimmenden und also unstreitigen Berechnung der Nutzungen durch die Parteien, sondern der eigenen Berechnung der Nutzungen für die Jahre 2007 und 2008 durch das Landgericht.
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Davon abgesehen wäre die Auffassung des Landgerichts im Streitfall, obwohl Verwendungsersatzansprüche im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nur unter bestimmten Voraussetzungen entstehen (§§ 994 ff. BGB), auch deshalb unrichtig, weil die Pachtzinshöhe vertraglich ausdrücklich mit einer Beteiligung an den Verwendungen des Pächters verknüpft war. Nach § 3 Nr. 8 des Pachtvertrages sollte sich die Beklagte mit jährlich 25.000,00 DM an der Erhaltung und Erneuerung der Pachtsache beteiligen. Hätte der Pächter die Erhaltungslast hingegen vollständig selbst zu tragen gehabt, wäre die Pacht offensichtlich entsprechend niedriger ausgefallen. Infolgedessen ist die Pacht offenbar – wie sich aus der Auskunft vom 6. Mai 2009 ergibt – von 1990 bis 1999 von vornherein nur in Höhe von 20.000,00 DM gezahlt worden. Und auch in den Folgejahren ist der Vertrag offenbar in der Weise praktiziert worden, dass die Verwendungen des Pächters mit dem Pachtzins verrechnet wurden. Die Verwendungen beeinflussten mithin – wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen – unmittelbar die Höhe der Nutzungen.
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Davon wiederum abgesehen handelte es sich bei der Beteiligung an den Verwendungen des Pächters – eben weil nur deshalb ein Pachtzins von 45.000,00 DM jährlich erzielt werden konnte – ihrerseits um gemäß § 994 Abs. 1 und 2 BGB notwendige und erstattungsfähige Verwendungen. Denn es musste dem mutmaßlichen Willen des Klägers entsprechen, dass sein Grundstück nicht ertraglos brachliegt (§§ 670, 683 S. 1 BGB). Für die Zeit vor Bestellung des Abwesenheitspflegers ginge der Anspruch gemäß § 818 Abs. 2 und 3 BGB, § 988 BGB ohnehin nur auf den Saldo, da die Voraussetzungen des § 990 Abs. 1 BGB nicht ersichtlich sind.
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b) Auskunft hinsichtlich der ab dem 1. Januar 2010 vereinnahmten Pacht kann der Kläger dagegen nicht mehr beanspruchen. Der Anspruch ist durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB), nachdem die Beklagte mitgeteilt hat, ab diesem Datum keine Pacht mehr für das Grundstück des Klägers vereinnahmt zu haben. Unerheblich ist, dass der Kläger dies – der Sache nach: mit Nichtwissen – bestritten hat. Falls der Kläger Grund zu der Annahme hat, dass diese Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt worden (und deshalb unrichtig) ist, mag er von der Beklagten eine eidesstattliche Versicherung verlangen (§ 258 Abs. 2 BGB).
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2. Herausgabe der Nutzungen
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a) Ein Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen ist dem Grunde nach entstanden (oben 1 a).
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b) Das Landgericht hat den Anteil der auf das Grundstück des Klägers entfallenden Nutzungen mit 14,22 % zutreffend nach dem Verhältnis der Größe des Grundstücks zu der Größe der verpachteten Fläche bestimmt.
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aa) Eine Verteilung nach der Anzahl der Eigentümer der verpachteten Grundstücke kommt nicht in Betracht. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich eine solche Verteilung nicht auf § 430 BGB stützen. Die Vorschrift ist auf den Streitfall weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck (sinngemäß) anwendbar. Es fehlt schon an einer Gläubigermehrheit. Die Beklagte ist Gläubigerin des Pächters aus dem Pachtvertrag und der Kläger ist Gläubiger der Beklagten aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Auch soweit dem Kläger Ansprüche gegen den Pächter (als gutgläubigem entgeltlichen) Fremdbesitzer aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zustehen sollten, stünde ihm ein solcher Anspruch jedenfalls nicht gemeinsam mit der Beklagten zu, da er sich von vornherein auf sein Grundstück beschränkte. Weiterhin ist der Anspruch auf Nutzungsherausgabe nach §§ 987 ff. BGB sach-, nicht personenbezogen, denn es handelt sich um einen Anspruch aus Eigentum. Schließlich werden auch die konkret gezogenen Nutzungen, deren Herausgabe der Kläger verlangt, von den Parteien des Pachtvertrages nach der Größe der Pachtflächen kalkuliert worden sein, da Pachtzins und Pachtfläche einander verkehrsüblich bedingen.
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bb) Zu Unrecht meint der Kläger, dass die verpachtete Wasserfläche geringer gewichtet werden müsste. Schon der Wortlaut des Vertrages liefert ein erstes Indiz für eine Gleichgewichtung von Wasser- und Landfläche. Denn in ihm sind beide Flächen quadratmetergenau ausgewiesen. Zutreffend hat das Landgericht hervorgehoben, dass für den Pachtzweck sowohl die Wasser- als auch die Landfläche gleichbedeutend waren. Denn beider – funktional aufeinander bezogenen – Flächen bedurfte es zum Betrieb des Yachthafens (siehe auch Lichtbild 27 GA). Die Bedeutung der Wasserfläche wird zusätzlich dadurch hervorgehoben, dass der Hafen mit den Steganlagen bei der Beschreibung des Pachtgegenstandes zuvörderst genannt wird. Unerheblich ist demgegenüber, zu welchen Preisen Wasserflächen gewöhnlich von der Bundesrepublik Deutschland verpachtet werden, da der Nutzungsherausgabeanspruch auf einen nicht mit diesem Eigentümer geschlossenen Pachtvertrag gestützt wird, der zudem eine Sachgesamtheit zum Gegenstand hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Pächterin zudem Pacht an den Bund entrichtet, da dies nichts daran änderte, dass sie die Pacht an die Beklagte auch für die Nutzung der Wasserfläche entrichtet. Im Übrigen würde eine darauf gestützte Minderung der Pacht im Verhältnis Beklagte-Pächter zu einer entsprechenden Minderung des Anteils des Klägers führen.
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c) Die Beklagte kann die Herausgabe der Nutzungen nicht gemäß § 214 Abs. 1 BGB verweigern. Denn Verjährung ist nicht eingetreten.
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aa) Nach bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht unterlagen Ansprüche nach §§ 987 ff. BGB der dreißigjährigen Regelverjährung des § 195 BGB a. F., so dass ab dem 1. Januar 2002 die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB greift (Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 EGBGB).
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bb) Die Verjährung begann jedenfalls nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2006 zu laufen. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass dem Abwesenheitspfleger bereits im Jahre 2005 grobe Fahrlässigkeit i. S. v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu Last fiele.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Voraussetzungen des Verjährungsbeginns auch nicht in der Person des Klägers verwirklicht. So ist schon unklar, wo sich der Kläger in der Zeit, für die Herausgabe der Nutzungen verlangt wird, aufgehalten hat. Weiterhin ergibt sich aus der Kenntnis des Eigentums nicht die Kenntnis oder groß fahrlässige Unkenntnis von Nutzungsherausgabeansprüchen, die nach Grund und Höhe von den vertraglichen Beziehungen des unrechtmäßigen Besitzers zu einem Dritten abhängen. Die Unaufklärbarkeit des Verbleibs des Klägers und dessen Kenntnisstands geht zu Lasten der Beklagten, da sie die Beweislast für die Voraussetzungen des Verjährungsbeginns trägt.
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cc) Verjährung wäre daher mit Ablauf des 31. Dezember 2009 eingetreten, sofern die Verjährung nicht zuvor gehemmt worden ist (§ 209 BGB). Der Kläger beruft sich zu Recht auf Hemmung der Verjährungen bei Verhandlungen (§ 203 S. 1 BGB) über mindestens sechs Monate, so dass Verjährung nicht vor ihrer Hemmung durch Klageeinreichung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO) am 7. Mai 2010 eintreten konnte.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Begriff „Verhandlungen“ im Sinne von § 203 Satz 1 BGB weit auszulegen. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht (BGHZ 182, 76 Tz. 16 m. w. N.).
32
Gemessen an diesen Maßstäben ist mit dem Landgericht zunächst festzustellen, dass Hemmung mit Schreiben des Klägers vom 17. Juni 2008 eintrat, mit dem dieser die Beklagte u. a. zu Auskunft über die Pachteinnahmen aufforderte. Entgegen der Auffassung des Landgerichts endete die Hemmung jedoch nicht schon einen Monat nach dem Antwortschreiben der Beklagten vom 31. Juli 2008. Denn in diesem Schreiben hat die Beklagte ausdrücklich die Bitte geäußert, ihren Rechtsstandpunkt zu prüfen und „hierzu eine weitere Stellungnahme abzugeben“ (33 GA). Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte diese Bitte stillschweigend bis Ende August 2008 befristete.
33
Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es für eine Beendigung der Hemmung ausreiche, wenn der Ersatzberechtigte die Verhandlungen „einschlafen“ lasse. Ein Abbruch der Verhandlungen durch ein solches „Einschlafenlassen“ ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Berechtigte den Zeitpunkt versäumt, zu dem eine Antwort auf die letzte Anfrage des Ersatzpflichtigen spätestens zu erwarten gewesen wäre, falls die Regulierungsverhandlungen mit verjährungshemmender Wirkung hätten fortgesetzt werden sollen (BGH NJW 2009, 1806 Tz. 10 f.).
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Im Streitfall ist nicht erkennbar, weshalb das Schreiben des Klägers vom 9. Oktober 2008 (31 GA), mit dem er auf die Bitte der Beklagten antwortete, von dieser nach Treu und Glauben nicht mehr als Verhandlung über den Anspruch akzeptiert worden sein sollte. Jedenfalls hat die Beklagte mit Schreiben vom 3. Februar 2009 (34 GA) ihre Bitte aus dem Schreiben vom 31. Juli 2008 wiederholt und damit selbst deutlich gemacht, dass sie von einem Fortgang der Verhandlungen noch über diesen Zeitpunkt hinaus ausging. Zudem hat die Beklagte das Auskunftsverlangen mit Schreiben vom 6. Mai 2009 (36 GA) erfüllt, was die Annahme einer vorherigen Verneinung sowohl des Anspruchs als auch weiterer Verhandlungen ebenfalls verbietet.
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d) Auf Grundlage dieser Auskunft, deren Richtigkeit der Kläger nicht bezweifelt, indem er sie seiner Berechnung des Nutzungsherausgabeanspruchs zugrunde legt, kann er von der Beklagten Herausgabe der vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 2008 gezogenen Nutzungen in Höhe von 24.073,16 € (= [299.105,73 – 105.609,40 =] 193.496,33 x 14,22 % = 27.515,18 – 3.442,02 [herausgegebener Nutzungen]) beanspruchen.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, wobei der Senat, weil der Rechtsstreit teilweise noch im ersten Rechtszug anhängig ist, nur über die Kosten des Berufungsverfahrens entscheiden kann (vgl. BGH NJW 1984, 1901, 1902). Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf § 708 Nr. 10, § 711 S. 1 und 2, § 709 S. 2 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).
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Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG.