AG Bremen, Urteil vom 20.10.2011 – 9 C 232/11
Für gewisse Menschen scheint ein mobiles Verkehrsschild geradezu eine Einladung zum Umwerfen zu beinhalten. Der Aufsteller muss daher sicherstellen, dass ein solches – nicht ganz fern liegendes – Verhalten Dritter durch standfeste Aufstellung, unmöglich gemacht oder zumindest sehr erschwert wird. Er kann sich vor der Schaffung des Gefahrenbereichs gegen das Risiko des Vandalismus konkret versichern. Dem Geschädigten ist dies nur allgemein möglich. Auch bei wertender Sichtweise erscheint es sachgerecht, dem Aufsteller das Risiko des Vandalismus aufzubürden, da er durch sein Verhalten die Möglichkeit der anschließenden Tat erst schafft. Dem Geschädigten kann jedenfalls nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er sein Fahrzeug ordnungsgemäß in der Nähe eines mobilen Verkehrsschildes parkte (Rn. 17).
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.306,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.03.2011 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Nebenforderung für vorprozessuale anwaltliche Tätigkeit 186,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.06.2011 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger macht Schadensersatz geltend.
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Am 24.10.2010 parkte der Kläger seien PKW der Marke Citroen Berlingo, amtliches Kennzeichen MS-MC 1148, vor dem Hotel Westfalia in der Langenmarckstraße 38-42 in Bremen. Neben der Parkbucht war zuvor von der Beklagten auf dem angrenzenden Grünstreifen ein mobiles Verkehrsschild aufgestellt worden. Dieses fiel auf den Wagen des Klägers und verursachte an dem Fahrzeugheck einen Schaden in Höhe von 1.231,66 €. Für den entsprechenden Kostenvoranschlag verauslagte der Kläger 50,00 €.
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Mit Anwaltsschreiben vom 02.03.2011 wurde die Beklagte unter Fristsetzung von 10 Tagen vergeblich zur Zahlung aufgefordert.
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Der Kläger behauptet, dass das Parkverbotsschild durch starken Wind umgefallen sei und die Beklagte insofern gegen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen habe. Neben dem Schadenersatz sei eine Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 € geschuldet.
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Der Kläger beantragt,
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.306,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.03.2011 zu zahlen.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Nebenforderung für vorprozessuale anwaltliche Tätigkeit 186,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, dass Dritte das Schild vorsätzlich umgeworfen hätten. Da das Schild mit einem Standfußgewicht von 84 Kilogramm beschwert gewesen sei, habe eine Böe das Schild nicht umwerfen können.
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Die Klage ist der Beklagten am 11.06.2011 zugestellt worden. Das Gericht hat den Parteien im Termin vom 15.09.2011 Hinweis erteilt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Kläger hat gemäß §§ 823 I, 249 BGB Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in geltend gemachter Höhe. Die Beklagte hat durch die Aufstellung des Schildes auf einem Grünstreifen in unmittelbarer Nähe zu einer angrenzenden Parkbucht eine Gefahrenquelle im öffentlichen Verkehrsraum eröffnet und gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen. Ein durch eine Windböe verursachtes Umfallen des Schildes wäre der Beklagte ebenso wie ein durch Vandalen bewirktes Umwerfen zuzurechnen; im Einzelnen:
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Die Beklagte hat das mobile Verkehrsschild unstreitig auf einem Grünstreifen aufstellen lassen. Dies birgt naturgemäß die Gefahr eines unsicheren Standes mit sich, weil eine Grassohle niemals plan ist. Außerdem wurde das Schild nur ca. 2 Meter von einer benachbarten Parkbucht aufgestellt (Lichtbilder Bl. 7 d.A.). Hierdurch setzte die Beklagte die Gefahr, dass im Fall des Umschlagens des Schildes der Schilderkopf in den Bereich der Parkbucht hineinschlägt und dort geparkte Fahrzeuge beschädigt.
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Ein durch Wind bewirktes Umfallen des Schildes wäre der Beklagten unzweifelhaft zuzurechnen, da sich insofern das typische Risiko der Schilderaufstellung verwirklicht hätte. Selbst wenn das Schild tatsächlich mit 84 Kilogramm beschwert gewesen sein sollte, wäre diese Sicherungsmaßnahme nicht ausreichend gewesen. Schließlich ist gerade in Bremen regelmäßig mit starkem Wind und Sturmböen zu rechnen; wie das Umschlagen zeigt, wäre das Gewicht nicht ausreichend gewesen (vgl. AG Hamburg, Urteil vom 06.05.2009, 7 C 16/08 – Verkehrslexikon).
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen (BGH NJW 2007, 1683 m.w.N.).
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Auch ein durch Dritte vorsätzlich bewirktes Umstürzen des Schildes und der damit einhergehende Schaden wäre Beklagten somit zuzurechnen (vgl. auch Palandt, 69. A., § 249, Rn. 49, 64, § 823 Rn. 51;). Mit einem solchen (strafbaren) Verhalten Dritter ist – wie die Lebenserfahrung zeigt – bedauerlicherweise stets zu rechnen. Für gewisse Menschen scheint ein mobiles Verkehrsschild geradezu eine Einladung zum Umwerfen zu beinhalten. Der Aufsteller muss daher sicherstellen, dass ein solches – nicht ganz fern liegendes – Verhalten Dritter durch standfeste Aufstellung, unmöglich gemacht oder zumindest sehr erschwert wird. Er kann sich vor der Schaffung des Gefahrenbereichs gegen das Risiko des Vandalismus konkret versichern. Dem Geschädigten ist dies nur allgemein möglich. Auch bei wertender Sichtweise erscheint es sachgerecht, dem Aufsteller das Risiko des Vandalismus aufzubürden, da er durch sein Verhalten die Möglichkeit der anschließenden Tat erst schafft. Dem Geschädigten kann jedenfalls nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er sein Fahrzeug ordnungsgemäß in der Nähe eines mobilen Verkehrsschildes parkte.
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Der Schaden von 1.231,66 € Reparaturkosten zzgl. Kosten für den Kostenvoranschlag von 50,00 € wurden nicht streitig gestellt; die geltend gemachte Unfallpauschale von 25,00 € ist angemessen.
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Die Nebenforderungen folgen aus den §§ 286, 288, 291 BGB; die Nebenentscheidungen basieren auf den §§ 91, 709 ZPO.