Zur Geltendmachung von Schadensersatz aus Mängeln an Dachfenstern durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft

AG Halle (Saale), Urteil vom 11.10.2011 – 95 C 2198/11

Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist aufgrund ihrer Teilrechtsfähigkeit (§ 10 VI WEG) für die Durchsetzung solcher Ansprüche allein zuständig, die ein eigenständiges Vorgehen der einzelnen Wohnungseigentümer nicht zulassen. Dazu gehören diejenigen Rechte aus einem Werkvertrag auf Minderung, welche sich aus Mängeln am Gemeinschaftseigentum ergeben ebenso wie der sogenannte „kleinen Schadensersatz“ (Das Vertragsverhältnis bleibt bestehen, aber Ausgleich der durch die Mängel entstehenden Schadenspositionen), soweit er sich aus Mängeln des Gemeinschaftseigentums herleiten soll (Rn. 11).

Fenster sind (auch) für die Sicherheit eines Gebäudes erforderlich und (ebenfalls) deshalb zwingendes Gemeinschaftseigentum. Die Wohnungseigentümer können von dieser gesetzlichen Einordnung nicht durch anders lautende Vereinbarung abweichen (Rn. 12).

Tenor

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in der 94 H 32/09.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Kläger erwarben von der Beklagten im Jahre 2003 eine Eigentumswohnung in der C. Straße 12 in Halle. Die Wohnungseigentümergemeinschaft besteht insgesamt aus vier Parteien.

2

Ab Anfang 2008 traten an drei der von der Beklagten eingebauten VELUX-Dachholzfenster Feuchtigkeitsschäden auf. Über deren Ursache verhält sich ein von den Klägern eingeleitetes selbständiges Beweisverfahren zwischen den Parteien (94 H 32/09), welches das erkennende Gericht beigezogen hat.

3

Die Kläger sind der Auffassung, bei den verwendeten Holzdachfenstern sei von Beginn an der jeweilige Einbau von Heizkörpern unter dem Fensterbereich erforderlich gewesen. Ein – von der Beklagten unstreitig angebotener – nachträglicher Einbau dieser Heizungen sei den Klägern unzumutbar, da zu sehr in die Raumverhältnisse eingreifend. Daher meinen die Kläger, ihnen stehe derjenige Anspruch als Schadensersatz zu, der vom Gutachter im selbständigen Beweisverfahren als Kosten für die Nacherfüllung angegeben worden ist.

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Die Kläger beantragen,

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die beklagte Partei wird verurteilt, an die Kläger 2.400,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

8

Sie steht auf dem Standpunkt, den Klägern stehe jedenfalls ohne Beteiligung der Wohnungseigentümergemeinschaft ein solcher Schadensersatzanspruch nicht zu. Im Übrigen gehe die angebotene Nacherfüllung dem Schadensersatzanspruch vor.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage hat keinen Erfolg.

10

Jeder Wohnungseigentümer ist nur insoweit berechtigt, seine Rechte aus dem Bauvertrag geltend zu machen, als Belange des Verbandes der Wohnungseigentümer nicht berührt werden. Das gilt für den Wandlungsanspruch aus Werkvertrag und den Anspruch auf den sogenannten „großen Schadensersatz“; also den Anspruch auf komplette Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses mit Verrechnung der gegenseitigen Ansprüche.

11

Demgegenüber ist die Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund ihrer Teilrechtsfähigkeit (§ 10 VI WEG) für die Durchsetzung solcher Ansprüche allein zuständig, die ein eigenständiges Vorgehen der einzelnen Wohnungseigentümer nicht zulassen. Dazu gehören diejenigen Rechte aus einem Werkvertrag auf Minderung, welche sich aus Mängeln am Gemeinschaftseigentum ergeben (BGH vom 12.04.2007; VII ZR 236/05; vgl. BGH vom 15.04.2004; VIII ZR 130/03). Gleiches gilt für den sogenannten „kleinen Schadensersatz“ (Das Vertragsverhältnis bleibt bestehen, aber Ausgleich der durch die Mängel entstehenden Schadenspositionen), soweit er sich aus Mängeln des Gemeinschaftseigentums herleiten soll. So liegt es hier.

12

Gegenstand des Sondereigentums können keine Gebäudeteile sein, durch die die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird (§ 5 Abs. 1 WEG). Darüber hinaus sind Fenster (auch) für die Sicherheit eines Gebäudes erforderlich und (ebenfalls) deshalb zwingendes Gemeinschaftseigentum (§ 5 Abs. 2 WEG; Bärmann/Armbrüster, WEG, § 5 RN 71). Die Wohnungseigentümer können von dieser gesetzlichen Einordnung nicht durch anders lautende Vereinbarung abweichen (Bärmann/Armbrüster, § 5 RN 27 und 71 m.w.N.).

13

Ein etwaiger (kleiner) Schadensersatzanspruch wegen (womöglich) mangelhafter Fenster steht damit allein der Wohnungseigentümergemeinschaft zu, nicht den Klägern als einem Mitglied dieser Wohnungseigentümergemeinschaft.

14

Abgesehen davon ist der hier geltend gemachte (kleine) Schadensersatzanspruch nur nachrangig zu einer Nacherfüllung des Werkvertrages gegeben (§§ 634 Nr. 4, 635, 636 BGB). Nach den Darlegungen des Gutachters im selbständigen Beweisverfahren (Blatt 87 in 94 H 32/09) besteht die nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik angezeigte Nachbesserungsmöglichkeit in der Installation von Heizkörpern unterhalb der Fenster. Genau diese Lösung hat die Beklagte angeboten. Ein Übergang zum Schadensersatzanspruch wäre nur dann möglich, wenn diese Alternative den Bestellern (also den Klägern) unzumutbar ist (§ 636 BGB). Dafür reicht die bloße Einschränkung von Stellmöglichkeiten bei Möbeln in den betroffenen Zimmern nicht hin.

15

Der Kostenausspruch ergibt sich aus § 91 ZPO. Er bezieht sich (wie sich aus der Zielrichtung des § 494a Abs. 1 ZPO ergibt) auch auf die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens.

16

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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