Zur Berechnung des Einkommensverlust, wenn der Geschädigte bereits Investitionen zur Einreichung seines wirtschaftlichen Ziels vorgenommen hat

BGH, Urteil vom 15.07.1997 – VI ZR 208/96

Zur Berechnung des Einkommensverlustes in den Fällen, in denen der Geschädigte zur Erreichung seines wirtschaftlichen Zieles bereits Investitionen vorgenommen hat.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Kläger wird unter teilweiser Aufhebung des Urteils des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 22. April 1996 das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 23. Dezember 1994 weiter dahin abgeändert, daß der Beklagte verurteilt wird, an die Kläger über den durch das Oberlandesgericht Bamberg bereits zuerkannten Betrag von 52.965,37 DM nebst Zinsen hinaus weitere 33.192,24 DM nebst 4% Zinsen seit dem 24. April 1992 zu zahlen.

Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Kläger 2/3 und der Beklagte 1/3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern zu 4/9 und den Beklagten zu 5/9 auferlegt. Von den Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger 1/3 der Gerichtskosten und 4/9 der außergerichtlichen Kosten zu tragen. Der Beklagte trägt 2/3 der Gerichtskosten und 5/9 der außergerichtlichen Kosten.

Von Rechts wegen

Tatbestand
1
Die Kläger betreiben einen Schweinemastbetrieb. Der Beklagte, ein Tierarzt, hat diesen Betrieb über mehrere Jahre bis Mitte Januar 1991 tierärztlich betreut.

2
Im September 1990 trat im Schweinemastbetrieb der Kläger eine Erkrankung (Dysenterie) auf, die trotz der Beauftragung des Beklagten und – ab Mitte Januar 1991 – des Tierarztes P. dazu führte, daß in der Folgezeit eine große Zahl von Schweinen verendete.

3
Die Kläger machen den Beklagten für ihren hierdurch eingetretenen Schaden verantwortlich. Im Revisionsrechtszug steht nicht mehr in Frage, daß der Beklagte dafür einstehen muß, daß 251 Schweine verendet sind.

4
Die Kläger haben ihren Schaden im ersten Rechtszug auf 327.326,25 DM nebst Zinsen beziffert. Das Landgericht hat ihnen 24.577,10 DM nebst Zinsen zuerkannt. Mit ihrer Berufung haben die Kläger ihre Klageansprüche in Höhe von 135.172,80 DM weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat ihrer Klage in Höhe von 52.965,37 DM stattgegeben, und zwar in Höhe von 15.363,71 DM wegen des als “Deckungsbeitrag” bezeichneten Einkommensverlustes, in Höhe von 32.668,00 DM wegen der Kosten einer Betriebsunterbrechung, in Höhe von 4.000,00 DM wegen vergeblich aufgewandter Behandlungskosten und in Höhe von 14.175,00 DM wegen der Kosten für Mehrarbeit; den weiter geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Desinfektionskosten hat das Oberlandesgericht verneint. Den Schadensbetrag von insgesamt 66.206,71 DM hat es um ein auf 20% veranschlagtes Mitverschulden der Kläger und damit um einen Betrag von 13.241,34 DM gekürzt.

5
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie beanstandet haben, daß das Oberlandesgericht bei ihren Ansprüchen wegen des geltend gemachten Einkommensverlustes und der Kosten der Betriebsunterbrechung Abstriche vorgenommen, einen Anspruch auf Erstattung der Desinfektionskosten verneint und ihnen ein Mitverschulden von 20% angelastet hat.

6
Der Senat hat die Revision angenommen, soweit sich die Kläger dagegen wenden, daß ihnen das Oberlandesgericht ihren Anspruch auf Ersatz ihres Einkommensverlustes nicht in der geltend gemachten Höhe von 226,51 DM für jedes verendete Tier zuerkannt hat; im übrigen hat der Senat die Annahme der Revision abgelehnt.

Entscheidungsgründe
I.

7
Nach Auffassung des Berufungsgerichts beläuft sich der Anspruch der Kläger auf Ersatz ihres Einkommensausfalls für jedes verendete Tier auf 61,21 DM. Dies sei der nach § 252 BGB zu ersetzende Deckungsbeitrag, der sich aus einer Gegenüberstellung des entgangenen Roherlöses (278,25 DM pro Tier) und der ohne das Schadensereignis aufzuwendenden variablen Betriebskosten (217,04 DM pro Tier) ergebe.

II.

8
Gegen diese Berechnungsmethode wendet sich die Revision zu Recht. Sie ist für die Berechnung des Einkommensverlustes in Fällen wie dem vorliegenden ungeeignet.

9
Der Berechnungsweg, den das Berufungsgericht gewählt hat, ist auf die Berechnung des Einkommensverlustes in den Fällen zugeschnitten, in denen der Geschädigte zur Erreichung seines wirtschaftlichen Zieles noch keine Aufwendungen gehabt hat. Hat er aber bereits Investitionen vorgenommen, dann entgeht ihm, wenn die Erreichung dieses Zieles vereitelt wird, nicht nur der Differenzbetrag zwischen dem Roherlös und den hierfür aufzuwendenden Betriebskosten, vielmehr erweisen sich dann auch seine Investitionen als vergeblich. In einem solchen Fall hat der Geschädigte aus §§ 249, 252 BGB einen Anspruch auf Erstattung des entgangenen Gewinns sowie der bereits aufgewandten Betriebskosten oder – anders ausgedrückt – auf Erstattung des entgangenen Roherlöses abzüglich (noch) ersparter Betriebskosten (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 252 Rn. 16 unter Hinweis auf Grunsky, DAR 1988, 400, 405).

10
Um einen solchen Fall, in dem der Geschädigte zur Erreichung des entgangenen Roherlöses bereits Betriebskosten aufgewandt hat, geht es hier. Die verendeten Schweine waren bereits zum Teil herangemästet. Der Sachverständige, dessen Berechnungen das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legt, geht – worauf sich die Revision beruft – davon aus, daß die Investitionen für die verendeten Schweine im Durchschnitt 165,30 DM pro Tier betragen haben. Demgegenüber belaufen sich die Aufwendungen für ein vollständig gemästetes Schwein auf 217,04 DM. Dies bedeutet, daß die Kläger für jedes verendete Schwein im Durchschnitt Investitionen in Höhe von 51,74 DM erspart haben, die sie ohne das Schadensereignis noch hätten erbringen müssen. Damit beträgt der Schaden für jedes verendete Tier 226,51 DM, für 251 Tiere also 56.854,01 DM. Den Klägern steht damit wegen ihres Einkommensverlustes gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 33.192,24 DM (80% der Differenz zwischen 56.854,01 DM und 15.363,71 DM) nebst Zinsen zu.

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