BGH, Urteil vom 28. Mai 2020 – III ZR 58/19
1. Der Notar muss, wenn er um Beurkundung einer auf einen Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung ersucht wird, klären, ob es sich um einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 17 Abs. 2a BeurkG handelt, sofern der Status des Urkundsbeteiligten nicht offensichtlich ist.(Rn.12)
2. Verbleiben hiernach Zweifel an der Verbrauchereigenschaft des Urkundsbeteiligten, muss der Notar den sichersten Weg wählen und den Beteiligten wie einen Verbraucher behandeln. Auf die Einhaltung der Wartefrist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG ist auch in diesem Fall hinzuwirken.(Rn.13)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 17. April 2019 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger nimmt den Beklagten wegen notarieller Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch.
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Der Kläger – ein angestellter Pharmavertreter – kaufte mit von dem Beklagten am 12. November 2010 beurkundetem Vertrag vier in einem Mehrfamilienhaus in P. belegene, teilweise vermietete Eigentumswohnungen zum Kaufpreis von insgesamt 140.000 €. Diese und drei weitere Wohnungen in dem Objekt hatten die Verkäufer ihrerseits in der Zwangsversteigerung zum Gesamtpreis von 54.000 € erworben. Das Geschäft hatte dem Kläger der Zeuge H. -G. K. – mit dem er damals noch befreundet war – vermittelt und als gute Kapitalanlage angepriesen. Darüber hinaus hatte K. ihm für den Fall des Ankaufs die Zahlung von 20.000 € in Aussicht gestellt. Einen Vertragsentwurf hatte der Kläger vor dem Beurkundungstermin nicht erhalten. Der Beklagte beurkundete den Vertrag, ohne dies geklärt und auf die Einhaltung der Wartefrist hingewirkt zu haben.
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Zur Finanzierung des Vorhabens schloss der Kläger zwei Darlehensverträge über 109.600 € und über 29.900 €. Den letztgenannten Betrag vereinnahmte er selbst.
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Im Sommer 2013 erklärte der Kläger, der die Wohnungen vor der Beurkundung nicht mehr hatte besichtigen können und mittlerweile festgestellt hatte, dass weder eine Renovierung stattgefunden hatte noch die Mieteinnahmen die Erwartungen erreichten, die Anfechtung seiner Vertragserklärung gegenüber den Verkäufern und nahm diese in einem Vorprozess erfolglos auf Rückabwicklung in Anspruch. Im vorliegenden Verfahren verlangt er von dem Beklagten Schadensersatz unter dem Vorwurf, den Vertrag beurkundet zu haben, obwohl die zu seinem Schutz als Verbraucher bestehende Zwei-Wochen-Frist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (a.F.) noch nicht abgelaufen gewesen sei. Bei Einhaltung der gesetzlichen Wartefrist hätte er die Zeit genutzt, um anwaltlichen Rat einzuholen. Den Vertrag hätte er dann nicht mehr abgeschlossen.
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Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Der Kläger habe die Eigentumswohnungen zu gewerblichen Zwecken erworben, weswegen er nicht gemäß § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG zu belehren gewesen sei. Aber selbst wenn der Kläger Verbraucher gewesen wäre, hätte er bei Einhaltung der Wartefrist den Vertrag genauso, wie von ihm beurkundet, abgeschlossen.
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Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung des Klägers sowie Vernehmung von Zeugen abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Schadensersatzanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
I.
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Das Oberlandesgericht hat – soweit im dritten Rechtszug noch von Bedeutung – seine Entscheidung wie folgt begründet:
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Dem Kläger fehle bereits die Verbrauchereigenschaft, weshalb § 17 Abs. 2a Satz 2 BeurkG nicht anwendbar sei. Der vollfinanzierte Erwerb von vier Eigentumswohnungen sei nicht mehr im Rahmen privater Vermögensverwaltung, sondern in Ausübung einer gewerblichen Nebentätigkeit erfolgt. Es sei dem Kläger – anders als erstinstanzlich vorgetragen – nicht um eine Maßnahme zur Altersvorsorge gegangen. Er habe – persönlich vor dem Berufungssenat angehört – eingeräumt, dass das Geschäft so an ihn herangetragen worden sei, dass die Wohnungen nach Renovierung an bereits vorgemerkte Erwerber mit Gewinn von ca. 3.000 € hätten weiterverkauft werden sollen. Er habe „sozusagen eine Zwischenfinanzierung des Geschäfts“ vornehmen sollen. Aus der Finanzierung hätten dann die Renovierungskosten und die ihm versprochene Zahlung von 20.000 € bestritten werden sollen. Dieser Betrag habe sein Entgelt für die Übernahme der Finanzierung des Geschäfts sein sollen ebenso wie ein möglicher Erlös aus dem Weiterverkauf. Die Option, die Wohnungen nach Renovierung gegebenenfalls zu behalten, wenn sie gut vermietet seien, sei ihm erst später von dem Zeugen K. aufgezeigt worden.
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Selbst wenn man von einem Verbrauchergeschäft ausginge, könne sich der Beklagte mit Erfolg darauf berufen, dass der Kläger die Beurkundung nach Ablauf der Regelfrist genauso, wie geschehen, hätte vornehmen lassen. Aus der Anhörung des Klägers habe sich ergeben, dass er sich vollumfänglich auf die Angaben des Zeugen K. verlassen habe, der ihm das Geschäft als „super Anlage in einer aufstrebenden Stadt“ angepriesen habe. Die Investition habe sich selbst tragen sollen. Der Zeuge K. habe dem Kläger hiernach außerdem erklärt, die Wohnungen hätten eine gehobene Ausstattung beziehungsweise würden hochwertig renoviert. Ohne die Wohnungen zu besichtigen und ohne sich näher für die Miethöhe zu interessieren, habe der Kläger den Kaufentschluss allein aufgrund der Angaben des Zeugen K. getroffen. Dass der Kläger die Überlegungsfrist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG dazu genutzt hätte, den Vertragsentwurf durch einen Rechtsanwalt prüfen zu lassen, sei nicht wahrscheinlich. Zwar habe er angegeben, er hätte in jedem Fall anwaltlichen Rat eingeholt. Dagegen spreche jedoch sein überwiegend passives Verhalten. Auch nachdem dem Kläger – nachvertraglich – klar geworden sei, dass die Investition sich nicht tragen würde, habe er anwaltliche Hilfe zunächst nicht, sondern erstmals im Jahr 2013 in Anspruch genommen, obwohl der Schuldendienst für die Wohnung schon 2011 begonnen habe. Eine Vernehmung der Ehefrau des Klägers als Zeugin dazu, dass dieser darüber gesprochen habe, er hätte den Vertragsentwurf durch einen Rechtsanwalt prüfen lassen, sei nicht erforderlich gewesen. Der Berufungssenat gehe davon aus, dass der Kläger dies seiner Ehefrau gegenüber geäußert habe. Er habe aber eingeräumt, dass solche Überlegungen nicht zeitnah zur notariellen Beurkundung angestellt worden seien, sondern dies erst erörtert worden sei, als er erkannt habe, dass die Zusagen nicht vollständig eingehalten würden. Noch im Februar/März 2011 sei er davon ausgegangen, „etwas Tolles“ gemacht zu haben. Des Weiteren habe er damals finanziellen Bedarf im Bereich seiner privaten Lebensführung gehabt.
II.
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Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO nicht ablehnen.
12
1. Der Beklagte verstieß gegen seine Amtspflichten als Notar, weil er es unterließ, den Sachverhalt in Bezug auf die Frage, ob der Kläger als Verbraucher handelte, zu klären. Bereits dann, wenn nach einer solchen Klärung Zweifel in Bezug auf die Verbrauchereigenschaft verblieben wären, hätte er gemäß § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (in der damals maßgeblichen bis zum 30. September 2013 geltenden Fassung des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes vom 23. Juli 2002 [BGBl. I S. 2850], a.F.) verfahren müssen. Hierzu sind bislang keine Feststellungen getroffen worden.
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a) Gemäß § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F. soll der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen; bei Verbraucherverträgen, die der Beurkundungspflicht nach § 311b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB unterliegen, geschieht dies in der Regel dadurch, dass dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt wird.
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b) Der Notar muss, wenn er um Beurkundung einer auf einen Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung ersucht wird, klären, ob es sich um einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 17 Abs. 2a BeurkG handelt, sofern der Status des Urkundsbeteiligten nicht offensichtlich ist (vgl. Armbrüster in Armbrüster/Preuß/Renner, Beurkundungsgesetz und Dienstordnung für Notarinnen und Notare, 8. Aufl., § 17 Rn. 200 f; BeckOGK/Regler [Stand: 1. April 2020], § 17 BeurkG Rn. 153; Winkler, Beurkundungsgesetz, 19. Aufl., § 17 Rn. 99). Dazu muss er versuchen, den Zweck des Vertragsschlusses zu erkunden. Führt dies zu keinem eindeutigen Ergebnis, hat er, dem Gebot des sichersten Weges folgend, die Vorschriften zum Schutze des Verbrauchers – wie § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG – zu beachten (Armbrüster in Armbrüster/Preuß/Renner aaO Rn. 201; ders. in Festschrift 25 Jahre Deutsches Notarinstitut, S. 287, 296; Regler aaO; Sorge, DNotZ 2002, 593, 599).
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c) Für eine solche Klärung hatte der Beklagte Anlass, da er allein aufgrund der Tatsache, dass der Kläger eine für ein durchschnittliches Privatgeschäft unübliche Anzahl von Wohnungen erwarb, nicht als offensichtlich annehmen durfte, dass kein Verbrauchergeschäft vorlag. Die Abgrenzung, ob ein Verbrauchervertrag – das heißt ein Vertrag zwischen einem Verbraucher (§ 13 BGB) und einem Unternehmer (§ 14 BGB) – oder ein Vertrag zwischen Unternehmern vorliegt, richtet sich vielmehr nach den folgenden Kriterien.
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aa) Nach § 13 BGB (in der auf den Streitfall anwendbaren, bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002, BGBl. I S. 42) ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, wohingegen der Unternehmerbegriff in § 14 Abs. 1 BGB als das kontradiktorische Gegenteil des Verbraucherbegriffs ausgestaltet ist. Nach dem Wortlaut der Verbraucherdefinition in § 13 BGB ist die – objektiv zu bestimmende – Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend (Senat, Beschluss vom 24. Februar 2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 253, 257; BGH, Urteile vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 31 und vom 27. September 2017 – VIII ZR 271/16, NJW 2018, 146 Rn. 41 jew. mwN). Es kommt darauf an, ob das Verhalten der Sache nach dem privaten – dann Verbraucherhandeln – oder dem gewerblich-beruflichen Bereich – dann unternehmerisches Handeln – zuzuordnen ist (Senat aaO). Dabei fällt auch eine nebenberufliche Tätigkeit unter den Unternehmerbegriff des § 14 BGB (OLG Celle, NJW-RR 2004, 1645, 1646; Erman/Saenger, BGB, 15. Aufl., § 13 Rn. 14; Martinek in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK, 8. Aufl., § 14 Rn. 21).
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Für die Abgrenzung maßgeblich sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verhalten der Vertragsparteien (BGH aaO). Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses beziehungsweise der Abgabe der auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts gerichteten Willenserklärung (vgl. MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl., § 13 Rn. 36 f; Erman/Saenger aaO Rn. 19).
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bb) Unter einer gewerblichen Tätigkeit versteht man ein planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt unter Teilnahme am Wettbewerb (zB BGH, Urteile vom 27. September 2017 aaO Rn. 40; vom 29. März 2006 – VIII ZR 173/05, BGHZ 167, 40 Rn. 14 und vom 23. Oktober 2001 – XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80, 86). Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 27. September 2017 aaO). Dabei setzt ein solchermaßen planvolles Handeln einen gewissen organisatorischen Mindestaufwand voraus (Micklitz aaO § 14 Rn. 20; Martinek aaO Rn. 13).
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Die hier in Rede stehende Verwaltung eigenen Vermögens stellt hingegen regelmäßig keine gewerbliche Tätigkeit dar, sondern ist dem privaten Bereich zuzuordnen (zB BGH, Urteile vom 3. März 2020 – XI ZR 461/18, WM 2020, 781 Rn. 12; vom 20. Februar 2018 – XI ZR 445/17, WM 2018, 782 Rn. 21 und vom 23. Oktober 2001 aaO S. 86 f; jew. mwN). Dazu gehört auch der Erwerb oder die Verwaltung einer Immobilie (BGH jew. aaO). Die Höhe der verwalteten Werte ist ebenso wenig maßgeblich wie der Umfang der Fremdfinanzierung, die beim Immobilienerwerb regelmäßig zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören kann (BGH, Urteile vom 3. März 2020 aaO Rn. 13; vom 20. Februar 2018 aaO Rn. 21 f und vom 23. Oktober 2001 aaO). Die Aufnahme von Fremdmitteln lässt daher für sich genommen nicht auf ein Gewerbe schließen (BGH, Urteile vom 3. März 2020 aaO Rn. 12; vom 20. Februar 2018 aaO; vom 23. Oktober 2001 aaO und vom 23. September 1992 – IV ZR 196/91, BGHZ 119, 252, 256; Armbrüster in Festschrift 25 Jahre Deutsches Notarinstitut, S. 287, 296).
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Ausschlaggebende Kriterien für die Abgrenzung der privaten von der berufsmäßig betriebenen Vermögensverwaltung sind vielmehr der Umfang, die Komplexität und die Anzahl der damit verbundenen Vorgänge (BGH, Urteile vom 3. März 2020 aaO Rn. 13 und vom 20. Februar 2018 aaO Rn. 21 f). Erfordern diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb – wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation – so liegt eine gewerbliche Betätigung vor (zB BGH, Urteile vom 3. März 2020 aaO Rn. 12; vom 20. Februar 2018 aaO Rn. 21; vom 23. Oktober 2001 aaO; vom 23. September 1992 aaO S. 256 f und vom 25. April 1988 – II ZR 185/87, BGHZ 104, 205, 208). Ob der mit der Vermögensverwaltung verbundene organisatorische und zeitliche Aufwand das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebes vermittelt, ist eine Frage des Einzelfalls (BGH, Urteile vom 3. März 2020 aaO Rn. 13; vom 20. Februar 2018 aaO Rn. 22 und vom 23. Oktober 2001 aaO). Die Anzahl der erworbenen Immobilien ist für sich betrachtet nicht maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2001 aaO S. 86 f).
21
Auch der Weiterverkauf erworbenen Grundbesitzes fällt grundsätzlich in den Bereich privater Vermögensverwaltung; ein unternehmerischer Grundstückshandel kommt erst dann in Betracht, wenn ein bestimmtes Maß überschritten wird (Struck, MittBayNot 2003, 259, 262; vgl. auch Armbrüster aaO S. 295). Ob ein bei Erwerb einer oder mehrerer Immobilien bereits geplanter oder potentiell in Betracht gezogener Verkauf – im Gegensatz zur Vermietung – einen gewerbsmäßigen Grundstückshandel darstellen kann, beurteilt sich ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalls und insoweit vor allem nach dem erforderlichen Aufwand und der Notwendigkeit einer geschäftsmäßigen Organisation.
22
cc) Auf die Beurteilung des Gewerbebegriffs in anderen Rechtsgebieten kann demgegenüber nicht zurückgegriffen werden.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer oberster Gerichtshöfe des Bundes ist er vielmehr für jedes Gesetz selbständig nach Inhalt und Zweck der jeweiligen Vorschrift und unabhängig von dem Verständnis des Begriffs in anderen Rechtsgebieten zu bestimmen (BGH, Urteile vom 16. März 2000 – VII ZR 324/99, BGHZ 144, 86, 88 und vom 7. Juli 1960 – VIII ZR 215/59, BGHZ 33, 321, 327; BSG, NJW 1997, 1659, 1660; BVerwG, NJW 1977, 772 f; BFHE 104, 321, 323; BVerfGE 25, 28, 35).
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Insbesondere können entgegen der Ansicht des Beklagten die zu § 15 EStG und § 2 GewStG entwickelten Maßstäbe nicht auf die Abgrenzung zwischen Verbraucher und Unternehmer im Sinne der §§ 13, 14 BGB beziehungsweise des auf dieser Unterscheidung beruhenden § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG übertragen werden (ähnlich LG Kleve, Beschluss vom 25. August 2014 – 4 OH 2/14, juris Rn. 12, insoweit nicht abgedruckt in NotBZ 2015, 359 f; Bode in Blümich, EStG KStG GewStG, 15. Aufl., § 15 EStG Rn. 14 [Stand: Dezember 2018]; Krumm in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 15 Rn. 13; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. März 2020 aaO Rn. 16 zu der autonomen Auslegung von § 2 UStG). Dies gilt auch für die im Einkommen- und Gewerbesteuerrecht angewandte so genannte Drei-Objekt-Grenze, nach der steuerlich ein gewerbsmäßiger Grundstückshandel indiziert wird, wenn der Steuerpflichtige binnen eines Zeitraums von regelmäßig fünf Jahren seit dem Erwerb mehr als drei Grundstücke oder Eigentumswohnungen wieder veräußert (ständige Rechtsprechung: zB BFH/NV 2010, 212, 213 f; BFHE 233, 28, Rn. 17 ff; BFHE 197, 240, 243 f; BFHE 148, 480, 483).
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Im Steuerrecht geht es um die fiskalische Erfassung von Einkünften und deren Besteuerung (Struck aaO S. 261). Die „Drei-Objekte-Grenze“ dient der Vereinfachung (vgl. BFHE 148 aaO). Damit schafft sie zugleich Rechtssicherheit bei der Besteuerung.
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Demgegenüber unterliegen die §§ 13 und 14 BGB von vornherein einer anderen Zielrichtung. Zweck dieser zur Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten der in den Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingefügten Verbraucherschutzvorschriften (vgl. BT-Drs. 14/2658 S. 47; 14/3195 S. 32) ist es, in Verbindung mit den sonstigen dem Schutz des Verbrauchers dienenden Bestimmungen (hier § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F.) eine vermutete wirtschaftliche Ungleichheit des Verbrauchers auszugleichen, um ihn als weniger geschäftserfahrenen – strukturell unterlegenen – Teilnehmer am Rechtsverkehr im Verhältnis zu seinem Vertragspartner zu schützen (vgl. zB BGH, Urteil vom 3. März 2020 aaO Rn. 17; Erman/Saenger aaO § 14 Rn. 17; Micklitz aaO § 14 Rn. 20; Struck aaO S. 262).
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Bei der hier inmitten stehenden Frage der Anwendbarkeit der Verbraucherschutzvorschrift des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (a.F.) tritt hinzu, dass es – anders als bei der Beurteilung steuerbarer Vorgänge, die in Fällen einer bei Erwerb von Grundbesitz nur bedingt bestehenden Veräußerungsabsicht von einer retrospektiven Betrachtung geprägt sein kann – allein auf eine Einschätzung im Zeitpunkt der in Aussicht genommenen Beurkundung ankommt.
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d) Die vom Berufungsgericht für die Abgrenzung des Verbraucher- vom Unternehmergeschäft herangezogenen Umstände sind hiernach nicht maßgeblich. Dies betrifft sowohl die Absicht des Klägers, das Wohnungsgeschäft als Altersvorsorge zu tätigen, als auch die Erwartung eines Gewinns durch die baldige Weiterveräußerung nach einem Zwischenerwerb, die versprochene „Kick-back-Zahlung“ von 20.000 € und die Option, die Wohnungen nach Renovierung zu behalten, falls sie attraktiv vermietet sein sollten. All diese Gesichtspunkte sind auch mit der nichtunternehmerischen Verwaltung von Privatvermögen vereinbar.
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e) Dementsprechend sind Feststellungen dazu nachzuholen, ob der Beklagte, hätte er eine pflichtgemäße, an den vorstehenden Kriterien ausgerichtete Klärung des Status des Klägers vorgenommen, aus seiner Sicht zum Zeitpunkt des Beurkundungsersuchens zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass der Kläger bei Abgabe seiner Willenserklärung nicht als Verbraucher handelte. Wenn hieran auch nur Zweifel verblieben wären, hätte der Beklagte nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (a.F.) verfahren müssen. Hierauf kommt es allerdings nur an, wenn die Schadensersatzforderung nicht ohnedies an anderen Anspruchsvoraussetzungen scheitert.
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2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
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a) Auf die allgemeine Richtlinie, dass einen Amtsträger in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (siehe dazu zB Senat, Urteile vom 21. Februar 2019 – III ZR 115/18, WM 2019, 801 Rn. 20; vom 2. August 2018 – III ZR 466/16, VersR 2019, 28 Rn. 24; vom 7. September 2017 – III ZR 618/16, BGHZ 215, 344 Rn. 25; vom 6. Februar 1997 – III ZR 241/95, NVwZ 1997, 1243, 1245 und vom 6. Februar 1986 – III ZR 109/84, BGHZ 97, 97, 107; jew. mwN), kann sich der Beklagte hier nicht berufen. Die so genannte Kollegialgerichtsrichtlinie greift nicht ein, wenn das Gericht eine gesetzliche Bestimmung „handgreiflich falsch“ ausgelegt hat, ferner, wenn und soweit es für die Beurteilung des Falles wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat oder sich bereits in seinem rechtlichen Ausgangspunkt von einer rechtlich verfehlten Betrachtungsweise nicht hat freimachen können (Senat, Urteile vom 21. Februar 2019; vom 2. August 2018 und vom 6. Februar 1997; jew. aaO). Jedenfalls Letzteres liegt hier vor. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt seiner Beurteilung einer Amtspflichtverletzung des Beklagten die bereits seit langer Zeit gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den bürgerlich-rechtlichen Kriterien der Abgrenzung der privaten von der unternehmerischen Vermögensverwaltung (siehe oben unter 1 c bb und insbesondere bereits BGH, Urteile vom 25. April 1988 – II ZR 185/87, BGHZ 104, 205, 208 und vom 23. September 1992 – IV ZR 196/91, BGHZ 119, 252, 256) übersehen.
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b) Das Berufungsurteil ist auch mit Blick auf die Hilfserwägung, der Kläger hätte – unterstellt, er hätte als Verbraucher gehandelt – die Beurkundung auch bei Einhaltung der Wartefrist genauso, wie geschehen, vornehmen lassen, nicht im Ergebnis richtig (§ 561 ZPO). Mit Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht insoweit prozessrechtswidrig entscheidungserheblichen Sachvortrag des Klägers als widerlegt angesehen und einen Beweisantritt hierzu unberücksichtigt gelassen hat.
33
Nach der Rechtsprechung des Senats bewirkt bereits die Beurkundung eines Vertrags unter Missachtung der Wartefrist den in dem – für den beteiligten Verbraucher – nachteiligen Vertrag liegenden Schaden (vgl. Senat, Urteil vom 25. Juni 2015 – III ZR 292/14, BGHZ 206, 112 Rn. 21). Der Notar kann sich jedoch darauf berufen, der Käufer hätte, wenn er die Beurkundung abgelehnt hätte, diese nach Ablauf der Regelfrist genauso – wie geschehen – vornehmen lassen. Für diesen hypothetischen Verlauf trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast, weshalb Zweifel zu seinen Lasten gehen (Senat aaO). Dabei dürfen die Anforderungen an die Beweisführung aber nicht überspannt werden; es gilt – zugunsten des Schädigers – das herabgesetzte Beweismaß des § 287 ZPO (Senat aaO mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebietet ferner der Grundsatz von Treu und Glauben eine sekundäre Darlegungslast des Gegners, wenn die darlegungs- und beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner angesichts des unterschiedlichen Informationsstands beider Parteien zumutbar nähere Angaben machen kann (zB Senat, Urteil vom 19. Mai 2016 – III ZR 274/15, NJW-RR 2016, 842 Rn. 40 mwN).
34
Der hiernach sekundär darlegungsbelastete Kläger hat insoweit vorgetragen, dass er, hätte er rechtzeitig vor dem Beurkundungstermin einen Vertragsentwurf erhalten, diesen auch auf Drängen seiner zur Vorsicht neigenden Ehefrau durch einen Rechtsanwalt hätte prüfen lassen, welcher dann von einem Vertragsschluss abgeraten hätte (Schriftsatz vom 20. April 2017, S. 9, Berufungsbegründung vom 9. Januar 2018, S. 7 und nachgelassener Schriftsatz vom 26. März 2019, S. 4 f). Hierfür hat er Beweis angetreten durch Benennung seiner Ehefrau als Zeugin. Das Berufungsgericht hat die Richtigkeit dieser Behauptung für unwahrscheinlich gehalten und deshalb von der beantragten Zeugenvernehmung abgesehen. Der Kläger habe vollständig auf den Zeugen K. vertraut und selbst, nachdem sich herausgestellt habe, dass sich die Investition anders als versprochen entwickelt habe, zunächst keine anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen. Hierbei handelt es sich – unbeschadet der Frage, ob das Berufungsgericht mit seinen Ausführungen die Beweislast verkannt hat, wozu die Revision ebenfalls Rügen erhebt – jedenfalls um eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung. Denn die Vorinstanz hat die Beurteilung der von ihr selbst zutreffend als erheblich erachteten Tatsachenbehauptung vorgenommen, ohne den dazu angebotenen Beweis zu erheben.
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Da die Würdigung des Berufungsgerichts schon aus dem vorstehenden Grund rechtsfehlerhaft ist, braucht der Senat auf die weiteren Revisionsangriffe nicht mehr einzugehen.
III.
36
Da die Sache wegen der nachzuholenden tatrichterlichen Feststellungen noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).
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Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
38
Sollte der Beklagte infolge der Verletzung seiner Aufklärungspflicht gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (a.F.) verstoßen haben (siehe oben II 1 b, c und e), sich demgegenüber bei einer objektiven ex post-Betrachtung aber ergeben, dass der Kläger als Unternehmer handelte, fiele der verursachte Schaden nicht in den Schutzbereich der verletzten Norm.
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Die Haftung des Notars für einen von ihm durch eine Amtspflichtverletzung verursachten Schaden – hier: der Abschluss des dem Kläger nachteiligen Vertrages infolge der Verletzung der Pflicht des Beklagten zur Sachverhaltsaufklärung und nachfolgend von § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (a.F.) – kommt, wie allgemein im Schadensersatzrecht, nur in Betracht, wenn ihm dieser bei wertender Betrachtung zugerechnet werden kann. Auch im Notarhaftungsrecht kann Ersatz nur für solche Schadensfolgen verlangt werden, die im Schutzbereich der verletzten Norm liegen. Es muss sich mithin um Folgen handeln, die in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen wurde (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 2019 – III ZR 338/17, BGHZ 221, 363 Rn. 16).
40
Der Zweck der vorstehend erörterten Aufklärungspflicht besteht darin, dass der Notar erkennt, ob die zum Schutz des Verbrauchers gebotene Wartefrist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG eingehalten werden muss. Einem unternehmerisch tätigen Urkundsbeteiligten kommt diese Wartefrist aber nicht zugute. Beurkundet ein Notar den Vertrag zwischen zwei Unternehmern, ohne vorher die gebotene Klärung des Status der Beteiligten vorgenommen zu haben und gemäß der oben ausgeführten Zweifelsregel (siehe oben II 1 b) die Wartefrist einzuhalten, liegt ein etwaiger ihnen durch den Abschluss eines nachteiligen Geschäfts entstandener Schaden nicht im Schutzbereich der verletzten Amtspflicht. Denn ein nach dem Zweck der Wartefrist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG auszugleichendes typisches wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern besteht in diesen Fällen nicht. Dem Beklagten wäre der vom Kläger geltend gemachte Schaden daher nicht zuzurechnen, wenn dieser objektiv in Ausübung eines – gegebenenfalls erst in Aussicht genommenen (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 253, 256) – Nebenerwerbsgeschäfts tätig war.