VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2016 – 2 S 209/16
Zu den beihilfefähigen Aufwendungen für Elementardiäten für Säuglinge und für Kleinkinder mit Kuhmilchallergie
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Februar 2015 – 1 K 970/14 – geändert.
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für die Aufwendungen des am 04.11. und 26.11.2013 erworbenen Präparats Alfamino in Höhe von jeweils 178,88 EUR Beihilfe zu gewähren.
Die Bescheide des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 16.11.2013 und 17.12.2013 in der Gestalt von dessen Widerspruchsbescheiden vom 13.01.2014 und 29.01.2014 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für ein ärztlich verordnetes Diätpräparat.
Die Klägerin, die im Dienst des Beklagten steht, ist für ihren im Juni 2012 geborenen Sohn mit einem Bemessungssatz von 80 % beihilfeberechtigt. Laut ärztlichem Attest vom 04.04.2013 leidet ihr Sohn unter einer Kuhmilch- und Hühnereiallergie, und bei Exposition müsse mit allergischen Sofortreaktionen gerechnet werden, weshalb die Ernährung mit Alfamino-Pulver erfolgen müsse.
Bereits unter dem 07.01.2013 hatte die Klägerin über das Kundenportal beim Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (Landesamt) nachgefragt, ob es für die Säuglingsspezialnahrung einen Zuschuss gebe, woraufhin ihr das Landesamt mit Schreiben vom 07.01.2013 mitteilte, dass für Säuglinge (bis zur Vollendung des 1. Lebensjahres) und für Kleinkinder bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres Aufwendungen für Elementardiäten beihilfefähig seien, wenn eine Kuhmilchallergie bestehe. Aufwendungen für Formeldiäten, die zugleich Arzneimittelcharakter hätten, seien beihilfefähig, soweit sie vierteljährlich 360,– EUR überstiegen.
Mit Beihilfebescheiden vom 09.05., 04.07., 03.08., 08.10. und 31.10. 2013 wurde der Klägerin auf ihre jeweiligen Anträge hin Beihilfe für die Aufwendungen, die ihr für das Alfamino-Pulver entstanden waren, ohne Abzug eines Selbstbehalts gewährt.
Mit Leistungsanträgen vom 06.11.2013 und 13.12.2013 begehrte die Klägerin (unter anderem) erneut Beihilfe für das am 04.11. bzw. 26.11.2013 ärztlich verordnete und von ihr zu einem Preis von jeweils 178,88 EUR erworbene Präparat „Alfamino-Pulver Pul, 1 x 400 g“.
Mit Bescheid vom 16.11.2013 lehnte das Landesamt die unter dem 06.11.2013 beantragte Beihilfe mit der Begründung ab, Aufwendungen für Formeldiäten (nährstoffdefinierte Elementardiät, Sondennahrung), die zugleich Arzneimittelcharakter hätten, seien nur beihilfefähig, soweit sie vierteljährlich 360,–EUR überstiegen.
Auf den Antrag vom 13.12.2013 erfolgte im Bescheid vom 17.12.2013 mit derselben Begründung eine Beihilfegewährung in Höhe von 141,31 EUR.
Gegen den Beihilfebescheid vom 16.11.2013 legte die Klägerin am 18.11.2013 insoweit Widerspruch ein, als das Präparat Alfamino nicht erstattet worden war, und führte zur Begründung aus, ihr Sohn benötige mindestens vier Dosen à 178,88 EUR pro Monat und liege somit über der Erstattungsgrenze.
Gegen den Beihilfebescheid vom 17.12.2013 legte die Klägerin mit Schreiben vom 03.01.2014 ebenfalls Widerspruch ein, soweit das Präparat Alfamino nicht vollständig erstattet worden war. Hier führte sie zur Begründung aus, für sie gelte der 2. Abschnitt der VwVBVO zu § 6 BVO. Der 2. Teil sei nicht relevant. Die Fürsorgepflicht gebiete dem Dienstherrn, Beihilfe für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten auszuschließen. Es müsse klargestellt werden, wie der Bezug von Alfamino im Quartal zu erfolgen habe.
Mit Bescheid vom 08.01.2014 hob das Landesamt die Beihilfebescheide vom 09.05., 04.07., 03.08., 08.10. und 31.10.2013 insoweit auf, als von dem festgesetzten beihilfefähigen Betrag zu den Aufwendungen für die Formeldiät für den Sohn der Klägerin ein vierteljährlicher Eigenanteil von 360,– EUR abzuziehen sei, und forderte die gezahlte Beihilfe in Höhe von 1.318,32 EUR zurück. Über den von der Klägerin hiergegen eingelegten Widerspruch ist bislang nicht entschieden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2014 wies das Landesamt den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.11.2013 und mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2014 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.12.2013 mit der Begründung zurück, Aufwendungen für Elementardiäten seien für Säuglinge (bis zur Vollendung des 1. Lebensjahrs) und für Kleinkinder bis zur Vollendung des 3. Lebensjahrs beihilfefähig, wenn Kuhmilchallergie bestehe. Der Eigenanteil von 360,– EUR sei grundsätzlich bei allen vollbilanzierten Formeldiäten einschließlich der Elementardiäten für Säuglinge einzubehalten. Elementardiäten für Säuglinge gehörten zu den sogenannten vollbilanzierten Formeldiäten. Lediglich bei chemisch definierten Formeldiäten unterbleibe der Abzug, wenn die Kosten zusätzlich zu denjenigen für die übliche Diätnahrung entstünden. Die Aufwendungen für das Präparat Alfamino seien nur dann beihilfefähig, soweit sie vierteljährlich 360,– EUR überstiegen, was nicht der Fall sei. Das Land habe als Verordnungsgeber bei der Ausgestaltung der beihilferechtlichen Regelungen einen weiten Ermessensspielraum und sei nicht gehalten, für jeden nur denkbaren Einzelfall die gerechteste und zweckmäßigste Lösung zu wählen mit der Folge, dass auch Härten und Nachteile aufgrund von pauschalierten Beihilfevorschriften hinzunehmen seien.
Entsprechend den den Widerspruchsbescheiden beigefügten Rechtsmittelbelehrungen hat die Klägerin am 07.02.2014 Klage zum Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei ihrem Sohn sei eine starke Sensibilisierung gegen Kuhmilcheiweiß und Hühnerei nachgewiesen worden. Das Olgahospital habe den Verdacht auf eine entsprechende Allergie bestätigt. Es handle sich um eine sehr schwere Allergie. Der Kinderarzt habe das Präparat Alfamino verordnet. Der vorliegende Fall werde durch Abs. 2, 1. Alt. der VwVBVO zu § 6 Ziff. 2.4 geregelt. Ein Eigenanteil von 360,– EUR im Quartal sei nicht anzusetzen. Der Beklagte habe im Jahr 2013 über mehr als zehn Monate hinweg diese Ansicht ebenfalls vertreten. Ein Eigenanteil von 360,– EUR im Vierteljahr stelle eine erhebliche Belastung des für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Einkommens dar. Der Abs. 2 der Vorschrift sei kein Unterfall des Absatzes 1. Diese Auslegung zeige sich auch in der Neufassung der Beihilfeverordnung. Es sei unrichtig, dass Abs. 3 den Selbstbehalt für bestimmte Fälle ganz aufhebe. Bei der in Abs. 2 ausschließlich angesprochenen Fallgruppe der jungen Eltern mit einem Kind (oder mehreren Kindern) unter drei Jahren liege im allgemeinen ein übergebührliche Inanspruchnahme durch den Eigenanteil vor.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, dass nach der systematischen Auslegung der Nr. 2.4 deren Abs. 2 als weiterer Unterfall des Abs. 1 zu verstehen sei. Der Selbstbehalt in Höhe von 360,– EUR gelte daher auch für Abs. 2. Aus der Ausnahme in Abs. 3 ergebe sich im Umkehrschluss, dass der Selbstbehalt für Abs. 2 gelte. Die teleologische Auslegung lasse keinen anderen Schluss zu. Die Diäten seien nur insoweit beihilfefähig, als sie 360,– EUR im Quartal überstiegen. In seiner Verwaltungspraxis gewähre das Landesamt in allen vergleichbaren Fällen Beihilfe nur dann, wenn die Aufwendungen vierteljährlich 360,– EUR überstiegen.
Mit Beschluss vom 19.02.2014 – 3 K 269/14 – hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Stuttgart verwiesen.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 05.02.2015 – 1 K 970/14 -die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Aufwendungen für das dem Sohn der Klägerin wegen dessen Kuhmilch- und Hühnereiallergie ärztlich verordnete Präparat Alfamino, laut den Angaben des Herstellers ein diätisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) zur ausschließlichen und ergänzenden Ernährung, sei dem Grunde nach, auch nach Auffassung des Beklagten, beihilfefähig. Die Klägerin habe aber einen Selbstbehalt in Höhe von 360,– EUR pro Vierteljahr zu tragen. Nach der VwVBVO zu § 6 Ziff. 2.4 Abs. 3 unterbleibe der Abzug von 360,– EUR nur bei Aufwendungen für chemisch definierte Formeldiäten in dem dort genannten Fall. Für die in Abs. 1 der Vorschrift geregelten vollbilanzierten Formeldiäten (nährstoffdefinierte ballaststoffarme Volldiätpräparate, Elementardiät, Sondennahrung) sei ausdrücklich ein vierteljährlicher Abzug von 360,– EUR geregelt. Da es sich bei der in Abs. 2 der Vorschrift geregelten und hier einschlägigen Diät ebenfalls um eine Elementardiät und nicht um eine chemisch definierte Formeldiät handle, Abs. 2 damit einen Unterfall von Abs. 1 darstelle, sei auch in Fällen des Abs. 2 ein vierteljährlicher Selbstbehalt von 360,– EUR zu berücksichtigen. Dies entspreche auch der Verwaltungspraxis des Beklagten. Die Regelung verstoße nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, bei deren Ausfüllung ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme und die nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheits-, Geburts- und Todesfällen entstandenen Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in jeweils vollem Umfang erfordere. Dass in der Bestimmung des Eigenanteils für die Diätnahrung von vierteljährlich 360,– EUR, mithin 4,– EUR täglich, eine Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn liege, sei nicht zu erkennen. Der Beklagte habe nach der geltenden Rechtslage zu Recht die Kostenübernahme grundsätzlich und unter Beachtung der VwVBVO mit einem Selbstbehalt von 360,–EUR pro Monat anerkannt.
Gegen das am 11.02.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.03.2015 die Zulassung der Berufung beantragt und diese am 02.04.2015 begründet.
Mit Beschluss vom 28.01.2016 – 2 S 557/15 – hat der Senat die Berufung zugelassen, die die Klägerin am 07.03.2016 begründet hat. Sie macht geltend, der Selbstbehalt gelte im vorliegenden Fall nicht. Abs. 2 VwVBVO zu § 6 Ziff. 2.4 beschreibe Formeldiäten, die bei bestimmten Krankheiten, soweit die Aufwendungen 360,– EUR überstiegen, erstattungsfähig seien. Die Krankheiten würden abschließend aufgezählt. Ein Arzneimittelcharakter der Nahrung sei nicht Voraussetzung. Da der Sohn der Klägerin nicht unter einer der genannten Krankheiten leide, sei der Absatz nicht einschlägig. Abs. 3 der VwVBVO zu § 6 Ziff. 2.4 regle den Wegfall des Eigenanteils in dem Sonderfall, dass zusätzlich zur unter Abs. 1 geregelten Diätnahrung noch eine intravenöse Ernährung mit Arzneimittelcharakter notwendig sei. Damit werde ein Doppelabzug des Eigenanteils ausgeschlossen, denn Abs. 3 nehme beispielhaft Bezug auf eine unter Abs. 1 genannte Krankheit (Phenylketonurie) und stelle klar, dass der Eigenanteil nicht zu leisten sei, wenn die Kosten zusätzlich anfielen. Abs. 2 1. Alt. der VwVBVO zu § 6 Ziff. 2.4 regle den vorliegenden Fall in einer eigenständigen Fallgruppe, die mit den aufgezählten Krankheiten mit Abs. 1 nicht vergleichbar sei. Daher werde regelungstechnisch ein eigener Absatz verwandt. Auch unter Berücksichtigung des Wortlauts sehe Abs. 2 keinen Selbstbehalt vor. Die Auslegung des VG, wonach Abs. 2 1. Alt. lediglich einen Unterfall des Abs. 1 darstelle, sei nicht nachvollziehbar. Daran ändere auch die entsprechende Verwaltungspraxis des Landesamtes nichts. Dies gelte umso mehr, als die Verwaltungspraxis des Landesamtes gegenüber der Klägerin im Jahr 2013 auch eine gänzlich andere gewesen sei und die Aufwendungen für das Alfamino-Pulver bestandskräftig als beihilfefähig anerkannt worden seien. Gegen die Auslegung des VG spreche insbesondere, dass die bisherigen Regelungen der VwVBVO in die ab dem 01.04.2014 geltende neue BVO aufgenommen worden seien, der frühere Abs. 2 der VwVBVO inhaltlich völlig unverändert in § 6 Abs. 1 Ziff. 2 lit. c BVO enthalten und dort – auch nach Auffassung des Landesamtes – nun keine Selbstbeteiligung in Höhe von 360,– EUR mehr geregelt sei. Eine Rechtsänderung sei durch den Verordnungsgeber mit der Neuregelung ersichtlich nicht beabsichtigt gewesen. So wie die Vorschrift nach Auffassung der Klägerin auszulegen sei, sei auch kein Verstoß gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht zu besorgen. Ohne den Selbstbehalt werde nämlich hinreichend Rücksicht auf den amtsangemessenen Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie genommen. Zu berücksichtigen sei hierbei, dass die vollen Bezüge einer Mutter nur für den Zeitraum von zwei Monaten nach Geburt des Kindes fortgezahlt würden, anschließend stünden bestenfalls noch zehn Monate (z.B. bei Bezug von Elterngeld) 70 % des Einkommens zur Verfügung. Danach arbeiteten Mütter häufig nicht oder nur in geringerem Umfang. Der Selbstbehalt von 360,– EUR im Vierteljahr stelle daher für diese Personengruppe eine erhebliche finanzielle Belastung des für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Einkommens dar. Die Versorgung eines gesunden Säuglings/Kleinkindes mit handelsüblicher Babynahrung verursache Aufwendungen in Höhe von 60,– bis 90,– EUR monatlich. Die Ernährung eines hochallergischen Säuglings/Kleinkindes hingegen Aufwendungen in Höhe von 380,– bis 550,– EUR pro Monat, wobei der Eigenanteil, den die Eltern wegen der Nichterstattung der Kosten durch die private Krankenversicherung selbst tragen müssten, die Babynahrungskosten eines nicht allergischen Säuglings/Kleinkindes bereits überschreite. Diesen höheren Belastungen trage auch die Arzneimittel-Richtlinie Rechnung, die die Kosten für Elementardiäten von kuhmilchallergischen Säuglingen als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen ohne Zuzahlung/Eigenanteil vorsehe. Es sei nicht erkennbar, dass beihilfeberechtigte Beamte hier schlechter gestellt werden sollten als gesetzlich Versicherte. Zu berücksichtigen sei weiter, dass die in den Abs. 1 und 3 geregelten Fallgruppen in der Regel während der Erkrankung im Gegensatz zu den von Abs. 2 Betroffenen die vollen Bezüge weiter erhielten, so dass ein gewisser Eigenanteil auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten angemessen sei. Das VG setze sich auch nicht damit auseinander, dass der Klägerin aufgrund einer Anfrage über das Kundenportal des Landesamtes am 07.01.2013 schriftlich mitgeteilt worden sei, dass Aufwendungen für Elementardiäten beihilfefähig seien. Dies sei als Zusicherung zu werten. Schließlich gehe es der Klägerin nicht lediglich um die ausstehenden Zahlungen aus den beiden angegriffenen Bescheiden, sondern auch um weitere Ablehnungsbescheide, die sich noch im Widerspruchsverfahren befänden. Zudem habe der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung angedroht, die eigentlich eingestellte Rückforderung der in 2013 erstatteten Aufwendungen wieder aufzunehmen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Februar 2015 – 1 K 970/14 – zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin für die Aufwendungen des am 04.11. und 26.11.2013 erworbenen Präparats Alfamino in Höhe von jeweils 178,88 EUR Beihilfe zu gewähren und die Bescheide des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 16.11.2013 und 17.12.2013 in der Gestalt von dessen Widerspruchsbescheiden vom 13.01.2014 und 29.01.2014 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Nach der damaligen Verwaltungspraxis des Beklagten hätte der Klägerin niemals Beihilfe für das Präparat Alfamino gewährt werden dürfen, wie sich aus der internen Dienstanweisung zu VwVBVO zu § 6 Ziff. 2.4 ergebe. Auch wenn der Klägerin in 2013 entgegen der Verwaltungspraxis Beihilfe gewährt worden sei, könne sie sich insoweit nicht auf Vertrauensschutz berufen (unter Hinweis auf VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.03.2004 – 4 S 802/04 – und Urteil vom 23.04.2013 – 2 S 3166/11 – juris). Unabhängig von der Verwaltungspraxis und einem etwaigen Vertrauensschutz sei der VwVBVO zu § 6 auch nicht zu entnehmen, dass kein Abzug von 360,–EUR erfolgen würde, wie sich aus der teleologischen Auslegung ergebe. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO (a.F.) seien Aufwendungen für Mittel, die geeignet seien, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, für Diäten und für Nahrungsergänzungsmittel grundsätzlich nicht beihilfefähig. Diese Aufwendungen könnten lediglich in Ausnahmefällen, gegebenenfalls unter Abzug eines Eigenanteils, für beihilfefähig erklärt werden. Dies spreche für einen eingeschränkten Anwendungsbereich der Verwaltungsvorschrift. Diese könne im Sinne des historischen Verordnungsgebers somit nicht extensiv ausgelegt werden. Ein entsprechendes Ergebnis folge aus der systematischen Auslegung. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass Abs. 2 lediglich einen Unterfall der in Abs. 1 geregelten vollbilanzierten Formeldiäten darstelle. Abs. 1 lege Ausnahmefälle dar, Abs. 2 benenne einen weiteren Ausnahmefall, ebenso Abs. 3. Auch für die chemisch definierten Formeldiäten sei danach grundsätzlich ein Eigenanteil zu erbringen, welcher nur dann entfalle, wenn die Kosten zusätzlich zu den für die übliche Diätnahrung entstünden. Der Klägerin sei auch keine Zusicherung erteilt worden. Eine solche setze voraus, dass die Behörde eindeutig und unmissverständlich zu erkennen gegeben habe, sie wolle eine bindende Vorentscheidung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen abgeben. Vorliegend sei eine bloße Auskunft als Wissensmitteilung gegeben worden, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt der damals geltenden Rechtslage entsprochen habe. Die Klägerin habe sich zudem nicht darauf verlassen können, es fiele kein Eigenanteil an, weil nicht sicher gewesen sei, dass es sich bei der Elementardiät „Alfamino“ nicht um eine Aufwendung mit Arzneimittelcharakter handeln würde. Vielmehr habe konsequenterweise nach der Auskunft der Eigenanteil einbehalten werden müssen, da es sich bei Alfamino um eine Aufwendung mit Arzneimittelcharakter handle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die vom Beklagten vorgelegten Beihilfeakten sowie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin Anspruch auf die begehrte Beihilfe ohne Abzug eines Selbstbehalts, weshalb das erstinstanzliche Urteil zu ändern und die Bescheide des Landesamtes vom 16.11.2013 und 17.12.2013 in der Gestalt von dessen Widerspruchsbescheiden vom 13.01.2014 und 29.01.2014, soweit sie den Anspruch verneinen, aufzuheben sind. Sie sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin auch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe verlangt wird (hier: November/Dezember 2013), maßgeblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 – 2 C 35.04 – juris Rn. 11 m.w.N.). Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 6 ff. der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung – BVO -) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier anzuwendenden, vom 01.01.2013 bis 31.03.2014 geltenden Fassung vom 18.12.2012 (GBl. S. 677) sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dazu zählen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO (a.F.) u.a. Aufwendungen für von Ärzten nach Art und Menge schriftlich verordnete Arzneimittel. Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, für Diäten und Nahrungsergänzungsmittel sowie für Mittel, die zur Empfängnisregelung oder Potenzsteigerung verordnet sind. Das Finanz- und Wirtschaftsministerium bestimmt durch Verwaltungsvorschrift, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit Elementar- und Formeldiäten (insbesondere Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate), Sondennahrung, Medizinprodukte sowie Mineralstoff- und Vitaminpräparate ausnahmsweise, gegebenenfalls unter Abzug eines Eigenanteils beihilfefähig sind.
In Ziff. 2.4 dieser Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft zur Beihilfeverordnung (VwVBVO) vom 24.04.2012 – Az.: 1-0374.0-02/4 – (GABl. 2012, S. 383, Die Justiz 2012, S. 341) zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO sind diese Ausnahmen wie folgt geregelt:
Aufwendungen für sogenannte vollbilanzierte Formeldiäten (nährstoffdefinierte ballaststoffarme Volldiätpräparate, Elementardiät, Sondennahrung) sind, soweit sie vierteljährlich 360,– EUR übersteigen, ausnahmsweise in folgenden, medizinisch gesicherten Ausnahmefällen beihilfefähig, wenn die Formeldiät auf Grund einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung notwendig ist bei
– Ahornsirupkrankheit– Colitis ulcerosa– Kurzdarmsyndrom– Morbus Crohn– Mukoviszidose– Phenylketonurie– erheblichen Störungen der Nahrungsaufnahme bei neurologischen Schluckbeschwerden oder Tumoren der oberen Schluckstraße, insbesondere Mundboden- und Zungenkarzinom– Tumortherapien (auch nach der Behandlung)– postoperativer Nachsorge– angeborene Defekte im Kohlehydrat- und Fettstoffwechsel– angeborene Enzymdefekte, die mit speziellen Aminosäuremischungen behandelt werden– AIDS-assoziierten Diarrhöen– Epilepsien, wenn trotz optimierter antikonvulsiver Therapie eine ausreichende Anfallskontrolle nicht gelingt– Niereninsuffizienz.
Aufwendungen für Elementardiäten sind für Säuglinge (bis zur Vollendung des ersten Lebensjahrs) und für Kleinkinder bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs beihilfefähig, wenn Kuhmilchallergie besteht. Bei Säuglingen und Kleinkindern mit Neurodermitis sind Elementardiäten für einen Zeitraum von insgesamt einem halben Jahr beihilfefähig, wenn sie für diagnostische Zwecke eingesetzt werden.
Aufwendungen für chemisch definierte Formeldiäten (zum Beispiel auch Aminosäuremischungen als Zusatz zur Diät bei Phenylketonurie) sind beihilfefähig; der Abzug von 360,– EUR unterbleibt, wenn die Kosten zusätzlich zu den für die übliche Diätnahrung entstehen. Eine parenterale Versorgung (direkt in die Blutbahn) hat Arzneimittelcharakter.
Unstreitig – auch zwischen den Beteiligten – fallen die streitgegenständlichen Aufwendungen in den Anwendungsbereich des 2. Absatzes der Ziff. 2.4 VwVBVO zu § 6 BVO, da es sich bei der Spezialnahrung Alfamino-Pulver laut Produktbeschreibung (https://www.nestlehealthscience.de/marken/aaa-fachkreisangehörige/alfamino) um eine Elementardiät zur diätischen Behandlung von Kuhmilcheiweißallergien handelt, dieses sich auch zum Einsatz bei Kindern und Säuglingen ab Geburt eignet und es zudem zur ausschließlichen Ernährung eingesetzt werden kann. Der Beklagte hat die Aufwendungen für Alfamino dementsprechend auch als grundsätzlich beihilfefähig angesehen.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Beklagten hat die Klägerin aber Anspruch auf Beihilfe für diese Aufwendungen, ohne dass sie einen Eigenanteil von 360,– EUR je Vierteljahr zu tragen hat.
1. Allerdings ergibt sich dieser Anspruch nicht aus einer Zusicherung, wie die Klägerin im Hinblick auf das Schreiben des Landesamtes vom 07.01.2013 meint, da dieses nicht als Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt – hier einen positiven Beihilfebescheid – zu erlassen, gewertet werden kann. Ob eine behördliche Erklärung die Kriterien einer Zusicherung im Sinne des § 38 LVwVfG erfüllt, ist entsprechend den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Maßstäben nach ihrem objektiven Erklärungswert zu beurteilen. Maßgebend ist, wie der Empfänger die Erklärung unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände bei objektiver Würdigung verstehen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.04.2012 – 4 C 8.09 u.a. – juris Rn. 39; Urteil vom 05.11.2009 – 4 C 3.09 – juris Rn. 21 m.w.N.). Zusicherungen im Sinne des § 38 LVwVfG sind durch ein spezifisches Abgrenzungsbedürfnis gegenüber nicht rechtsverbindlich gemeinten Erklärungen gekennzeichnet. Der Adressat der Erklärung muss – letztlich aus Gründen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots – Klarheit darüber haben, ob sich die Behörde durch eine Zusicherung rechtswirksam binden will. Ein Bindungswille dahingehend, dass eine Beihilfe ohne Selbstbehalt gewährt würde, ist dem Schreiben des Landesamtes vom 07.01.2013 auch für die Klägerin erkennbar nicht zu entnehmen. Auf die Frage der Klägerin, ob sie für die Säuglingsdiätnahrung einen Zuschuss der Beihilfe erwarten könne, hat das Landesamt die Regelungen der VwVBVO – teilweise zutreffend, teilweise unzutreffend – wiedergegeben, ohne dass darin objektiv zum Ausdruck gekommen wäre, die Klägerin könne verbindlich mit einem „Zuschuss“ rechnen. Vielmehr wird durch den Hinweis auf den vierteljährlichen Selbstbehalt deutlich, dass unter bestimmten Umständen die Beihilfefähigkeit nicht unbeschränkt besteht. Den von der Klägerin letztlich gezogenen Schluss, dass diese einschränkenden Umstände bei ihr nicht bestehen, lässt das Schreiben, das nur als rechtlich nicht verbindliches Informations- und Auskunftsschreiben anzusehen ist, gerade nicht zu.
2. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aber aus §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO a.F. i.V.m. Abs. 2 der Ziff. 2.4 VwVBVO zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO.
Nach dem Wortlaut des Abs. 2 der Ziff. 2.4 VwVBVO zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO ist bei Elementardiäten für Säuglinge und Kleinkinder kein Eigenanteil vorgesehen, der ansonsten bei vollbilanzierten Formeldiäten, zu denen auch die Elementardiäten zählen, zu tragen ist (Abs. 1). Auch bei chemisch definierten Formeldiäten ist grundsätzlich der Selbstbehalt zu leisten (Abs. 3), es sei denn, die Kosten fallen zusätzlich zur üblichen Diätnahrung – die Abs. 1 regelt – an. Dies wird durch die beispielshafte Erwähnung der Phenylketonurie, bei der auch vollbilanzierte Formeldiäten zur Anwendung kommen, belegt und soll, wie die Klägerin im Ergebnis zutreffend ausführt, eine Doppelbelastung mit einem zweifachen Abzug des Selbstbehalts – einmal nach Abs. 1 und einmal nach Abs. 3 – vermeiden.
Von der Systematik her gehen der Beklagte und das Verwaltungsgericht davon aus, dass Abs. 2 einen Unterfall des Abs. 1 bildet und daher der Selbstbehalt bei beiden Anwendung findet. Zur Begründung wird angeführt, dass die Elementardiät (Abs. 2) unter die vollbilanzierte Formeldiät (Abs. 1) fällt, wohingegen die chemisch definierte Formeldiät eine eigene Gruppe bildet. Dieses Argument überzeugt aber deshalb letztlich nicht, weil es keine Begründung dafür zu liefern vermag, warum die Regelung für Säuglinge und Kleinkinder in einem eigenen Absatz erfolgte und nicht als weiterer Spiegelstrich in Abs. 1. Eine Regelung in einem gesonderten Absatz spricht aber dafür, dass diese einen neuen, anderen Regelungsinhalt besitzt. Diese räumliche Abtrennung ist sogar noch stärker ausgeprägt in dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu den Akten überreichten Merkblatt „Information zur Beihilfefähigkeit von ärztlich verordneten Arzneimitteln und Formeldiäten“, wo die Regelung des Abs. 2 der Ziff. 2.4 VwVBVO zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO sich am Ende nach der Wiedergabe des Abs. 3 der Ziff. 2.4 VwVBVO findet. Zwar ist unter systematischen Gesichtspunkten, wie der Beklagte anmerkt, durchaus zu berücksichtigen, dass es sich bei der Beihilfefähigkeit von Diäten um eine Ausnahmevorschrift handelt, die nicht zuletzt im Hinblick auf die sparsame Verwendung öffentlicher Mittel eng auszulegen ist. Dem kann jedoch wiederum entgegengehalten werden, dass der Verordnungsgeber einen Selbstbehalt nicht zwingend vorsieht („…gegebenenfalls unter Abzug eines Eigenanteils…“), so dass die VwV auch Ausnahmen vom Selbstbehalt regeln kann, wie sie dies ausdrücklich bei chemisch definierten Formeldiäten tut. Soweit die BVO sonstige Selbstbehalte und Eigenanteile ermöglicht, z.B. in § 5 Abs. 6 und § 9 Abs. 9 BVO, lässt sich unter systematischen Gesichtspunkten hieraus nichts herleiten, weil sich keine einheitliche Regelungssystematik erkennen lässt.
Teleologisch betrachtet geht es dem Verordnungsgeber darum, dass er keine Beihilfe für Mittel gewähren will, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO), wozu nach Ziff. 2.3 der VwV zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO beispielsweise die ballaststoffreiche Kost, Diätkost, glutenfreie Nahrung, Heil- und Mineralwässer, medizinische Körperpflegemittel (einschließlich kosmetischer Mittel), Säuglingsfrühnahrung, Geriatrika, Stärkungsmittel und dergleichen gehören. Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Es kommt nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Zwar nennt § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO neben den Gütern des täglichen Bedarfs gesondert auch Diäten (und Nahrungsergänzungsmittel). Aber auch hier spielt der Gedanke, dass die allgemeine Lebenshaltung nicht über die Beihilfe finanziert werden soll, die wesentliche Rolle. Die fakultative Regelung eines Eigenanteils soll den Beihilfeberechtigten daher nur von den den üblichen Rahmen des täglichen Bedarfs („Sowieso-Kosten“) überschreitenden Kosten entlasten. Da bei Säuglingen und Kleinkindern, würden sie aufgrund ihrer Allergie nicht mit Diätnahrung ernährt, Kosten für Normalkost anfielen, wäre bei ihnen ein Selbstbehalt grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Dieser Selbstbehalt müsste aber – angesichts der geringeren Menge an benötigter Nahrung und damit niedrigerer Kosten – bei konsequenter Anwendung des aufgezeigten Regelungszwecks unter dem „üblichen“ Selbstbehalt von 360,–EUR liegen oder ganz wegfallen, was wiederum für eine Auslegung des Abs. 2 der Ziff. 2.4 VwVBVO zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO im Sinne der Klägerin, nämlich ohne Selbstbehalt, spricht. Hierfür kann auch das von ihr ins Spiel gebrachte Argument herangezogen werden, dass die Mutter eines Säuglings bzw. Kleinkindes evtl. durch Elternzeit oder Teilzeitbeschäftigung nur weniger zum Familieneinkommen beitragen kann, so dass sich die Belastung durch die Diätnahrung stärker auswirkt als bei einem Beihilfeberechtigten, der zwar wegen einer Erkrankung ebenfalls Diätnahrung benötigt, aber seine vollen Bezüge erhält.
Was die Regelungshistorie angeht, fällt auf, dass der Verordnungsgeber nunmehr die Beihilfefähigkeit von Elementardiäten für Kinder unter drei Jahren (also Kleinkinder und Säuglinge zusammengefasst) erstens in der BVO statt (nur) in der VwVBVO geregelt und zweitens dort ausdrücklich keinen Selbstbehalt normiert hat. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO in der ab 01.04.2014 geltenden Fassung vom 20.12.2013 sieht als beihilfefähig von Ärzten schriftlich verordnete Arzneimittel an. Keine Arzneimittel sind
a) Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen,…c) diätetische Lebensmittel nach § 1 Absatz 1 der Diätverordnung, die mit den Zusätzen »Diät«, »diätetisch«, »Kost«, »Nahrung« oder »Lebensmittel« gekennzeichnet sind,…
Von den genannten Aufwendungen sind ausnahmsweise beihilfefähig
…b) Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und Sondennahrung zur enteralen Ernährung bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit, sich auf natürliche Weise ausreichend zu ernähren nach ärztlicher Bescheinigung und soweit die Aufwendungen hierfür vierteljährlich 360,– EUR übersteigen; Aufwendungen für chemisch definierte Formeldiäten sind ohne Abzug von vierteljährlich 360,– Euro beihilfefähig, wenn die Kosten zusätzlich zu den für die übliche Diätnahrung entstehen,
c) Elementardiäten für Kinder unter drei Jahren mit Kuhmilcheiweiß-Allergie sowie bei Neurodermitis (in der Fassung der BVO vom 02.06.2015, gültig ab 01.07.2015, wurde hier noch „unabhängig vom Alter der Person“ eingefügt) für einen Zeitraum von insgesamt einem halben Jahr, wenn sie für diagnostische Zwecke eingesetzt werden.
Mit der Neuregelung wurden die bisherigen Absätze 1 und 3 der VwVBVO in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 lit. b BVO zusammengeführt, der bisherige (hier streitgegenständliche) Abs. 2 wurde unter lit. c geregelt. Nach Auffassung des Senats wurde damit nur die bisherige Regelung klarstellend neu gefasst, nicht aber eine von der bis zum 31.03.2014 gehandhabten und der einschlägigen Dienstanweisung entsprechenden Verwaltungspraxis des Landesamtes abweichende Neuregelung geschaffen. Der Senat geht davon aus, dass die Neuregelung in der BVO auf der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung beruht, nach der Beihilfekürzungen in Form pauschaler Selbstbeteiligungen eines Parlamentsgesetzes bedürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 – 2 C 49.07 – juris Rn. 23) und nur die BVO – nicht aber die VwVBVO – diesen Anforderungen genügt (vgl. Senatsurteil vom 24.06.2013 – 2 S 887/13 – juris Rn. 6). Angesichts dessen fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass der Verordnungsgeber im Rahmen der Neufassung der BVO trotz wortlautgleicher Übernahme der Regelungen aus der VwVBVO eine inhaltliche Änderung beabsichtigt hätte und einen bisher zu berücksichtigenden Selbstbehalt nunmehr streichen wollte. Schließlich spricht für die Auslegung, dass der Regelungsgeber in Abs. 2 der Ziff. 2.4 VwVBVO zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO schon bei Erlass der VwVBVO am 24.04.2012 keinen Selbstbehalt vorsehen wollte, dass die Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses bereits zu diesem Zeitpunkt einen Versorgungsanspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung für Elementardiäten für Säuglinge und Kleinkinder mit Kuhmilcheiweißallergie vorsah. Dafür, dass eine Angleichung an die gesetzliche Krankenversicherung im Jahr 2012 bewusst unterblieben und erst zum 01.04.2014 erfolgt wäre, ist hingegen nichts ersichtlich.
Nach alledem ist Abs. 2 der Ziff. 2.4 VwVBVO zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO dahingehend auszulegen, dass die Regelung keinen Eigenanteil von 360,– EUR pro Vierteljahr beinhaltet, weshalb die vom Beklagten auf seine interne Dienstanweisung gestützte Praxis ebenso rechtswidrig war wie die angefochtenen Bescheide, mit denen der Klägerin eine Beihilfe nur unter Anrechnung eines Selbstbehalts gewährt wurde. Unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils waren diese daher aufzuheben und der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin für die Aufwendungen des am 04.11. und 26.11.2013 erworbenen Präparats Alfamino in Höhe von jeweils 178,88 EUR Beihilfe ohne Abzug eines Eigenanteils zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Beschluss vom 21. Juli 2016
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 144,90 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
Der Beschluss ist unanfechtbar.