AG Bremen, Urteil vom 23.10.2014 – 10 C 496/12
1. Die Anforderungen an die Verständlichkeit einer Montageanleitung bestimmen sich nach dem Verständnishorizont des durch den Verkäufer angesprochenen Verkehrskreises, der Art der Kaufsache und dem durch die Umstände des Vertragsschlusses geprägten Erwartungshorizont des Käufers.
2. Bei einem elektrisch betriebenen Torantrieb kommt es auf den Verständnishorizont eines mit der Montage dieser Kaufsache vertrauten Käufers an.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt von dem Beklagten Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Drehtorantrieb Unterflur R 18 nebst Handsender.
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Der Beklagte vertreibt mit seinem Unternehmen über das Internet Torantriebe. Der Kläger ist Diplom-Informatiker.
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Der Kläger bestellte am 13.09.2011 bei dem Beklagten einen Drehtorantrieb Unterflur R 18 2-flügelig nebst Handsender zu einem Kaufpreis von 1.270,00 € zuzüglich Versandkosten in Höhe von 19,00 €. Der Kläger erhielt von dem Beklagten die Montageanleitung K 17, Bl. 57 ff. d.A. Auf Bl. 72 d.A. ist die Montage des Antriebs und der Schlittenarme dargestellt. Diese Montageanleitung ist nicht die Originalmontageanleitung des italienischen Herstellers, die in englischer Sprache verfasst ist. Nach Erhalt und Montage des Drehtorantriebs durch den Kläger arbeitete der Antrieb nur eingeschränkt. Die Motoren arbeiteten nur sehr langsam und schalteten sich regelmäßig ab, auch wenn die Türen erst zur Hälfte geöffnet waren. Weder ein Austausch der Steuerung noch eine Reparatur des linken Torantriebs im März 2012 halfen den Problemen ab. Mit Schreiben vom 23.09.2012 trat der Kläger nach Ablauf der von ihm bis zum 21.09.2012 gesetzten Frist vom Kaufvertrag zurück, Bl. 17 d.A.
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Nachdem der Sachverständige in Bezug auf die ursprünglichen Streitpunkte der Parteien – die Mangelhaftigkeit der gelieferten Torantriebe sowie die fehlerhafte Montage der Torantriebe wegen der Nichteinhaltung der Einbaumaße durch den Kläger – festgestellt hatte, dass die Torantriebe elektrisch und mechanisch ohne Mängel seien und der Kläger die Einbaumaße nicht eingehalten habe, ist nunmehr nur noch zwischen den Parteien im Streit, ob die dem Kläger mitgelieferte Montageanleitung mangelhaft ist.
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Der Kläger ist der Auffassung, die Montageanleitung sei schon deshalb mangelhaft, weil der Beklagte dem Kläger nicht die Originalmontageanleitung des Herstellers zur Verfügung gestellt habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.289,00 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2012 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 30.07.2013 Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, das der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2014 erläutert hat. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11.09.2014, Bl. 209 ff. d.A. und auf die Gutachten des Sachverständigen vom 02.02.2014 und vom 16.05.2014 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Versandkosten i.H.v. insgesamt 1.289,00 € gem. § 346 Abs. 1 BGB zu.
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Der Kläger ist nicht gem. §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 434 Abs. 2 S. 2 BGB zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt.
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Die gelieferten Torantriebe sind nicht mangelhaft i.S.d. § 434 Abs. 2 S. 2 BGB. Nach dieser Regelung liegt ein Sachmangel bei einer im übrigen mangelfreien Sache auch dann vor, wenn diese Sache zur Montage bestimmt ist und die Montageanleitung mangelhaft ist, es sei denn, die Sache ist fehlerfrei montiert worden.
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Die Torantriebe sind zur Montage bestimmt. Die dem Kläger mitgelieferte Montageanleitung, Bl. 57 ff., insbesondere der Teil der Montageanleitung, der die Montage der Antriebe und der Schlittenarme betrifft, Bl. 72 f. d.A., ist nicht mangelhaft.
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Die Mangelhaftigkeit einer Montageanleitung bemisst sich dabei grundsätzlich nach § 434 Abs. 1 BGB (Gruber, VuR 2002, 120, 123; Beck’scher OK/Faust, BGB, Edition 32, § 434 Rn. 97). Maßgeblich ist also in erster Linie die vertragliche Vereinbarung der Parteien. Fehlt es wie vorliegend an einer vertraglichen Vereinbarung und einschlägigen öffentlichen Äußerungen (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB), bestimmen sich die Anforderungen, die insbesondere an die Verständlichkeit der Montageanleitung zu stellen sind, nach dem Verständnishorizont des durch den Verkäufer angesprochenen Verkehrskreises, der Art der Kaufsache und dem durch die Umstände des Vertragsschlusses geprägten Erwartungshorizont des Käufers (Tiedtke/Schmitt, DB 2005, 1555; MüKo/H. P. Westermann, BGB, 6. Auflage, § 434 Rn. 40; Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 434 Rn. 49). Die Montageanleitung muss auf denjenigen zugeschnitten sein, der die Sache voraussichtlich kauft bzw. der die Montage voraussichtlich durchführen wird (MüKo/H. P. Westermann, BGB, 6. Auflage, § 434 Rn. 40). Darf die Montage nur durch einen Fachmann vorgenommen werden, worauf in der Anleitung hinzuweisen ist, ist dessen Verständnishorizont maßgeblich (Beck’scher OK/Faust, BGB, Edition 32, § 434 Rn. 98). Dass die Sache nicht zur Montage durch einen Laien geeignet ist, begründet nur dann einen Mangel, wenn der Verständnishorizont des Laien für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit der Montageanleitung maßgeblich ist (Beck’scher OK/Faust, BGB, Edition 32, § 434 Rn. 99). Bei Geräten, die üblicherweise nur von entsprechend erfahrenen Käufern montiert werden, muss die Montageanleitung nicht allgemeinverständlich („idiotensicher“) sein. Wer nach der Art des verkauften und zu montierenden Gerätes nicht davon ausgehen durfte, mit der Montageanleitung angesprochen zu sein und wer dann – und sei es aus Gründen der Kostenersparnis – dieses Gerät kauf und selbst montiert, kann später nicht über § 434 Abs. 2 S. 2 BGB geltend machen, den damit verbundenen Anforderungen nicht gewachsen zu sein (MüKo/H. P. Westermann, BGB, 6. Auflage, § 434 Rn. 40). Der Mangel der Montageanleitung kann je nach den Umständen des einzelnen Falles beispielsweise darauf beruhen, dass sie sachliche Fehler enthält, für den Laien unverständliche Fachausdrücke enthält, fehlerhaft übersetzt ist oder nicht in deutscher Sprache verfasst ist, obwohl dies erwartet werden kann.
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Ausgehend von diesen Grundsätzen sieht das Gericht es aufgrund des Sachverständigengutachtens als erwiesen an, dass die dem Kläger mitgelieferte Montageanleitung nicht mangelhaft.
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Die Mangelhaftigkeit folgt nicht schon daraus, dass der Beklagte dem Kläger nicht die Originalmontageanleitung ausgehändigt hat. Denn dazu ist der Beklagte als Verkäufer nicht verpflichtet. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Originalmontageanleitung vorliegend in englischer Sprache verfasst ist. Hätte der Beklagte alleine die Originalmontageanleitung weitergereicht, wäre dies wohl als Mangel im Sinne des § 434 Abs. 2 S. 2 BGB zu werten, da die Käufer aufgrund des Internetauftritts des Beklagten eine Montageanleitung in deutscher Sprache erwarten dürfen. Zudem stelle man sich den Fall vor, dass die Originalmontageanleitung unverständlich ist, keine anschaulichen Bilder enthält oder sonst wie fehlerhaft ist. In diesem Fall kann der Verkäufer seiner Pflicht zur Lieferung einer mangelhaften Montageanleitung nicht genügen, wenn er die Originalmontageanleitung des Herstellers an den Käufer weitergibt.
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Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass die Montageanleitung K17 betreffend die Einbaumaße für die Torantriebe zwar für den Laien unverständlich ist, aber sachlich nicht falsch. Einem Fachmann wäre die Montage mittels der Montageanleitung fehlerfrei gelungen. Dass die Einbaumaße in der Originalmontageanleitung nach Aussage des Sachverständigen besser dargestellt sind, ist nach den obigen Ausführungen irrelevant. Das Gericht folgt den Ausführungen des Sachverständigen, die schlüssig und nachvollziehbar sind. Die Montage des Antriebs und des Schlittenarmes ist in der Montageanleitung durch Bilder anschaulich dargestellt, in denen die entscheidenden Punkte eingezeichnet sind. In dem Bild, das die Draufsicht auf die Anlage zeigt, ist der einzuhaltende Abstand eingezeichnet. Der Sachverständige ist als Elektroinstallateurmeister qualifiziert, die Frage der Mangelhaftigkeit der Montageanleitung zu beurteilen.
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Maßgeblich für die Bewertung der Mangelfreiheit der Montageanleitung ist im vorliegenden Fall der Verständnishorizont eines mit der Montage von Torantrieben vertrauten Käufers. Zwar richtet sich das Angebot des Beklagten auf seiner Homepage grundsätzlich auch an technische Laien. Allerdings befindet sich schon auf der Startseite des Online-Shops des Beklagten direkt unter der Produktliste ein deutlich sichtbarer Hinweis auf Händler und Montagefirmen. Über den entsprechenden Link gelangt man zu einem Montageservice-Portal, über das der jeweilige Käufer qualifizierte Händler finden kann, die das gekaufte Produkt montieren. Zudem handelt es sich bei der Kaufsache um einen elektrisch betriebenen Torantrieb, bei dem die Steuerung nach der Montageanleitung nur von technisch qualifiziertem Personal in Betrieb genommen werden soll (Bl. 59 d.A.) und die üblicherweise durch entsprechend geschulte Personen montiert werden. Der Kläger als Diplominformatiker durfte sich somit von der Montageleitung nicht angesprochen fühlen, sodass er sich nicht darauf berufen kann, die Montageanleitung sei für ihn unverständlich.
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2. Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Zinsanspruch.
II.
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Die prozessualen Nebenfolgen ergeben sich aus § 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.