OLG Koblenz, Urteil vom 04.01.2012 – 5 U 980/11
1. Beweisbelastet für die Rechtzeitigkeit und inhaltliche Bestimmtheit der Mangelrüge nach § 377 HGB ist der Käufer. Einem Mangelverdacht muss er alsbald durch Untersuchung der Ware nachgehen. Bei verdeckten Mängeln beginnt die Rügefrist sofort mit der Entdeckung. Der Absicht, aus dem Mangel Rechte herzuleiten, muss zum Ausdruck gebracht werden. Der ohne eine solche Erklärung weitergegebene Mangelverdacht eines Dritten ist unzureichend.(Rn.4)(Rn.10)
2. Mit der gutgläubigen Bezeichnung eines Pkw als unfallfrei wird keine besondere Eigenschaft behauptet.(Rn.18)
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichtes Mainz vom 15.07.2011, 9 O 417/10 einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu den Hinweisen des Senates bis zum 26.01.2012 Stellung zu nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird aus Kostengründen empfohlen.
Gründe
I.
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Der Senat ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand einstimmig der Überzeugung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichtes durch Urteil nach mündlicher Verhandlung, die auch nicht nach § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO geboten ist. Von ihr sind keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Der Kläger hat auch keine Gründe aufgezeigt, die eine mündliche Verhandlung ansonsten geboten erscheinen lassen.
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen. Die dagegen erhobenen Angriffe der Berufung überzeugen den Senat nicht. Hierzu Folgendes:
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1. Die Klägerin zieht mit der Berufung nicht mehr in Zweifel, dass zwischen dem Beklagten und dem Ehemann der Rechtsmittelführerin (Zedent) ein Handelskauf gemäß § 343 Abs. 1 HGB zustande gekommen ist, mithin die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen eine rechtzeitige Rüge nach § 377 HGB voraussetzt. Dass der von dem Beklagten an den Zedenten veräußerte Pkw nicht unfallfrei und deshalb mit einem Mangel behaftet war, steht aufgrund der Interventionswirkung des Urteils des Landgerichtes Limburg vom 09.10.2009, 4 O 192/09 zwischen den Parteien fest.
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Im Streit steht damit allein, ob die Mängelrüge am 09.10.2008 rechtzeitig erhoben wurde. Die Darlegungs- und Beweislast für die rechtzeitige Rüge trägt die Klägerin. Sie hat dazu vorgetragen, erst am 08.10.2010 Kenntnis von dem Mangel erlangt zu haben, so dass die am 09.10.2010 erhobene Rüge rechtzeitig gewesen sei. Indes hat die vor dem Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme zu einem anderen Ergebnis geführt:
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Der Ehemann der Klägerin hat bekundet, dass ihm die Kenntnis vom Mangel nicht erst am 08.10.2010, sondern bereits Mitte bis Ende September 2010 vermittelt wurde. Unabhängig vom konkreten Zeitpunkt der Kenntnisnahme war mithin eine Rüge nach § 377 Abs. 3 HGB am 09.10.2010 jedenfalls verspätet. Dies dürfte außer Streit stehen.
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Allerdings hat der Ehemann der Klägerin auch bekundet, mit dem Beklagten nicht erstmals am 09.10.2010 bzw. unmittelbar nach dem anwaltlichen Schreiben des letzten Käufers gesprochen zu haben, sondern bereits in zeitlichem Zusammenhang mit der erstmaligen Rüge des Endkäufers im September 2010. Auch wenn die Klägerin sich diese Ausführungen nicht unmittelbar und ausdrücklich zu eigen gemacht hat, ist doch davon auszugehen, dass sie die Bekundungen in ihren Vortrag einbezogen haben möchte, da sie keine unmittelbare Wahrnehmung von den Gesprächen und Ereignissen hatte.
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Rechtsvorteile vermag die Klägerin daraus gleichwohl nicht herzuleiten. Die Beweisaufnahme ergab weder, dass das Gespräch zwischen dem Zeugen und dem Beklagten umgehend nach Kenntnisnahme erfolgte, noch dass in diesem Gespräch tatsächlich eine Mängelrüge im Sinne des § 377 HGB erhoben wurde.
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Die Klägerin hat ebenso wenig wie der Zeuge konkret bestimmen können, an welchem Tag im September der Endkäufer die mangelnde Unfallfreiheit gerügt hat, noch an welchem Tag oder in welchem zeitlichen Rahmen die Kontaktaufnahme des Zedenten zum Beklagten erfolgte. Damit bleibt offen, ob die Kontaktaufnahme „umgehend“ erfolgte, so dass die Klägerin den Nachweis einer rechtzeitigen Rüge schon zeitlich nicht hat führen können.
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Selbst wenn die enge zeitliche Nähe zwischen der Kenntnisnahme vom Mangel und der Kontaktaufnahme gewahrt wäre, fehlte es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme an der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit der Mängelrüge.
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Die Rügeobliegenheit dient dem Interesse des Handelsverkehrs an rascher und endgültiger Abwicklung von Rechtsgeschäften und zugleich einer sachgerechten Risikoverteilung zwischen Käufer und Verkäufer (BGHZ 66, 213). Der Verkäufer soll möglichst rasch den Beanstandungen des Käufers nachgehen, Beweise sicherstellen, einen Rechtsstreit vermeiden können und gegen Nachschieben anderer Beanstandungen geschützt werden (BGH NJW 86, 3137; BGH WM 98, 938). Während normalerweise für die Rechtzeitigkeit der Rüge der für die Untersuchung notwendige Zeitaufwand einbezogen wird, kommt es bei den verdeckten Mängeln nach der Entdeckung darauf nicht an. Was unverzüglich ist, bestimmt sich allein danach, wie rasch nach den Umständen die Rüge abzusenden ist, in der Regel umgehend (Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 377, Rn. 39).Der Käufer braucht sich weder Rechte aus dem Mangel vorzubehalten noch mitzuteilen, welche Rechte er geltend machen will (BGH NJW 96, 2228). Er muss aber erkennen lassen, dass er von den aus dem Mangel für ihn hervorgehenden Rechten Gebrauch machen will (BGH LM Nr 4; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 377, Rn. 42).
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Diesen Anforderungen hat das Gespräch zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem Beklagten im September 2010 nicht genügt. Der Beklagte hat bekundet, dass der Ehemann der Klägerin, d.h. der Zedent, der Meinung gewesen sei, dass der Endkäufer am Ende des Sommers lediglich einen Grund suche, dass Fahrzeug zurückzugeben. Der Mangel wurde danach also nicht als solcher gerügt. Auch wurde nicht erkennbar, dass der Zedent oder die Klägerin zu diesem Zeitpunkt Rechte geltend machen wollten. Das Gespräch hatte für den Ehemann der Klägerin vielmehr Informationscharakter, was sich auch daraus ergibt, dass er dem Endkäufer lediglich zugesagt hatte, den Beklagten nach einem Unfallereignis zu fragen. Auf Nachfrage hat der Zeuge in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausdrücklich bekundet, davon ausgegangen zu sein, dass die Behauptung der fehlenden Unfallfreiheit möglicherweise nicht stimme. Dies steht im Einklang damit, dass er den Pkw ja selbst untersucht und einen Unfallschaden nicht hatte feststellen können. Statt seiner unverzüglichen Untersuchungspflicht nachzukommen, hat er die weitere Entwicklung abgewartet. In letzter Konsequenz ergibt sich daraus, dass er in dem Gespräch im September 2010 keine eigene Mängelrüge erhoben hat, sondern lediglich die Tatsache der Mängelrüge eines Dritten mitteilte. Erst nach dem Gespräch am 09.10.2010 wurde die Beschaffung der Reparaturrechnung veranlasst.
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Die Klägerin kann sich nicht darauf zurückziehen, dass der Endkäufer nach seiner ersten Mängelrüge ein Gutachten habe beibringen wolle. Die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit mit der besonderen zeitlichen Grenze oblag allein dem Zedenten gegenüber dem Beklagten und war selbständig wahrzunehmen.
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Auch ist ihr der Einwand versperrt, der Endkäufer habe den Unfallschaden bei der ersten Kontaktaufnahme nicht oder nicht hinreichend beschrieben. Es oblag ihr, dies durch entsprechende Nachfragen unmittelbar zu klären. Dass dies dem Endkäufer in einem dem Schreiben vom 08.10.2010 entsprechenden Form zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen wäre, ist nicht vorgetragen.
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2. Dem Beklagten ist es auch nicht nach § 377 Abs. 5 HGB versagt, sich auf die verspätete Mängelrüge zu berufen. Es ist nicht zu ersehen, dass der Beklagte den Zedenten arglistig getäuscht hat.
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Arglist ist die Absicht, den Gegner zu täuschen, d.h. Wissen oder Damitrechnen des Verkäufers, dass der Fehler besteht, der Käufer ihn nicht erkennt und er bei Kenntnis die Ware beanstanden würde (BGH NJW 86, 317).
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Für eine positive Kenntnis des Beklagten von der fehlenden Unfallfreiheit fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten.
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Unstreitig haben die Vertragsparteien den Pkw gemeinsam untersucht. Beiden Vertragsparteien ist dabei als Autohändler eine hinreichende Sachkenntnis zuzuschreiben. Gleichwohl ist der Mangel nicht aufgefallen. Der Klägerin ist danach der Einwand versagt, der Beklagte hätte den Mangel bei gehöriger Untersuchung erkennen müssen oder habe ihn gar erkannt und nicht offenbart. Weshalb der Beklagte bessere Erkenntnisse aus einer Untersuchung des Pkw hätte gewinnen können als der gleichermaßen sachkundige Zedent, ist nicht zu ersehen.
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Der Beklagte hat auch nicht arglistig einen „Vorzug der Ware“ vorgespiegelt. Dies würde voraussetzen, dass er in Täuschungsabsicht und wider besseres Wissen eine besondere Eigenschaft behauptet hätte. Hierfür fehlt es an einem hinreichenden Vortrag der Klägerin. Allein die Bezeichnung des Pkw als unfallfrei genügt dafür nicht. Der Beklagte hatte keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Fahrzeug nicht unfallfrei war. Eigene Kenntnis von einem Unfallereignis hatte er nicht und die eigenen Untersuchungen wie die Untersuchungen des Zedenten haben keine Hinweise auf einen Unfallschaden geliefert. Ob der Beklagte überhaupt konkret gegenüber dem Zedenten auf die Unfallfreiheit hingewiesen hat, kann danach dahinstehen.
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3. Welche rechtliche Bedeutung dem Vortrag zukommen soll, bei der Unfallfreiheit habe es sich um eine zugesicherte Eigenschaft gehandelt, erschließt sich dem Senat im Zusammenhang mit § 377 HGB nicht.
II.
20
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen bietet die Berufung offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auch unter Berücksichtigung des neu gefassten § 522 Abs. 2 ZPO ist eine mündliche Verhandlung aus den eingangs genannten Gründen nicht geboten. Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1, Nr. 2 und 3 ZPO liegen nicht vor.
21
Der Klägerin wird aus Kostengründen empfohlen, aus den vorstehenden Hinweisen die angezeigten prozessualen Konsequenzen zu ziehen und die Berufung zurückzunehmen. Der Senat erwägt, den Gegenstandswert für das Berufungsverfahren auf 14.899,02 festzusetzen.