Zu den Anforderungen an den Nachweis eines wirtschaftlichen Totalschadens am Frachtgut nach LKW-Unfall

OLG München, Urteil vom 23.11.2017 – 23 U 1858/17

Zu den Anforderungen an den Nachweis eines wirtschaftlichen Totalschadens am Frachtgut nach LKW-Unfall

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 18.01.2017 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesen Urteilen jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

1
Die Klägerin macht als Transportversicherer aus abgetretenem Recht Ersatzansprüche wegen eines Transports am 10. August 2007 geltend.

2
Sie hat behauptet, bei den transportierten Türsteuergeräten sei ein Totalschaden eingetreten.

3
Die Klägerin hat beantragt,

4
die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 65.973,30 Sonderziehungsrechte nebst 5 % Zinsen seit dem 16.08.2007 zu zahlen.

5
Die Beklagte hat beantragt,

6
die Klage abzuweisen.

7
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Durch den Unfall des LKW könne ein Teil der transportierten Ware beschädigt worden sein. Wegen der mangelhaften Verpackung scheide jedoch eine Haftung der Beklagten aus (Art. 17 Abs. 4 lit b CMR). Ein Totalschaden an den transportierten Sachen liege nicht vor. Der Sachverständige komme zu dem Ergebnis, dass aufgrund der bei dem Unfall aufgetretenen Beschleunigung keine Schäden an den Türsteuergeräten, weder physisch gegenwärtig, noch latent entstanden seien. Er habe sein Gutachten unter Berücksichtigung der Ausführungen in den Vorgutachten erstellt, denen er aber weitgehend nicht folge. Insbesondere die Annahme von Latenzschäden sei lediglich eine subjektive Vermutung, die durch keine Fakten gestützt werde. Die Klägerin könne auch keinen Totalschaden in Form eines Schadensverdachts geltend machen, da die voraussichtlichen Untersuchungskosten nicht den Wert der betroffenen Ware überstiegen.

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Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die insbesondere rügt, das angefochtene Urteil sei unwirksam, da es an der erforderlichen Urteilsverkündung fehle. Soweit ausweislich des Protokolls vom 18. Januar 2017 ein Endurteil verkündet worden sei, sei dies erkennbar falsch, da zu dem Zeitpunkt noch gar kein Endurteil vorgelegen habe, wie der Präsident des Landgerichts Landshut mit Schreiben vom 22. Mai 2017 mitgeteilt habe. Die Übersendung und Zustellung des angeblich verkündeten Urteils könne die fehlende Verkündung nicht ersetzen. Jedenfalls sei das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass die Beklagte antragsgemäß verurteilt werde. Das Landgericht habe verkannt, dass nicht ex post darüber zu entscheiden war, ob ein Schaden in der geltend gemachten Höhe entstanden ist, sondern ex ante darüber, ob ein hinreichender Schadensverdacht bestand, aufgrund dessen die Klägerin zumindest den gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR mit der Klage geltend gemachten Schaden in Höhe von ca. € 73.000,00 verlangen könne. Hier liege unzweifelhaft ein hinreichend begründeter Schadensverdacht vor. Die Kosten für die Ausräumung des Schadensverdachts habe der Sachverständige des Havariekommissariates B. & T. ausweislich des als Anlage B 3 vorgelegten Gutachtens mit € 100.388,97 ermittelt. Mit diesen Kosten habe sich der Schadensverdacht jedoch nicht ausräumen lassen, da sich mit den vorgeschlagenen Funktionstests aller Geräte Folgeschäden durch Haarrisse oder spätere Ausfälle der Motoren nicht gänzlich ausschließen ließen. Der begründete Schadensverdacht ließe sich nur dann ausräumen, wenn die Bauteile total zerlegt werden; die dafür erforderlichen Kosten überschritten den Lieferwert der Türsteuergeräte.

9
Die Klägerin beantragt,

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1. das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht Landshut zurückzuverweisen;

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2. hilfsweise:

12
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den Gegenwert von 65.973,30 Sonderziehungsrechten in Euro zum Zeitpunkt des abschließenden Urteils nebst 5 % Zinsen seit dem 16.08.2007 zu zahlen;

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3. vorsorglich,

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die Revision zuzulassen.

15
Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

17
Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Das Protokoll vom 18. Januar 2017 erbringe den Beweis für die protokollierte Tatsache. Die Zustellung des Urteils Ende Mai 2017 spreche jedenfalls nicht gegen seine Wirksamkeit. Es fehle an der Voraussetzung für die Annahme eines Totalschadens aufgrund eines Schadensverdachts, nämlich, dass die Untersuchungskosten den Warenwert übersteigen.

18
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

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1. Die Behauptung der Klägerin, ein Urteil des Landgerichts Landshut sei nicht verkündet worden, steht der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen, da durch die Zustellung zumindest ein Rechtsschein einer gerichtlichen Entscheidung erzeugt wurde. Ein Scheinurteil kann mit denjenigen Rechtsmitteln angefochten werden, welche gegen eine rechtlich existente Entscheidung gleichen Inhalts statthaft wären (BGHZ 10, 346, 349). Die Fristen der §§ 519, 520 ZPO wurden gewahrt. Ein nicht verkündetes Urteil könnte außerdem auch dann mit der Berufung angefochten werden, wenn deren Zulässigkeitsvoraussetzungen im Übrigen nicht gegeben sind (BGH, Beschluss vom 03. November 1994 – LwZB 5/94 -, juris).

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2. Spätestens durch Zustellung des Urteils ist es wirksam erlassen worden, so dass die erste Instanz abgeschlossen ist und der Senat die Sache nicht an das Landgericht Landshut zurückverweisen musste (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2012 – XII ZB 592/11 -, Rn. 18, juris). Es kann somit dahinstehen, ob das angegriffene Urteil am 18. Januar 2017 gemäß §§ 311, 310 Abs. 2 ZPO verkündet wurde.

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Nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom 14. Juni 1954 (BGHZ 14, 39) stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (BGHZ 14, 39, 44 f.). Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet worden sind. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist etwa eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch bestimmten Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform erfüllt (BGH, Urteil vom 31. Mai 2007 – X ZR 172/04 -, BGHZ 172, 298-315, Rn. 12).

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Hier ergibt sich aus der Verfügung des Vorsitzenden Richters, das vollständig abgesetzte Urteil vom 18. Januar 2017 an die Parteien zuzustellen (Bl. 294 d.A.), dass es verlautbart werden sollte. Ob die Verfügung am 18. Januar oder erst Ende Mai 2017 unterzeichnet wurde, ist insoweit ohne Belang. Das Urteil wurde dann beiden Parteien am 1. Juni 2017 zugestellt.

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3. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin konnte einen wirtschaftlichen Totalschaden nicht nachweisen, auf eine Substanzverletzung stützt sie sich in der Berufung nicht mehr. Etwaige tatsächlich angefallene Untersuchungskosten macht sie nicht geltend. Die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1, Art. 25, 23 Abs. 3 CMR liegen somit nicht vor.

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3.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 6. Februar 1997 – I ZR 202/94 -, Rn. 17 ff., juris) kann eine Entwertung der ganzen Sendung im Einzelfall auch dann anzunehmen sein, wenn durch die Beschädigung nur eines Teils die gesamte Sendung unbrauchbar wird. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn aufgrund der Beschädigung einzelner mit Lebensmitteln gefüllter Kartons der Verdacht entsteht, dass die Ware insgesamt zum menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet sei und deshalb die Einfuhrerlaubnis insgesamt versagt wird. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine Entwertung der gesamten Sendung i.S. von Art. 25 Abs. 2 lit. a CMR vorliegt, ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, die sich nach objektiven Maßstäben richtet. Dabei dürfen bei der Frage, ob die Sendung insgesamt entwertet ist, keine zu geringen Maßstäbe angelegt werden. Denn die Bemessung von Haftungshöchstgrenzen nach der CMR dient in erster Linie dem Schutz des Frachtführers, dessen Vergütung sich – jedenfalls in der Regel – nach dem Gewicht, dem Umfang und gegebenenfalls der Beschaffenheit und nicht nach dem Wert der Sendung richtet, vor unzumutbarer wirtschaftlicher Inanspruchnahme.

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Liegt eine Sachbeschädigung in Form eines hinreichend begründeten Schadensverdachts vor, ist es grundsätzlich gerechtfertigt, dass der Eigentümer die Sache daraufhin untersuchen lässt, ob unsichtbare Schäden tatsächlich vorhanden sind, die zur Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit der betroffenen Sache behoben werden müssen. Die Untersuchung der Sache dient dazu, deren objektiven Verkehrswert wiederherzustellen, weil nur auf diese Weise der sich wertmindernd auswirkende Schadensverdacht ausgeräumt werden kann. Eine berechtigterweise veranlasste Untersuchung ist daher mit der Reparatur einer tatsächlich beschädigten Sache vergleichbar, die im allgemeinen ebenfalls der Wiederherstellung des Wertes der Sache in unbeschädigtem Zustand dient. Dementsprechend hat der Ersatzpflichtige grundsätzlich auch die für eine gebotene Untersuchung erforderlichen Kosten zu erstatten. Das gilt auch dann, wenn die Untersuchung ergibt, dass keine unsichtbaren Schäden entstanden waren. Übersteigen die voraussichtlichen Untersuchungskosten den Verkehrswert der betroffenen Sache, so kann ein wirtschaftlicher Totalschaden auch ohne festgestellte Substanzverletzung allein aufgrund des begründeten Schadensverdachts in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 – I ZR 36/00 -, Rn. 15, juris).

27
3.2. Bei dem Unfall des LKWs wurden unstreitig 504 Stück der Türsteuergeräte und ein Teil der Verpackung äußerlich beschädigt. Dass der Sachverständige zu dem Ergebnis kam, die Geräte seien nach dem Unfall völlig einwandfrei gewesen (Seite 52 des Gutachtens, Bl. 238 d.A.) steht der Annahme eines Schadensverdachts aus ex-ante Sicht bezüglich der gesamten Sendung nicht entgegen. Zutreffend geht das Landgericht jedoch davon aus, dass die voraussichtlichen Untersuchungskosten den Verkehrswert der streitgegenständlichen Sendung nicht überstiegen.

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3.2.1. Ihre Behauptung, eine vollständige Prüfung, die auch Haarrisse erfasse, sei wirtschaftlich nicht möglich gewesen, da hierzu die Fensterheber total hätten auseinander genommen werden müssen (Seite 5 f. der Klage; Seite 6 des Schriftsatzes vom 25. März 2010, Bl. 34 d.A.), konnte die Klägerin nicht beweisen.

29
Erstattungsfähig sind nur die für die gebotene Untersuchung erforderlichen Kosten. Dass eine Öffnung der streitgegenständlichen Türsteuergeräte für Fensterheber geboten war, ist nicht bewiesen. Zu den dafür erforderlichen Kosten hat die Klägerin in erster Instanz im Übrigen nicht substantiiert vorgetragen.

30
3.2.1.1. Ohne Erfolg stützt sich die Klägerin (Seite 5 der Berufungsbegründung, Bl. 309 d.A.; Seite 2 des zweiten Schriftsatzes vom 22. November 2017, Bl. 340 d.A.) auf die als Anlagen K 4 und B 3 vorgelegten Privatgutachten, bei denen es sich nur um (substantiierten) Parteivortrag handelt (BGH, Urteil vom 15. Juli 1998 – IV ZR 206/97 -, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 20. September 2002 – V ZR 170/01 -, Rn. 11, juris).

31
Dass die auf Seite 6 der Klage und auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 25. März 2010 (Bl. 33 d.A.) ergänzend zu den Gutachten angebotenen Zeugen H. und B. nicht vernommen wurden, hat die Klägerin nicht gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO gerügt. Ein in erster Instanz übergangenes Beweisangebot muss jedoch ausdrücklich gerügt werden (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 520, Rn. 23).

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Die allgemeine Rüge, es liege eine falsche Sachbehandlung durch das Landgericht vor, weil ex ante zu entscheiden war, ob ein hinreichender Schadensverdacht bestand, aufgrund dessen die Klägerin zumindest den mit der Klage geltend gemachten Betrag hätte geltend machen können (Seite 3 der Berufungsbegründung, Bl. 307 d.A.) ist insoweit nicht ausreichend. Entgegen der im zweiten Schriftsatz vom 22. November 2017 (Seite 1, Bl. 339 d.A.) aufgestellten Behauptung wurde in der Berufungsbegründung nicht gerügt, dass ex ante über die Voraussetzungen eines Schadensverdachts Beweis zu erheben gewesen wäre; auch eine solche Rüge wäre im Übrigen zu allgemein.

33
3.2.1.2. Die Klägerin hat zwar auf Seite 6 des Schriftsatzes vom 25. März 2010 (Bl. 34 d.A.) Sachverständigen-Beweis dafür angeboten, dass auch bei einer von dem Havariekommissar B. & T. thematisierten Überprüfung Folgeschäden durch Haarrisse oder spätere Ausfälle der Motoren nicht gänzlich ausgeschlossen werden konnten (Seite 9 der Anlage B 3). Dies hat der gerichtliche Sachverständige jedoch ausgeschlossen, der auf Seite 51 seines Gutachtens (Bl. 237 d.A.) ausführt, die Vorgutachter spekulierten über Latenzschäden, berücksichtigten dabei aber nicht die Werkstoffspezifika. Latenzschäden seien bei diesem Werkstoff, d.h. bei körniger Matrix, aber vollflächiger Verklebung mit einem stützenden Stahlgehäuse, so gut wie sicher unmöglich. Er habe an einem Versuch gezeigt, dass der Werkstoff entweder spontan reiße oder es gebe keinen Riss und damit auch keinen Latenzschaden. In seiner Stellungnahme vom 3. Dezember 2016 (Seite 2, Bl. 276 d.A.) wiederholte er seine Einschätzung, es habe an einer halbwegs brauchbaren Schadensabschätzung durch die Vorgutachter gefehlt.

34
Die Klägerin hat insoweit nur eingewandt, die vom Sachverständigen vorgenommene Untersuchung an insgesamt 10 Geräten darauf, ob ein Haarriss, also ein Latenzschaden möglich ist, sei nicht geeignet, einen solchen auszuschließen (Seite 9 des Schriftsatzes vom 4. Oktober 2016, Bl. 257 d.A.). Mit der Begründung des Sachverständigen hat sie sich nicht auseinandergesetzt. Dass insoweit ein ergänzendes Sachverständigengutachten einzuholen gewesen wäre, hat sie in erster Instanz nicht beantragt.

35
In der Berufungsbegründung nimmt die Klägerin lediglich auf ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 4. Oktober 2016 Bezug (Seite 8, Bl. 312 d.A.), die auf den Ausführungen des Sachverständigen beruhende Feststellung des Landgerichts, die Annahme von Latenzschäden sei nur eine Vermutung, wird aber nicht angegriffen.

36
3.2.1.3. Da die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass zur Beseitigung des Schadensverdachts die Öffnung der Türheber erforderlich war, kommt es auf die dafür erforderlichen Kosten nicht an. Insoweit fehlt es im Übrigen an konkretem Sachvortrag in erster Instanz. Die Klägerin hat zunächst auf Seite 6 der Klage auf das Gutachten der DEKRA (Anlage K 4) Bezug genommen, aus dem sich aber die dafür erforderlichen Kosten nicht ergeben. Dann hat sie argumentiert, eine vollständige Prüfung sei „wirtschaftlich nicht möglich“ gewesen (Seite 6 des Schriftsatzes vom 25. März 2010, Bl. 34 d.A.) und schließlich die Fragen aufgeworfen, ob die dafür erforderlichen Kosten wirtschaftlich waren und bei oder unter € 1,54 lagen (Seite 8 des Schriftsatzes vom 15. April 2011, Bl. 84 d.A.) sowie zu welchen Kosten der begründete Schadensverdacht ausgeräumt werden kann (Seite 4 des Schriftsatzes vom 9. Oktober 2010, Bl. 128 d.A.). Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 9. Oktober 2010 (Seite 5, Bl. 129 d.A.) einwendet, sie könne nicht feststellen, dass das Gericht [den Sachverständigen] nach den Überprüfungskosten der Teile gefragt habe, und nach Eingang des Gutachtens rügt, der Sachverständige habe sich nicht mit der Frage auseinander gesetzt, inwieweit es kaufmännisch zu vertreten gewesen sei, die transportierten Teile nach dem Unfall noch zu verwenden (Seite 10 des Schriftsatzes vom 4. Oktober 2016, Bl. 258 d.A.), verkennt sie ihre Darlegungslast. Auch insoweit rügt sie in der Berufung nicht ausreichend, dass ein Beweismittel übergangen worden wäre. Auf die Ausführung unter Ziffer 3.2.1.1. wird Bezug genommen.

37
Aus welchen Gründen der neue Vortrag, die für Untersuchung unter Zerlegung der Bauteile erforderlichen Kosten überschritten den Lieferwert der Türsteuergeräte (Seite 6 der Berufungsbegründung, Bl. 301 d.A.) bzw. die Öffnung der Türkontakte führe zu deren Zerstörung (Seite 2 des ersten Schriftsatzes vom 22. November 2017, Bl. 338 d.A.) nach § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden könnte, hat die Klägerin nicht dargelegt.

38
3.2.2. Soweit die Klägerin in erster Instanz zur Begründung eines wirtschaftlichen Totalschadens ergänzend darauf abgestellt hat, die Firma B. habe das Vertragsverhältnis mit T. mit der Lieferung nicht belasten können (Seite 11 des Schriftsatzes vom 4. Oktober 2010, Bl. 259 d.A.), bzw. der Totalschaden ergebe sich daraus, dass Untersuchung der Ware [durch den gerichtlichen Sachverständigen] mehr als fünf Jahre gedauert habe (Seite 13 des Schriftsatzes vom 4. Oktober 2010, Bl. 261 d.A.), ist dies allein nicht ausreichend. Darauf stützt sich die Klägerin in der Berufungsinstanz auch nicht mehr.

39
3.2.3. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in der Berufung darauf, die Kosten für die Ausräumung des Schadensverdachts beliefen sich nach dem als Anlage B 3 vorgelegten Gutachten des Sachverständigen des Havariekommissariates B. & T. auf € 100.388,97 und lägen damit oberhalb der geltend gemachten Grundhaftung (Seite 5 f. der Berufungsbegründung, Bl. 309 f. d.A.). Zum einen umfasst dieser Betrag ausweislich Seite 10 des Berichts neben dem Prüfaufwand, der sich nur auf € 23.284,80 beläuft, weitere Schadenspositionen insbesondere einen Schaden in Höhe von € 64.889,29 unter Annahme einer Schadensquote von 20 % bei den zu überprüfenden Teilen (15.120 Stück). Zum anderen wären auch € 100.388,97 weniger als ein Drittel des unstreitigen Warenwerts in Höhe von Warenwert € 341.131,00. Von einem wirtschaftlichen Totalschaden kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn die voraussichtlichen Untersuchungskosten den Verkehrswert der Sache übersteigen (BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 – I ZR 36/00 -, Rn. 15, juris). Abzustellen ist daher hier entgegen der Ansicht der Klägerin auf den Wert des Gutes nach Art. 23 Abs. 1, 2 und 4 i.V.m. Art. 25 CMR, nicht dagegen auf die Haftungshöchstsumme nach Art. 23 Abs. 3 CMR.

40
3.3. Die unstreitig erforderlichen Untersuchungskosten in Höhe von € 1,54 pro Stück kann die Klägerin nicht von der Beklagten ersetzt verlangen, da sie die Sendung nicht untersuchen ließ.

41
Soweit die Klägerin in erster Instanz hilfsweise die entstandenen Gutachterkosten in Höhe von € 33.115,00 angesetzt hat (Seite 2 des Schriftsatzes vom 30. November 2016, erstes Bl. 274 d.A.), verfolgt sie dies in zweiter Instanz nicht weiter. Im Übrigen handelt es sich bei den Kosten für den gerichtlichen Sachverständigen nicht um die Kosten, die erforderlich waren, um den Schadensverdacht zu beseitigen.

42
4. Ohne Erfolg wendet die Berufungsführerin ein (Seite 6 der Berufungsbegründung, Bl. 310 d.A.), die vom Landgericht veranlassten Gutachterkosten seien niederzuschlagen, weil der vom Sachverständigen der Beklagten ermittelte Betrag zur Beseitigung des Schadensverdachts die Klageforderung übersteige und es daher einer weiteren Beweiserhebung nicht bedurft hätte. Abgesehen davon, dass diese Argumentation nicht durchgreift (s.o. Ziffer 3.2.3.) wurde sie so in erster Instanz nicht vorgetragen. Im Schriftsatz vom 4. Oktober 2017 (Seite 13, Bl. 261 d.A.) hat die Klägerin mit der Begründung, das Landgericht habe den Sachverständigen nicht darauf hingewiesen, es komme nicht allein auf die physikalische Feststellung eines Totalschadens an, sondern auf die Feststellung eines begründeten Schadensverdachts aus ex ante Sicht beantragt, die Sachverständigenkosten niederzuschlagen. Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz GKG, wonach Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben werden, liegen nicht vor. Zutreffend hat das Landgericht insoweit auf Seite 7/8 des angegriffenen Urteils ausgeführt, dass die vorgelegten Parteigutachten nicht ausreichend waren, um den Sachvortrag der Klagepartei zu stützen (s.o. Ziffer 3.2.1.1.).

43
5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 und § 543 Abs. 2 ZPO. Insbesondere die Voraussetzungen, unter denen die Untersuchungskosten zur Ausräumung eines Schadensverdachts zu erstatten sind, sind höchstrichterlich geklärt.

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