Es kommt in der Praxis wohl nicht so selten vor, dass von Dritten vorab ausgefüllte CMR-Frachtbriefe „blind“ abgestempelt werden; dies vor dem Hintergrund, dass in verschiedenen Ländern ein fehlender CMR-Frachtbrief mit einem empfindlichen Bußgeld belegt wird. So verständlich diese Praxis daher auf der einen Seite ist, birgt sie aber auf der anderen im Streitfall Risiken – für denjenigen, der den Frachtbrief ungeprüft abstempelt wie auch unter Umständen für den, der den Frachtbrief aufs Geratewohl vorab selbst ausgefüllt hat.
Wer ist dafür zuständig, den CMR-Frachtbrief auszustellen?
Wer auf diese Frage eine Antwort in der CMR zu finden hofft, wird enttäuscht: Dort findet sich dazu keine Regelung. In Art. 4 Satz 1 CMR heisst es lediglich, dass der Beförderungsvertrag in einem Frachtbrief festgehalten wird. Art. 4 Satz 2 CMR weist aber gleich darauf hin, dass ein fehlender Frachtbrief auf die Wirksamkeit des Transportvertrages keinen Einfluss hat. Hauptfunktion des Frachtbriefs ist die Beweisfunktion, worauf auch in Art. 9 Abs. 1 CMR hingewiesen wird.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 CMR bestimmt, dass der ausgestellte Frachtbrief vom Absender und Frachtführer unterzeichnet wird, Firmenstempel reicht, sofern dies nach Landesrecht zulässig ist, wie Art. 5 Abs. 1 Satz 2 CMR klarstellt (In Deutschland verlangt § 408 Abs. 2 Satz 2 HGB als Stempel die Nachbildung der Unterschrift. Hierzulande reicht der Firmenstempel daher nur dann, wenn es zwischen den Vertragsparteien (zumindest stillschweigend) vereinbart ist.)
Durch die Regelung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 CMR lässt sich aber jedenfalls der Personenkreis derjenigen, die für die Ausstellung des Frachtbriefes sein können, eingrenzen: Zuständig für die Ausstellung des Frachtbriefes können nur der Absender oder der Frachtführer sein.
Wer ist Absender?
Wer Frachtführer ist, ist wohl kaum jemals strittig. Hingegen kann es durchaus unklar und nicht auf den ersten Blick erkennbar sein, wer Absender des Frachtguts ist. Absender ist, wer das Transportunternehmen beauftragt und dessen Rechnung bezahlt. Absender ist also keineswegs unbedingt das Unternehmen oder die Person, bei der das Frachtgut abgeholt wird.
Wer die Absenderangabe ungeprüft hinnimmt und den CMR-Frachtbrief in Feld 22 mit seinem Stempel versieht, ist dem CMR-Frachtbrief zufolge nun Absender – auch wenn er den Frachtführer gar nicht beauftragt hat. In einem Rechtsstreit kann er sich so einer unbegrenzten Haftung ausgesetzt sehen für Falschangaben im Frachtbrief, die gar nicht von ihm eingetragen worden sind. Diesen Rechtsschein vor Gericht zu entkräften, kann sich als äußerst schwierig erweisen.
Wer haftet für falsche Angaben im CMR-Frachtbrief?
Hierzu gibt Art. 7 Abs. 1 CMR Auskunft: Der Absender haftet für folgende unrichtige oder unvollständige Angaben im Frachtbrief, und zwar der Höhe nach unbegrenzt:
– Name und Anschrift des Absenders
– Stelle und Tag der Übernahme des Frachtgutes sowie die für die Ablieferung vorgesehene Stelle
– Name und Anschrift des Empfängers
– die übliche Bezeichnung des Gutes
– Anzahl, Zeichen und Nummern der Frachtstücke
– Rohgewicht oder anders angegebene Menge des Gutes
– Weisungen für die zoll- und sonstige amtliche Behandlung
– Verbot umzuladen
– Kosten, die der Absender übernimmt
– einzuziehender Nachnahmebetrag
– Wertangabe des Gutes
– Weisungen des Absenders an den Frachtführer über die Versicherung des Gutes
– vereinbarte Frist für die Beförderung
– Verzeichnis der dem Frachtführer übergebenen Urkunden
– alle weiteren Angaben oder Weisungen des Absenders
Was passieren kann, wenn z. B. im Frachtbrief ein falsches Kfz-Kennzeichen eingetragen wird, steht in einem Urteil des LG Frankfurt vom 20.09.2000 (Az. 3/2 O 80/95):
1. Entsteht ein Ladungsschaden (hier: Verderben von Fleisch) dadurch, dass das Transportfahrzeug wegen falscher Eintragung des Fahrzeugkennzeichens in den Frachtpapieren vom Einfuhrzollamt festgehalten wird, haftet der Frachtführer grundsätzlich aus positiver Vertragsverletzung.
2. Hat der Absender aber den Frachtbrief ausgefüllt und ist dieser vom Fahrer nicht überprüft worden, ist das Verschulden beider Parteien als gleich hoch zu werten, so dass sich die Haftung des Frachtführers auf 50% reduziert.
Hier sähe sich ein „blind“ abstempelndes Unternehmen einer hälftigen Mithaftung für die Vernichtungskosten von mehreren Tonnen verdorbenem Fleisch, Sachverständigenkosten, Zusatzkosten des Empfängers wegen Nachbestellung etc. ausgesetzt, auch wenn es die Falscheintragung im Frachtbrief gar nicht vorgenommen hat.
Mögliche strafrechtliche Relevanz eines falsch ausgefüllten Frachtbriefs
Gemäß Art. 9 Abs. 1 CMR ist der ordnungsgemäß unterzeichnete Frachtbrief Beweisurkunde. Stellt jemand einen Frachtbrief aus und füllt aufs Geratewohl das Feld für den Absender aus, könnte diese Handlung unter Umständen als Urkundenfälschung gewertet werden.
Meistens geht es ja gut. Wenn es aber auch nur einmal schiefgeht wie im erwähnten Fall des LG Frankfurt, wird es (wie so häufig im Transportrecht) gleich richtig teuer – von den Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehung der Vertragsparteien ganz zu schweigen. Es ist daher den an einem Transport beteiligten Unternehmen dringend zu empfehlen, die Zuständigkeit für die Ausstellung eines CMR-Frachtbriefes schriftlich klar zu regeln.
(c) 2016 RA Fredi Skwar