LG Berlin, Urteil vom 26.05.2011 – 67 S 70/11
Wenn der Vermieter einem Mieter gestattet, Gemeinschaftsflächen mit zu benutzen, so begibt er sich damit nicht der Möglichkeit, eine solche Erlaubnis zu widerrufen. Die Erteilung einer solchen Erlaubnis führt nicht dazu, dass das Recht auf Mitbenutzung einer Gemeinschaftsfläche für eigene Zwecke zu einem Bestandteil der Rechte und Pflichten des Mietverhältnisses wird, die der Vermieter nicht einseitig ändern kann. Die Erteilung einer solchen Erlaubnis bedeutet keine einvernehmliche Änderung des Mietvertrages. Es handelt sich bei einer solchen Erlaubnis in der Regel um eine bloße Gefälligkeit, die der Vermieter dem Mieter erweist, ohne dass sich dies in der Vereinbarung einer gesonderten Vergütung niederschlägt. Eine solche Erlaubnis kann der Vermieter jederzeit aus sachlich gerechtfertigten Gründen widerrufen. Ein solcher Grund liegt insbesondere dann vor, wenn der Anlass, der zu der Erteilung der Erlaubnis geführt hat, nicht mehr besteht (Rn.16).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 18. November 2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Köpenick -17 C 138/10- wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 300,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die zulässige Berufung war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert. Die Kammer nimmt hinsichtlich der fehlenden Erfolgsaussicht Bezug auf die Gründe des richterlichen Hinweises vom 28. März 2011, an denen es –trotz der weiteren Stellungnahme der Beklagten mit Schriftsatz vom 11. April 2011- festhält.
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Mit dem vorgenannten Hinweis der Kammer vom 28. März 2011 ist auf folgendes hingewiesen worden:
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„I. Die gemäß § 522 Abs. 1 ZPO vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die Berufung gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft ist und die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer erreicht ist sowie die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO gewahrt sind. Insbesondere übersteigt die Beschwer den Betrag von 600,00 €. Das Amtsgericht hat die Beklagte dazu verurteilt zu unterlassen, auf dem Hof des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks ein Fahrrad abzustellen. Das Amtsgericht hat den Kostenstreitwert hierfür auf 300,00 € festgesetzt. Die Beklagte nimmt für sich das Recht in Anspruch, weiterhin dort ein Fahrrad abstellen zu dürfen. Maßgeblich für die Beschwer ist der Betrag, den die Beklagte aufwenden müsste, wenn sie woanders einen Stellplatz für ein Fahrrad oder mehrere Stellplätze mieten müsste. Das monatliche Entgelt für einen Fahrradabstellplatz kann mit 25,00 € geschätzt werden. Die Beschwer der Beklagten durch das angefochtene Urteil beläuft sich in analoger Anwendung von § 9 Satz 1 ZPO auf den 42-fachen Betrag, nämlich auf einen Betrag von 1.050 €.
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II. Die Berufung dürfte jedoch keinen Erfolg haben.
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Das Amtsgericht hat zu Recht die Beklagte dazu verurteilt, das Abstellen eines Fahrrades auf dem Hof des Grundstücks zu unterlassen, auf dem sich ihre Mietwohnung befindet.
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1. Die Beklagte ist aufgrund eines mit der Klägerin am 23. Oktober 2002 geschlossenen Vertrages Mieterin einer Wohnung im Hause …, … Berlin. In dem Mietvertrag ist nicht ausdrücklich die Rede davon, dass der Beklagten das Abstellen eines Fahrrades auf dem Hof des Grundstücks gestattet ist. Unter § 19 – Hausgemeinschaftsordnung – heißt es unter anderem:
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„Die Rücksicht der Hausbewohner aufeinander verpflichtet diese unter anderem zu Folgendem:
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Einholen der Genehmigung des Vermieters für etwaige Tierhaltung sowie für Verkehr, Aufstellen und Lagern in Gängen, auf Höfen usw. unter anderem für Krafträder, Mopeds und Wagen, wofür der Mieter außerdem zuvor die behördliche Genehmigung nachsuchen muss.“
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Kurz nach Beginn des Mietverhältnisses stellte der die Klägerin vertretende Hausverwalter der Beklagten auf deren Bitten einen Kellerraum zur Verfügung, damit diese dort Fahrräder für sich und ihre Kinder abstellen konnte. Nachdem die Beklagte im Jahre 2004 geltend gemacht hatte, dass es für ihre beiden minderjährigen Kinder zu beschwerlich sei, die Fahrräder jeweils in den Keller zu schaffen, gestattete der Hausverwalter der Beklagten, dass ihre Kinder die Fahrräder auf dem Hof abstellen dürften.
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Im Herbst/Winter 2007 stellte der Hausverwalter ein offenbar herrenloses Fahrrad auf dem Hof sicher und verbrachte es in seinen Keller. Die Beklagte räumte auf Befragen ein, dass das Fahrrad einem ihrer Söhne gehören würde.
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Im Frühjahr 2008 wurde der Keller des Verwalters aufgebrochen und dabei das Fahrrad entfernt. Die Beklagte und ihrer Söhne räumten ein, den Keller aufgebrochen und das Fahrrad an sich genommen zu haben. Der Verwalter wies darauf hin, dass das Abstellen von Fahrrädern im Hof nicht gestattet sei. Im Laufe des Jahres 2008 stellten die Söhne der Beklagten weiterhin Fahrräder auf dem Hof des Grundstücks ab. Der Verwalter wies die Beklagte darauf hin, dass die Söhne nunmehr fast volljährig seien und die Fahrräder in dem der Beklagten zur Verfügung gestellten Kellerraum abstellen könnten.
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Die Söhne stellten ihre Fahrräder weiterhin im Hof ab. Mit einem Schreiben vom 2. Mai 2009 wies der Hausverwalter die Beklagte darauf hin, dass das Abstellen von Fahrrädern nicht genehmigt werde. Für das Abstellen von Fahrrädern stehe vor dem Haus ein Fahrradständer zur Verfügung. Weiterhin stehe der Beklagten ein Kellerraum zur Verfügung.
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Mit einem Schreiben vom 21. August 2009 forderte die Klägerin die Beklagte dazu auf, das Abstellen der Fahrräder im Hof zu unterlassen.
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2. Die Klägerin hat die Beklagte darauf in Anspruch genommen, das Abstellen der Fahrräder auf dem Hof zu unterlassen. Sie hat geltend gemacht, dass der Verwalter der Beklagten das Abstellen auf dem Hof nur so lange gestattet habe, als ihre Kinder klein wären. Die Beklagte hat diese Einschränkung bestritten.
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3. Das Amtsgericht ist zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin von der Beklagten gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1,985 BGB verlangen könne, das Abstellen von Fahrrädern zu unterlassen. Auf die damalige Vereinbarung der Parteien, dass die Beklagte ein Fahrrad abstellen könne, sei die Regelung eines Leihvertrages gemäß § 598 BGB anzuwenden. Denn das Abstellen der Fahrräder sei unentgeltlich gestattet worden. Ein solches Leihverhältnis sei jederzeit kündbar, § 604 Abs. 3 BGB. Dieser Auffassung ist zu folgen.
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a) Es kann dahinstehen, ob der Beklagten damals nur für einen begrenzten Zeitraum gestattet worden ist, dass ihre Kinder Fahrräder auf dem Hof abstellen dürfen, solange sie nicht in der Lage waren, diese in den extra zur Verfügung gestellten Kellerraum zu transportieren. Denn auf jeden Fall war die Klägerin berechtigt, aus sachlich gerechtfertigten Gründen die Erlaubnis zu widerrufen. Wenn der Vermieter einem Mieter gestattet, Gemeinschaftsflächen mit zu benutzen, so begibt er sich damit nicht der Möglichkeit, eine solche Erlaubnis zu widerrufen. Die Erteilung einer solchen Erlaubnis führt nicht dazu, dass das Recht auf Mitbenutzung einer Gemeinschaftsfläche für eigene Zwecke zu einem Bestandteil der Rechte und Pflichten des Mietverhältnisses wird, die der Vermieter nicht einseitig ändern kann. Die Erteilung einer solchen Erlaubnis bedeutet keine einvernehmliche Änderung des Mietvertrages. Es handelt sich bei einer solchen Erlaubnis in der Regel um eine bloße Gefälligkeit, die der Vermieter dem Mieter erweist, ohne dass sich dies in der Vereinbarung einer gesonderten Vergütung niederschlägt. Eine solche Erlaubnis kann der Vermieter jederzeit aus sachlich gerechtfertigten Gründen widerrufen. Ein solcher Grund liegt insbesondere dann vor, wenn der Anlass, der zu der Erteilung der Erlaubnis geführt hat, nicht mehr besteht. Das ist hier der Fall, da die Söhne der Beklagten mittlerweile ein Alter erreicht haben, in denen es Ihnen zuzumuten ist, ihre Fahrräder in den Kellerraum zu transportieren, den der Hausverwalter der Klägerin der Beklagten eigens für das sichere Abstellen von Fahrrädern zur Verfügung gestellt hat.
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b) Die Vereinbarung zu § 19 des Mietvertrages hat die Bedeutung, dass eine Nutzung von Flächen außerhalb der Mietwohnung für das Abstellen von Fahrzeugen, wozu auch Fahrräder gehören, grundsätzlich nur mit Genehmigung des Vermieters zulässig ist. Aus dieser Regelung wird deutlich, dass die Erteilung einer Genehmigung nicht dazu bestimmt ist, die Rechte und Pflichten des Mietverhältnisses endgültig zu ändern. Da der Vermieter sich die Erteilung einer Erlaubnis vorbehalten hat, spricht nichts gegen die Annahme, dass er eine solche Erlaubnis auch aus sachlichen Gründen widerrufen kann.
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c) Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass gemäß § 25 Abs. 3 des Mietvertrages weitere Vereinbarungen, wie zum Beispiel unter anderem über die Unterstellung von Fahrrädern, schriftlich aufzuführen sind, zeigt dies gerade, dass eine nur mündlich erteilte Erlaubnis keinen verbindlichen Charakter auf Dauer haben soll. Von einer schriftlichen Fixierung der damals erteilten Erlaubnis haben die Parteien abgesehen. Daraus folgt gerade, dass eine Regelung innerhalb des Mietverhältnisses nicht getroffen werden sollte. Deswegen war es der Klägerin unbenommen, ihre Erlaubnis zu widerrufen.
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III. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung man eine Entscheidung des Berufungsgerichts erforderlich.“
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An dieser Auffassung hält die Kammer fest. Entscheidend ist vorliegend weiterhin, dass der Beklagten bzw. deren damals noch recht jungen Söhnen, nach dem Abschluss des Mietvertrages lediglich (entgeltlos) im Rahmen eines Leih- bzw. Gefälligkeitsverhältnis das Abstellen von Fahrrädern zunächst gestattet worden ist. Eine solche Regelung ist aber, wie auch § 604 Abs. 3 BGB zudem verdeutlich, jedenfalls bei Vorliegen von sachlichen Gründen, frei widerruflich, was vorliegend geschehen ist. Ein mietvertraglicher Anspruch auf das Abstellen von Fahrrädern besteht nicht, wie bereits im vorgenannten Hinweis verdeutlicht worden ist. Vor dem Hintergrund, dass die Söhne mittlerweile ein Alter erreicht haben, welches ihnen einen Transport der Fahrräder in den zur Verfügung gestellten Kellerraum ermöglicht, stellt sich der Widerruf nicht als willkürlich dar. Auch nach den eingereichten Fotos dürfte ein Transport der Fahrräder in den Kellerraum durchaus möglich sein.
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Die Kammer sieht auch -entgegen der Auffassung der Beklagten- keine Gründe i. S. d. § 543 Abs. 2 ZPO, die eine Zulassung der Revision notwendig machen würde.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.