LG Offenburg, Beschluss vom 26. September 2022 – 5 O 19/22 KfH
1. Der durch den Ukrainekrieg bedingte erhebliche Anstieg der Energiepreise für Gas und Strom berechtigt einen Energieversorger nicht zur fristlosen Kündigung eines Energielieferungsvertrages mit einem gewerblichen Kunden gemäß den §§ 313, 314 BGB.
2. Auch fehlt es an der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses, wenn zwischen dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der außerordentlichen Kündigung und dem regulären Vertragsende nur drei Monate liegen.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet den Energieliefervertrag über Strom vom 21.11.2019 über den 30.09.2022 hinaus bis zum 31.12.2022 fortzusetzen und die Antragstellerin über die Abnahmestelle X entsprechend den vertraglichen Verpflichtungen mit Strom zu beliefern
2. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – für jeden Tag der Zuwiderhandlung gegen die nachstehende Unterlassungsverpflichtung untersagt, die Stromzufuhr für die Firma der Antragstellerin in H. ab dem 01.10.2022 einzustellen.
3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
5. Mit dem Beschluss ist zuzustellen: Antragsschrift vom 14.09.2022
Gründe
I.
1
Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Weiterbelieferung mit elektrischer Energie.
2
Bei der Antragstellerin handelt es sich um einen kunststoffverarbeitenden Betrieb in N.-W. mit 75 Mitarbeitern. Die Antragsgegnerin ist eine Energie-Einkaufsgemeinschaft mit Sitz in O.
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Die Antragstellerin schloss am 21.11.2019 mit der Antragsgegnerin einen Energielieferungsvertrag zur Lieferung elektrischer Energie mit einer Laufzeit von 24 Monaten mit Verlängerungsmöglichkeit und einem Lieferbeginn zum 01.01.2021. Der Vertrag wurde über einen Vermittler der Antragsgegnerin geschlossen. Über diesen wurde am 04.12.2019 auch eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen, aus der sich eine Preisgarantie von 4,8 cent/kWh für den von der Antragstellerin bezogenen Strom ergibt. Die Antragsgegnerin lieferte der Antragstellerin bislang auch elektrische Energie zu den genannten Konditionen.
4
Mit Mail der Antragsgegnerin vom 16.02.2022 kündigte die Antragsgegnerin den bestehenden Energielieferungsvertrag zum Ablauf der Festlaufzeit am 31.12.2022.
5
Mit weiterer Mail vom 13.09.2022 kündigte die Antragsgegnerin darüber hinaus unter Bezugnahme auf eine frühere Mail vom 27.08.2022 den Energielieferungsvertrag außerordentlich zum 30.09.2022.
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Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des bestehenden Stromlieferungsvertrages gemäß den §§ 313, 314 BGB nicht vorliege. Der Kündigungsgrund läge vielmehr in der Sphäre der Antragsgegnerin, die das Beschaffungsrisiko zu tragen habe.
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Sie behauptet darüber hinaus, dass es ihr auf die Schnelle nicht möglich gewesen sei, zu einem anderen Versorger zu wechseln. Sie habe aufgrund der Art ihres Strombezugs keine Chance, in die Grundsicherung zu fallen. Bei einem Wegfall der Stromlieferung drohe ihr ein Produktionsausfall und im Ergebnis sogar die Insolvenz.
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Die Antragstellerin beantragte:
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1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Energieliefervertrag über Strom vom 21.11.2019 über den 30.09.2022 hinaus bis zum 31.12.2022 fortzusetzen und die Antragstellerin über die Abnahmestelle X entsprechend den vertraglichen Verpflichtungen mit Strom zu beliefern.
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2. Der Antragsgegnerin wird untersagt, die Stromzufuhr für die Firma der Antragstellerin in H. ab dem 01.10.2022 einzustellen.
11
Die Antragsgegnerin beantragte:
12
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
13
Die Antragsgegnerin behauptet, bereits die Zusatzvereinbarung mit der Festpreisvereinbarung sei nicht wirksam zwischen den Parteien zustande gekommen, da der dies erklärende Vermittler der Antragsgegnerin hierzu nicht befugt gewesen sei.
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Darüber hinaus sei der Vertrag zwischen den Parteien seitens der Antragsgegnerin wirksam außerordentlich aus wichtigem Grund wegen einer schwerwiegenden Veränderung der Umstände gekündigt worden. Die Antragsgegnerin ist der Meinung, dass im vorliegenden Fall eine erhebliche Störung des Äquivalenzinteresses zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus der erheblichen Verteuerung von Gas und Strom infolge des Ukrainekrieges.
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Auch habe sich die Antragstellerin zu Unrecht einer Anpassung des Vertrages verweigert.
16
Letztlich ist die Antragsgegnerin der Auffassung, dass es auch an einem Verfügungsgrund fehle. Der vorliegende Antrag stelle eine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Auch habe die Antragstellerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass sie eine anderweitige Belieferung mit Strom nicht habe besorgen können.
17
Im Übrigen wird wegen des Sachverhaltes auf die Antragsschrift vom 14.09.2022 sowie die damit vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
II.
18
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere konnte wegen der besonderen Eilbedürftigkeit der Sache (vergleiche dazu unten) der Vorsitzende der Kammer alleine entscheiden (§ 944 ZPO).
19
Der Antrag ist auch begründet.
20
Ein Verfügungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Energielieferungsvertrag vom 21.11.2019 nebst der genannten Zusatzvereinbarung.
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Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vermittler der Antragsgegnerin zum Abschluss der Zusatzvereinbarung berechtigt war oder nicht. Ein derartiges Verhalten, selbst wenn es unberechtigt gewesen sein sollte, muss sich die Antragsgegnerin nach den Regeln der Anscheins- und Duldungsvollmacht zurechnen lassen. Dies gilt umso mehr, da sie unstreitig nach Abschluss des Vertrages auf der Grundlage des Energielieferungsvertrages nebst Zusatzvereinbarung die Antragstellerin mit elektrischer Energie beliefert hat. Aufgrund dieses Verhaltens begründete die Antragsgegnerin einen erheblichen Anschein der Ordnungsgemäßheit des Abschlusses des Energielieferungsvertrages nebst Zusatzvereinbarung, an dem sie sich wegen der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes festhalten lassen muss.
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Die Antragsgegnerin kann sich für eine außerordentliche Kündigung des Energielieferungsvertrages auch nicht auf einen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes berufen.
23
Nach § 314 Abs. 1 BGB kann ein Dauerschuldverhältnis durch jeden Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt dabei dann vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
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Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Für die Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes im Rahmen des § 314 BGB und insbesondere für Abgrenzungsfragen kann dabei auf die Dogmatik zu § 313 BGB zurückgegriffen werden (vgl. Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, Rn. 9 zu § 314). Maßgebliche Gesichtspunkte hierbei sind, dass eine Veränderung der Verhältnisse dann kein Recht zu einer außerordentlichen Kündigung gibt, wenn die Störungen aus dem eigenen Risikobereich des Kündigenden kommen (vgl. Grüneberg, aaO., Rn. 7 und 9 zu § 314; BGH, Urteil vom 21.09.2005 – XII ZR 66/03 – juris, Rn. 15; BGH, Urteil vom 31.05.2006 – VIII ZR 159/05 – juris, Rn. 13). Dabei verneint die Rechtsprechung einen wichtigen Grund sogar dann, wenn es ohne die Kündigung bei dem Lieferanten zur Einstellung des Betriebs zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens kommen sollte, da es sich bei der finanziellen Lage des Lieferanten, der Rentabilität und dem Fortbestand seines Unternehmens um Umstände handelt, die grundsätzlich in den Risikobereich des Lieferantenunternehmens fallen. Demnach kann eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund im Allgemeinen nicht auf Umstände gestützt werden, die im Risikobereich des Kündigenden liegen, wobei auch die finanzielle Notlage eines Unternehmens, dessen Fortführung mit dem Risiko verbunden ist, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen zu müssen, nicht zur außerordentlichen Kündigung bestehender Verträge aus wichtigem Grund berechtigte (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.2004 – I ZR 18/02 – juris, Rn. 29, 30). Gerade bei der Belieferung mit Gas oder elektrischer Energie ist dabei darauf abzustellen, dass das Kalkulations- und damit auch das Kostensteigerungsrisiko beim Verkäufer verbleibt, soweit zwischen den Parteien eines Vertrages keine wirksame Preisanpassungsklausel vereinbart worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 80/12 – juris, Rn. 44).
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Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Antragsgegnerin allein aufgrund der Tatsache der zugegebenermaßen erheblichen Erhöhung der Energiepreise infolge des Ukrainekrieges nicht berechtigt ist, hieraus einen wichtigen Grund abzuleiten, der zur außerordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien führt. Ein Kündigungsgrund in der Sphäre der Antragstellerin ist unzweifelhaft nicht gegeben. Zwar hat auch die Antragsgegnerin die gestiegenen Energiekosten nicht zu vertreten; dennoch muss sie als wirtschaftendes Unternehmen immer mit einer – gegebenenfalls auch erheblichen – Veränderung der Marktkonditionen im Rahmen ihrer Preisbildung rechnen. Wenn es – wie im vorliegenden Fall – zu einer erheblichen Erhöhung der Beschaffungskosten der Antragsgegnerin gekommen ist, dann handelt es sich insoweit um einen Umstand, der in der Sphäre der Antragsgegnerin liegt und ihrem Beschaffungsrisiko unterfällt. Hat die Antragsgegnerin derartige Kostensteigerungen nicht vorsorglich in ihr Angebot eingepreist, dann handelt es sich um einen von ihr zu vertretenden Kalkulationsirrtum, der nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.
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Zwar wird in der Literatur teilweise ausgeführt, dass eine Anpassung nach § 314 BGB ausnahmsweise in Betracht komme, wenn durch Umstände außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs des Schuldners ein so krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entstehe, dass ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar sei (vgl. Grüneberg, aaO., Rn. 32 zu § 313). Beispielhaft werden in diesem Zusammenhang Kostensteigerungen auf das 15-fache oder um 60 % angegeben.
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Dies vermag nicht zu überzeugen. Die Literatur bezieht sich insoweit auf zwei Entscheidungen des Reichsgerichts aus den Jahren 1920 und 1921, die bei den zugrunde liegenden Sachverhalten geprägt sind von den Zeitumständen unmittelbar nach dem verlorenen ersten Weltkrieg, der sich daran im damaligen Deutschen Reich anschließenden Revolution und der beginnenden Hyperinflation (vgl. RGZ 101,179, 181; RGZ 102, 272, 273). Solche in hohem Maße außergewöhnlichen Umstände, die in den historischen Kontext eingebettet werden müssen, liegen gegenwärtig nicht vor. Ob und inwieweit bei zunehmenden Lieferengpässen und weiter steigender Inflation hierauf in der Zukunft zurückgegriffen werden muss, braucht jetzt vom Gericht nicht entschieden zu werden.
28
Dazu kommt, dass selbst nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts eine erhebliche Preissteigerung alleine nicht ausreicht, um – vor dem Hintergrund der damaligen Gesetzeslage – eine Anpassung gemäß § 242 BGB bejahen zu können. Gerade das Reichsgericht sagt vielmehr eindeutig, dass nicht jede Erschütterung der wirtschaftlichen Grundlagen die einseitige Lösung vom Vertrag zu rechtfertigen vermag, auch nicht, wenn dies für den Sachleistungsverpflichteten mit großen Geldverlusten verbunden ist. Eine Anpassung vor dem Hintergrund des damals einschlägigen § 242 BGB kommt nach Auffassung des Reichsgerichts vielmehr erst dann zum Tragen, wenn die Vertragserfüllung wirtschaftlich unmöglich geworden ist, d. h. wenn sie zur geschäftlichen Vernichtung des Lieferanten führte (vgl. RGZ 102, 272, 273).
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Derartige schwerwiegende Folgen für die Antragsgegnerseite sind weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
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Auch soweit in der Literatur allgemeine Beschaffungsschwierigkeiten als mögliche Grundlage einer Vertragsanpassung genannt werden (Grüneberg, aaO., Rn. 32 zu § 313 m. w. N.), greift dies nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall nicht ein. Die Antragsgegnerin hat nicht vorgetragen, dass es ihr nicht möglich war, die an die Antragstellerin zu liefernde elektrische Energie überhaupt zu beschaffen. Sie hat sich vielmehr lediglich auf die erheblich gestiegenen Beschaffungskosten berufen. Dass Beschaffungsschwierigkeiten vorliegen, ist nach Auffassung der Kammer auch deswegen nicht zugrundezulegen, weil die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine Fortsetzung des Energieliefervertrages zu anderen Konditionen angeboten hat, mithin eine Beschaffung und Belieferung möglich sein müsste.
31
Letztlich bestehen im vorliegenden Fall auch erhebliche Zweifel daran, dass der Antragsgegnerin ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist. Unstreitig endet das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis zum 31.12.2022, mithin lediglich drei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem nach Auffassung der Antragsgegnerin die außerordentliche Kündigung eingriffe. Hier fehlt jeder Vortrag, weshalb es der Antragsgegnerin nicht zumutbar sei, zu unveränderten Konditionen die Antragstellerin über den eher überschaubaren Zeitraum von weiteren drei Monaten mit elektrischer Energie zu beliefern. Das Gericht vermag hierin keine Unzumutbarkeit aus Sicht der Antragsgegnerin zu erkennen.
32
Das Gericht bejaht auch einen Verfügungsgrund auf Seiten der Antragstellerin. Ein Verfügungsgrund liegt dann vor, wenn zu besorgen ist, dass ohne Erlass der einstweiligen Verfügung durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§§ 917, 932, 935 ZPO).
33
Ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung drohte der Antragstellerin innerhalb weniger Tage die Beendigung des Bezugs von elektrischer Energie. Die Antragstellerin ist unstreitig nicht in der Lage, einen Grundversorgungstarif zu erhalten. Für ein wirtschaftendes Unternehmen bedeutet das, ohne dass es einer speziellen Glaubhaftmachung bedarf, dass mit der Beendigung der Versorgung mit elektrischer Energie die Beendigung der Tätigkeit des Unternehmens einhergeht, mithin eine Betriebsstilllegung und damit im Ergebnis möglicherweise sogar eine Insolvenz der Antragstellerin droht. Vor diesem Hintergrund und bei Abwägung der widerstreitenden Interessen zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin kann der Antragstellerin nicht zugemutet werden, bis zu einem möglichen Termin einer mündlichen Verhandlung vor der Kammer und einer Entscheidung durch Urteil zuzuwarten, wobei beides nicht vor Einstellung der Energielieferung möglich wäre. Vielmehr ist gerade aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls im vorliegenden Fall als sofortige gerichtliche Maßnahme der Erlass der einstweiligen Verfügung angezeigt.
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Die vorliegende einstweilige Verfügung stellt auch keine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Die gegenwärtige Entscheidung regelt lediglich den Zustand bis zu einer Entscheidung in einem eventuellen Hauptsacheverfahren. Soweit sich wegen der Vertragsbeendigung zum 31.12.2022 ein Hauptsacheverfahren nicht mehr anbieten sollte, steht es der Antragsgegnerin frei, der Antragstellerin gegenüber im Nachhinein eventuelle Aufwendungsersatz- oder Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Im Rahmen der gebotenen Abwägung unter Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen war dem Antrag jedoch zu entsprechen.
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Auch die Unmöglichkeit anderweitigen Bezugs elektrischer Energie ist durch die Antragstellerseite nach Auffassung des Gerichts hinreichend glaubhaft gemacht. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH der Antragstellerin, E., vom 14.09.2022. Dort führte dieser aus, dass sowohl drei angefragte Stromanbieter als auch der Grundversorger eine Versorgung abgelehnt haben. Nach Auffassung des Gerichts genügt eine solche beispielhafte Auflistung, da es im Rahmen des Eilverfahrens der Antragstellerin nicht zugemutet werden kann, bundesweit eine beliebige Anzahl von Energieversorgern zu befragen, bevor eine einstweilige Verfügung anhängig gemacht wird.
36
Gleichermaßen kann sich die Antragsgegnerin auch nicht darauf berufen, dass sie der Antragstellerin eine Umstellung des Vertrages angeboten habe. Ein solches Anpassungsangebot sieht bei Vorliegen der Zumutbarkeit lediglich § 313 Abs. 3 BGB vor. Im vorliegenden Fall bestehen aus den vorstehend genannten Gründen schon erhebliche Zweifel an der Zumutbarkeit eines solchen Angebots für die Antragstellerseite. Darüber hinaus ist darauf abzuheben, dass für Dauerschuldverhältnisse die Vorschrift des § 314 BGB dem § 313 BGB in der Regel vorgeht, soweit es um Vertragsbeendigung geht (Grüneberg, aaO., Rn. 14 zu § 313). § 314 BGB sieht jedoch eine solche Anpassungsmöglichkeit nicht vor.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
38
Die einstweilige Verfügung ist aus sich selbst heraus vorläufig vollstreckbar.