AG Halle (Saale), Urteil vom 23.02.2012 – 93 C 4092/11
Das Bestehen einer Haftpflichtversicherung darf nicht in die Entscheidung über Grund und Höhe des Billigkeitsausgleichs einbezogen werden. Die private Haftpflichtversicherung ist in erster Linie auf den Schutz des Versicherungsnehmers vor Haftpflichtansprüchen gerichtet und nicht darauf, eine Haftungsgrundlage zu schaffen (Rn. 15).
Bei einem Fall alltäglichen Fehlverhaltens im Straßenverkehr auf Grund alterstypischer Fehleinschätzung (hier: neunjähriges Kind) kann von die Billigkeitshaftung nach § 829 BGB begründenden, ins Gewicht fallenden erheblichen Unterschieden nicht gesprochen werden (Rn. 19).
Tenor
1.) Die Klage wird abgewiesen.
2.) Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung, auch zu einem Teilbetrag, durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger macht einen Anspruch aus Billigkeitshaftung gemäß § 829 BGB geltend.
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Am 13. Juni 2011 befuhr der Kläger mit seinem PKW Peugeot, amtliches Kennzeichen …., die ….straße in ….. Er wollte in die vorfahrtberechtigte Hauptstraße abbiegen und musste anhalten, um bevorrechtigten Verkehr auf der Vorfahrtstraße durchzulassen. Nachdem er dort einige Zeit gestanden hatte, kam von rechts auf dem Gehweg die am 14. Dezember 2001 geborene Beklagte mit ihrem Fahrrad und stieß mit ihrem Fahrrad gegen die Beifahrertür des PKW des Klägers. Der PKW des Klägers wurde hierbei beschädigt.
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Für die Beklagte besteht eine private Haftpflichtversicherung.
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Der Kläger behauptet, der Schaden an seinem PKW betrage (netto ohne Mehrwertsteuer) 1.579,91 €. Er beruft sich auf einen Kostenvoranschlag. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Kostenvoranschlag Bl. 4 – 5 d. A. verwiesen. Der Kläger behauptet weiter, dass er ein monatliches Nettoeinkommen von nur 900,00 € habe und mit seiner Lebensgefährtin für ein gemeinsames Kind sorgen müsse. Er ist der Ansicht, dass unter Berücksichtigung der für die Beklagte bestehenden privaten Haftpflichtversicherung ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß § 829 BGB gegeben sei. Hierfür spreche auch, dass die Beklagte ein gesteigerter Verschuldensvorwurf treffe. Hierzu behauptet der Kläger, die – die Beklagte unstreitig begleitende – Kindesmutter A… K… habe nach dem Unfall geäußert, die Beklagte habe sich wieder einmal unaufmerksam verhalten.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.579,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 5. August 2011 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bestreitet die geltend gemachte Schadenshöhe und ist im übrigen der Ansicht, dass ein Anspruch gemäß § 829 BGB nicht bestehe. Unfallursache sei ein schlichter Einschätzungsfehler, welcher jedem Kind im entsprechenden Alter unterlaufen könne. Die Beklagte behauptet, dass sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse von denen des Klägers nicht unterscheiden, zumal ihre getrennt lebende Mutter noch für zwei Geschwister der Beklagten sorgen müsse. Die private Haftpflichtversicherung kann nach Ansicht der Beklagten nicht zur Annahme eines wirtschaftlichen Gefälles herangezogen werden.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 BGB scheitert daran, dass die Beklagte gemäß § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Unfallzeitpunkt nicht deliktsfähig war. Hierüber besteht zwischen den Parteien auch Einigkeit.
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Dem Kläger steht aber auch kein Anspruch aus § 829 BGB zu. Ein solcher Anspruch setzt ein wirtschaftliches Gefälle, das heißt erheblich bessere Vermögensverhältnisse des Schädigers im Vergleich zum Geschädigten, voraus (BGH, Urteil vom 24. April 1979, Az. VI ZR 6/78, zitiert nach juris, Palandt-Sprau, BGB, 69. Auflage, § 829 Rn. 4). Hierfür ist aber vom Kläger nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich. Im Gegenteil hat in der mündlichen Verhandlung der Kläger die Angaben der Kindesmutter unbestritten gelassen, sie lebe in ähnlichen Verhältnissen wie der Kläger und müsse, da sie getrennt lebe, allein für drei Kinder sorgen, auch die Beklagte verfüge über kein weiteres Vermögen. Angesichts dieser Sachlage kann es auch dahinstehen, ob bei der Prüfung der Vermögensverhältnisse der Parteien auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern der Beklagten herangezogen werden können, zumal auch hierzu der Kläger nichts vorgetragen hat.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht – was im Wesentlichen der einzige Streitpunkt zwischen den Parteien ist – aus der Tatsache, dass für die Beklagte eine private Haftpflichtversicherung besteht. Das Bestehen einer Privathaftpflichtversicherung ist ein untaugliches Kriterium zur Prüfung des Vermögensgefälles, da diese erst eintritt, wenn die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet ist, was gerade zu prüfen ist. Die Privathaftpflichtversicherung tritt erst ein, wenn ein Schadensersatzanspruch besteht, die Privathaftpflichtversicherung muss auch unbegründete Ansprüche abwehren. Nicht hingegen ist das Vorhandensein einer Privathaftpflichtversicherung ein Tatbestandsmerkmal, das einen Schadensersatzanspruch begründen kann. Das Bestehen einer Haftpflichtversicherung darf nicht zur klagebegründenden Tatsache werden (BGH, Urteil vom 24. April 1979 a. a. O.).
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Die vom Kläger nur unvollständig zitierte Kommentarstelle bei Palandt a. a. O. weist daher zu Recht darauf hin, dass das Bestehen einer Privathaftpflichtversicherung allein nicht zur Bejahung der Billigkeitshaftung führen kann. Die Haftpflichtversicherung darf im Gegenteil nicht in die Entscheidung über Grund und Höhe des Billigkeitsausgleichs einbezogen werden (Oechsler in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2009, § 829 Rn. 52). Die private Haftpflichtversicherung ist in erster Linie auf den Schutz des Versicherungsnehmers vor Haftpflichtansprüchen gerichtet und nicht darauf, eine Haftungsgrundlage zu schaffen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1979, Az. VI ZR 27/78, zitiert nach juris).
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Im übrigen ist Folgendes zu beachten: Wenn der Versicherer bewusst einen Schuldunfähigen im Sinne des § 828 BGB versichert, muss er sich im Rahmen des § 829 BGB gerade nicht so behandeln lassen, als sei dieser deliktsfähig. Andernfalls bürden die Gerichte ihm ein Risiko auf, das er gar nicht versichert hat, und ändern den Vertragsgegenstand (Oechsler a. a. O. § 829 Rn. 51). Auch folgt die Eintrittspflicht des Versicherers dem Anspruch zwischen Versicherungsnehmer und Geschädigtem und nicht umgekehrt: Das Bestehen von Versicherungsschutz kann nicht einen Haftungsanspruch begründen, der dann wiederum die Eintrittspflicht auslöst (Oechsler a. a. O. Rn. 52). (Anderes gilt nur bei der – hier nicht einschlägigen – Kfz-Pflichtversicherung, s. u.)
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Auf das „eindeutige Verschulden“ der Beklagten oder das „Verschuldensgefälle“ kann sich der Kläger nicht berufen, weil das Verschulden der Beklagten nach der gesetzlichen Regelung (§ 828 Abs. 2 BGB) außerhalb von – hier unstreitig nicht vorliegendem – vorsätzlichem Handeln gerade nicht zu einer Schadensersatzpflicht führen soll, da die Beklagte nun einmal nicht deliktsfähig ist. Daher kommt es auch nicht darauf an, dass die Beklagte zum Unfallzeitpunkt das zehnte Lebensjahr fast – aber eben noch nicht ganz – vollendet hat.
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Das Gericht folgt nicht der Rechtsansicht, dass ausnahmsweise auch bei fehlendem Vermögensgefälle ein Verschuldens- oder Verursachungsgefälle die Billigkeitshaftung erfordern könne (so Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 829 Rn. 16). Soweit überhaupt auf den „Grad der natürlichen Schuld“ abzustellen ist (so LG Mosbach, NJW-RR 1986, 24f.), kann dies nach Ansicht des Gerichts nur insoweit berücksichtigt werden, als dieser „Grad der natürlichen Schuld“ bei vorhandenem wirtschaftlichem Gefälle (welches im Rahmen der Billigkeitshaftung stets vorliegen muss, aber allein den Billigkeitsanspruch nicht begründen kann, Oechsler a. a. O. § 829 Rn 43 m. w. N.) zusätzlich in die Würdigung der Gesamtumstände (Oechsler a. a. O. § 829 Rn 43) einbezogen werden kann. Nicht hingegen kann der „Grad der natürlichen Schuld“ für sich allein die Billigkeitshaftung begründen.
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Doch selbst wenn man der Ansicht folgen würde, dass auch ohne wirtschaftliches Gefälle ein Verschuldens- oder Verursachungsgefälle die Billigkeitshaftung erfordern könne, so käme man vorliegend nicht zu einer Billigkeitshaftung. Denn wenn tatsächlich ein Verschuldens- oder Verursachungsgefälle berücksichtigt werden soll, muss es sich um wirklich ins Gewicht fallende, erhebliche Unterschiede handelt, sodass die Billigkeit eine Korrektur des an sich aus den §§ 827, 828 BGB folgenden Ergebnisses fordert (BGH, Urteil vom 24. Juni 1969, VI ZR 15/68, zitiert nach juris). Unter Beachtung der Tatsache, dass es sich vorliegend um einen Fall alltäglichen Fehlverhaltens im Straßenverkehr auf Grund alterstypischer Fehleinschätzung handelt, kann von derartigen die Billigkeitshaftung nach § 829 BGB begründenden ins Gewicht fallenden, erheblichen Unterschieden nicht gesprochen werden.
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In diesem Zusammenhang ist noch kurz auf das Urteil des LG Mosbach a. a. O. einzugehen, das immer wieder zitiert wird, wenn es darum geht, dass (auch) der „Grad der natürlichen Schuld“ bei der Frage, ob ein Anspruch aus Billigkeitshaftung besteht, berücksichtigt werden solle. Das Urteil des LG Mosbach zeigt nämlich geradezu beispielhaft, dass es wirkliche Ausnahmefälle sind, in denen die Rechtsprechung die Voraussetzungen des § 829 BGB für gegeben ansieht: In dem vom LG Mosbach entschiedenen Fall hatte eine geistig Behinderte, für die eine Haftpflichtversicherung bestand, einen Polizeibeamten öffentlich als Kinderschänder sowie wegen „Menschenschinderei“ und „Hurerei“ denunziert und sein Haus mit roter Farbe beschmiert, zudem hatte sie durch Anrufe bei verschiedenen Dienststellen mit unzutreffenden Bezichtigungen Nachfragen ausgelöst. Hier ist schon zu beachten, dass im vom LG Mosbach entschiedenen Fall die Schädigerin mit „natürlichem Vorsatz“ handelte, während im vorliegenden Fall vorsätzliches Handeln der Beklagten nicht in Betracht kommt und auch vom Kläger nicht behauptet wird (sonst wäre gemäß § 828 Abs. 2 Satz 2 BGB die Beklagte auch ohnehin deliktsfähig). Auch hat das LG Mosbach ausdrücklich wegen der besonderen Intensität des Angriffs und des Eingriffs eine Ausnahmesituation angenommen, während bei dem vorliegend streitgegenständlichen Verkehrsunfall eine derartige besondere Intensität des Angriffs nicht gegeben ist. Weiter hat das LG Mosbach ausgeführt, dass sich die besondere Unbilligkeit der Versagung eines Schadensersatzanspruchs daraus ergebe, dass sich der Geschädigte gegen derartige Schäden nicht versichern könne, dass der Geschädigte einer unerträglichen Gefährdung seines Ansehens ausgesetzt sei und dass die Schädigerin eine Klageabweisung als Freibrief für künftige Angriffe auffassen könnte. Dies sind alles Erwägungen, die – unter der vom Gericht freilich nicht geteilten Prämisse, dass ein Vermögensgefälle nicht Voraussetzung für die Billigkeitshaftung nach § 829 BGB sei – nachvollziehbar sind, die aber auf den vorliegenden Fall nicht zutreffen.
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Zusammenfassend ist zu betonen, dass § 829 BGB eine Ausnahmevorschrift ist, deren Voraussetzung ist, dass das Billigkeitsgefühl die Schadloshaltung gebietet und dass die Versagung eines Schadensersatzanspruchs dem Billigkeitsgefühl krass widerspricht, wobei die Voraussetzungen, unter denen das Billigkeitsgefühl den Schadensersatz erfordert, hoch anzusetzen sind (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1994, Az. VI ZR 303/93, zitiert nach juris). Diese hoch anzusetzenden Voraussetzungen für eine Billigkeitshaftung liegen nicht vor, da es sich vorliegend bloß um einen im üblichen Rahmen liegenden Sachschaden am PKW handelt, der durch einen alltäglichen Verkehrsunfall entstanden ist.
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Der Verweis des Klägers auf das Urteil des BGH vom 11. Oktober 1994 (a. a. O.) geht aus mehreren Gründen fehl.
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Das Urteil ist, soweit es sich mit der Berücksichtigungsfähigkeit der Haftpflichtversicherung befasst, überholt, da es zu einer inzwischen geänderten Rechtslage ergangen ist: Seit der Änderung der Regelungen über das Schmerzensgeld durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 wäre der vom BGH entschiedene (Schmerzensgeld)-Anspruch ohne weiteres gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 253 Abs. 1 BGB aus Gefährdungshaftung begründet, ohne dass es auf eine Billigkeitshaftung gemäß § 829 BGB noch ankommen würde.
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Davon abgesehen spricht der BGH davon, dass der Versicherungsschutz auf Grund einer Kfz-Pflichtversicherung berücksichtigt werden müsse, wohingegen es vorliegend um eine freiwillige Privathaftpflichtversicherung geht. Der BGH hat im Urteil vom 11. Oktober 1994 sogar ausdrücklich unter Bekräftigung seines Urteils vom 18. Dezember 1979 (a. a. O.) betont, dass die private Haftpflichtversicherung in erster Linie auf den Schutz des Versicherungsnehmers vor Haftpflichtansprüchen gerichtet sei und nicht darauf, eine Haftungsgrundlage zu schaffen. Die Zubilligung einer Billigkeitshaftung im Urteil des BGH vom 11. Oktober 1994 beruhte auf der – so der BGH wörtlich – „besondere[n] Zweckbestimmung der Pflichtversicherung im Kraftfahrzeugverkehr“. Um eine derartige Pflichtversicherung im Kraftfahrzeugverkehr geht es vorliegend aber gerade nicht.
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Auch ist der Schaden im vorliegenden Fall (lediglich Sachschaden am PKW) in keiner Weise mit den Schäden zu vergleichen, die die Geschädigte in dem vom BGH mit Urteil vom 11. Oktober 1994 entschiedenen Fall erlitten hatte (gesundheitliche Dauerschäden in Form einer Hörbeeinträchtigung sowie der Unfähigkeit, zu hocken und zu knien, wobei die Dauerschäden einen Berufswechsel erzwungen haben).
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Vor allem aber hat der BGH, wie bereits zitiert, betont, dass Voraussetzung für die Billigkeitshaftung wegen des Ausnahmecharakters des § 829 BGB sei, dass die Versagung eines Anspruchs „dem Billigkeitsgefühl krass widerspricht“. Die Voraussetzungen, unter das Billigkeitsgefühl die Schadloshaltung des Geschädigten erfordert, seien „hoch anzusetzen“. Im vorliegenden Fall geht es allerdings lediglich um einen alltäglichen Sachschaden, sodass nicht zu erkennen ist, dass die vom BGH verlangten hohen Anforderungen erfüllt sind.
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Schließlich ergeben sich Besonderheiten auch nicht daraus, dass die Beklagte grundsätzlich gemäß § 828 Abs. 1 BGB deliktsfähig ist und nur wegen der Änderung des § 828 BGB durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 für Unfälle mit einem Kraftfahrzeug nicht deliktsfähig ist. Denn nach der bis zum 31. Juli 2002 geltenden Rechtslage wäre die Beklagte auch hinsichtlich des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls deliktsfähig gewesen. Zwar nimmt nach dem Inkrafttreten des neuen § 828 Abs. 2 BGB zum 1. August 2002 und der erweiterten Deliktsunfähigkeit der an Unfällen beteiligten Kinder bis zum Alter von zehn Jahren das Bedürfnis der Geschädigten, über die Billigkeitshaftung des § 829 BGB Schadensersatz zu erhalten, zu. Jedoch würde die mit der Erweiterung der Deliktsunfähigkeit von Kindern vom Gesetzgeber bezweckte Freistellung von der Haftung wesentlich wieder eingeschränkt, wenn eine Haftung über § 829 BGB wegen der meistens bestehenden Haftpflichtversicherung doch wieder eingreifen würde. (AG Ahaus, Urteil vom 11. Juni 2003, Az. 15 C 87/03, NJW-RR 2003, 1184) Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung des § 828 Abs. 2 BGB gesehen, dass eine Haftung Minderjähriger nach § 829 BGB „stärker in den Blick genommen“ werde. Wenn der Gesetzgeber in Abweichung von der langjährigen Rechtsprechung des BGH das Bestehen einer freiwilligen Haftpflichtversicherung für die Billigkeitshaftung nach § 829 BGB hätte ausreichen lassen wollen, hätte ihm eine entsprechende Änderung des § 829 BGB freigestanden. Dies hat er jedoch nicht getan. Wollte man dennoch über eine geänderte Auslegung des § 829 BGB das bloße Bestehen einer Privathaftpflichtversicherung für eine Haftung nach § 829 BGB ausreichen lassen, würde das Billigkeitserfordernis dieser Vorschrift völlig ausgehöhlt. Angesichts der weiten Verbreitung von freiwilligen Haftpflichtversicherungen würde § 828 Abs. 2 BGB entgegen seinem Zweck, geistigen Unzulänglichkeiten von Kindern im Straßenverkehr Rechnung zu tragen, sogar zu einer Ausweitung der Haftung von Kindern führen. Dieses Ergebnis wäre widersinnig. Zudem würde der Ausnahmecharakter von § 829 BGB völlig verloren gehen. (LG Heilbronn, Urteil vom 5. Mai 2004, Az. 7 S 1/04, NJW 2004, 2391).
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Abschließend ist zu bedenken, dass sich vorliegend das Risiko verwirklicht hat, welches der Kläger mit seiner Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr bewusst eingegangen ist. Zur Absicherung dieses Risikos hätte der Kläger für seinen PKW eine Vollkaskoversicherung abschließen können. Zweck der Billigkeitshaftung gemäß § 829 BGB ist es nicht, Lücken zu schließen, die dadurch entstehen, dass der Geschädigte eine naheliegende Möglichkeit zur eigenen Absicherung nicht wahrgenommen hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.