Kündigung als Maßnahme im Sinne von § 612a BGB

OLG Frankfurt am Main, 06.04.2016 – 18 U 10/15

Kündigung als Maßnahme im Sinne von § 612a BGB

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt a. M. vom 10.12.2014 – 2-19 O 118/14 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Beklagten nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 13.2.2014 aufgelöst worden ist.

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen und über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes, sich auf Führung und Leistung erstreckendes Zwischenzeugnis zu erteilen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 14 % und der Beklagte 86 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 481.850,- € festgesetzt.

Gründe
I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung, um Weiterbeschäftigung, um ein Zwischenzeugnis sowie um Unterlassungs- und Entschädigungsansprüche.

Der Kläger war seit dem ….2004 als Geschäftsführer im Angestelltenverhältnis für den Beklagten, der regelmäßig weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, tätig. Bei dem Beklagten handelt es sich um einen eingetragenen Verein, dessen Zweck auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die Förderung der Attraktivität der Stadt O1 gerichtet ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Satzung verwiesen (Bl. 49 ff. d.A.).

In dem zwischen den Parteien geschlossenen „Arbeitsvertrag“ vom ….2004 wurde u.a. vereinbart, dass der Kläger die laufenden Geschäfte in dem vom Vorstand gesetzten Rahmen zu erledigen hat (§ 2), seine wöchentliche Arbeitszeit 42 Stunden beträgt (§ 8 Satz 1) und im Übrigen sich die Dauer und Lage der täglichen Arbeitszeit nach den satzungsgemäßen Erfordernissen zu richten hat (§ 8 Satz 2). Weiter wird in dem Vertrag u.a. geregelt, dass der Kläger seine ganze Arbeitskraft dem Beklagten zur Verfügung zu stellen hat (§ 11). Das durchschnittliche Monatsgehalt des Klägers (einschließlich Tantieme) betrug – aufgrund einer am 1.11.2007 geschlossenen Änderungsvereinbarung – zuletzt 11.500,- €. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag und die Änderungsvereinbarung verwiesen (Bl. 27 ff. d.A.).

Ab dem Jahre 2013 versuchten die damaligen Mitglieder des Vorstands A und B, den Kläger dazu zu bewegen, einer mit der dauerhaften Reduzierung seiner Vergütung einhergehenden Änderung seines Arbeitsvertrages zuzustimmen. Zudem stellte Herr B die Höhe des Urlaubsanspruchs des Kläger sowie Regelungen zu Spesen, Dienstreisen Dienstwagen und zur Nutzung von Tageszeitungen in Frage. In diesem Zusammenhang drohte Herr B mit der Kündigung des Arbeitsvertrages für den Fall, dass der Kläger sich nicht beugen werde. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 3.2.2014, auf das verwiesen wird (Bl.18 ff. d.A.), teilte der Kläger dem Beklagten u.a. mit, dass er „eine Änderung des Arbeitsvertrages nicht mehr proaktiv vorantreiben werde“.

Mit einem am 13.2.2014 dem Kläger zugegangenem Schreiben (Bl. 33 d.A.) kündigte der Beklagte das Anstellungsverhältnis ordentlich zum 31.5.2014. Diese Kündigung erfolgte, weil der Kläger sich mit dauerhaften Gehaltseinbußen nicht einverstanden erklärt hatte. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 18.2.2014 (Bl. 34 ff. d.A.) wies der Kläger die Kündigung als formunwirksam zurück.

Mit einer E-Mail vom 3.3.2014 teilte der Beklagte seinen Mitgliedern mit, dass der Vorstand dem Kläger gekündigt habe. In der E-Mail heißt es weiter: „Herr C hat in den vergangenen 10 Jahren als Geschäftsführer die Geschicke des Vereins geschäftsführend geleitet; hierfür sind wir ihm sehr dankbar Nach 10 Jahren ist es aber auch an der Zeit für neue Ideen und frischen Wind.“

Am ….2014 erschien in der X-Zeitung (im Folgenden: X) ein Artikel mit dem Bild des Klägers, in dem es unter Bezugnahme auf die Kündigung hieß, dass es an der Zeit für neue Ideen und frischen Wind sei. Weiter wird in dem Artikel u.a. Folgendes ausgeführt:

(Von der Darstellung der folgenden Textpassagen wird abgesehen – die Red.)

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung verstieße gegen den ihm zustehenden Mindestkündigungsschutz, der treu- und sittenwidrige Kündigungen verbiete. Er hat weiter vorgetragen, der Beklagte verbreite direkt und indirekt Aussagen, wonach die Kündigung wegen schlechter Leistungen erfolgt sei.

Der Kläger hat mit der Klage zum einen verlangt, die Unwirksamkeit der Kündigung vom 13.2.2014 festzustellen und den Beklagten zu verurteilen, ihn weiter zu beschäftigen und ihm ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen. Zum anderen hat er beantragt, den Beklagten zur Unterlassung verschiedener Äußerungen und aufgrund bereits verbreiteter Behauptungen zur Zahlung eines Schmerzensgeldes zu verurteilen, dessen Höhe er in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, das aber drei Bruttomonatsgehälter nicht unterschreiten sollte, sowie festzustellen, dass der Beklagte zum Ersatz des entstandenen und künftig entstehenden Schadens aus der Verbreitung dieser Behauptungen verpflichtet ist.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, es sei aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich, dass die beanstandeten Äußerungen vom Vorstand der Beklagten stammten.

Das zunächst angerufene Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen. Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 10.12.2014, auf das zur näheren Sachdarstellung verwiesen wird (Bl. 194 ff. d.A.), abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kündigung formwirksam erklärt worden und auch nicht aus sachlichen Gründen unwirksam sei, da das Maßregelungsverbot des § 612a BGB auf die Kündigung eines Geschäftsführers angesichts seiner besonderen Vertrauensstellung nicht anwendbar sei. Die gegen die Äußerungen des Beklagten gerichtete Unterlassungs- und Schadensersatzklage sei unbegründet, da der Beklagte keine unwahren oder herabsetzenden Tatsachenbehauptungen über den Kläger aufgestellt habe.

Gegen das dem Kläger am 12.12.2014 zugestellte Urteil hat dieser am 12.1.2015 Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Begründungsfrist mit Schriftsatz vom 11.3.2015, beim Oberlandesgericht eingegangen am 12.3.2015, begründet hat.

Der Kläger rügt die Rechtsanwendung des Landgerichts. Hierzu trägt er vor, die Kündigung sei entgegen der Rechtsansicht des Landgerichts aufgrund verschiedener Mängel unwirksam; so sei u.a. nicht ersichtlich, welche Funktion die Unterzeichner ausgeübt hätten; der Vorstand sei nicht satzungsgemäß besetzt und nicht zur Kündigung befugt gewesen. Außerdem verletze die Kündigung, die erfolgt sei, weil er keine Gehaltsreduzierung habe hinnehmen wollen, das Willkürverbot. Die Äußerungen des Beklagten über den Kläger seien entgegen der Ansicht des Landgerichts sowohl unwahre Tatsachenbehauptungen als auch herabsetzender Natur.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10.12. 2014 (Az. 2-19 O 118/14)

1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Beklagten nicht durch die beklagtenseitige Kündigung vom 13.02.2014, zugegangen am 13.02.2014, aufgelöst worden ist;
2.
hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1) den Beklagten zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Bedingungen und über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiter zu beschäftigen;
3.
den Beklagten zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes, sich auf Führung und Leistung erstreckendes Zwischenzeugnis zu erteilen;
4.
den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, sich in Bezug auf ihn wörtlich oder sinngemäß wie folgt zu äußern und/oder äußern zu lassen und/oder solche Äußerungen zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,
a)
wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers erfolgt sei, weil
der Kläger „Zu viele Feste, zu wenig Handfestes“ geliefert habe;
der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, neue Impulse zu setzen,
es „Zeit für neue Ideen und frischen Wind war“
der Kläger seine Aufgaben nur noch unterdurchschnittlich wahrgenommen habe;
b)
welche die in der Vergangenheit erbrachten Leistungen des Klägers für den Beklagten negativ darstellen;
c)
durch welche das Ansehen des Unterlassungsgläubigers geschädigt werden kann;
5.
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Verbreitung der in Nr.4 genannten Behauptungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird;
6.
den Beklagten zu verurteilen, an ihn zum Ausgleich der ihm durch die Verbreitung der in Nr. 4 genannten Behauptungen entstandenen immateriellen Schäden einen Geldbetrag, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht aber weniger als drei Bruttomonatsgehälter seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte, der das Urteil des Landgerichts verteidigt, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

1. Die zulässige Berufung hat in der Sache zumindest teilweise Erfolg. Soweit das Landgericht die auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses und auf Verurteilung zur Weiterbeschäftigung des Klägers sowie zur Zeugniserteilung gerichtete Klage abgewiesen hat, beruht das landgerichtliche Urteil auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO).

a) Die Klage ist zulässig. Insbesondere liegt das für die Feststellungsklage notwendige Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO vor.

b) Die Klage ist auch teilweise begründet. Das Arbeitsverhältnis wurde nicht durch die seitens des Beklagten ausgesprochene Kündigung beendet, so dass der Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu den zum Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Bedingungen hat. Überdies hat der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses.

(1) Das Arbeitsverhältnis, das zwischen den Parteien durch den unstreitig am ….2004 geschlossenen Arbeitsvertrag begründet und durch Änderungsvereinbarung vom 1.11.2007 modifiziert wurde, ist nicht durch die von dem Beklagten am 13.2.2014 erklärte Kündigung beendet worden. Die Kündigung ist wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB, das entgegen gegen der Auffassung des Landgerichts auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten anwendbar ist, gemäß §§ 612a, 134 BGB nichtig.

Gemäß § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Indem der Beklagte als Arbeitgeber dem Kläger als Arbeitnehmer kündigte, weil dieser eine – auf die Absenkung seiner vertraglich vereinbarten Vergütung gerichteten – Änderung des Arbeitsvertrages abgelehnt hatte, hat er den Kläger bei der zulässigen Ausübung seiner Rechte im Sinne dieser Vorschrift benachteiligt.

Im Einzelnen:

(a) Der Kläger ist Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift. Der Vertrag vom ….2004 ist nicht als freier Dienstvertrag, sondern als Arbeitsvertrag zu qualifizieren.

Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgeber) unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind demnach in erster Linie die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben, oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum folgt aus den getroffenen Vereinbarungen oder aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrages (vgl. BAG, Urteil v. 3.6.1998 – 5 AZR 565/97, NJW 1998, 3661 [BAG 03.06.1998 – 5 AZR 656/97]).

Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze war der Kläger in die von dem Beklagten bestimmte Arbeitsorganisation eingegliedert. Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vom ….2004 hatte der Kläger die laufenden Geschäfte in dem vom Vorstand gesetzten Rahmen zu erledigen (§ 2 des Vertrages). Damit unterlag er rechtlich den Weisungen des Vorstands unabhängig davon, in welchem Umfang der – nur ehrenamtlich tätige – Vorstand dieses Recht jeweils ausübte. Seine wöchentliche Arbeitszeit war festgelegt (§ 8 Satz 1 des Vertrages) und die Dauer und Lage der täglichen Arbeitszeit hatte sich nach den satzungsgemäßen Erfordernissen zu richten (§ 8 Satz 2 Vertrages). In der für Arbeitnehmer typischen Weise hatte der Kläger seine ganze Arbeitskraft dem Beklagten zur Verfügung zu stellen (§ 11 des Vertrages) und hatte nur einen vertraglich geregelten Urlaubsanspruch (§ 9 des Vertrages). Dieser Einordnung steht nicht entgegen, dass der Kläger relative Freiheit bei der Einzelorganisation seiner Arbeit genoss. Dies entspricht nur der Stellung, die für leitende Angestellte üblich ist, bei denen es sich gleichwohl um Arbeitnehmer handelt.

Die Anwendbarkeit des § 612a BGB wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass, der Kläger zum besonderen Vertreter des Beklagten i.S.v. § 30 BGB bestellt worden ist. Zwar erlangt derjenige, der zum besonderen Vertreter bestellt wird, die Stellung eines zusätzlichen Organs des Vereins, § 612a BGB nimmt jedoch, anders als andere arbeitsrechtliche Gesetze (z.B. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG), die Mitglieder des Organs einer juristischen Person nicht automatisch von seinem Anwendungsbereich aus (vgl. Hess. LAG, Urt. v. 11.11.1991 – 16 Sa 745/91, BeckRS 19991 30447821).

Eine abweichende Beurteilung in Bezug auf die Anwendbarkeit des § 612a BGB legt ferner nicht die Rechtsprechung nahe, welche die Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers ohne Rücksicht auf die zugrunde liegenden Motive für zulässig hält (vgl. BGH, Urteil v. 3.11.2003 – II ZR 158/01, NJW-RR 2004, 540), denn die Stellung eines Geschäftsführers einer GmbH ist auf die Position des Klägers nicht übertragbar. Die Einordnung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers als freies Dienstverhältnis, das ohne Rücksicht auf § 612a BGB kündbar ist, wird im Wesentlichen damit begründet, dass derartige Personen als Vertretungsorgane oberste Repräsentanten der Arbeitgeberfunktion im Unternehmen sind (vgl. BGH a.a.O.).

Dem entsprach die Stellung des Klägers nicht. Der Vorstand und nicht der Kläger vertrat den Beklagten gerichtlich wie außergerichtlich. Der Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverträgen als Kern der Arbeitgeberstellung war ausdrücklich dem Vorstand vorbehalten (§ 6 Nr. 4 e) der Satzung). Der Kläger konnte dagegen, auch als ggf. organschaftlicher Vertreter gemäß § 30 BGB, eine selbständige Funktion nur innerhalb einer beschränkten sachlichen Zuständigkeit ausüben. Eine Arbeitgeberfunktion ergibt sich zudem nicht daraus, dass er zweifellos eine Vertrauensstellung innehatte. Eine solche Stellung geht bereits mit der Funktion als leitender Angestellter einher, ohne dass solche Personen der Arbeitgeberseite zuzurechnen wären.

(b) Die Kündigung war eine Maßnahme i.S.v. § 612a BGB, die den Kläger aufgrund einer zulässigen Ausübung seiner Rechte benachteiligte.

Eine solche Benachteiligung ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber einer zulässigen Rechtsausübung eines Arbeitnehmers mit einer Vereinbarung oder Maßnahme begegnet, die der Arbeitgeber gegenüber dem Betroffenen oder gegenüber einem anderen, in seiner Rechtsstellung und Funktion vergleichbarem Arbeitnehmer, der die ihm zustehenden Rechte nicht ausgeübt hat, nicht vorgenommen hätte (vgl. BAG, Urteil v. 2.4.1987 – 2 AZR 227/86, NZA 1988, 18). Als „Maßnahmen“ i.S.d. § 612a BGB kommen auch Kündigungen in Betracht (BAG, Urteil v. 22.9.2005 – 6 AZR 607/04, NZA 2006, 429 ff.). Zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Beweggrund, d.h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (BAG, Urteil v. 12.6.2002 -10 AZR 340/01BAGE 101, 312 ff.).

Der Kläger hat erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, dass die Kündigung nur erfolgt sei, weil er sich mit einer dauerhaften Reduzierung seines Gehalts nicht einverstanden erklären wollte. So versuchte der Beklagte wiederholt, das variable Vergütungsmodell des Klägers abzuändern. Nachdem bereits im Jahre 2011 diesbezügliche Änderungswünsche an den Kläger herangetragen worden waren, unternahmen im Jahre 2013 Herr A, der bis zum ….2014 Vorstandsvorsitzender des Beklagten war, und Herr B, der als vormaliger Vorstandsvorsitzender und sodann als Mitglied des Vorstandes die Geschicke des Beklagten ebenfalls mitbestimmte, erneut den Versuch, den Kläger dazu zu bewegen, sich mit einer entsprechenden Änderung seines Arbeitsvertrages einverstanden zu erklären. Zudem stellte Herr B die Höhe des Urlaubsanspruchs des Klägers sowie Regelungen zu Spesen, Dienstreisen Dienstwagen und zur Nutzung von Tageszeitungen in Frage. In diesem Zusammenhang drohte Herr B mit der Kündigung des Arbeitsvertrages für den Fall, dass der Kläger sich nicht beugen werde. Nachdem der Kläger durch anwaltliches Schreiben vom 3.2.2014 gegenüber dem Beklagten u.a. sinngemäß mitgeteilt hatte, dass er grundsätzlich auf einer Weiterbeschäftigung zu den vereinbarten Bedingungen bestehe und zu entsprechenden Zugeständnissen nicht bereit sei, erklärte der Beklagte am 13.2.2014 die Kündigung.

Soweit der Beklagte erstmals in der Berufungserwiderung den vorstehenden Vortrag des Klägers bestritten hat, ist dies unbeachtlich. Dieses Bestreiten als neues Verteidigungsmittel ist in der Berufungsinstanz nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Es liegt insbesondere kein Fall des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO vor. Das Landgericht hat zwar in seinem Urteil ausgeführt, dass es die Gründe für die Kündigung des Klägers für unerheblich halte. Die Zulassung neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO setzt aber auch voraus, dass die Rechtsansicht des Gerichts den erstinstanzlichen Sachvortrag der Parteien beeinflusst hat und daher (mit-) ursächlich dafür geworden ist, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert; dies ist insbesondere der Fall, wenn das erstinstanzliche Gericht durch seine Hinweise die Partei dazu veranlasst hat, keine weiteren Bemühungen zur Vervollständigung des Vortrages zu einem bestimmten Gesichtspunkt mehr zu unternehmen (vgl. BGH, Urteil v. 23.9.2004 – VII ZR 173/03, MDR 2005, 206). Erfährt die Partei dagegen erst aus der Begründung des Urteils, dass das erstinstanzliche Gericht einen bestimmten zwischen den Parteien streitigen Gesichtspunkt für unerheblich hält, so ist kein Grund ersichtlich, der Partei allein deswegen zu den vom Erstrichter nicht behandelten Tatbestandsmerkmalen neues Vorbringen zu ermöglichen (vgl. BGH Urteil v. 19.2.2004 – III ZR 147/03, BGHR ZPO § 531 Abs. 2 Angriffs- und Verteidigungsmittel 1). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Landgericht den Beklagten davon abgehalten hat, sich zum Tatsachenvortrag des Klägers gemäß § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO vollständig zu erklären.

(2) Der Kläger hat danach aufgrund des wirksamen Arbeitsvertrages gegen den Beklagten einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus (vgl. BAG, Beschluss v. 27.2.1985 – 1 GS 1/84, BAGE 48, 122 ff.). Dass dem Beschäftigungsanspruch des Klägers überwiegende schutzwerte Interessen des Beklagten entgegenstehen, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.

(3) Der Kläger hat gegen den Beklagten zudem gemäß § 630 Abs.1 BGB einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses, das sich auf Führung und Leistung des Arbeitnehmers erstreckt.

Nach dieser Vorschrift kann ein entlassener Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein (End-) Zeugnis über Führung und Leistung zum Zweck der Stellensuche verlangen. Dieser Anspruch steht auch einem gekündigten Arbeitnehmer zu, der – wie der Kläger – die Kündigung für unwirksam hält und auf dem Rechtsweg angreift. Denn dieser ist gehalten, sich um eine neue Beschäftigung zu bemühen, § 615 Satz 2 BGB. Diesen Zweck kann nach tatsächlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur ein Zeugnis erfüllen, das sich ausführlich über Führung und Leistung äußert (vgl. BAG, Urteil v. 27.2.1987 -5 AZR 710/85, NZA1987, 628).

2. Im Übrigen ist die Berufung des Beklagten unbegründet. Das Urteil des Landgerichts beruht insoweit weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO der Entscheidung über die Berufung zugrunde zu legenden Tatsachen eine gegenüber dem Urteil des Landgerichts andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Soweit der Kläger den Beklagten auf Unterlassung der im Antrag zu Ziffer 4 genannten Äußerungen und Schadensersatz sowie Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch nimmt, hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

a) Ein Unterlassungsanspruch steht dem Kläger gegen den Beklagten nicht zu. Ein Anspruch aus § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, §§ 186 bzw. 187 StGB setzt voraus, dass der Beklagte Tatsachen behauptet oder verbreitet hat, die sowohl unwahr bzw. nicht erweislich wahr als auch geeignet sind, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Daran fehlt es vorliegend.

(1) Soweit sich der Kläger gegen die Begründung der Kündigung (Antrag 4. a)) wehrt, ist nicht erwiesen, dass der Beklagte bzw. seine Vertreter erklärt haben, die Kündigung des Klägers sei erfolgt, weil der Kläger „zu viele Feste, zu wenig Handfestes“ geliefert habe. Dem Artikel in der X vom ….2014 lässt sich nur entnehmen dass diese – zudem erst vom Verfasser des Artikels mit diesen Worten zusammengefasste – Kritik aus dem D gekommen sein soll, wobei offen bleibt, von welchen Personen die so zusammengefassten Erklärungen geäußert worden sein sollen. Die darin als Zitate von Vorstandsmitgliedern dargestellten Äußerungen, „…“, und „…“, richtet sich nicht gegen den Kläger. Aus dem Artikel in der X vom ….2014 ergibt sich nichts anderes. Dort wird nur über die Kritik von Mitgliedern berichtet, die sich zudem nicht gegen den Kläger gerichtet haben soll.

Die Äußerung, „…“, die in dem Artikel der Y-Zeitung vom ….2014 als Zitat der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden E wiedergegeben wird, ist eine Meinungsäußerung über die Aktivitäten des Beklagten. Ein Bezug zur Tätigkeit des Klägers wird vom Verfasser zwar durch den vorangestellten Satz hergestellt, wonach nach Ansicht des Vorstands „…“ habe. Ob dieser Bezug sich dabei aber tatsächlich aus Äußerungen von Vorstandsmitgliedern ergibt, der Vorstand also herabsetzende Aussagen über den Kläger verbreitet hat, oder eine Interpretation des Verfassers ist, bleibt jedoch offen.

Aus dem mit der Berufungsbegründung vorlegten Artikel der X vom ….2015 ergibt sich ebenfalls keine entsprechende Aussage des Beklagten. Berichtet wird in diesem Artikel nur von Äußerungen nicht benannter Vereinsmitglieder, die über das D und dessen „Fressfeste“ „geschimpft“ hätten, nicht jedoch von Vertretern des Beklagten.

Die Aussage, es sei „Zeit für neue Ideen und frischen Wind“, mit der der Vorstand in einer E-Mail vom 3.3.2014 die Kündigung des Klägers gegenüber den Vereinsmitgliedern begründete und die auch im o.g. Bericht in der X vom … .2014 zitiert wird, ist dagegen keine Herabsetzung des Klägers, sondern eine im Zusammenhang mit einem Geschäftsführerwechsel normale Meinungsäußerung, mit der die beruflichen Fähigkeiten des Klägers nicht in Zweifel gezogen werden. Entsprechendes gilt für die Äußerung, „…“, im Artikel der X vom ….2014, die in dem mit der Berufungsbegründung vorlegten Artikel der X vom ….2015 erneut genannt wird. Auch wenn es sich dabei tatsächlich um ein Zitat des Vorstands handeln sollte, hat der Beklagte damit nicht erklärt, dass „der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, neue Impulse zu setzen“, sondern nur – mit einer im Geschäftsleben nicht unüblichen Formulierung – die Erwartung ausgedrückt, dass ein Personenwechsel nach zehn Jahren per se, also unabhängig von den beteiligten Individuen und ihren Fähigkeiten, zu neuen Ideen für die Organisation führt.

Der Beklagte hat schließlich unstreitig nicht geäußert, er, der Kläger, habe „seine Aufgaben nur noch unterdurchschnittlich wahrgenommen“. Entgegen der Auffassung des Klägers kann ein Unterlassungsanspruch auch nicht auf eine entsprechende „sinngemäße“ Aussage des Beklagten, die er aus den vorgelegten Presseartikeln ableiten will, gestützt werden. Gegenstand eines Unterlassungsanspruchs können nur bestimmte Äußerungen seien, nicht die Erweckung eines Eindrucks, der nur eine mögliche Auslegung von im Übrigen nicht zu beanstandenden Äußerungen darstellt.

(2) Die Klage ist auch unbegründet, soweit der Kläger den Beklagten auf Unterlassung von Äußerungen, „welche die in der Vergangenheit erbrachten Leistungen des Klägers für den Beklagten negativ darstellen“ und „durch welche das Ansehen des Unterlassungsgläubigers geschädigt werden kann“, in Anspruch nimmt (Antrag 4. b) und c)).

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, §§ 186, 187 StGB setzt voraus, dass die geäußerte Tatsache nicht nur geeignet ist, den Betroffenen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, sondern auch unwahr bzw. nicht erweislich wahr ist. Der Kläger benennt in diesem Antrag jedoch keine Tatsache, deren Wahrheitsgehalt überprüft werden könnte. Es kann ohne Benennung bestimmter Äußerungen nicht festgestellt werden, dass jede erdenkliche negative Darstellung der Leistungen des Klägers notwendigerweise unwahr sein muss. Es gibt kein allgemeines Äußerungsverbot für negative Urteile über den Kläger. Im Übrigen ist es auch ist nicht ausgeschlossen, dass es Äußerungen gibt, die das Ansehen des Klägers schädigen können, aber dennoch wahr sind.

b) Nach alldem hat der Kläger aufgrund der streitgegenständlichen Äußerungen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Schadensersatz und / oder Schmerzensgeld.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO.

4. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Sache ist weder von grundsätzlicher Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 S.1 ZPO.

5. Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 S. 1, 47 Abs. 1 S. 1 GKG. Der Streitwert der Klageanträge zu 1. und 2. beträgt 414.000,- €. Er entspricht dem dreifachen Jahresbetrag der Vergütung des Klägers (11.500,- € brutto monatlich) unter Abzug von 20 % für den Feststellungsantrag. Ausgangspunkt der Schätzung nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO ist dabei der Wert der Klage auf wiederkehrende Leistungen aus einer Dienstpflicht gemäß § 42 Abs. 1 GKG. Der Streitwert des Antrags zu 3. ist mit einem halben Monatsgehalt, d.h. 5.750,- € (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl., Anh I § 48 GKG Rn. 142) zu berücksichtigen. Der Wert des Feststellungsantrags zu 5. ist auf 80% von drei Monatsgehältern zu schätzen (27.600,- €). Als Mindestbetrag des Schmerzensgeldes zu 6. verlangt der Kläger drei Monatsgehälter, d.h. 34.500,- €. Der Wert des Unterlassungsantrags zu 4. geht in diesem höheren Wert auf, § 48 Abs. 3 GKG.

Dieser Beitrag wurde unter Arbeitsrecht abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.