Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in dem selben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrages vor

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.10.2011 – 9 Sa 380/11

Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in dem selben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrages vor.(Rn.18) Einer Vertragspartei ist das Wissen eines von ihr nur zu Verhandlungen bevollmächtigten Verhandlungsführers in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen.(Rn.21)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.05.2010, Az.: 9 Ca 2806/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Prämie.

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Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts sowie des Vorbringens der Parteien im vorangegangenen Berufungsverfahren, Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Az.: 9 Sa 444/10, wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Landesarbeitsgerichts im genannten Verfahren vom 21.01.2011 (Bl. 114 ff. d. A.).

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Nach Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und nach Erteilung des Hinweisbeschlusses vom 26.07.2011 (Bl. 148 f. d. A.) macht der Beklagte im Wesentlichen geltend:

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Vertragsgrundlage für die Prämienzahlung im Falle eines Aufstiegs in die erste Bundesliga sei gewesen, dass der Kläger für seine Spieleinsätze und der dabei mit ihm erspielten Punkte der Mannschaft im Falle eines Aufstiegs dann eine Punkteinsatzaufstiegsprämie nachbezahlt erhalten sollte, sofern der beklagte Verein in der Spielzeit 2008/2009 wieder in die ersten Bundesliga aufsteigen sollte. Im Juni 2007 hätten sich der Manager des beklagten Vereins und der für den Spieler vertretungsberechtigte Spielerberater, der Zeuge B., im Büro des Managers getroffen, um den bis zum Jahre 2009 maßgeblichen Spielervertrag des Klägers zu erörtern. Dieser habe angesichts des vorangegangenen Abstiegs des Beklagten von der ersten in die zweite Bundesliga die Möglichkeit vorgesehen, den Vertrag seitens des Spielers aufzulösen. Bei dem Vertragsgespräch sei es also darum gegangen, Vertragskonditionen zu finden, damit die Aufstiegsklausel keine Wirksamkeit erlange. Im Rahmen der geführten Vertragsgespräche seien die Vertragskonditionen, insbesondere die Zusammensetzung des Spielergehaltes im Einzelnen besprochen worden. Neben der Festsetzung des Grundgehalts, der jeweiligen Punkteinsatzprämie bei Spieleinsatz, auch abhängig von der Zeit des Einsatzes im Verlauf eines Spieles, der Zahlung einer Jahresleistungsprämie bei Einsatz von einer bestimmten Anzahl von Spielen im Verlauf der Saison, sei auch die Vereinbarung einer Aufstiegsprämie im Falle des Aufstiegs in die Bundesliga als Punkteinsatzaufstiegsprämie, je nach Erreichen der Punktzahl, mit 1.000,00 € pro Punkt vereinbart worden, wobei der individuelle Auszahlungsbetrag eines jeden Spielers sich nach seinen persönlichen Einsätzen in den Spielen habe richten sollen. Dies entspreche der Regelung bei allen Spielern.

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Der Zeuge B. sei auch vom Kläger bevollmächtigt gewesen.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags des beklagten Vereins wird auf die Schriftsätze vom 23. August 2011 sowie 22. September 2011 (Bl. 163 ff., Bl. 175 f.) Bezug genommen.

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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.05.2010, Az.: 9 Ca 2806/09, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 58.000,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung (05.01.2010) zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.

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Der Kläger macht mit seinem Schriftsatz vom 09.09.2011 (Bl. 173 f. d. A.) geltend, dass es unzutreffend sei, dass in den Vertragsverhandlungen von einer einsatzabhängigen Aufstiegsprämie gesprochen worden sei. Insbesondere sei nicht darüber gesprochen worden, dass der Kläger in den Spielen eingesetzt werden müsse, um Anspruch auf die Aufstiegsprämie zu haben. Konsequenterweise sei deshalb auch eine Punkteinsatzaufstiegsprämie nicht in den Vertrag aufgenommen worden, sondern vielmehr richtigerweise eine Punktaufstiegsprämie. Es sei weder glaubwürdig, noch spreche es für die benannten Zeugen, wenn es sich so verhalten haben solle, dass sodann beide Zeugen entgegen ihrer angeblich klaren Absprache sodann der gleiche Fehler passiert sei, ohne dass diese ihn bemerkt hätten. Auch die E-Mail-Korrespondenz spreche nicht für die Richtigkeit der Behauptung.

12

Die Formulierung in der E-Mail des Spielerberaters vom 10. August 2007 “je erspieltem Punkt” spreche eindeutig für die in den Vertrag aufgenommene Punktaufstiegsprämie.

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Entscheidend sei auch nicht, was evtl. im Vorfeld besprochen worden sei, sondern was dem Kläger schlussendlich als schriftlich abzuschließender Vertrag vorgelegt worden sei, da nach der vertraglichen Regelung mündliche Nebenabreden keinerlei Wirkung hätten. Der Zeuge B. sei auch nicht abschlussberechtigt gewesen.

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Ergänzend wird im Übrigen auf den genannten Schriftsatz Bezug genommen.

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Die Berufungskammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 28.10.2011 durch Vernehmung des Zeugen B.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.10.2011 (Bl. 179 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

I.
17

Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob die fragliche Vertragsbestimmung in § 8b des Spielervertrages mit der dort enthaltenen Bezeichnung der Prämie als “Punktaufstiegsprämie” ggfls. im Wege der Auslegung im Sinne des Klägers dahingehend zu verstehen ist, dass es sich um eine einsatzunabhängige Prämie handelt.

18

Haben nämlich alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in dem selben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (vgl. etwa BAG 18.05.2010 – 3 AZR 373/08 – EzA § 310 BGB 2002 Nr. 9).

19

So verhält es sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen B. im vorliegenden Fall.

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1. Unerheblich ist zunächst, dass der Zeuge B. nicht zum Vertragsabschluss bevollmächtigt war. Der Zeuge B. war jedenfalls vom Kläger bevollmächtigt, für diesen die Vertragsverhandlungen bis zur Unterschriftsreife des Vertrags zu führen. Dies hat der Kläger selbst nicht in Abrede gestellt. Es ergibt sich zudem aus der Aussage des Zeugen B..

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Einer Vertragspartei ist aber in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 das Wissen eines von ihr nur zu Verhandlungen bevollmächtigten Verhandlungsführers oder -gehilfen zuzurechnen (BGH 13.12.1990 – III ZR 333/89 -, NJW AR 1991, 439). Das gleiche gilt, wenn eine Vertragspartei die wesentlichen Vertragsverhandlungen vollständig einer Hilfsperson übertragen hat und erst bei der Beurkundung des Vertrag in Kontakt zu der anderen Vertragspartei getreten ist (BGH 08.01.2004 – VII ZR 181/02NJW 2004, 2156).

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Nachdem der Kläger – wie sich dies auch aus der Aussage des Zeugen B. ergibt – die Verhandlungen über den neu abzuschließenden Vertrag vollständig dem Zeugen als Spielerberater überlassen hat, kommt es für die Frage, ob die Beteiligten aufgrund tatsächlicher Umstände in den Vertragsverhandlungen ungeachtet des Wortlauts des Vertrages übereinstimmend einen ggfls. hiervon abweichenden Willen hatten, demnach nicht auf die Vorstellungen des Klägers, sondern auf das ihm zurechenbare Wissen des von ihm zu den Verhandlungen bevollmächtigten Spielerberaters an.

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2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur hinreichenden Überzeugung der Berufungskammer fest, dass die Vertragsverhandlungen, soweit es um die Vereinbarung der streitgegenständlichen Prämie ging, ausschließlich die Vereinbarung einer sogenannten Punkteinsatzaufstiegsprämie zum Inhalt hatten, d. h. einer solchen, die spielereinsatzbezogen ist. Dies ergibt sich aus der Aussage des vernommenen Zeugen B.. Der Zeuge B. hat bekundet, dass er nicht nur für den Kläger, sondern parallel und zeitgleich mit dem Vorstandsmitglied des Beklagten, Herrn A., nicht nur Verhandlungen für den Kläger, sondern auch für andere Spieler geführt hat. Er hat ferner bekundet, dass es in diesen Verhandlungen um eine einsatzabhängige Prämie ging. Er hat ferner bekundet, dass in dem Telefonat, welches zwischen dem Zeugen und Herrn A. geführt wurde, nachdem der ursprüngliche Vertragsentwurf keinerlei Prämienregelung enthielt, auch am Telefon besprochen wurde, dass sich diese Prämie auf einen Aufstieg aus der zweiten in die erste Bundesliga bezieht und hierbei pro erspieltem Punkt in einem Spiel, in welchem der Spieler eingesetzt war, 1.000,00 € Prämie gezahlt werden sollen.

24

Daraus ergibt sich, dass ungeachtet des späteren Vertragswortlauts eine übereinstimmende Vorstellung dahingehend bestand, dass es sich um eine einsatzabhängige Prämie handeln sollte.

25

Der Zeuge B. ist nach Auffassung des Gerichts auch glaubwürdig. Ein Interesse des Zeugen daran, zu Gunsten des Beklagten auszusagen, ist nicht erkennbar. Zwar hat der Zeuge bekundet, dass er für seine Tätigkeit nicht vom Kläger, sondern vom beklagten Verein vergütet wurde. Er hat aber gleichzeitig bekundet, dass dies übliche Praxis im Bereich des Profi-Fußballs ist. Zudem würde eine interessengeleitete Aussage zu Gunsten des Beklagten zu einer Gefährdung der beruflichen Grundlagen des Zeugen führen. Als Spielerberater ist er auf das Vertrauen der Spieler, die ihn beauftragen, angewiesen.

II.
26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kostenentscheidung bezieht sich auch auf die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, Bundesarbeitsgericht, Az.: 10 AZN 333/11.

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