KG Berlin, Beschluss vom 15. August 2019 – 1 W 482/18
Ein Frau-zu-Mann-Transsexueller kann die Vaterschaft nicht gemäß § 1592 Nr. 2 BGB anerkennen
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert. Der Beteiligte zu 2) wird angewiesen, den Beteiligten zu 5) nicht als Vater des Beteiligten zu 1) zu beurkunden.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Geburt des Beteiligten zu 5) wurde u.a. wie folgt beurkundet: Vorname …, Geschlecht weiblich. Die Beteiligte zu 4) ist ausweislich des im Beschlusseingang genannten Geburtseintrags die Mutter des am … 2012 geborenen Beteiligten zu 1); ein Vater ist nicht beurkundet. Die Beteiligten zu 4) und 5) begründeten 2013 eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Mit seit 2017 rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichts … wurde der Vorname des Beteiligten zu 5) in … geändert und festgestellt, dass er als dem männlichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist. Mit öffentlich beurkundeten Erklärungen vom … 2018 erkannte der Beteiligte zu 5) unter Zustimmung der Beteiligten zu 4) an, Vater des Beteiligten zu 1) zu sein.
Auf die Zweifelsvorlage des Beteiligten zu 2) hat das Amtsgericht ihn mit dem angefochtenen Beschluss angewiesen, den Beteiligten zu 5) als Vater des Beteiligten zu 1) im Geburtenregister einzutragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Rechtsansichten der Beteiligten wird auf die Akten nebst standesamtlicher Sammelakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 58 ff. FamFG i.V.m. §§ 51 Abs. 1 S. 1, 53 Abs. 2 PStG) und begründet. Die Voraussetzungen für eine Folgebeurkundung nach § 27 Abs. 1 PStG liegen nicht vor. Den Erklärungen vom … 2018 kommt keine Wirkung zu.
Der Beteiligte zu 5) ist nicht gemäß § 1592 Nr. 2 BGB der (rechtliche) Vater des Beteiligten zu 1). Allerdings ist es für die Rechtswirkungen der Anerkennungserklärungen nach §§ 1594 ff. BGB unerheblich, ob der Anerkennende der leibliche (biologische / genetische) Vater des Kindes ist. Besteht – wie hier – keine (rechtliche) Vaterschaft eines anderen Mannes, wird die Anerkennung selbst dann wirksam, wenn der Anerkennende das Kind nicht gezeugt hat und dies offenkundig ist. Jedoch kann die Vaterschaft nur von einem Mann anerkannt werden. Im Verhältnis zu dem Beteiligten zu 1) ist der Beteiligte zu 5), soweit es um die Begründung der Abstammung geht, weiterhin als Frau anzusehen. Das ergibt sich aus § 11 S. 1 TSG, nach dem das Rechtsverhältnis zwischen dem Beteiligten zu 5) und seinen Kindern unberührt bleibt.
§ 11 S. 1 TSG betrifft das rechtliche Eltern-Kind-Verhältnis. Auch soweit das Gesetz (§ 5 Abs. 3 TSG) oder der Gesetzgeber (BT-Drucks. 8/2947 S. 27) von leiblichen Kindern spricht, ist damit nicht die biologisch / genetische Abstammung gemeint, sondern – in Abgrenzung zur Annahme als Kind (§§ 1741 ff. BGB) – die Eltern-Kind-Zuordnung, die sich aus § 1591 BGB für die Mutter und §§ 1592 ff. BGB für den Vater ergibt. Die Zuordnungstatbestände des § 1592 BGB knüpfen an Kriterien an, die im Regelfall denjenigen Mann als rechtlichen Vater erfassen, von dem das Kind tatsächlich abstammt (BGH, NJW 2019, 153 Rn. 22).
Die Beschränkung von § 10 Abs. 1 TSG gilt bereits für das Verfahren, in dem die Elternschaft zugeordnet wird. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern i.S.v. § 11 S. 1 TSG erfasst auch das Anerkennungsverfahren nach §§ 1592 Nr. 2, 1594 ff. BGB. Eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle kann die Vaterschaft zu einem Kind anerkennen, weil sie bei Abgabe der Anerkennungserklärung (weiterhin) als Mann anzusehen ist (vgl. BGH, NJW 2018, 471 Rn. 12, OLG Köln, StAZ 2010, 45 f.; s.a. BVerfG, NJW 2011, 909 Rn. 72). Der Beteiligte zu 5) kann die Vaterschaft nicht anerkennen, weil sich seine Rechte und Pflichten im Verhältnis zu dem betroffenen Kind (weiterhin) nach seinem alten (weiblichen) Geschlecht richten. Es wäre auch sinnwidrig, einen Frau-zu-Mann-Transsexuellen bei der Anerkennung als Mann und nach dem Wirksamwerden der Anerkennung (§§ 1594 Abs. 2, § 1595 Abs. 1 und 2 BGB) als Frau zu behandeln.
Auf die Reihenfolge von Geburt und Geschlechtsänderung kommt es nicht an (a.A. Staudinger/ Rauscher, BGB, Bearb. 2011, § 1592 Rn. 35b). Zum einen erfasst § 11 S. 1 Hs. 1 TSG auch das Verhältnis zu Kindern, die erst nach der Feststellung über die Zugehörigkeit des Elternteils zu einem anderen Geschlecht geboren wurden (BGH, NJW 2018, a.a.O.; NJW 2017, 3379 Rn. 15 ff.; BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 1 BvR 2831/17 – juris). Zum anderen wurde der Beteiligte zu 1) vor der gerichtlichen Entscheidung nach § 8 Abs. 1 TSG geboren. Eine Vaterschaftsanerkennung gemäß § 1592 Nr. 2 BGB wirkt auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes zurück (Staudinger/Rauscher, a.a.O., § 1592 Rn. 77; MünchKomm/Wellenhofer, 7. Aufl., § 1594 Rn. 17).
Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 GG, dass der Beteiligte zu 5) von der Vaterschaft ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, eine Personengruppe von § 1592 Nr. 2 BGB auszunehmen, die nach ihrem biologischen Geschlecht – und damit allgemein – zwingend verschieden von dem genetischen Vater des Kindes sein muss. Der Beteiligte zu 5) hat die Möglichkeit, den Beteiligten zu 1) als Kind anzunehmen (vgl. dazu BGH, NJW 2019, a.a.O., Rn. 29).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG vor.