LG Wuppertal, Urteil vom 12.12.2012 – 8 S 47/12
Die Bestimmung des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB mit ihrer dreijährigen Verjährungsfrist ist grundsätzlich auch auf Primärleistungsansprüche anwendbar (BGH, Urt. v. 22.04.2010 – I ZR 31/08, Juris). Sie greift ein in Fällen von Vorsatz oder, wegen des Verweises auf ein dem Vorsatz nach § 435 HGB gleichstehendes Verschulden, einer qualifizierten Leichtfertigkeit des Schuldners. Trägt der Schuldner selbst vor, die Fracht bewusst nicht gezahlt zu haben, bedarf es keines Rückgriffs auf eine Vermutung, die im Falle einer Nichtzahlung nach Rechnungsstellung für Vorsatz im Sinne von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB spricht (Rn. 31).
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Remscheid vom 21.05.2012 (7 C 14/12) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
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Die Parteien, ein Speditionsunternehmen und ein einzelkaufmännischer Spediteur, streiten über für Transportleistungen der Klägerin zu zahlendes Entgelt in Höhe von 3.236,80 € sowie über außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten.
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Der Beklagte beauftragte die Klägerin im Zeitraum vom 30.07.2010 bis zum 27.08.2010 mit der Durchführung von vier Transporten. Bei der Auftragserteilung bediente er sich identischer Auftragsformulare, die unter der Überschrift „Zusatzvereinbarungen“ unter anderem jeweils folgenden – grammatikalisch zum Teil unvollständigen – vorgedruckten Passus enthielten:
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„Abrechnung kann nur mit einem quittierten original Lieferschein-Speditionsauftrag-Frachtbrief erfolgen. […] Das Zahlungsziel beträgt 60 Tage.
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Nach Erhalt aller originalen Ablieferungsbelege mit der korrekt ausgestellten Rechnung.“
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Die ihr erteilten Transportaufträge führte die Klägerin sämtlich im August 2010 aus. Das Frachtgut lieferte sie in diesem Monat beanstandungsfrei bei den Empfängern ab. Sie erstellte hierüber Rechnungen vom 10.08.2010 über 618,80 €, vom 16.08.2010 über 1.130,50 €, vom 17.08.2010 über 1.130,50 € und vom 31.08.2010 über 357,- €. In der Summe ergibt sich hieraus die von ihr geltend gemachte Hauptforderung von 3.236,80 €. Während der Erhalt der Originalablieferungsbelege streitig geblieben ist, erhielt der Beklagte außer den Rechnungen zumindest Kopien der quittierten Frachtablieferungsbelege.
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Der Beklagte beglich die Rechnungen der Klägerin in der Folgezeit nicht. Ob den Beklagten Mahnungen der Klägerin erreichten, darunter eine solche ihrer Prozessbevollmächtigten vom 02.09.2011, ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Für eine zum Zwecke der Rechtsverfolgung eingeholte Handelsregisterauskunft entstanden der Klägerin Kosten in Höhe von 4,50 €. Die durch die außergerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 302,10 € netto hat sie noch nicht beglichen.
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Die Klägerin hat – ohne Beweisantritt – behauptet, mit den Rechnungen habe sie dem Beklagten auch die quittierten Originalablieferungsbelege übersandt.
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Die Klägerin hat ihre Forderung zunächst im Mahnverfahren geltend gemacht. Am 27.09.2011 ging ihr Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides bei Gericht ein. Gegen den ihm am 30.09.2011 zugestellten Mahnbescheid legte der Beklagte Widerspruch ein.
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Mit Antragsbegründungsschriftsatz vom 29.12.2011 hat die Klägerin den Antrag angekündigt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.236,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.10.2010 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 364,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Mit Schriftsatz vom 09.02.2012, bei Gericht eingegangen am 10.02.2012, hat die Klägerin ihre Klage hinsichtlich der Nebenforderung teilweise zurückgenommen und bezüglich dieser den Antrag angekündigt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie außergerichtliche Kosten in Höhe von 306,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht hat die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.236,80 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.10.2010 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 306,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
17
Der Beklagte hat sich unter Bezugnahme auf die zitierte Bestimmung in seinem Auftragsformular und die angeblich nicht erhaltenen Originalablieferungsbelege auf die fehlende Fälligkeit der von der Klägerin geltend gemachten Forderung berufen und gegen diese zugleich die Einrede der Verjährung erhoben.
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Das Amtsgericht Remscheid hat den Beklagten mit dem angefochtenen Urteil verurteilt, an die Klägerin 3.236,80 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von netto 302,10 € und Auskunftskosten in Höhe von 4,50 € zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung der Verurteilung des Beklagten im Wesentlichen ausgeführt, dass die Forderung der Klägerin fällig sei, da sich der Beklagte nicht ohne Verstoß gegen Treu und Glauben auf die Nichtvorlage der Originalablieferungsbelege berufen könne. Da auf die Forderung der Klägerin die dreijährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB anzuwenden sei, stünde ihrer Durchsetzbarkeit auch die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede nicht entgegen.
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Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts wendet sich der Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags mit der Berufung.
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Der Beklagte ist weiterhin der Ansicht, die Frachtforderung der Klägerin sei mangels vorgelegter Originalablieferungsbelege nicht fällig. Auf die fehlende Fälligkeit habe er beim Unterlassen der Forderungsbegleichung auch vertrauen dürfen, da es Gerichte gegeben habe, die die in seinen Auftragsformularen enthaltene Pflicht zur Vorlage von Originalbelegen anerkannt hätten. Die Frachtforderung der Klägerin sei im Übrigen verjährt, da die Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit der dreijährigen Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB nicht erfüllt seien. Die Anforderungen, welche der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 22.04.2010 – I ZR 31/08 – hinsichtlich des Vorsatzes im Sinne von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB aufgestellt habe, lägen bei ihm nicht vor.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage unter Abänderung des am 21.05.2012 verkündeten und mit Datum vom 25.05.2012 zugestellten Urteils des Amtsgerichts Duisburg (Az. 7 C 14/12) vollumfänglich abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Remscheid vom 21.05.2012 zurückzuweisen,
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hilfsweise hinsichtlich der Anwalts- und Auskunftskosten,
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sie von diesen Kosten freizustellen.
II.
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1. Die Berufung ist zulässig. Soweit der Beklagte im Berufungsantrag das angefochtene Urteil als ein solches des Amtsgerichts Duisburg bezeichnet, handelt es sich um eine unschädliche Falschbezeichnung. Tatsächlich wird – wie sich aus der richtigen Urteilsbezeichnung in dem der Berufungsbegründung vorausgegangenen Berufungsschriftsatz ergibt – das streitgegenständliche Urteil des Amtsgerichts Remscheid angefochten.
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2. Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Dies gilt sowohl hinsichtlich der der Klägerin zugesprochenen Haupt- wie auch der ihr vom Amtsgericht zugesprochenen Nebenforderung.
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a) Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 3.236,80 € aus § 407 Abs. 2 HGB. Die Klägerin ist für den Beklagten auftragsgemäß viermal als Frachtführerin tätig geworden und hat das Frachtgut jeweils am vereinbarten Bestimmungsort abgeliefert. Spätestens mit Rechnungsstellung war die Fracht, die gemäß § 420 Abs. 1 Satz 1 HGB eigentlich bereits bei Ablieferung zu zahlen ist, auch fällig. Der Beklagte hat nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts jedenfalls Ablichtungen der quittierten Ablieferungsbelege erhalten. Insoweit kann dahinstehen, ob die in den Frachtaufträgen des Beklagten enthaltene Klausel, welche die Fälligkeit eventuell an die Vorlage von Originalen der Ablieferungsbelege knüpft, mit einer solchen Bedeutung überhaupt wirksam ist. Hieran bestehen aus guten Gründen erhebliche Zweifel (vgl. LG Wuppertal, Urt. v. 15.03.2012 – 6 S 63/11). Selbst wenn die Klausel wirksam sein sollte, könnte sich der Beklagte ohne Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht auf eine fehlende Fälligkeit wegen Nichtvorlage der Originalbelege berufen. Ist – wie im Streitfall – der Frachtauftrag unstreitig beanstandungsfrei erfüllt worden und entsteht dem Auftraggeber aus dem Fehlen von Originalbelegen kein Nachteil, ist die Berufung auf ein Fehlen derselben treuwidrig (LG Wuppertal, Urt. v. 15.03.2012 – 6 S 63/11; Urt. v. 09.08.2011 – 1 O 43/11; Koller , Transportrecht, 7. Aufl., § 420 HGB Rz. 7a). Dies gilt umso mehr, wenn dem Auftraggeber sogar Kopien der Originalbelege vorliegen.
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Dem Zahlungsanspruch der Klägerin aus § 407 Abs. 2 HGB steht mit Blick auf die vom Beklagten im Prozess erhobene Verjährungseinrede keine dauernde Einrede entgegen. Nach Auffassung der Kammer ist im Streitfall von der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auszugehen, die – anders als die Jahresfrist des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB – bei Einleitung des Mahnverfahrens noch nicht abgelaufen war.
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Die Bestimmung des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB mit ihrer dreijährigen Verjährungsfrist ist grundsätzlich auch auf Primärleistungsansprüche anwendbar (BGH, Urt. v. 22.04.2010 – I ZR 31/08, Juris). Sie greift ein in Fällen von Vorsatz oder, wegen des Verweises auf ein dem Vorsatz nach § 435 HGB gleichstehendes Verschulden, einer qualifizierten Leichtfertigkeit des Schuldners. Im Streitfall handelte der Beklagte vorsätzlich. Er hat selbst vorgetragen, bewusst nicht gezahlt zu haben. Des Rückgriffs auf eine Vermutung, die im Falle einer Nichtzahlung nach Rechnungsstellung für Vorsatz im Sinne von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB spricht, bedarf es daher nicht.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten setzt der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB neben der vorsätzlichen Nichtzahlung kumulativ nicht auch noch voraus, dass der Schuldner die Existenz des Anspruchs entgegen besserem Wissen insgesamt bestreitet oder entgegen besserem Wissen behauptet, dass der gegen ihn gerichtete Anspruch nicht in der geltend gemachten Höhe entstanden ist. Dass dem Beklagten solches nicht vorzuwerfen ist, führt daher nicht dazu, dass § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB nicht anwendbar ist. Zwar lässt sich das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.04.2010 – I ZR 31/08 – so lesen, als müsse der Vorsatz in der genannten Weise qualifiziert sein. So heißt es in der Entscheidung, dass „dem Schuldner die vorsätzliche Nichtzahlung erst dann vorzuwerfen ist, wenn […]“. Dagegen, dass mit dieser Formulierung zusätzliche Anforderungen an den Vorsatz aufgestellt werden sollen, spricht aber ihr Ursprung. Bei dem betreffenden Passus handelt es sich um ein abgewandeltes Einzelzitat aus dem als Quelle angegebenen Aufsatz von Koller (VersR 2006, 1581 ff.), in dem ein ähnlicher Satz in einem längeren Kontext steht. Dort heißt es: „Ihm [dem Schuldner] ist jedoch Vorsatz vorzuwerfen, wenn […]“. Bei Koller ist der Passus nach Ansicht der Kammer beispielhaft gemeint, weil es sich beim Vorsatz um eine innere Tatsache handelt, auf die regelmäßig anhand äußerer Umstände geschlossen werden muss. Die von Koller genannten Umstände lassen einen solchen Rückschluss besonders gut zu. Für deren Beispielcharakter sprechen auch seine folgenden Ausführungen: „Jedenfalls verdient ein derart dolos agierender Schuldner keine Schonung. Gleiches gilt für diejenigen Schuldner, die die Primärleistung nicht erbringen, weil sie annehmen, dass der Gläubiger nicht die finanzielle Kraft besitzt, um den Anspruch einzuklagen […]“ Nur das bei Koller anzunehmende beispielhafte Verständnis wird überdies dem Umstand gerecht, dass der Wortlaut des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB nur allgemein von Vorsatz spricht und den Anwendungsbereich der Norm damit nicht auf bestimmte Ausdrucksformen des Vorsatzes beschränkt. Eine solche Beschränkung, die in der Formulierung des Bundesgerichtshofs („dem Schuldner […] erst dann vorzuwerfen, wenn“) angelegt ist, lässt sich weder mit dem Wortlaut des Geschehens noch sachlich begründen. Nach Auffassung der Kammer meint Vorsatz im Rahmen von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB in Parallele zu § 276 BGB daher allein das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs, wobei Bezugspunkt bei Primärleistungspflichten das bloße Unterlassen der Erfüllung ist (vgl. auch Koller , Transportrecht, 7. Aufl., § 439 HGB Rz. 27).
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Der Vorsatz des Beklagten entfällt auch nicht dadurch, dass er bei der Nichtzahlung auf die fehlende Fälligkeit der Frachtforderung vertraute. Zwar kann sich der Schuldner vom Vorwurf des Vorsatzes entlasten. So entfällt der Vorsatz im Falle der Nichtzahlung, „wenn der Schuldner – aus welchen Gründen auch immer – der Ansicht ist, nicht zu schulden, bereits aufgerechnet zu haben oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen zu können“ (BGH, Urt. v. 22.04.2010 – I ZR 31/08; vgl. auch Koller , Transportrecht, 7. Aufl., § 439 HGB Rz. 27). Auf den von ihm vorgetragenen Irrtum über die Fälligkeit des gegen ihn gerichteten Zahlungsanspruchs kann sich der Beklagte indes ohne Verstoß gegen § 242 BGB nicht berufen. Schon die auf das Nichtvorliegen der quittierten Originalablieferungsbelege gestützte Berufung auf die fehlende Fälligkeit der Frachtforderung ist treuwidrig und verstößt gegen § 242 BGB. Deshalb kann sich der Beklagte zur Entschuldigung seiner vorsätzlichen Nichtzahlung auch nicht ohne Verstoß gegen § 242 BGB auf einen hierauf gründenden Irrtum (wonach er sein Verhalten für berechtigt gehalten habe) berufen. Anderenfalls profitierte er doch wieder von einem Verhalten, von dem er nach der Wertung des § 242 BGB nicht profitieren soll, weil er an ihm – objektiv betrachtet – kein anerkennenswertes Interesse hat (vgl. LG Wuppertal, Urt. v. 15.03.2012 – 6 S 63/11) und das sich – unabhängig von seiner inneren Motivlage – objektiv als Missbrauch einer formalen Rechtsposition darstellt.
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Auf die zahlreichen weiteren durch den Fall aufgeworfenen Fragen kommt es nach alledem nicht mehr an. Insbesondere bedarf es keiner Entscheidung, ob dem Beklagten die Berufung auf die Einrede der Verjährung im Falle einer Einschlägigkeit der Jahresfrist des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt sein könnte. Ein solcher Verstoß könnte sich aus einem unlösbaren Selbstwiderspruch ergeben, der – was aber dahinstehen kann – darin gesehen werden könnte, dass sich der Beklagte zugleich auf die (die Verjährung ausschließende) fehlende Fälligkeit und die Verjährung beruft.
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b) Die der Klägerin vom Amtsgericht zugesprochene Zinsforderung in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Betrag der Hauptforderung ab dem 15.10.2010 ist dem Grunde und der Höhe nach aus §§ 286 Abs. 3 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB begründet.
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c) Die von der Klägerin geltend gemachten und ihr vom Amtsgericht zugesprochenen vorgerichtlichen Anwalts- und Auskunftskosten in Höhe von 302,10 € und 4,50 € sind als Kosten der Rechtsverfolgung im Rahmen eines Verzugsschadensersatzanspruchs aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 3 Satz 1 BGB ersatzfähig. Zwar bestand der Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten, die der Höhe nach gemäß Ziffern 2300 und 7002 VV RVG richtig berechnet sind, welche die Klägerin aber bislang nicht gezahlt hat, ursprünglich nur als Freistellungsanspruch. Dieser Freistellungsanspruch ist jedoch aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 281 Abs. 2 BGB im Rahmen des § 250 BGB spätestens in der Berufungsinstanz gemäß § 250 Satz 2 BGB in den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch übergegangen (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 910, 912 f.). Spätestens in seinem prozessualen Verhalten in zweiter Instanz, in welcher der Beklagte seinen Standpunkt, nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, aufrechterhalten und die Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils beantragt hat, liegt eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung.
III.
37
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO war die Revision zuzulassen. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.04.2010 – I ZR 31/08 – bietet mit Blick auf die darin formulierten Anforderungen an den Vorsatz im Rahmen des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB – auch dann, wenn es sich, wofür einiges spricht, lediglich um eine missglückte Formulierung handeln sollte – keine sichere Orientierungshilfe bei der verjährungsrechtlichen Behandlung vorsätzlicher Nichtzahlungen von Frachtansprüchen. Der Streitfall bietet insoweit Gelegenheit, klarere Leitsätze zur Auslegung des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB aufzustellen.
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Streitwert für beide Instanzen: 3.236,80 €