BGH, Urteil vom 13. Juni 2002 – III ZR 166/01
Zur Haftung des Kapitalanlagevermittlers
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 4. April 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an den 31. Zivilsenat
des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte, ein Polizeibeamter, war nebenberuflich als Anlagevermittler
tätig, wobei er insbesondere Anlagen bei der K. H. Vermögensverwaltung
(KHV) vertrieb. Die Klägerin legte auf Empfehlung des Beklagten bei
der KHV am 18. und 21. Januar 1997 Beträge in Höhe von 10.000 und
3.744 DM an. Weitere Anlagen in Höhe von 3.000 und 18.000 DM, bei denen
Art und Umfang einer Mitwirkung des Beklagten streitig sind, tätigte sie am
10. April und 4. August 1997. Schließlich zahlte sie – nach ihrem Vorbringen
auf intensives Drängen des Beklagten – am 12. November 1997 einen Betrag
von 330.000 DM bei der KHV ein, nachdem sie zuvor ein von dem Beklagten
vermitteltes persönliches Gespräch mit K. H. geführt hatte. Sämtliche Einlagen
sind bis auf 25.000 DM, die die Klägerin zurückerhalten hat, infolge betrügerischer
Machenschaften des K. H. verlorengegangen; dieser ist wegen
Betruges zum Nachteil von Anlegern zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren
und neun Monaten verurteilt worden.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe sämtliche Einzahlungen nur aufgrund
der umfassenden Gespräche mit dem Beklagten getätigt. Dieser habe
immer wieder darauf hingewiesen, daß es sich um eine seriöse und sichere
Geldanlage handele, für die er persönlich einstehe. Tatsächlich habe der Beklagte
gewußt, daß es sich bei den Anlagegeschäften durch die KHV um „windige
Geldanlagen“ gehandelt habe und daß 1994 und 1996 bereits gegen
K. H. wegen Anlagebetruges ermittelt worden sei. Die Klägerin hat den
Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 344.744 DM nebst Zinsen in Anspruch
genommen. Der Beklagte hat ein Fehlverhalten bestritten. Das Landgericht
hat ihn nach Beweisaufnahme zur Zahlung von 265.744 DM nebst Zinsen
verurteilt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, die
Klägerin mit dem Ziel einer vollen Verurteilung des Beklagten, der Beklagte mit
dem Ziel völliger Klageabweisung. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung
des Beklagten unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin die Klage in
vollem Umfang abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung
der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.
1. Als Anlagevermittler haftet der Beklagte für unrichtige Angaben nach
Maßgabe der Grundsätze, wie sie in den Senatsurteilen vom 13. Mai 1993
(III ZR 25/92 = WM 1993, 1238 = NJW-RR 1993, 1114 = BGH BGB § 676 Anlagevermittler
4) und 13. Januar 2000 (III ZR 62/99 = WM 2000, 426) im einzelnen
niedergelegt worden sind: Im Rahmen der Anlagevermittlung kommt
zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler ein Auskunftsvertrag
mit Haftungsfolgen zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent
deutlich macht, daß er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen,
die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch
nehmen will, und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt.
Der zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler zustande
gekommene Auskunftsvertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger
Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluß
des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. Dazu bedarf
es – jedenfalls grundsätzlich – vorab der eigenen Information des Anlagevermittlers
hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des
Kapitalsuchenden. Denn ohne zutreffende Angaben über die hierfür maßgeblichen
Umstände kann der Anlageinteressent sein Engagement nicht zuverlässig
beurteilen und keine sachgerechte Anlageentscheidung treffen. Liegen dazu
objektive Daten nicht vor oder verfügt der Anlagevermittler mangels Einholung
entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende Kenntnisse, so
muß er dies dem anderen Teil zumindest offenlegen.
2. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme hat das Landgericht folgende
tatsächliche Feststellungen getroffen: Der Beklagte hat die Klägerin immer
wieder darauf hingewiesen, daß es sich bei den Geldanlagen bei der Firma
H. um eine „todsichere“, also risikolose Sache handele und daß er den
Inhaber der Firma H. persönlich überwache und genaue Kenntnis habe,
welche festverzinslichen Wertpapiere H. anschaffe. Diese festgestellten
Erklärungen des Beklagten gingen über eine normale Anpreisung der Kapitalanlage
bei weitem hinaus. Zu Recht hat das Landgericht daher angenommen,
daß es dahinstehen könne, inwieweit der Beklagte den ihm erteilten Informationen
seitens der Firma H. blind vertraut hat oder ob er gegenteilige Erkenntnisse
ignoriert bzw. der Klägerin gegenüber geleugnet hat. Jedenfalls hat
er gegenüber der Klägerin seine eigene Sachkunde und Überwachung des Inhabers
der Firma betont. In Wirklichkeit konnte, wie der unstreitige weitere Geschehensablauf
und der nahezu totale Verlust der Anlagen zeigen, von einer
sachkundigen Überwachung der Firma H. und einer realistischen Einschätzung
ihres Geschäftsgebarens durch den Beklagten keine Rede sein. Deshalb
hat der Beklagte durch seine Erklärungen gegenüber der Klägerin gegen die
ihn aus dem Anlagevermittlungsvertrag treffenden, vorstehend beschriebenen
Auskunfts- und Hinweispflichten schuldhaft verstoßen.
3. Auf dieser vom Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogenen Tatsachengrundlage
ist seine Annahme, hinsichtlich des größten Anlagebetrages in Höhe
von 330.000 DM fehle es an einem für den Schaden kausal gewordenen Verschulden
des Beklagten, ohne hinreichende Substanz. Das persönliche Gespräch
zwischen der Klägerin und H. , auf das das Berufungsgericht maßgeblich
abstellt, war unstreitig durch den Beklagten vermittelt worden; dieser
hat auch – wenn auch eher als bloßer Zuhörer – daran teilgenommen. Deswegen
mußte das durch die vorangegangenen Erklärungen des Beklagten bei der
Klägerin geschaffene Vertrauen in die Seriosität des H. und in die Sicherheit
seiner Anlagen bei der Klägerin fortwirken. Der persönliche Eindruck, den
die Klägerin von H. gewann, hat also lediglich diesen zuvor vom Beklagten
geschaffenen Vertrauenstatbestand bestätigt. Unter diesen Umständen ist es
dem Beklagten zuzurechnen, wenn die Klägerin, wie das Berufungsgericht es
formuliert, „die Möglichkeit der Informationen durch den Zeugen H. nicht
ausgenutzt hat oder von diesem nicht mit der Wahrheit bedient wurde“. Denn
damit verwirklichte sich gerade das Risiko, das der Beklagte zuvor geschaffen
hatte. Um so mehr gilt dies, als nach dem Ergebnis der landgerichtlichen Beweisaufnahme
der Beklagte die Klägerin in der Folgezeit, also nach dem Gespräch
mit H. , aber noch vor der tatsächlichen Einzahlung der Einlage,
massiv gedrängt hat, diese doch nun endlich zu tätigen.
4. Nach dem der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden
Sachvortrag der Klägerin sind auch die beiden kleineren Einlagen von 3.000
und 18.000 DM aus April und August 1997 dem Beklagten haftungsrechtlich
zuzurechnen. Das Berufungsgericht hält es selbst für möglich, daß der Beklagte
der Klägerin insoweit zumindest die Einzahlungsbelege zur Verfügung
gestellt hat. Mochte er damit auch keine eigene Vermittlungsleistung erbracht
haben, so konnte er aus der Anforderung dieser Unterlagen zumindest erkennen,
daß die Klägerin auf der Grundlage des von ihm zuvor geschaffenen Vertrauenstatbestandes
weitere Vermögenstransaktionen an H. vorzunehmen
beabsichtigte. Wollte er sich insoweit seiner durch die vorangegangenen Erklärungen
begründeten Verantwortlichkeit entziehen, wäre es seine Sache gewesen,
dies gegenüber der Klägerin eindeutig klarzustellen.
5. Das Landgericht hat der Klägerin hinsichtlich des größten Anlagebetrages
von 330.000 DM ein Mitverschulden von 30% angelastet (dann aber die
Klageforderung nicht um 99.000 DM, sondern nur um 79.000 DM gekürzt). Es
hat dazu im einzelnen ausgeführt, die Klägerin habe sich trotz fundierter Warnungen
von dritter Seite in einem Maße auf die Angaben des Beklagten verlassen,
das nicht mehr voll schutzwürdig sei. Diese – vom rechtlichen Ansatzpunkt
her nicht zu beanstandende – Würdigung bedarf jedoch im Berufungsrechtszug
erneuter tatrichterlicher Überprüfung (wobei auch gegebenenfalls die rechnerischen
Unstimmigkeiten [s.o.] zu beheben sein werden).
6. Das Berufungsurteil kann nach alledem nicht bestehenbleiben. Die Sache
ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der
Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. Gebrauch macht.