BGH, Urteil vom 03.12.2013 – VI ZR 24/13
Lässt der Geschädigte einen Kraftfahrzeugsachschaden sach- und fachgerecht in dem Umfang reparieren, den der eingeschaltete Sachverständige für notwendig gehalten hat, und unterschreiten die von der beauftragten Werkstatt berechneten Reparaturkosten die von dem Sachverständigen angesetzten Kosten, so beläuft sich auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten. Der Geschädigte hat in diesem Fall keinen Anspruch auf Zahlung des vom Sachverständigen angesetzten Nettobetrags zuzüglich der tatsächlich gezahlten Umsatzsteuer, soweit dieser Betrag die tatsächlich gezahlten Bruttoreparaturkosten übersteigt.(Rn.12)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 13. Dezember 2012 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 28. Juli 2011 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der beklagte Haftpflichtversicherer hat dem Kläger unstreitig den bei einem Verkehrsunfall im Oktober 2010 entstandenen Fahrzeugschaden zu ersetzen.
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Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, in dem die Reparaturkosten auf brutto 8.346,72 € (netto 7.014,05 €) beziffert wurden, ließ der Kläger sein Fahrzeug auf der Grundlage des Gutachtens bei der Firma O. nach Maßgabe des Gutachtens sach- und fachgerecht instand setzen. Die Firma O. stellte dem Kläger Reparaturkosten in Höhe von brutto 7.492,22 € (netto 6.295,98 €) in Rechnung. Der Kläger rechnete den Schaden gegenüber der Beklagten auf der Grundlage des Gutachtens ab. Diese regulierte den Schaden unter Zugrundelegung der tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten in Höhe von 7.492,22 €.
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Mit der Klage hat der Kläger weiteren Schadensersatz in Höhe von 718,07 € verlangt. Diesen Anspruch errechnet er unter Zugrundelegung des vom Gutachter festgestellten Nettoreparaturaufwandes in Höhe von 7.014,05 € und der von ihm tatsächlich für die Instandsetzung gezahlten Mehrwertsteuer in Höhe von 1.196,24 €, wobei er die von der Beklagten gezahlten Reparaturkosten in Höhe von 7.492,22 € in Abzug bringt.
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Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Berufungsgericht führt im Wesentlichen aus:
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Der Kläger könne neben den Nettoreparaturkosten gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB auch die für die tatsächliche Reparatur aufgewendete Mehrwertsteuer in Höhe des eingeklagten Betrages ersetzt verlangen. Vorliegend sei die geltend gemachte Umsatzsteuer tatsächlich und für die Wiederherstellung des beschädigten Klägerfahrzeugs angefallen. Einer Kumulierung der fiktiven Abrechnung mit tatsächlich angefallener Umsatzsteuer einer Billigreparatur stünden weder eine etwaige Bindungswirkung an die ursprünglich gewählte Abrechnungsart noch das Verbot der Vermischung fiktiver und konkreter Abrechnungen entgegen. Nach Auffassung der Kammer könne der Geschädigte dann, wenn er die Unfallschäden an seinem Fahrzeug durch Teil-, Billig- oder Behelfsreparatur nur zum Teil beseitigen lasse, die hierfür aufgewendete Umsatzsteuer ungekürzt neben den durch ein Sachverständigengutachten ermittelten Nettoreparaturkosten als Kosten der Schadensbeseitigung geltend machen. Es sei nicht erkennbar, weshalb im Falle einer Teil- bzw. Billigreparatur die konkret angefallene Mehrwertsteuer neben den von einem Sachverständigen ermittelten Nettoreparaturkosten ersatzfähig sein solle, dies aber bei einer billigeren vollständigen und fachgerechten Reparatur zu günstigeren Konditionen, als vom Sachverständigen errechnet, nicht gelten solle.
II.
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Die dagegen gerichtete Revision ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Das Klagevorbringen ist unschlüssig.
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1. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist bei der fiktiven Abrechnung eines Kraftfahrzeugsachschadens von folgenden Grundsätzen auszugehen.
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Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht grundsätzlich ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt. Allerdings ist unter Umständen – auch noch im Rechtsstreit – ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder “freien” Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (Senatsurteile vom 23. März 1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241; vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 3 f. – Porsche-Urteil; vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn. 7 ff. – VW-Urteil; vom 23. Februar 2010 – VI ZR 91/09, VersR 2010, 923 Rn. 9, 11 – BMW-Urteil; vom 22. Juni 2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 6 f. – Audi-Quattro-Urteil; vom 22. Juni 2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 6 f. – Mercedes-A 170-Urteil; vom 13. Juli 2010 – VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn. 5 ff. – Mercedes-A 140-Urteil; vom 14. Mai 2013 – VI ZR 320/12, VersR 2013, 876 Rn. 8).
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2. Die Verweisung des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit lässt der erkennende Senat deshalb zu, weil die Angaben des Sachverständigen in seinem Gutachten zur Höhe der voraussichtlich anfallenden Reparaturkosten keinesfalls stets verbindlich den Geldbetrag bestimmen, der im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Herstellung erforderlich ist. Bei fiktiver Abrechnung ist der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte, der nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer objektiven Grundlage zufrieden gibt. Hinweise der Schädigerseite auf Referenzwerkstätten dienen dazu, der Behauptung des Geschädigten entgegenzutreten, der vom Sachverständigen ermittelte Betrag gebe den zur Herstellung erforderlichen Betrag zutreffend wieder (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2013 – VI ZR 320/12, VersR 2013, 876 Rn. 11). Kann die Schädigerseite die zumutbare Möglichkeit der Inanspruchnahme einer preiswerteren Werkstatt ausreichend darlegen und notfalls beweisen, ist auf der Grundlage der preiswerteren Reparaturmöglichkeit abzurechnen.
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3. Angesichts dieser Rechtslage versteht es sich von selbst, dass auf der Grundlage einer preiswerteren Reparaturmöglichkeit abzurechnen ist, wenn ein Verweis der Schädigerseite darauf nicht einmal erforderlich ist, weil der Geschädigte die Möglichkeit einer vollständigen und fachgerechten, aber preiswerteren Reparatur selbst darlegt und sogar wahrgenommen hat. Der Vortrag des Geschädigten, trotzdem sei der vom Sachverständigen angegebene Betrag zur Herstellung erforderlich, ist dann unschlüssig. Eine abweichende Betrachtung würde dazu führen, dass der Geschädigte an dem Schadensfall verdient, was dem Verbot widerspräche, sich durch Schadensersatz zu bereichern (vgl. dazu Senatsurteile vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02 , BGHZ 154, 395, 397 f.; vom 15. Februar 2005 – VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 164 f.; vom 7. Juni 2005 – VI ZR 192/04, BGHZ 163, 180, 184; vom 6. März 2007 – VI ZR 120/06, BGHZ 171, 287 Rn. 6; vom 22. September 2009 – VI ZR 312/08, VersR 2009, 1554 Rn. 7; vom 18. Oktober 2011 – VI ZR 17/11, VersR 2011, 1582 Rn. 6, 8; vom 5. Februar 2013 – VI ZR 363/11, VersR 2013, 471 Rn. 11 = r + s 2013, 203 m. Anm. Lemcke, dazu auch Schneider, jurisPR-VerkR 6/2013 Anm. 1).
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Deshalb beläuft sich auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten, wenn der Geschädigte seinen Kraftfahrzeugsachschaden sach- und fachgerecht in dem Umfang reparieren lässt, den der eingeschaltete Sachverständige für notwendig gehalten hat, und die von der beauftragten Werkstatt berechneten Reparaturkosten die von dem Sachverständigen angesetzten Kosten unterschreiten. Der Geschädigte hat in diesem Fall keinen Anspruch auf Zahlung des vom Sachverständigen angesetzten Nettobetrags zuzüglich der tatsächlich gezahlten Umsatzsteuer, soweit dieser Betrag die tatsächlich gezahlten Bruttoreparaturkosten übersteigt.
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4. Auf die vom Berufungsgericht erörterte umstrittene Frage, ob bei fiktiver Abrechnung unter Umständen tatsächlich aufgewendete Umsatzsteuer neben den vom Sachverständigen ermittelten Nettoreparaturkosten ersetzt verlangt werden kann, wenn der Geschädigte sich mit einer Eigen-, Teil- oder Billigreparatur zufrieden gibt, kommt es für die vorliegende Fallgestaltung nicht an (vgl. zur Problematik z.B. LG Bremen, Urteil vom 24. Mai 2012 – 7 S 277/11, juris Rn. 20; LG Bückeburg, Urteil vom 29. September 2011 – 1 O 86/11, juris Rn. 33; LG Hagen, Urteil vom 2. Juli 2009 – 10 O 24/09, juris Rn. 6 ff.; AG Hildesheim, Urteil vom 6. Januar 2007 – 49 C 118/06, juris Rn. 16 ff.; BeckOK BGB/Schubert, § 249 Rn. 220 [Stand: 1. März 2011]; Geigel/Freymann, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 5 Rn. 13; Geigel/Knerr, aaO, Kap. 3 Rn. 39; Jahnke in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., § 249 Rn. 266; Lemcke in van Bühren/Lemcke/Jahnke, Anwaltshandbuch Verkehrsrecht, 2. Aufl., Teil 3, Rn. 98 ff.; MünchKommBGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 467; Palandt/Grüneberg, 72. Aufl., § 249 Rn. 27; Heß, NZV 2004, 1, 4). Denn unstreitig ist der Schaden am Fahrzeug des Klägers vollständig und fachgerecht nach den Vorgaben des Sachverständigen beseitigt worden.
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5. Auch auf den von der Revision angesprochenen Gesichtspunkt, dass eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis unter Berücksichtigung der Wiederbeschaffungskosten und des Restwerts ohnehin nicht möglich gewesen sei, kommt es für die vorliegende Entscheidung nicht an. Die Beklagte hat auf Reparaturkostenbasis abgerechnet und die Klage ist hinsichtlich des damit geltend gemachten noch streitigen Betrages abzuweisen. Insoweit kann der erkennende Senat selbst entscheiden, da tatsächliche Feststellungen nicht mehr zu treffen sind und die Sache deshalb zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).