BGH zum Beginn der Enthaftungsfrist eines OHG-Gesellschafters

BGH, Urteil vom 24. September 2007 – II ZR 284/05

Wird das Ausscheiden des Gesellschafters einer OHG nicht in das Handelsregister eingetragen, beginnt – wie im BGB-Gesellschaftsrecht – der Lauf der fünfjährigen Enthaftungsfrist mit der positiven Kenntnis des Gesellschaftsgläubigers vom Ausscheiden des Gesellschafters; die Eintragung des Ausscheidens im Handelsregister ist für den Fristbeginn nicht konstitutiv.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 14. September 2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

    1. Die Klägerin, eine Raiffeisenbank in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft, macht gegen die Beklagte in deren Eigenschaft als frühere Gesellschafterin einer OHG Darlehensrückzahlungsansprüche in Höhe von ins-gesamt 12.106,41 € zuzüglich Zinsen geltend.
    2. Die Beklagte hatte mit den Eheleuten Tr. und R. F. Ende April 1996 einen undatierten „Gesellschaftsvertrag einer offenen Handelsgesellschaft“ zur Gründung einer OHG unter der Firma „T. “ geschlossen. In das Handelsregister wurde die Gesellschaft nicht eingetragen.
    3. Unter dem 30. Mai 1996 schlossen die Beklagte und die Eheleute F. als „T. F. und J. GbR – Tr. F. , R. F. und W. J. “ mit der Raiffeisenbank O. als Zweigniederlassung der Raiffeisenbank O. eG einen Darlehensvertrag über ein Darlehen in Höhe von 40.000,00 DM, das mit Vertrag vom 7. November 1996 auf 55.299,08 DM aufgestockt wurde. Die Raiffeisenbank O. eG ist zwischenzeitlich auf die Klägerin verschmolzen worden.
    4. Am 9. Februar 1998 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie „zum 1. Januar 1998 aus der GbR ausgeschieden“ sei. Ihren Gesellschaftsanteil hatte die Beklagte mit Vertrag vom 9. Februar 1998 an die Eheleute F. übertragen. Da die OHG nach wie vor nicht in das Handelsregister eingetragen war, wurde auch der Austritt der Beklagten nicht nach § 160 Abs. 1 Satz 2 n.F. HGB verlautbart.
    5. Im Dezember 1999 wurden die monatlichen Darlehensraten – ohne dass die Beklagte hiervon in Kenntnis gesetzt wurde – von 1.000,00 DM auf 250,00 DM herabgesetzt, die bis Herbst 2003 ordnungsgemäß entrichtet wurden; danach wurden die Zahlungen eingestellt. Nachdem die Klägerin im Februar und März 2004 die Rückstände nicht nur gegenüber den Eheleuten F. , sondern auch gegenüber der Beklagten wiederholt erfolglos angemahnt hatte, kündigte sie den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 26. Mai 2004 sowohl gegenüber den Eheleuten F. als auch gegenüber der Beklagten und forderte diese vergeblich zur Zahlung der seinerzeit noch offenen 12.034,27 € bis zum 14. Juni 2004 auf.
    6. Das Landgericht hat der Mitte 2004 erhobenen Klage auf Rückzahlung des restlichen Darlehens (nebst Zinsen) zum ganz überwiegenden Teil entsprochen; das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die – vom Berufungsgericht zugelassene – Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

  1. Die Revision hat keinen Erfolg.
  2. I. Das Berufungsgericht meint, die Beklagte schulde der Klägerin die Rückzahlung des restlichen Darlehens nicht, weil diese positive Kenntnis von dem Ausscheiden gehabt habe und sich nach Ablauf der Frist des § 160 Abs. 1 Satz 2 n.F. HGB nicht darauf berufen dürfe, das Ausscheiden der Beklagten aus der OHG sei im Handelsregister nicht eingetragen worden. § 160 Abs. 1 n.F. HGB sei in teleologischer Reduktion so zu lesen, dass die Enthaftung „spätestens“ mit der Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters, davor jedoch bereits bei positiver Kenntnis des Gläubigers vom Ausscheiden des Gesellschafters beginne. Nur deswegen ergebe auch § 736 Abs. 2 BGB zur Nachhaftung in der GbR einen Sinn, nach der § 160 HGB „sinngemäß“ gelten solle. Denn „sinngemäß“ könne hier nur bedeuten, dass die hinsichtlich der GbR gar nicht mögliche Eintragung durch Kenntnis des Gläubigers ersetzt werde.
  3. II. Das hält den Angriffen der Revision stand.
  4. Die Beklagte kann gegenüber dem Anspruch der Klägerin aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 128 Satz 1 HGB einwenden, es sei gemäß § 160 Abs. 1 n.F. HGB, der gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 35 Abs. 1 EGHGB Anwendung findet, Enthaftung eingetreten.
  5. 1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der hier maßgebliche Darlehensvertrag vom 7. November 1996 – ungeachtet des Auftretens der Gesellschaft als „GbR“ im Rechtsverkehr – nicht mit einer GbR, sondern mit einer OHG im Sinne von § 105 HGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 a.F. HGB zustande gekommen ist, deren Gesellschafter die Beklagte sowie die Eheleute F. waren, und dass der Rückzahlungsanspruch der Klägerin aufgrund wirksamer Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs entstanden ist. Hiergegen wird auch von der Beklagten in der Revisionsinstanz nichts mehr erinnert.
  6. 2. Bei dem seitens der Klägerin geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruch handelt es sich um eine Altverbindlichkeit der OHG, auf die sich die befristete Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters, hier der Beklagten, nach § 160 Abs. 1 Satz 1 n.F. HGB grundsätzlich erstreckt (vgl. BGHZ 55, 267, 269 f.). Die Herabsetzung der monatlichen Darlehensraten von 1.000,00 DM auf 250,00 DM wandelte den Kreditvertrag nicht in eine Neuverbindlichkeit um, weil dies nur angenommen werden könnte, wenn die Änderung des Vertrages zu einer Erweiterung der Schuld nach Inhalt und Umfang geführt hätte (vgl. hierzu MünchKommHGB/K. Schmidt 2. Aufl. § 128 Rdn. 52).
  7. 3. Die Beklagte kann gegenüber der erst Mitte 2004 erhobenen Klage Enthaftung nach § 160 Abs. 1 Satz 2 n.F. HGB einwenden, da der Lauf der Nachhaftungsfrist schon mit der positiven Kenntnis der Klägerin von ihrem Ausscheiden, d.h. am 9. Februar 1998, begonnen hatte und ihre Haftung deshalb mit Ablauf des 9. Februar 2003 (§ 188 Abs. 2 BGB) endete.
  8. a) Zwar wird aufgrund des Wortlauts des § 160 Abs. 1 Satz 2 n.F. HGB, wonach die fünfjährige Enthaftungsfrist mit dem Ende des Tages beginnt, an dem das Ausscheiden des Gesellschafters in das Handelsregister des für den Sitz der Gesellschaft zuständigen Gerichts eingetragen wird, im Schrifttum ganz überwiegend die Ansicht vertreten, die Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters in das Handelsregister sei unabdingbare, konstitutive Voraussetzung für den Beginn des Laufs dieser Haftungsausschlussfrist (vgl. nur Baumbach/Hopt, HGB 32. Aufl. § 160 Rdn. 2 i.V.m. § 159 Rdn. 6; Staub/Habersack, HGB 4. Aufl. § 160 Rdn. 16 i.V.m. § 159 Rdn. 17; v. Gerkan in Röhricht/Graf v. Westphalen, HGB 2. Aufl. §§ 159, 160 Rdn. 11; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer, HGB Bd. II 2. Aufl. § 160 Rdn. 14; Stuhlfelner in Heidelberger Kommentar HGB, 7. Aufl. §§ 159, 160 Rdn. 2; Ensthaler in Ensthaler, Gemeinschaftskommentar zum HGB, 7. Aufl. § 159 Rdn. 4; Hofmeister NJW 2003, 93, 96 f.; vgl. auch A. Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. S. 526 und Schlegelberger/K. Schmidt, HGB 5. Aufl. § 159 Rdn. 26 – jeweils zu § 159 a.F. HGB). Insbesondere wenn der Gesellschafter oder gar die Gesellschaft noch gar nicht eingetragen seien, müssten für den Fristbeginn diese Eintragungen zuvor nachgeholt und sodann das Ausscheiden eingetragen werden (siehe hierzu etwa Staub/Habersack aaO; Baumbach/Hopt aaO § 159 Rdn. 6).
  9. b) Dem vermag der Senat jedoch in Übereinstimmung mit Altmeppen (NJW 2000, 2529, 2530 ff.) und K. Schmidt (MünchKommHGB aaO § 160 Rdn. 27) für das neu gefasste Nachhaftungsbegrenzungsrecht nicht zu folgen.
  10. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Ansicht der herrschenden Lehre für § 159 a.F. HGB zutreffend gewesen ist (a.A. insoweit Altmeppen aaO Seite 2530 ff.). Denn jedenfalls für die konzeptionelle Neuregelung des Enthaftungsrechts der Personengesellschaften durch das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz vom 18. März 1994 (BGBl. 1994 I 560 ff.), wie sie in § 736 Abs. 2 BGB einerseits und § 160 Abs. 1 Satz 2 n.F. HGB andererseits zum Ausdruck kommt, lässt sie sich nicht aufrecht erhalten. Sie beachtet nicht genau genug den vom Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 160 Abs. 1 Satz 2 n.F. HGB verfolgten Sinn und die von ihm mit dem Nachhaftungsbegrenzungsgesetz bezweckte Einheitlichkeit der Haftungsbegrenzung im Personengesellschaftsrecht (BT-Drucks. 12/1868, S. 2). Zudem führt sie zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Besserstellung der Gesellschaftsgläubiger einer OHG im Verhältnis zu den Gläubigern einer BGB-Gesellschaft.
  11. aa) Hinsichtlich der GbR entspricht es der ganz herrschenden Meinung, dass die Fünfjahresfrist in der in § 736 Abs. 2 BGB geregelten sinngemäßen Anwendung des § 160 Abs. 1 n.F. HGB mit der – durch die Kundgabe seitens des Gesellschafters erlangten – positiven Kenntnis des jeweiligen Gläubigers von dem Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft beginnt, da man insoweit – anders als bei einer Personenhandelsgesellschaft – nicht an die Publizität durch Registereintragung des Ausscheidens anknüpfen kann (vgl. nur Staudinger/Habermeier, BGB [2003] § 736 Rdn. 18; MünchKommBGB/ Ulmer 4. Aufl. § 736 Rdn. 27 jew. m.w.Nachw.; ebenso schon BGHZ 117, 168, 178 f. zu § 159 a.F. HGB).
  12. Wollte man an die mit der Kundgabe verbundene positive Kenntnis des Gläubigers einer OHG von dem Ausscheiden des Gesellschafters nicht dieselben Rechtsfolgen knüpfen, verfehlte man den Sinn der für die OHG getroffenen besonderen Regelung des § 160 Abs. 1 Satz 2 n.F. HGB. Sie soll den Gesellschafter einer OHG der Notwendigkeit entheben, alle Gläubiger einzeln in Kenntnis zu setzen; stattdessen lässt es der Gesetzgeber für den Fristbeginn ausreichen, dass die Gläubiger von dem Ausscheiden durch Einsichtnahme in das Handelsregister und die dortige Eintragung Kenntnis erlangen können.
  13. Hat der Gläubiger einer OHG infolge positiver Kenntnis vom Ausscheiden taggenau volle fünf Jahre Zeit, seine Ansprüche gegenüber dem ausgeschiedenen Gesellschafter durchzusetzen, kann ihm nicht gestattet werden, sich auf die fehlende Eintragung des Ausscheidens zu berufen. Darin läge, weil mit dem Erlangen der positiven Kenntnis die fristgebundene Möglichkeit der Anspruchsverfolgung eröffnet ist und der gebotene Interessenausgleich hergestellt werden kann, eine zweckwidrige Ausnutzung einer formalen Rechtsposition, welche vor dem Hintergrund der mit dem Nachhaftungsbegrenzungsgesetz beabsichtigten Einheitlichkeit der Haftungsbegrenzung im Personengesellschaftsrecht zu einer nicht vertretbaren Besserstellung der Gläubiger eines OHG-Gesellschafters führt.
  14. bb) Die Ansicht der herrschenden Lehre steht weiterhin nicht nur angesichts der Existenz von einerseits eintragungspflichtigen und andererseits nur eintragungsfähigen offenen Handelsgesellschaften, sondern ebenso bei der identitätswahrenden Umwandlung einer BGB-Gesellschaft in eine OHG und umgekehrt in einem unauflöslichen Widerspruch zu der mit dem Nachhaftungsbegrenzungsgesetz bezweckten Einheitlichkeit der Haftungsbegrenzung (vgl. dazu MünchKommHGB/K. Schmidt aaO § 160 Rdn. 27).
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