Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.9.2009 – 11 Sa 39/09
Beruft der Arbeitnehmer sich im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses darauf, der Betrieb sei vom bisherigen Arbeitgeber nicht stillgelegt sondern an einen neuen Inhaber übertragen worden, so muss der Arbeitgeber, der eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung behauptet, ausschließen, dass es sich bei der von ihm behaupteten Stilllegungsabsicht nicht in Wirklichkeit um eine beabsichtigte Betriebsveräußerung handelte.
§ 613 a BGB gilt auch bei Betriebsveräußerungen ins Ausland. Nach der Regelanknüpfung des Art. 30 EGBGB wird das Recht des Staates zur Anwendung gebracht, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht ändert sich also nicht deshalb, weil der Erwerber einem anderen einzelstaatlichen Recht unterliegt. Dies gilt jedenfalls, soweit keine Rechtswahl getroffen worden ist.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 13.03.2009, Az. 14 Ca 508/08, abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 24. und 27.10.2008 nicht aufgelöst wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 3/4, die Klägerin zu 1/4.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen der Beklagten vom 24. und 27.10.2008 zum 31.03.2009 beendet wurde.
Die 50-jährige verheiratete Klägerin war seit 01.03.1996 bei der Beklagten als kaufmännische Sachbearbeiterin gegen eine Bruttomonatsvergütung von zuletzt 3.500,00 EUR beschäftigt.
Bei der Beklagten waren bis Ende 2008 insgesamt 30 Arbeitnehmer in zwei weitgehend selbständig organisierten Teilbereichen tätig. In einem Teilbereich, genannt B., befassten sich 22 Arbeitnehmer mit der Produktion und dem Vertrieb von Klappenventilen vor allem für die Pharmaindustrie. Der andere Teilbereich vertrieb Pulvertechnologieanlagen für die chemische Industrie. Von den dortigen acht Arbeitnehmern waren sechs im Außendienst eingesetzt und zwei im kaufmännischen Innendienst. Die Klägerin war zumindest vorwiegend dem Bereich B. zugeordnet.
Die Beklagte ist Teil der international operierenden Unternehmensgruppe G. Group AG, die Alleingesellschafterin der Beklagten ist und unter ihrem Dach Unternehmen in Deutschland, Belgien, England und der Schweiz vereint. Eines dieser Unternehmen ist die G. AG in Bu. bei Ba.. Die G. Group AG hat ihre Tätigkeit in verschiedene Geschäftsbereiche, sogenannte Divisionen, aufgeteilt, darunter die H-Division (Pharma Systems) und die P-Division (Prozess Engineering). Bei der Beklagten war der Teilbereich B. der H-Division der zweite Teilbereich der P-Division zugehörig.
Am 22.10.2008 erfuhr einer der Geschäftsführer der Beklagten, Herr L., von dem weiteren Geschäftsführer der Beklagten, Herrn Y., dass der Geschäftsbereich B. der Beklagten in M. nicht fortgeführt werden solle. Noch am gleichen Tage stellte die Beklagte Antrag beim Integrationsamt zur Kündigung einer schwerbehinderten Mitarbeiterin. Am 24.10.2008 wurde den Mitarbeitern auf einer Betriebsversammlung die Kündigungsabsicht mitgeteilt. Ferner erstattete die Beklagte an diesem Tage eine Massenentlassungsanzeige hinsichtlich 22 beabsichtigter Kündigungen. Unter dem 24.10.2008 kündigte die Beklagte 20 der 22 Mitarbeitern des Bereichs B. ordentlich. Eine weitere ordentliche Kündigung wurde unter dem 27.10.2008 nachgeschoben. Unter den gekündigten war auch die Klägerin, deren Arbeitsverhältnis am 31.03.2009 enden sollte.
In der Zeit vom 17. bis 23.12.2008 wurden durch die Schweizer Firma F. AG die für die Produktion bzw. Montage benutzen Anlagen, Maschinen und Werkzeuge sowie das Lager abgebaut, verladen und abtransportiert. Sie waren veräußert worden an die Firma G. AG in Bu., wo sie in der Folgezeit installiert wurden. Die laufenden Projekte der Beklagten aus dem Teilbereich B. wurden auf die G. AG übertragen. Kunden und Lieferanten wurden dahingehend informiert, dass die geschäftlichen Aktivitäten ab 01.10.2009 in Bu., Schweiz konzentriert, dass alle bestehenden Verträge nahtlos übernommen würden und als neue Rechnungsanschrift die der G. AG in der Schweiz gelte. Von den gekündigten Mitarbeitern der Beklagten erhielten 11, darunter die Klägerin, unter dem Datum der ausgesprochenen Kündigung, also dem 24.10.2008, ein Arbeitsvertragsangebot der Firma G. AG in Bu.. Sechs ehemalige Mitarbeiter der Beklagten sind infolge dessen seither in der Schweizer Firma tätig, die übrigen lehnten – wie die Klägerin – das Vertragsangebot ab.
Die Klägerin hat sich gegen die Kündigungen der Beklagten gewandt, die sie für rechtsunwirksam hielt. Die Kündigungen seien wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam, insbesondere aber seien sie nicht betriebsbedingt. Die Beklagte habe keine unternehmerische Entscheidung getroffen, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin geführt habe. Eine Stilllegung sei weder beschlossen noch in Gang gesetzt worden. Vielmehr habe die Beklagte den Teilbereich B. an die G. AG in Bu. veräußert und damit einen Betriebsübergang bewirkt. Die gesamte Fertigungslinie werde in der Schweiz eins zu eins fortgeführt. Der Betriebsteil B. sei als Ganzes zu einem einheitlichen Kaufpreis, der auch bezahlt worden sei, verkauft worden. Bei der Übernehmerin habe es zuvor keinen dem verlagerten Betriebsteil entsprechenden Betrieb gegeben, weshalb die Übernehmerin auch auf das know how in Form der qualifizierten Mitarbeiter angewiesen gewesen sei. Der übertragene Betriebsteil sei nicht zerschlagen worden. Die Kündigung sei deshalb auch nach § 613 Abs. 4 BGB unwirksam, weil sie wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden sei. Hieran ändere auch nichts, dass der Betriebsübergang in die Schweiz erfolgt sei. Im Schweizer Obligationenrecht gelte mit dem dortigen Artikel 333 eine entsprechende Regelung. Schließlich habe die Beklagte nach eigener Aussage keine Sozialauswahl vorgenommen, die Klägerin sei aber schutzwürdiger als die nicht entlassenen Mitarbeiter im Bereich der Pulverbeschichtung.
Die Klägerin hat folgende Anträge gestellt:
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche schriftliche Kündigung der Beklagten vom 24.10.2008 zum Ablauf des 31.03.2009 endet, sondern darüber hinaus fortbesteht.
2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche schriftliche Kündigung der Beklagten vom 27.10.2008 zum Ablauf des 31.03.2009 endet, sondern darüber hinaus fortbesteht.
3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.03.2009 hinaus fortbesteht.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin – für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen Ziffer 1 und 2 – zu den im Arbeitsvertrag vom 27.09.1995 geregelten bisherigen Arbeitsbedingungen als kaufmännisches Sachbearbeiterin bis zu der rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, bereits im September 2008 sei auf der Konzernebene eine Restrukturierung des Bereichs H-Division beschlossen worden. Am 08.09.2008 habe eine Sitzung der G. Group AG stattgefunden. Dort sei beschlossen worden, den H-Bereich in einer Geschäftseinheit mit den Standorten Bu., W. (Belgien) und E. (England) zusammen zu legen. Zur Umsetzung dieser Restrukturierungsmaßnahme habe der Geschäftsführer der Beklagten, Herr Y., beschlossen, den zur H-Division gehörenden Bereich B. bis spätestens 31.12.2008 still zu legen. Die Schließung des Betriebsteils B. der Beklagten habe sich seit Ende September 2008 entsprechend der unternehmerischen Entscheidung vollzogen, seit Januar 2009 seien keine Produktionsmittel im Betrieb M. mehr vorhanden, der Großteil der betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer sei freigestellt. Eine bloße Verlagerung des Betriebs in die Schweiz sei nicht erfolgt, ein die Identität des Betriebsteils B. wahrender Wiederaufbau sei nicht erfolgt, vielmehr seien die Betriebsmittel in die bereits vorhandene betriebliche Einheit der G. AG in Bu. integriert worden, wo im Dezember 2008 97 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien. Die dort vorhandene Organisation werde auch für Arbeiten im Geschäftsfeld B. mit genutzt. Eine organisatorische eigenständige betriebliche Einheit, die dem geschlossenen Betriebsteil B. in M. entspräche, existiere bei der G. AG in Bu. nicht. Es würden auch nicht sämtliche noch bei der Beklagten im Teilbereich B. angefallenen Arbeiten ausgeführt, diverse Tätigkeiten wie insbesondere Konstruktions- und Entwicklungsarbeiten seien an andere Dienstleister ausgelagert worden. Der Kläger sei seiner Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 613 Abs. 4 BGB auch nicht nachgekommen. § 613 a BGB sei im Übrigen auf grenzüberschreitende Maßnahmen nicht anwendbar. Das Ergebnis der Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Die Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß erstattet worden.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens wird auf die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:
Die Kündigung vom 24.10.2008 habe das Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet, weil sie am fehlenden Vortrag der Beklagten zur vorhergehenden Erstattung des Massenentlassungsanzeige gescheitert sei. Dagegen sei die Kündigung vom 27.10.2008 rechtswirksam gewesen.
Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 S. 1 KSchG habe nicht vorgelegen, da die Beklagte vor Kündigungsausspruch eine Massenentlassungsanzeige erstattet habe. Auch gegen die Entlassungssperre des § 18 KSchG sei nicht verstoßen worden, weil das Gesetz den Ausspruch der Kündigung vor Ablauf der Sperrfrist nicht verbiete. Es müsse lediglich die Kündigungsfrist außerhalb der Sperrfrist enden.
Die Kündigung scheitere nicht an § 613 a Abs. 4 BGB. Insoweit sei schon problematisch die Anwendung deutschen Rechts im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Bezug, da deutsches Recht grundsätzlich nur im deutschen Staatsgebiet gelte. Damit stehe schon das Territorialitätsprinzip des deutschen Rechts einer Anwendung des §§ 613 a BGB entgegen. Im übrigen würde das Arbeitsverhältnis nur mit einer Inhaltsänderung übergehen, weil der Arbeitsvertrag eine Tätigkeit im Ausland nicht vorsehe. Die Anwendbarkeit des § 613 a BGB auf grenzüberschreitende Sachverhalte außerhalb der EU würde zur Transformation deutschen Rechts in eine fremde Rechtsordnung führen, was weder dem Ordre Public zu entnehmen sei noch völkerrechtlichen/transnationalen oder bilateralen Grundsätzen entspreche. Umgekehrt stünde der Arbeitnehmer schutzlos, wenn ein stattgebendes Urteil feststellte, dass das Arbeitsverhältnis in Deutschland beendet sei und ohne den Schutz des § 613 a BGB oder der EG-Richtlinie 2001/23 EWG auf einen ausländischen Arbeitgeber übergegangen sei. Schließlich scheitere ein Betriebsübergang auch daran, dass die wirtschaftliche Einheit nicht gewahrt sei, wenn eine Betriebsstilllegung mit einer Betriebsverlagerung unter räumlich großer Entfernung oder grenzüberschreitendem Sachverhalt zusammentreffe, weil in derartigen Konstellationen davon auszugehen sei, dass der Betrieb vollständig aufgelöst werde. Die betriebliche Gemeinschaft werde daher bei einer Teilstilllegung unter Teilbetriebsverlagerung in solch einem Fall aufgelöst.
Die Kündigung der Beklagten sei auch sozial gerechtfertigt, weil ihr dringende betriebliche Erfordernisse zugrunde lägen. Diese seien in der von der Beklagten beabsichtigten Betriebsstilllegung zum 31.12.2008 zu sehen. Die Beklagte habe ihren Stilllegungsbeschluss und ihr schlüssiges Stilllegungskonzept hinreichend dargelegt, sie habe am 22.10. einen Antrag beim Integrationsamt gestellt, durch einen ihrer Geschäftsführer dem anderen die Stilllegungsentscheidung mitgeteilt und diesen mit der Durchführung der Abwicklung betraut. Sie habe am 24.10. und 27.10. 20 Arbeitnehmern gekündigt und gleichfalls am 24.10. eine Massenentlassungsanzeige erstattet sowie eine Betriebsversammlung abgehalten. Unstreitig habe die Beklagte nach dem 31.12.2008 keine ihrer bisherigen betrieblichen Aktivitäten im Bereich B. mehr entfaltet, nachdem alle wesentlichen Betriebsmittel in die Schweiz transferiert worden seien. Damit habe eine Auflösung der bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft des Teilbetriebs B. zum Ablauf der Kündigungsfrist der klagenden Partei vorgelegen. Die Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin sei vier Jahre jünger als die nicht gekündigte Frau S. und fünf Jahre länger im Betrieb. Beide seien verheiratet. Damit sei die Sozialauswahl nicht zu beanstanden. Die nicht gekündigte Frau M. sei drei Jahre älter, aber einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Die um sechs Jahre geringere Betriebszugehörigkeit führe nicht zu einer Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl. Schließlich sei auch die Kündigungsfrist zutreffend bemessen.
Mit ihrer am 20.05.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und am 15.06.2009 begründeten Berufung gegen das ihr am 21.04.2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit der beiden ausgesprochenen Kündigungen weiter.
Hinsichtlich der Kündigung vom 24.10.2008 moniert sie die fehlende Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung im Urteil trotz deren ausdrücklicher Annahme durch das erstinstanzliche Gericht.
Bezüglich der Kündigung vom 27.10.2008 akzeptiert sie die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Frage der Massenentlassungsanzeige und der Entlassungssperre, hält aber an ihrer Auffassung fest, die Kündigung sei wegen eines Betriebsübergangs erfolgt und deshalb nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. § 613 a BGB und damit deutsches Recht finde Anwendung, weil der für die objektive Anknüpfung maßgebliche vertragliche Erfüllungsort sich in Deutschland befinde. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts seien die Grundsätze des Sachenrechts, insbesondere das Recht der belegenen Sache, nicht auf das Arbeitsrecht übertragbar. Jedenfalls wenn die betriebliche Einheit trotz Grenzüberschreitung am neuen Ort erhalten bleibe, sei § 613 a BGB bei einer grenzüberschreitend aus der Bundesrepublik Deutschland heraus erfolgenden Verlagerung anzuwenden, infolge dessen die übergegangenen Arbeitsverhältnisse auch nach der Verlagerung deutschem Privatrecht unterlägen. Dem stehe das Territorialitätsprinzip nicht entgegen. Denn dieses Prinzip sei für das öffentliche Recht maßgeblich, dem schon aufgrund der Entstehungsgeschichte der Vorschrift der § 613 a BGB nicht zugehörig sei. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach ein Betriebsübergang im Falle einer Verlagerung ins Ausland in den meisten Fällen von vornherein auszuschließen sei, weil bei einer nicht unerheblichen lokalen Veränderung des Betriebsorts die alte Betriebsgemeinschaft zumeist aufgelöst werde, könne auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden, nachdem die Entfernung zwischen alter und neuer Arbeitsstätte gerade nur 58,8 km betrage und die Fahrzeit 46 Minuten pro Weg. Tatsächlich sei von einem Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB auszugehen, was sich unschwer im Rahmen einer 7-Punkte-Prüfung mit anschließender Gesamtbewertung ergebe. So sei die Art des betroffenen Teilbetriebs identisch, alle materiellen Betriebsmittel seien unstreitig übergegangen, die Übernehmerin habe der Mehrheit der Belegschaft, darunter allen know-how-Trägern die Weiterbeschäftigung angeboten. Die Kundschaft sei komplett übergegangen. Die vor und nach Übergang verrichteten Tätigkeiten seien identisch. Eine Unterbrechung der Tätigkeit habe nicht stattgefunden. Die Übernehmerin spreche in ihrer Selbstdarstellung im Internet ebenso von einem Umzug, wie die Beklagte im Rahmen der Kommunizierung gegenüber ihren Kunden.
Die Kündigung der Beklagten sei auch sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 1 und Abs. 3 KSchG. Das Arbeitsgericht gehe rechtsirrig von einer Betriebsteilstilllegung aus, obwohl die Klägerin einen angeblichen Stilllegungsbeschluss bestritten, die Beklagte für einen solchen keinen Beweis erbracht habe. In Wahrheit habe die Beklagte bzw. deren Geschäftsführung lediglich einen Beschluss über die Betriebsteilübertragung des Geschäftsbereichs B. an die G. AG Bu. gefasst. Deshalb könne die Kündigung der Klägerin nicht auf einen Stilllegungsbeschluss gestützt werden. Hinsichtlich der Sozialauswahl sei das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Klägerin im Vergleich zu ihren Kolleginnen S. und M. sozial am wenigsten schutzwürdig gewesen sei.
Die Klägerin stellt die Anträge:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 13.03.2009 (Az. 14 Ca 508/08) wird geändert.
2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche schriftliche Kündigung der Beklagten vom 24.10.2008 zum Ablauf des 31.03.2009 endete, sondern unverändert fortbesteht.
3. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche schriftliche Kündigung der Beklagten vom 27.10.2008 zum Ablauf des 31.03.2009 endete, sondern unverändert fortbesteht.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin – für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen Ziffer 2. und 3. – zu den im Arbeitsvertrag vom 01.03.1996 geregelten bisherigen Arbeitsbedingungen als kaufmännische Sachbearbeiterin bis zu der rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.
5. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die streitgegenständliche Kündigung als betriebsbedingte Kündigung wirksam sei. So sei das Arbeitsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass kein Verstoß gegen § 613 a Abs. 4 BGB vorliege, weil aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters der im Streit stehenden Maßnahme § 613 a BGB von vornherein keine Anwendung finde und im übrigen ein Betriebsübergang aufgrund der tatsächlichen Umstände nicht stattgefunden habe. Gegenteiliges habe die Klägerin schon nicht substantiiert vorgetragen, obschon sie insoweit die Darlegungs- und Beweislast treffe.
Ein Betriebsübergang habe auch nicht stattgefunden, weil die Beklagte ihre betriebliche Einheit B. mit Wirkung zum 31.12.2008 vollständig geschlossen habe. Zwingende Voraussetzung eines Betriebsübergangs sei, dass die wirtschaftliche Einheit unbeschadet des Übergangs ihre Identität bewahre. In Abgrenzung hierzu liege eine Stilllegung eines Betriebs(teils) vor, wenn die Identität der wirtschaftlichen Einheit dadurch aufgehoben werde, dass der Betriebsteil nicht unerheblich räumlich verlegt sowie die alte Betriebsgemeinschaft tatsächlich aufgelöst werde und der Aufbau einer wesentlichen neuen Betriebsgemeinschaft erfolge. Eine wirtschaftliche Einheit wahre demnach insbesondere dann nicht ihre Identität, wenn, wie im vorliegenden Streitfall gegeben, die Tätigkeiten aufgrund eines geänderten Konzepts und einer andersartigen Arbeits- und Organisationsstruktur wesentlich geändert würden. Ein Betriebsteilübergang scheide immer dann aus, wenn die bisherigen betrieblichen Mittel nach ihrer Veräußerung in eine bereits vorhandene betriebliche Organisation eingegliedert würden und dadurch der bisherige Funktionszusammenhang aufgelöst werde. Die Beklagte aber habe den Betriebsteil B. stillgelegt, die diesem Bereich zugeordneten Maschinen an die G. AG veräußert. Diese wiederum habe die von der Beklagten erworbenen Produktionsmittel vollständig in den bei ihr bereits vorhandenen Organisationsablauf ihres Betriebes, in dem zuvor bereits 97 Arbeitnehmer tätig waren, eingegliedert. Die G. AG habe sich keinerlei Arbeitsorganisation der Beklagten zu eigen gemacht. Demgemäß fehlten jegliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Betriebsübergangs. Im übrigen sei mit dem Bundesarbeitsgericht davon auszugehen, dass dann, wenn ein Betriebsübergang mit einer wesentlichen Änderung des Leistungsortes einhergehe, nur die Arbeitsverhältnisses derjenigen Arbeitnehmer nach § 613 a Abs. 1 BGB übergehen, die bereit seien ihre Arbeitsleistungen am neuen Arbeitsort zu erbringen. Gerade dies aber habe die Klägerin abgelehnt. Demzufolge sei die Kündigung dringenden betrieblichen Erfordernissen geschuldet, weil die Beklagte die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, ihren Bereich B. zu schließen, wodurch der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin mit Wirkung ab 01.01.2009 entfallen sei.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufung wird auf deren Begründung und die Erwiderung hierauf sowie den weiteren Schriftsatz der Klägerin vom 07.09.2009 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin hat ihre an sich statthafte Berufung form- und fristgerecht eingelegt und ausgeführt. Sie ist damit problemlos zulässig. Die Berufung ist aber auch im wesentlichen begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist mit der Klägerin davon auszugehen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen der Beklagten vom 24. und 27.10.2008 nicht aufgelöst wurde. Allerdings kann ein unveränderter Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ebenso wenig festgestellt werden, wie die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung in Betracht kommt.
1. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.10.2008. Die Wirksamkeit dieser Kündigung scheitert schon daran, dass die Beklagte nach dem von ihr nicht bestrittenen Vorbringen des Klägers der Pflicht zur Massenentlassungsanzeige nach §§ 17, 18 KSchG nicht in erforderlichem Maße, insbesondere nicht rechtzeitig nachgekommen ist. Die Kündigung ist deshalb nach § 134 BGB unwirksam, der diesbezüglichen Feststellung des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen, die allerdings im Tenor keinen Niederschlag gefunden hat, ist die Beklagte auch in der Berufungsinstanz nicht entgegengetreten.
2. Die Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 27.10.2008 ist zwar nicht wegen eines Verstoßes gegen die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 S. 1 KSchG rechtsunwirksam, ihre Wirksamkeit scheitert auch nicht an der Entlassungssperre des § 18 KSchG, sie ist jedoch als sozial ungerechtfertigt i. S. d. § 1 Abs. 1 KSchG zu betrachten, weil die Beklagte nicht schlüssig darlegen konnte, dass sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin im Betrieb entgegenstehen würden, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG).
a) Dass die Kündigung der Beklagten vom 27.10.2008 nicht an den Vorschriften zur Massenentlassungsanzeige (§ 17 und § 18 KSchG) scheitert, hat das Arbeitsgericht mit überzeugender Begründung festgestellt. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen werden. Die Klägerin hat die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts hierzu akzeptiert und ist ihr nicht entgegengetreten.
b) Die Kündigung der Beklagten vom 27.10.2008 ist nicht durch dringende betriebliche Gründe bedingt und daher sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG). Die Beklagte ist ihrer Darlegungslast für das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe nicht ausreichend nachgekommen. Sie hat zwar eine zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs beabsichtigte Stilllegungsabsicht behauptet, hat dabei aber die Behauptung der Klägerin, zum maßgeblichen Zeitpunkt habe in Wahrheit die Absicht bestanden, den (Teil-)Betrieb zu veräußern, nicht entkräften können. Hieran ändert auch nichts die Tatsache, dass die von der Klägerin behauptete Veräußerungsabsicht auf einen grenzüberschreitenden Betriebsübergang ausgerichtet war, weil auch bei einem solchen die Beklagte an die Vorschrift des § 613 a BGB gebunden ist.
aa) Die Beklagte hat behauptet, vor Ausspruch der Kündigung sei die unternehmerische Entscheidung getroffen worden, den Betriebsteil B. der Beklagten in M. stillzulegen. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs durch den Arbeitgeber. Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- oder Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen. Dabei ist der Arbeitgeber nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Eine Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers liegt aber nicht vor, wenn dieser beabsichtigt, seinen Betrieb zu veräußern. Die Veräußerung des Betriebs allein ist – wie sich aus der Wertung des § 613 a BGB ergibt – keine Stilllegung, weil die Identität des Betriebs gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet. Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich also systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes, nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die geplante Maßnahme sich als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil die für die Fortführung des Betriebs wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollen, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung bewertet (vgl. BAG, 16.05.2002, NZA 2003, 93; BAG 09.02.1994, NZA 1994, 686).
Im Kündigungsschutzverfahren nach § 1 Abs. 2 KSchG hat der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen und es ist seine Aufgabe, vorzutragen und nachzuweisen, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Fehlt es daran, ist der Kündigungsschutzklage stattzugeben, ohne dass es der Feststellung bedarf, dass der tragende Beweggrund für die Kündigung ein Betriebsübergang ist (vgl. BAG, 16.05.2002, NZA 2003, 93; BAG, 05.12.1985, NZA 1986, 522). Die Verteilung der Darlegungslast bedeutet im vorliegenden Falle somit: Beruft der Arbeitnehmer sich im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses darauf, der Betrieb sei vom bisherigen Arbeitgeber nicht stillgelegt sondern an einen neuen Inhaber übertragen worden, so muss der Arbeitgeber, der eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung behauptet, ausschließen, dass es sich bei der von ihm behaupteten Stilllegungsabsicht nicht in Wirklichkeit um eine beabsichtigte Betriebsveräußerung handelte. Eine solche, die beabsichtigte Betriebsveräußerung beinhaltende Entscheidung und deren in Gang gesetzte Umsetzung auszuschließen, ist der Beklagten nicht gelungen.
Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten war die behauptete unternehmerische Entscheidung nicht lediglich darauf gerichtet, die Produktion und den Betrieb von Klappenventilen ersatzlos einzustellen, sämtliches Personal zu entlassen und die zur Herstellung der Ventile erforderlichen Maschinen und sonstigen Produktionsmittel an irgendjemanden zu veräußern. Teil des Plans der Beklagten, die sich insoweit der Konzernentscheidung unterordnete, war vielmehr, alle materiellen Betriebsmittel an die Konzernschwester G. P. in Bu. in der Schweiz zu veräußern, damit die Produktion nicht mehr am Standort der Beklagten in M., sondern künftig in der Schweiz erfolgen und vertrieben werden sollte. Teil der zweifelsfrei auch der Beklagten bekannten Konzernstrategie muss gewesen sein, dass die Beklagte nicht nur allen Mitarbeitern des Teilbereichs B. kündigte, sondern darüber hinaus, dass die Firma G. P. in Bu. einem Großteil der gleichen Mitarbeiter, insbesondere den know-how-Trägern noch am gleichen Tag, an dem die Beklagte die Kündigungen aussprach, ein Vertragsangebot zur Aufnahme der Tätigkeit in Bu., Schweiz zu unterbreiten. Da die Kündigung des Beklagten der Klägerin am 24.10.2008 zuging und dies der maßgebliche Zeitpunkt ist, zu dem die Stilllegungsabsicht bestanden haben müsste, um die Kündigung sozial rechtfertigen zu können, ergibt sich aus dem Datum des Vertragsangebots an die Klägerin seitens der Firma G. P. in Bu. zwanglos, dass die tatsächliche Planung auch der Beklagten als Konzerntochter der G. Group AG jedenfalls neben der Veräußerung aller materiellen Betriebsmittel auch die Beschäftigung der Klägerin bei der G. P. in Bu. vorsah. Bereits dies spricht dagegen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs zu einer Betriebsstilllegung, nicht aber zu einer Betriebsveräußerung entschlossen war. Dieser Anschein wird durch die Folgeaktivitäten verstärkt. Nach unwidersprochener Darlegung der Klägerin hat die G. nicht nur die materiellen Betriebsmittel der bei der Beklagten unstreitig selbständigen Abteilung B. übernommen. Vielmehr ist die Kundschaft komplett übergegangen, wurden die laufenden Projekte übertragen, sind alle Verträge übernommen worden, wurden die Lieferanten übernommen, wurde die gesamte Fertigungslinie eins zu eins fortgeführt, gab es bei der G. bis zur Übertragung keine dem Betriebsteil B. entsprechende Tätigkeit, fand eine Unterbrechung derselben nicht statt, wurde der Produktname B. fortgeführt, sprach die G. AG in ihren Anschreiben an Kunden und Lieferanten selbst von einem „Umzug“ von M. nach Bu.. All dieses Faktoren sprechen unter Berücksichtigung des auch vom Bundesarbeitsgericht verwandten sogenannten 7-Punkte-Katalogs (Art des Betriebs oder Unternehmens, Übergang oder Nichtübergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung, Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und deren Wert sowie der vorhandenen Organisation, Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, Übernahme der Kundschaft und Lieferantenbeziehungen, Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und der nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit, Dauer der Unterbrechung der Tätigkeit) bei einer erforderlichen Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls für das Vorliegen eines Betriebsübergangs.
Dem hat die Beklagte lediglich entgegengesetzt, eine eigenständige betriebliche Einheit B. existiere in der Schweiz nicht. Die Betriebsmittel seien in die dort vorhandene Einheit integriert worden. Es würden auch nicht mehr alle im Teilbetrieb B. angefallenen Arbeiten ausgeführt, vielmehr seien diverse Tätigkeiten wie Konstruktions- und Entwicklungsarbeiten an Drittdienstleister ausgelagert. Diese von der Beklagten angesprochenen Gesichtspunkte genügen nicht, um die von der Klägerin unbestritten angeführten und die feststehenden Hinweise auf eine mögliche beabsichtigte Betriebsveräußerung zu entkräften und das Berufungsgericht davon zu überzeugen, dass in Wirklichkeit eine Teilbetriebsstilllegung von der Beklagten beabsichtigt gewesen wäre. Dass die Auslagerung von Entwicklungs- und Konstruktionstätigkeiten durch die G. AG an Drittdienstleister bereits Teil des Konzernkonzeptes gewesen wäre, ist noch nicht einmal behauptet. Möglicherweise ist die Vergabe von Teilaufgaben lediglich dem Umstand geschuldet, dass ein Teil der Mitarbeiter der Beklagten dem Vertragsangebot der G. AG nicht gefolgt ist. Maßgeblich ist jedoch, dass es auf die Beibehaltung der von der Beklagten verneinten organisatorischen Selbständigkeit des bisher selbständigen Teilbetriebs B. nunmehr bei der G. AG nicht ankommt. Entscheidend ist vielmehr die Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs zwischen den verschiedenen übertragenen Faktoren, der es dem Erwerber erlaubt, diese Faktoren, auch wenn sie in eine andere Organisationsstruktur eingegliedert werden, zur Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen (vgl. BAG 22.01.2009, 8 AZR 158/07, NZA 2009, 905). Unter Berücksichtigung des unstreitigen Sachverhalts und des Vortrags der Beklagten spricht aber mehr dafür, dass der Zusammenhang der funktionellen Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen den für einen Betriebsübergang maßgeblichen Faktoren bestehen geblieben ist und dass dies jedenfalls zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs auch so geplant war. Der Kern der wirtschaftlichen Einheit des Teilbetriebs B. der Beklagten bestand aus seiner organisatorischen Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Die im Teilbetrieb beschäftigten Personen sollten Druckklappenventile für die Pharmaindustrie herstellen und vertreiben. Nach der Planung des Konzern, dem die Beklagte angehörte, und deren Planung sie zwangsläufig zu übernehmen hatte, sollten alle wesentlichen Betriebsmittel an die G. AG verkauft werden. Die unter Verwendung dieser Betriebsmittel bisher bei der Beklagten durchgeführte Produktions- und Vertriebstätigkeit sollte bei der G. AG weitergeführt werden. Ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil des Personals, das von der Beklagten gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt war, sollte von der G. AG übernommen werden. Dies alles spricht auch bei einer Eingliederung der übertragenen Einheit in die Struktur der G. AG dafür, dass die Beklagte ihren Betrieb nicht zerschlagen, also stilllegen, sondern vielmehr unter dem Dach des Konzerns auf die G. AG in der Schweiz übertragen wollte. Jedenfalls ist die Bewertung der von der Beklagten behaupteten unternehmerischen Entscheidung zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs in diesem Sinne so sehr in Betracht zu ziehen, dass von der schlüssigen Darlegung einer zum gleichen Zeitpunkt beabsichtigten (Teil-)Betriebsstilllegung nicht ausgegangen werden kann.
bb) Dass die in Betracht zu ziehende, zum Zeitpunkt der Kündigung bestehende Absicht der Beklagten ihren Teilbetrieb B. zu veräußern, die der Annahme einer beabsichtigten Teilbetriebsstilllegung entgegensteht, eine grenzüberschreitende Komponente beinhaltet, steht dem vorgefundenen Ergebnis nicht entgegen. § 613 a BGB findet dem Grundsatz nach auch bei grenzüberschreitenden Betriebsäußerungen Anwendung, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 613 a BGB im konkreten Fall sind trotz der Grenzüberschreitung nicht ausgeschlossen.
(1) § 613 a BGB gilt auch bei Betriebsveräußerungen ins Ausland. Nach der Regelanknüpfung des Art. 30 EGBGB wird das Recht des Staates zur Anwendung gebracht, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht ändert sich also nicht deshalb, weil der Erwerber einem anderen einzelstaatlichen Recht unterliegt. Dies gilt jedenfalls, soweit, wie im Vorliegenden, keine Rechtswahl getroffen worden ist. Auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geht offensichtlich davon aus, dass für den deutschen Veräußerer die Pflichten aus § 613 a BGB nicht deshalb entfallen, weil ein ausländischer Erwerber beteiligt ist. Wäre dem nicht so, hätte das Bundesarbeitsgericht in den Entscheidungen vom 25.05.2000 – 8 AZR 335/99 – und 16.05.2002, NZA 2003, 93, die Vorschrift des § 613 a BGB nicht inhaltlich prüfen müssen. Es ist also davon auszugehen, dass nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ein Vertrag zur Erbringung von Arbeitsleistung für einen in Deutschland ansässigen Betrieb bei Fehlen einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Rechtswahl im Sinne von Art. 27 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich deutschem Recht unterliegt, weil sich der für die objektive Anknüpfung maßgebliche vertragliche Erfüllungsort in Deutschland befindet. Bei der normalerweise gegebenen Sachverhaltskonstellation, dass auf die Arbeitsverhältnisse der in einem deutschen Betrieb tätigen Arbeitnehmer deutsches Recht Anwendung findet, ist § 613 a BGB schon von daher grundsätzlich auch bei grenzüberschreitenden Verlagerungen anzuwenden (vgl. Cohnen, Betriebsverlagerungen ins Ausland und § 613 a BGB, in: Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltsverein, 2006, s. 599). Weil im übrigen § 613 a BGB zu den zwingenden Arbeitnehmerschutzvorschriften im Sinne von Art. 30 Abs. 1 EGBGB gehört, ist § 613 a BGB nach deutschem Kollisionsrecht für in Deutschland tätige Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verlagerung somit auch unabhängig von einer etwaigen Rechtswahl zu beachten (Cohnen, a. a. O., S. 600).
(2) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 613 a BGB sind im vorliegenden Falle auch unter Berücksichtigung des möglichen grenzüberschreitenden Betriebsübergangs erfüllt. Dass die Klägerin den ihr angebotenen Arbeitsvertrag der G. AG nicht angenommen hat, hindert die Anwendung des § 613 a BGB nicht. Der Betriebsübergang ist tatbestandlich nicht von der Einwilligung des Arbeitnehmers abhängig. Die Verlagerung der betrieblichen Tätigkeit von M. nach Bu. führt nicht zu einer Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung für die Belegschaft wie in den vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen (Berlin nach Lyon oder Offenbach nach Österreich). Bei einer Entfernung von 59 km und einer Fahrzeit von 46 Minuten ist weder ein Umzug der Beschäftigten erforderlich noch ein unzumutbarer Aufwand zur Erreichung der neuen Arbeitsstelle in Betracht zu ziehen.
Die konkrete Veränderung des Betriebssitzes ändert nicht per se die Wahrung der Identität, insoweit unterscheiden sich bei grenzüberschreitenden Verlagerungen die Anforderungen nicht gegenüber denen, an eine innerhalb Deutschlands erfolgende Betriebsverlagerung. Zur Feststellung der Identitätswahrung sind also die vom BAG übernommenen Prüfkriterien (7-Punkte-Katalog) heranzuziehen, wie sie unter Ziff. 1 der Entscheidungsgründe geprüft wurden und die Möglichkeit der Annahme eines Betriebsübergangs bestehen ließen.
Dass die Richtlinie 2001/23/EG auf den streitgegenständlichen Vorgang keine Anwendung findet, weil es sich um eine grenzüberschreitende Maßnahme in die Schweiz handelt, spielt vorliegend keine Rolle. Die Anwendbarkeit des § 613 a BGB ergibt sich bereits aus Art. 30 Abs. 1 EGBGB, eine Zuhilfenahme der europäischen Richtlinien ist nicht erforderlich. Im grenzüberschreitenden Verkehr mit der Schweiz ist aber zusätzlich bestätigend zu berücksichtigen, dass nach Schweizer Recht eine dem § 613 a BGB vergleichbare Regelung in § 333 des Schweizer Obligationenrechts besteht, weshalb auch insoweit die Einwendungen, es könne einem schweizer Übernehmer nicht deutsches Recht aufgezwungen werden, keine praktische Bedeutung zukommt, abgesehen davon, dass auch § 613 a BGB den vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer, gleichgültig ob der Betrieb im Inland oder ins Ausland verlagert wird, nur vorübergehenden Schutz gewährt.
3. Soweit die Klägerin mit ihren Anträgen festgestellt haben wollte, dass ihr Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht, ist die Klage vom Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen worden. Nach eigenem Vorbringen der Klägerin hat ein grenzüberschreitender Betriebsübergang stattgefunden. Soweit dabei die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 613 a BGB erfüllt sind, ist das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten auf den Betriebserwerber übergegangen. Der grenzüberschreitende Betriebsübergang hat aber zur Folge, dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung dort zu erbringen hat, wohin der Betrieb verlagert wurde, also in der Schweiz. Wenn aber die Klägerin ihre Arbeitsleistung infolge des § 613 a BGB in der Schweiz zu erbringen hat, kann nicht festgestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht. Zumindest der Ort der zu erbringenden Arbeitspflicht hat sich verändert.
4. Auch dem Weiterbeschäftigungsanspruch konnte nicht entsprochen werden, auch insoweit war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Wenn nach dem Vortrag der Klägerin ihr Arbeitsverhältnis auf die G. infolge Anwendbarkeit des § 613 a BGB übergegangen ist, dann endeten die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Beklagten zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs für die Zukunft. Eine Beschäftigungspflicht der Beklagten scheidet damit aus. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin kann ihr deshalb ein Weiterbeschäftigungsanspruch gegen die Beklagte nicht mehr zustehen.
Da die Parteien mit ihrem Streitbegehren teils obsiegten und teils unterlagen, hatten sie nach § 92 ZPO die Kosten anteilig zu tragen.