LG Itzehoe, Urteil vom 14.07.2010 – 6 O 145/09
Der Teilnehmer einer gefährlichen Schlittenfahrt handelt auf eigene Gefahr; er muss sich nach § 245 Abs. 1 BGB einem Mitverschuldenanteil von 50% anrechnen lassen.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 320.000,– EURO festgesetzt.
Tatbestand
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Die Klägerin zu 1) ist gemäß § 4 Abs. 1 SGB V Krankenkasse, die Klägerin zu 2) gemäß § 46 Abs. 2 SGB XI Pflegekasse des Unfallopfers Xxx, Xxx, xxx, die infolge eines Unfalls vom 29. Januar 2004 schwerste Verletzungen erlitten hat. Der Beklagte zu 2) ist der Fahrer des Unimog, bei dessen Betrieb Xxx verletzt worden ist; die Beklagte zu 1) ist der zuständige Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer für dieses Fahrzeug.
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Die Parteien streiten über die Haftungsquote. Die Klägerinnen verlangen den ungekürzten Ersatz ihrer Aufwendungen für die Heilbehandlung und die Pflege der Geschädigten. Die Beklagten wenden ein Mitverschulden der Geschädigten in Höhe von 50 % ein. Eine Haftungsquote von 50 % haben die Beklagten anerkannt.
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Die Beklagte zu 1) hatte sich im Anschluss an den Unfall vom 29. Januar 2004 primär mit den Direktansprüchen der Geschädigten Xxx zu befassen. Die Geschädigte einigte sich mit der Beklagten zu 1) auf eine pauschale Abfindung ihrer Direktansprüche, ohne deren Mitverschulden ausdrücklich festzulegen. Die Geschädigte wurde durch Zahlung eines Gesamtbetrages von 2,3 Millionen Euro unter Einbeziehung der Erträgnisse aus dieser Summe endgültig abgefunden. Damit war die Deckungssumme des Haftpflichtversicherers nicht ausgeschöpft.
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Die Klägerinnen erbrachten seit 2004 Leistungen für ihre Versicherte in hoher sechsstelliger Größenordnung, per Abrechnung vom 04. Juli 2008 insgesamt 336.415,82 EUR aus der gesetzlichen Krankenversicherung sowie 59.939,64 EUR Pflegeleistungen. Seit diesem Tag sind weitere Zahlungen von beiden Klägerinnen erbracht worden. Die Klägerinnen und die Beklagte zu 1) verhandelten seit Jahren ergebnislos über eine endgültige Kapitalabfindung ihrer künftigen Regressansprüche. Die Beklagte zu 1) regulierte in der Vergangenheit regelmäßig mit einer Quote von 70 %, ohne sich rechtlich verbindlich auf diese Quote festzulegen. Jedenfalls seit einem gescheiterten Gesprächsversuch am 09. Oktober 2008 steht die Beklagte zu 1) auf dem Standpunkt, dass die Ansprüche der Geschädigten nach einer Haftungsquote von 50 % reguliert worden seien und diese Quote von 50 % künftig auch auf die Regressansprüche der Klägerinnen angewendet werden müsste. An diesem Einwand scheiterten dann alle Versuche einer endgültigen Kapitalisierung der Regressansprüche der Klägerinnen.
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Zum Unfallhergang am 29. Januar 2004 ist folgender Sachverhalt außer Streit:
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Die am 21. Oktober 1988 geborene Xxx war zum Zeitpunkt des Unfalls 15 Jahre alt. Sie war Schülerin und besuchte das Gymnasium. Der Versicherungsnehmer der Beklagten zu 1), der Landwirt Xxx, war Halter des Unimog mit dem amtlichen Kennzeichen …. Am 29. Januar 2004 waren die Wiesen um Heide verschneit. Der damals 16-jährige Sohn des Versicherungsnehmers, der Beklagte zu 2), hatte die Geschädigte Xxx von zu Hause mit dem Unimog seines Vaters abgeholt. Die Kinder wollten zunächst eine Schneeballschlacht veranstalten. Zu diesem Zweck trafen sie sich mit anderen Jugendlichen auf einer verschneiten Wiese, dabei handelt es sich um ein Grundstück des Versicherungsnehmers der Beklagten zu 1).
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Es wurden drei stählerne Badewannen aneinander gekoppelt, um diese mit dem Unimog über die verschneite Wiese zu ziehen. Die Geschädigte Xxx stieg zusammen mit dem Zeugen Xxx in die zweite, die mittlere Wanne ein.
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Streitig ist, ob und mit welchem Inhalt die Kinder eine Verabredung dazu trafen, dass der Beklagte zu 2) die Fahrt auf Handzeichen oder Rufe anhalten sollte.
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Der Beklagte zu 2) setzte das Gefährt mit den drei angehängten stählernen Badewannen in Bewegung. Welche Geschwindigkeit er dabei erreichte ist nicht näher vorgetragen. Streitig ist insbesondere, ob die Zeugin Xxx oder andere Kinder durch Schreie oder Handzeichen signalisiert haben, dass der Beklagte zu 2) die Fahrt abbrechen sollte. In einer Kurve geriet die letzte der drei Badewannen ins Schleudern und bewirkte, dass die mittlere Badewanne, in der sich Xxx mit dem Zeugen Xxx befand, umkippte. Xxx, die einen Helm trug, wurde aus ihrer Badewanne herausgeschleudert und von der nachfolgenden dritten Badewanne so unglücklich am Hals getroffen, dass sie eine komplette Querschnittslähmung in Höhe des 4. Halswirbelkörpers erlitt.
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Die Geschädigte und das Unfallfahrzeug mit den Badewannen wurden von der Unfallstelle entfernt, ohne dass seitens der Zeugen oder der Polizei die Unfallörtlichkeit und das Unfallfahrzeug mit den drei Badewannen vermessen wurde. Es existiert auch keine Skizze oder Handzeichnung zu den Geländeverhältnissen an der Unfallstelle. Zeugenaussagen sind im Anschluss an den Unfall nicht zu Papier gebracht worden.
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Xxx ist infolge der erlittenen Verletzungen dauerhaft bewegungsunfähig mit vollständiger Lähmung aller vier Gliedmaßen sowie Blasen- und Mastdarmlähmung. Sie ist für alle Verrichtungen des täglichen Lebens auf umfassende Hilfe und Betreuung angewiesen. Die Diagnose der Unfallverletzungen und der sich daraus ableitende Dauerschaden ist zwischen den Parteien außer Streit; er wird medizinisch wie folgt beschrieben:
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Komplette Querschnittslähmung des cervikalen Rückenmarks bei HWK 5 Kompressionsfraktur, spinales Schmerzsyndrom, spinale Spastiken, unterhalb C4 herabgesetztes Empfinden von Berührungsreizen und Schmerzempfinden, vergleichbar mit einer Sensibilitätsstörung. Spitzfußneigung beiderseits, beide Hände in spastischer Haltung kraftlos, keine Greif- und Haltefunktionen.
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Wegen der Einzelheiten der daraus folgenden dauerhaften Beeinträchtigungen der Geschädigten Xxx wird Bezug genommen auf die Anlage K 1 (Bl. 9/10 d.A.).
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Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass die Klage als Feststellungsklage zulässig sei. Es bestehe kein Vorrang der Leistungsklage, auch nicht teilweise mit der Konsequenz, dass das Klagbegehren in eine Leistungs- und Feststellungsklage aufzuspalten sei. Im Übrigen führe ein Feststellungsurteil zur endgültigen Streitbeilegung, weil zu erwarten sei, dass die Beklagte zu 1) auch bereits auf der Grundlage eines Feststellungsurteils hin leisten werde.
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Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass die Geschädigte ihren Schadensersatzanspruch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 StVO, bezüglich der Beklagten zu 1) i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 VVG (2008) stützen könne. Der Beklagte zu 2) habe bei der Unimogfahrt mit drei angehängten Badewannen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet. Es spreche ein Anscheinsbeweis für eine schuldhafte Verletzung der vom Beklagten zu 2) zu beachtenden allgemeinen Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 1 StVO.
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Ansonsten wäre die Badewanne, in der die Geschädigte gesessen habe, nicht umgekippt.
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Die Klägerinnen stehen außerdem auf dem Standpunkt, dass der Geschädigten Xxx der Einwand aus § 254 BGB nicht entgegengehalten werden könne. Sie meinen, eine Schlepper-/Unimogfahrt mit drei Badewannen sei nicht per se gefährlich, sie werde es nur, wenn sie mit unangepasster Geschwindigkeit veranstaltet werde.
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Ein Mitverschulden sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr als schuldhafte Selbstgefährdung anzunehmen.
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Die Klägerinnen behaupten zum Unfallhergang, dass die Geschwindigkeit der Zugmaschine nicht bauartbedingt auf eine Höchstgeschwindigkeit von 15 km/h gedrosselt gewesen sei. Der Unimog sei jedenfalls nicht mit Schrittgeschwindigkeit bewegt worden. Der Geschehensablauf indiziere eine überhöhte Geschwindigkeit, anderenfalls wäre die Wanne nicht umgekippt.
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Vor Antritt der Fahrt habe der Beklagte zu 2) darauf verwiesen, dass nichts passieren könne, das alles sei absolut sicher, in den vergangenen Jahren sei bei gleichartigen Fahrten nichts passiert. Der Beklagte zu 2) habe, nachdem einige Kinder Bedenken geäußert hätten, selbst erklärt, die beteiligten Kinder sollten ihm durch Handzeichen zu verstehen geben, wenn sie die Fahrt anzuhalten oder zu verlangsamen wünschten.
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Bei der Fahrt habe die Geschädigte Xxx einen Fahrradhelm getragen, das aber nicht, um sich vor Verletzungen zu schützen, sondern um ihre Augen vor dem Schnee zu bewahren, der von der davorhängenden Wanne aufgewirbelt wurde. Der Unfall habe sich bereits kurz nach Beginn der „Schlittenfahrt“ in der ersten Kurve, nachdem das Gespann sich in Gang gesetzt habe, ereignet.
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Vor dem Umkippen seien von den Zeugen Handzeichen gegeben worden, durch die der Wunsch der Kinder zum Abbruch der Fahrt gegenüber dem Beklagten zu 2) signalisiert worden sei. Diese Handzeichen habe der Beklagte zu 2) nicht beachtet.
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Die Klägerinnen beantragen,
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festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, den Klägerinnen über eine anerkannte Haftungsquote von 50 % hinaus sämtliche Heilbehandlungs- und Pflegekosten zu ersetzen, die diese aus Anlass des Unfallereignisses vom 29. Januar 2004 zugunsten ihrer Versicherten Xxx, geb. am 21.10.1988 und wohnhaft Xxx in xxx, in der Vergangenheit erbracht haben sowie gegenwärtig und in Zukunft erbringen werden.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Feststellungsklage wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig sei.
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Sie sind weiter der Meinung, dass der Geschädigten ein Mitverschulden anzulasten sei, das mit 50 % bewertet werden müsse, so dass die Feststellungsklage im Ergebnis auch unbegründet sei.
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Die Beklagten behaupten, dass sich der Beklagte zu 2), die Geschädigte Xxx und einige weitere Jugendliche am Unfalltag auf der Wiese des Vaters des Beklagten zu 2) auf der Grundlage einer Verabredung getroffen hätten. Die Geschwindigkeit des vom Beklagten zu 2) gelenkten Unimogs sei gedrosselt gewesen. Die Jugendlichen befestigten gemeinsam drei stählerne Badewannen, in welche sie sich dann setzten. Die „Schlittenfahrt“ sei geplant gewesen und die Jugendlichen hätten dazu ihre Helme mitgebracht. Auch die Geschädigte Xxx habe ihren Helm bei der Fahrt zu ihrem Schutz getragen.
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Die Beklagten bestreiten, dass der Unimog bei der Fahrt mit „überhöhter Geschwindigkeit“ gelenkt worden sei. Das Gefährt habe die Geschwindigkeit von 15 km/h nicht überschritten.
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Die Beklagten bestreiten, dass vor Beginn der Fahrt zwischen den Jugendlichen vereinbart worden sei, dass der Beklagte zu 2) den Zug auf entsprechende Handzeichen und/oder Rufe hin anhalten sollte. Sie bestreiten außerdem, dass von dem Beklagten zu 2) ein Handzeichen der Geschädigten Xxx nicht bemerkt und nicht ernst genommen worden sei.
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Die mittlere Wanne, in der die Geschädigte Xxx gesessen habe, habe sich bei der Fahrt nicht überschlagen. Diese Wanne sei lediglich umgekippt und die Geschädigte herausgerutscht. Die Tragik habe ja gerade darin bestanden, dass die Geschädigte von der nachfolgenden dritten Badewanne getroffen und schwerstverletzt worden sei.
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Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Geschädigte vor Beginn der Fahrt selbst Bedenken wegen der Gefährlichkeit der Unternehmung geäußert und dann einen Schutzhelm aufgesetzt habe. Xxx habe die Risiken dieser „Schlittenfahrt“ erkannt. Sie habe als Gymnasiastin über die intellektuelle Einsichtsfähigkeit in die Gefährlichkeit der Unternehmung verfügt.
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Die Beklagten sind schließlich der Auffassung, dass dem Zweitbeklagten unter keinem rechtlichen Aspekt angelastet werden könne, dass er den Unfall schuldhaft herbeigeführt habe. Eine Haftung bestehe nur deswegen, weil der Beklagte zu 2) im Unfallzeitpunkt mit einem Unimog unterwegs gewesen sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Der Beklagte zu 2) ist zum Unfallhergang in der mündlichen Verhandlung vom 09. Juni 2010 persönlich angehört worden. Das Gericht hat Beweis erhoben auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 05. März 2010 (Bl. 77/78 d.A.) über den Hergang des Unfalls vom 29. Januar 2004 durch Vernehmung der Zeugin Xxx, Xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx und xxx. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Terminsprotokoll (Bl. 99 – 118 d.A.).
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Feststellungsklage hat keinen Erfolg.
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Die positive Feststellungsklage ist zulässig. Die Klägerinnen haben gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ein rechtliches Interesse an der begehrten über 50 % hinausgehenden Feststellung einer Haftungsquote aus dem Unfallereignis vom 29. Januar 2004. Denn die Beklagten haben ihre Eintrittspflicht für die Unfallfolgen lediglich in Höhe von 50 % anerkannt, im Übrigen aber nach ihrem Regulierungsverhalten und den Erklärungen im Prozess deutlich gemacht, dass sie auf der Grundlage eines Feststellungsurteils Leistungen erbringen würden. Der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage steht demnach vorliegend der Zulässigkeit des Feststellungsantrages nicht entgegen.
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Die Feststellungsklage ist aber unbegründet.
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Den Klägerinnen steht zwar dem Grunde nach (aus übergegangenem Recht der Geschädigten Xxx) ein Schadensersatzanspruch gegen beide Beklagten als Gesamtschuldner auf der Grundlage von §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 StVO und aus § 7 Abs. 1 und 18 Abs. 1 StVG (bezüglich der Beklagten zu 1 i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 VVG) zu. Die Haftung besteht aber nur zu 50 %, weil bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden der Geschädigten Xxx im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB bzw. § 9 StVG mitgewirkt hat, das das Gericht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme mit 50 % bewertet.
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Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Haftung der Beklagten auf der Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB und den Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes liegen vor. Der Beklagte zu 2) war im Unfallzeitpunkt Fahrzeugführer eines Kraftfahrzeuges bei dessen Betrieb die Zeugin Xxx schwerste körperliche Verletzungen davongetragen hat. Denn der Beklagte zu 2) hat den Unimog mit drei angehängten Badewannen über eine verschneite Wiese geführt. Bei dieser Fahrt sind die unstreitigen Verletzungen der Zeugin Xxx verursacht worden. Auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens steht zudem fest, dass der Beklagte zu 2) den Unfall schuldhaft, d.h. fahrlässig herbeigeführt hat. Er hatte als Fahrzeugführer nach der Grundregel des § 1 StVO die Verantwortung dafür, dass das von ihm in Betrieb genommene Fahrzeug mit den angehängten stählernen Badewannen nur so betrieben wird, dass kein anderer geschädigt oder auch nur gefährdet wird. Diese allgemeine Verkehrsregel hat der Beklagte zu 2) bei der am 29. Januar 2004 durchgeführten Fahrt nicht beachtet. Er hätte als Fahrzeugführer erkennen können und erkennen müssen, dass das Ziehen von drei aneinandergebundenen stählernen Badewannen auf verschneitem und gefrorenem Untergrund für die mitfahrenden Jugendlichen in den Badewannen gefährlich ist. Bereits der Beweis des ersten Anscheins spricht dafür, dass über holprigem Untergrund gezogene stählerne Badewannen instabil sind und auch schon bei geringen Geschwindigkeiten umkippen können. Somit hat sich der Beklagte zu 2) bei der Unfallfahrt vom 29. Januar 2004 nicht so verhalten, dass die mitfahrenden Jugendlichen nicht gefährdet werden.
42
Die Beklagten haften für die Unfallfolgen vom 29. Januar 2004 aber nur zu 50 %. Die Klägerinnen müssen sich einen Mitverschuldensanteil von 50 % der geschädigten Xxx gemäß § 9 StVG bzw. § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen.
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In diesen Vorschriften ist geregelt, dass der Geschädigte einen Teil des entstandenen Schadens selbst tragen muss, wenn bei der Entstehung des Schadens eigenes Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat. Der Umfang des zu leistenden Ersatzes hängt von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen verursacht worden ist. Ausgehend von dieser gesetzlichen Regelung zum Mitverschulden ist in der Rechtsprechung und Literatur insbesondere für die Fälle der gemeinsamen Teilnahme an gefährlichen Sport- und Freizeitveranstaltungen der Tatbestand des Handelns auf eigene Gefahr entwickelt worden (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 254 Rdnr. 32 und 33; BGH NJW 2001, 149). Dieses Handeln auf eigene Gefahr liegt dann vor, wenn sich jemand bewusst in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt. Der Rechtsgrundsatz aus § 254 Abs. 1 BGB findet demnach auch Anwendung, wenn der Geschädigte diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt.
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In der Regel führt Handeln auf eigene Gefahr nach der Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung ebenso wie die nur fahrlässige Selbstgefährdung nicht zum vollständigen Wegfall der Haftung, sondern grundsätzlich zu einer anhand des Einzelfalls zu bemessenden Schadensteilung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 254 Rdnr. 32; BGH NJW-RR 1995, 857). Es hat demnach eine Gewichtung und Abwägung der jeweiligen Verursachungsanteile der an einer gefährlichen Freizeitveranstaltung Beteiligten zu erfolgen.
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Diese gebotene Abwägung führt im vorliegenden Fall dazu, dass die fahrlässige Selbstgefährdung von Xxx genauso stark ins Gewicht fällt wie der Fahrlässigkeitsvorwurf gegen den Beklagten zu 2). Denn Xxx hat in die gefährliche Fahrt mit den aneinandergehängten stählernen Badewannen in Kenntnis aller sie selbst betreffenden Gefahrenmomente eingewilligt.
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Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Zeugin Xxx vor Antritt der „Unfallfahrt“ mit den drei von einem Unimog gezogenen stählernen Badewannen das gesamte Gefahrenpotential kannte. Denn alle acht am 09. Juni 2010 von der Kammer zum Unfallhergang vom 29. Januar 2004 vernommenen Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass Xxx sich an dem Unfalltag bereits mehrere Stunden auf dem verschneiten Feld, auf dem die Fahrten durchgeführt wurden, aufgehalten hatte. Sie selbst hat dazu angegeben, dass sie „eigentlich den ganzen Nachmittag“ auf dem Feld gewesen sei. Sie hatte also nach ihren eigenen Bekundungen und den übereinstimmenden Bekundungen der weiter gehörten Zeugen genauso viel Zeit wie der Beklagte zu 2) und die anderen Teilnehmer, um die Gefährlichkeit des Fahrens mit aneinandergehängten stählernen Badewannen einzuschätzen und sie verfügte als 15 jährige Gymnasiastin über zumindest gleichwertige Verstandesreife.
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Hinzu kommt, dass von den Zeugen einhellig bekundet worden ist, dass der Beklagte zu 2) bezüglich der Gefährlichkeit der Freizeitveranstaltung gegenüber der etwa gleichaltrigen Geschädigten keinen Erkenntnisvorsprung hatte. Er war weder der Initiator noch vorrangige Betreiber der gefährlichen „Schlittenfahrten“ und auch nicht der einzige Fahrer der Zugmaschine. Es steht dazu auf der Grundlage der Beweisaufnahme fest, dass der Beklagte zu 2) keineswegs derjenige war, der schon im Vorjahr oder an den Tagen vor dem 29. Januar 2004 bereits Fahrten mit aneinandergehängten stählernen Badewannen unternommen hatte.
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Entscheidend für die Gewichtung des Mitverschuldensanteils der Zeugin Xxx ist, dass die Zeugin vor Antritt der Unfallfahrt die Fahrtstrecke, den Zustand der Badewannen, die Schneeverhältnisse und die Geschwindigkeit des ziehenden Fahrzeuges aus eigener Anschauung genau kannte. Sie hatte auf der verschneiten Wiese eine Vielzahl von vorher durchgeführten „Schlittenfahrten“ beobachtet. Dennoch hat sie sich letztlich – wenn auch unter Zurückstellung von Bedenken – entschlossen, sich in die mittlere Badewanne zu setzen und mitzufahren. Die dann ohne weitere konkrete Absprachendurchgeführten Fahrt, bei der die Zeugin Xxx verletzt wurde, ist dann nach den Bekundungen aller jugendlichen Zeugen genauso abgelaufen wie schon die anderen Fahrten an diesem Nachmittag. Das Spiel wurde gleichsam mit Beteiligung der Geschädigten fortgesetzt. Keiner der vernommenen Zeugen hat bekundet, dass der Beklagte zu 2) bei der Unfallfahrt ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das von den vorangegangenen Fahrten maßgeblich abwich. Die Zeugen haben den Beklagten zu 2) auch nicht als einen „Schnellfahrer“ bezeichnet. Er hat den Unimog mit einer Geschwindigkeit bewegt, die die meisten Zeugen als langsam oder Schrittgeschwindigkeit bezeichnet haben. Jedenfalls sind bei der Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte dafür erkennbar geworden, dass der Beklagte zu 2) die vorher übliche Geschwindigkeit des Unimogs bei der Unfallfahrt auch nur gesteigert und damit die Gefahrenlage gegen den Wunsch der Geschädigten erhöht hat.
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Die Beweisaufnahme hat weiter ergeben, dass der Beklagte zu 2) sich bei der „Unfallfahrt“ auch nicht abredewidrig verhalten hat. Denn die einvernommenen Zeugen – einschließlich der Geschädigten selbst – haben ausgesagt, dass die Jugendlichen auf dem verschneiten Feld keine konkreten Absprachen dazu getroffen haben, unter welchen Umständen der Beklagte zu 2) die Fahrt verlangsamen oder beenden sollte. Außerdem haben alle Zeugen, soweit sie noch eine Erinnerung an den Hergang hatten, davon berichtet, dass der Unimog von dem Beklagten zu 2) sofort gestoppt wurde, nachdem der Mitfahrer im Unimog den Beklagten zu 2) auf die umgekippte stählerne Badewanne hingewiesen hatte. In der Beweisaufnahme sind zudem keine Anhaltspunkte dafür erkennbar geworden, dass die Geschädigte Xxx während der Fahrt ihre Einwilligung in die gefährlichen Fahrt durch Schreie oder Handzeichen rückgängig gemacht hat. Der Beklagte zu 2) hat demnach gerade keine Aufforderung der Geschädigte Xxx zum Stopp der Fahrt ignoriert. Damit steht fest, dass die Geschädigte bis zum Unfallzeitpunkt trotz der von ihr erkannten Gefährlichkeit der „Schlittenfahrt“ in die Selbstgefährdung eingewilligt hatte.
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In der Beweisaufnahme zum Unfallhergang hat die Kammer besonders beeindruckt, was die Zeugin xxx zu den Einschätzungen der an der gefährlichen Freizeitveranstaltung beteiligten Mädchen ausgesagt hat. Sie selbst und auch die Geschädigte hatten bei vorangegangen Fahrten durchaus registriert, dass hin und wieder einmal eine Badewanne umgekippt war. Deswegen waren die Mädchen unter Einschluss der Geschädigten Xxx den Nachmittag über eigentlich nicht so mutig gewesen, um sich in die Badewanne zu setzen. Ihre Vorbehalte haben dann sowohl die Zeugin xxx als auch die Geschädigte vor Antritt der Unfallfahrt aufgegeben und auf einen unfallfreien Verlauf vertraut. Diese unbefangenen Schilderungen zeigen, dass die Geschädigte in Kenntnis aller Umstände letztlich in die Selbstgefährdung eingewilligt hat.
51
Das Handeln der Geschädigten auf eigene Gefahr bewertet die Kammer in Abwägung zu dem Verursachungs- und Verschuldensbeitrag des Beklagten zu 2) mit 50 %. Kriterien für eine abweichende Gewichtung sieht die Kammer nicht.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100 Abs. 1, 709 ZPO.