OLG München, Urteil vom 13.11.2013 – 20 U 2414/13
Ist Getreide, das als Bioware verkauft werden soll, nicht als biologisch erzeugtes Getreide handelbar, liegt hierin ein Sachmangel. Für die Annahme des Sachmangels ist bereits ausreichend, dass ein diesbezüglicher Verdacht auf die fehlende Beschaffenheit bestand, der zu öffentlich-rechtlichen Maßnahmen geführt hat, die die Handelbarkeit der Ware als Bio-Ware ausgeschlossen hat (Rn. 48)
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 24.05.2013, Az.: 43 O 1693/11, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das angefochtene Urteil des Landgerichts Landshut vom 24.05.2013, Az.: 43 O 1693/11, sowie dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 26.739,06 festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Klägerin macht Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Getreidelieferungen der Beklagten im Jahr 2010 geltend.
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Die Parteien schlossen im Zeitraum März – Juni 2010 vier Kaufverträge über Biogerste. Sie vereinbarten jeweils die Geltung der Einheitsbedingungen des deutschen Getreidehandels (fortan: EB) in der geltenden aktuellen Fassung unter Ausschluss der Schiedsklausel in § 1. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die unter K 1.1 bis K 1.4 vorgelegten Verträge. In der Folgezeit verkaufte die Klägerin die von der Beklagten erworbene Gerste als Biogerste an ihre Kunden weiter.
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Mit Schreiben vom 01.11.2010 (K 2) wurde der Klägerin von der Beklagten mitgeteilt, dass der gelieferten Gerste, bezogen aus den Erzeugerbetrieben Tina L. und Agrargenossenschaft G., mit Bescheid der obersten Kontrollbehörde Sachsen-Anhalt der Bio-Status entzogen worden sei, die landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe hiergegen aber Rechtsmittel eingelegt hätten.
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Zu diesen Rechtsmitteln erging Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg am 21.06.2012 (AZ.: 3 A 329/10 MD, 3 A 330/10 MD und 3 A 331/10 MD). Zum Inhalt des Urteils wird Bezug genommen auf die Anlage B 2 und die Anlage zu Bl. 113 d.A..
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Die Klägerin trug vor, wegen des fehlenden Bio-Status sei die streitgegenständliche Gerste mangelhaft gewesen; sie habe Gewährleistungsansprüche. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung sei ihr unmöglich bzw. unzumutbar gewesen, da die Gerste bereits weiterverkauft und auch verfüttert worden sei.
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Jedenfalls habe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 01.11.2010, in dem sie den Entzug des Biostatus für das gelieferte Getreide durch die Kontrollbehörde mitgeteilt habe, eine vertragliche Nebenpflicht verletzt.
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Mit Schriftsatz vom 21.08.2012 (Anlage K 3 zu Bl. 81/82) und vom 04.10.2012 (K 7 neu) trat die Klägerin zudem vom Kaufvertrag zurück und kündigte an, von der Beklagten Zahlung eines Betrages in Höhe EUR 43.497,03 zu verlangen.
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Im Gegensatz zu ihrem Marktwert als Biogerste in Höhe von EUR 40.498,57 habe die Verwertung der Gerste als konventionelle Ware einen Erlösverlust von EUR 24.364,06 zur Folge. Zudem habe sie ihrem Kunden Z. einen Schaden in Höhe von EUR 1.375.- zu ersetzen gehabt, da dieser in Folge der Verfütterung der streitgegenständlichen Gerste seine Schweine nicht mehr habe als Bioware vermarkten können.
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Ihr sei insgesamt ein Schaden in Höhe von EUR 25.739,06 entstanden, der ihr nebst Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen sei. Zudem begehrte sie Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Lieferungen.
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Die Beklagte beantragte Klageabweisung.
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Sie bestritt den Anspruch dem Grunde und der Höhe nach.
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Die Gerste sei nicht mangelhaft gewesen, zumal der Bescheid der Kontrollbehörde durch das Verwaltungsgericht Magdeburg mit Urteil vom 21.06.2012 wieder aufgehoben worden sei.
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Die Voraussetzungen einer Schadensersatzpflicht nach §§ 31 ff. EB lägen nicht vor. Insbesondere fehle es an der Beanstandung gemäß § 36 EB und den Voraussetzungen der erfolgreichen Geltendmachung der Ansprüche gemäß § 37 EB. Daher habe die Klägerin am 21.08.2012 bzw. 04.10.2012 nicht vom Vertrag zurücktreten können; im Übrigen liege jedenfalls für den 21.08.2012 keine ordnungsgemäße Rücktrittserklärung vor.
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Die der Schadenshöhe zugrunde gelegten Werte seien falsch. Die von der Klägerin ihren Abnehmern gewährten Nachlässe wurden bestritten; jedenfalls seien diese weder ortsüblich noch angemessen, sondern zu hoch und verletzten die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB.
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Für die Feststellungsklage fehle das Feststellungsinteresse.
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Zudem beruft sich die Beklagte auf Verjährung im Hinblick auf § 49 EB.
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Ergänzend wird hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
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Das Landgericht Landshut hat die zulässige Klage als unbegründet abgewiesen.
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Ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 437, Nr. 3, 434, 281 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB iVm den EB scheitere am Verschulden der Beklagten. Die Aberkennung des Bio-Status habe sie nicht zu vertreten.
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Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Minderung gemäß §§ 437, Nr. 2, 434, 441 Abs. 1 BGB iVm den EB, da kein Rechtsmangel, sondern allenfalls ein Sachmangel vorliegen könne, den die Klägerin aber nicht bewiesen habe.
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Aus dem gleichen Grund habe die Klägerin auch nicht vom Vertrag zurücktreten können.
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Die Beklagte habe mit der Mitteilung vom 01.11.2010 keine Nebenpflichten verletzt, da sie die Mitteilung der Entscheidung der Kontrollbehörde mit dem Hinweis verbunden habe, dass diese nicht rechtskräftig sei, und damit der Klägerin lediglich ihren eigenen Kenntnisstand übermittelt habe.
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Ergänzend wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
24
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts, da das Landgericht die Anspruchsvoraussetzungen verkannt habe.
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Ein Schadensersatzanspruch scheitere nicht am Verschulden. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass das Verschulden gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet werde und die Beklagte sich nicht entlastet habe.
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Unzutreffend verneine das Landgericht einen Minderungsanspruch. Ein Sachmangel ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass keine zertifizierte Biogerste geliefert worden sei, die folglich auch als solche nicht handelbar war. Dies gelte auch für den maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrüberganges. Die Frage, ob darüber hinaus die Gerste tatsächlich keine Bionormen erfüllt habe, sei daher nicht entscheidungserheblich. Dessen ungeachtet habe das Landgericht ein von der Klägerin hierzu angebotenes Sachverständigengutachten rechtsfehlerhaft nicht erholt.
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Darüber hinaus habe der gelieferten Gerste auf Grund des rückwirkenden Vermarktungsverbotes als Biogerste auch ein Rechtsmangel angehaftet.
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Damit liege ein Qualitätsmangel vor, der gemäß § 32 Nr. 2 EB ein Rücktrittsrecht nach den gesetzlichen Regelungen des BGB begründe. Ein wirksamer Rücktritt liege aber auch gemäß § 19 Nr. 1 und 2 EB vor. Das Rücktrittsrecht scheitere auch nicht an § 37 Nr. 4 EB, da diese Bestimmung gemäß § 37 Nr. 1 EB ein Verfahren vor dem Schiedsgericht voraussetzte, welches die Parteien vorliegend aber abbedungen hätten. Jedenfalls verbleibe dann der Minderungsanspruch gemäß § 32 Nr. 2 EB.
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Die Setzung einer Nachfrist sei entbehrlich gewesen, da die Gerste bei Aufdeckung des Mangels bereits vollständig verwertet gewesen sei.
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Ferner habe das Landgericht verkannt, dass die Beklagte mit ihrer Mitteilung vom 01.11.2010 über die Entziehung des Biostatus eine vertragliche Nebenpflicht verletzt habe. Sie habe die Klägerin hiermit veranlasst, diese Information an ihre Abnehmer weiterzugeben, was zum verfahrensgegenständlichen Schaden geführt habe, obwohl sie die Mangelhaftigkeit der Gerste nunmehr in Abrede stelle.
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Die Geltendmachung der Ansprüche sei nicht gemäß § 36 EB verfristet, da diese Regelung nur für abweichende Beschaffenheit und/oder Qualität iSv § 26 EB gelte, nicht aber für eine Rechtsfrage wie die fehlende Anerkennung als Bioprodukt. Außerdem sei diese Regelung eine gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1. 309 Nr. 8 b ee BGB unwirksame allgemeine Geschäftsbedingung. Ein Berufen hierauf sei zumindest treuwidrig gemäß § 242 BGB.
32
Die Klägerin beantragt daher,
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I. Unter Abänderung des am 24.05.2013 verkündeten und am 29.05.2013 zugestellten Endurteil des Landgerichts Landshut, AZ.: 43 O 1693/11, wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 25.739,06 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22.11.2011 sowie weitere EUR 512,70 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der Klage sowie weitere EUR 16,00 vorgerichtlicher Mahnkosten zu zahlen.
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II. Unter Abänderung des Endurteil des Landgerichts Landshut wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weitere Schäden zu ersetzen, die daraus resultieren, dass die Beklagte auf die Kaufverträge vom 21.04.2010, 05.03.2010, 21.05.2010 sowie 14.06.2010 statt Biogerste Ware geliefert hat, der der Biostatus entzogen war.
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III. Zulassung der Revision.
36
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
38
Die Beklagte schließt sich den Gründen des angefochtenen Urteils an. Sie hält ihren erstinstanzlichen Vortrag in vollem Umfang aufrecht, bestreitet weiterhin den Anspruch dem Grunde und der Höhe nach und ist der Meinung, dass weder nach den gesetzlichen Regelungen noch nach den hier wirksam zwischen den Parteien vereinbarten und anzuwendenden Regelungen der EB die Voraussetzungen für Schadensersatz- oder Mängelgewährleistungsansprüche vorliegen, jedenfalls wegen Fristablauf nicht mehr geltend gemacht werden können oder verjährt sind. Auch habe die Klägerin nicht wirksam von den Kaufverträgen zurücktreten können. Nebenpflichten habe die Beklagte gleichfalls nicht verletzt.
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Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle und vorliegenden Entscheidungen der Gerichte Bezug genommen.
II.
40
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Eine Haftung der Beklagten wegen der streitgegenständlichen Lieferungen von Gerste ist gemäß § 36 Nr. 3 EB ausgeschlossen. Auf Grund dessen konnte die Klägerin auch weder am 21.08.2012 noch am 04.10.2012 wirksam von den Kaufverträgen zurücktreten.
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1) § 36 Nr. 3 EB findet auf die Vertragsbeziehung zwischen den Parteien Anwendung und unterliegt nicht der Inhaltskontrolle für allgemeine Geschäftsbedingungen.
42
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass für die streitgegenständlichen Kaufverträge (Anlage K 1.1 – K 1.4) die „Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel“ (EB), jedoch ohne die in § 1 geregelte Schiedsklausel gelten sollten. Diese Bedingungen wurden jedoch der Klägerin nicht von der Beklagten gemäß § 305 Abs. 1 BGB gestellt und unterliegen daher nicht der Inhaltskontrolle. Die EB sind vielmehr eine von den Vertragsparteien einvernehmlich anerkannte rechtliche Grundlage und Ausgestaltung ihres Kaufvertrages.
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Charakteristisch für Allgemeine Geschäftsbedingungen ist die Einseitigkeit ihrer Auferlegung sowie der Umstand, dass der andere Vertragsteil, der mit einer solchen Regelung konfrontiert wird, auf ihre Ausgestaltung gewöhnlich keinen Einfluss nehmen kann (BT-Drs. 7/3919, S. 15 f.). An dem hierin durch einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit einer Vertragspartei zum Ausdruck kommenden Stellen vorformulierter Vertragsbedingungen fehlt es jedoch, wenn deren Einbeziehung sich als das Ergebnis einer freien Entscheidung desjenigen darstellt, der mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird (vgl. BGH Urteil vom 17.02.2010 – VIII ZR 67/09). So liegt der Fall hier.
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Die Parteien des Rechtsstreits, die beide Kaufleute sind, haben sich zum Abschluss der streitgegenständlichen Kaufverträge ausweislich der vorgelegten Anlagen K 1.1 – K 1.4 einer Handelsvermittlungs-Agentur für Bio Produkte, der Firma a., bedient. Der Vertragstext ist auf Geschäftspapier dieser Agentur abgedruckt und von dieser mitunterschrieben. Der letzten Zeile des Vertragstextes ist jeweils zu entnehmen, dass der „Kontrakt durch die Unterschrift“ von Käufer und Verkäufer „und Rückfax an artebio“ bestätigt wurde. Dies bedeutet aber, dass beide Vertragsparteien gleichberechtigt einen Vertragsvorschlag auf der Basis der „Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel“, der ihnen von dritter Seite unterbreitet worden war, aber – wie in K 1.2 auf Seite 2 ersichtlich – durchaus auch verändert werden konnte, akzeptiert haben. Bei dieser Sachlage besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte einseitig der Klägerin die Geltung der Einheitsbedingungen auferlegt hätte. Vielmehr entspricht der Abschluss dieses Vertrages dem übereinstimmenden Willen beider Parteien.
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2) Der sachliche Anwendungsbereich des § 36 EB ist eröffnet.
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§ 36 EB findet Anwendung bei der Beanstandung der Ware wegen abweichender Beschaffenheit und/oder Qualität (§ 36 Nr. 1 EB). Dies ist hier der Fall, da der streitgegenständlichen Gerste ein Sachmangel in Form einer abweichenden Beschaffenheit anhaftet. Dieser Sachmangel lag auch bereits bei Gefahrübergang vor.
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Das streitgegenständliche Getreide wies auf Grund des rückwirkenden Bescheides der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau Sachsen-Anhalt vom 07.10.2010, mit welchem die Vermarktung des in den Jahren 2008 und 2009 produzierten Getreides als Getreide aus ökologischem Anbau untersagt wurde, die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit „aus kontrolliert biologischem Anbau gemäß EG-Bio-VO 834/2007“ nicht auf. Dieser Bescheid wurde durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 21.06.2012 (Anlage B 2 und zu Bl. 113 d.A.) nur insoweit aufgehoben, als er gegen die verantwortlichen Betriebsleiter der dort klagenden landwirtschaftlichen Erzeugerunternehmen in der Rechtsform einer GmbH ergangen war, da das Verwaltungsgericht eine Inanspruchnahme der natürlichen Person mangels höchstpersönlicher Verpflichtungen für rechtswidrig hielt. Die Klage der Erzeugerunternehmen gegen den Bescheid wurde abgewiesen. D.h. insoweit blieb es bei dem Vermarktungsverbot.
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Das streitgegenständliche Getreide war damit auf dem von der Klägerin zu bedienenden Markt für biologisch erzeugtes Getreide nicht handelbar. Dies ist ein Sachmangel (vgl. OLG Karlsruhe vom 25.06.2008 – 7 U 37/07 -; BGH vom 02.03.2005 – VIII ZR 67/04). Für die Annahme des Sachmangels ist bereits ausreichend, dass ein diesbezüglicher Verdacht auf die fehlende Beschaffenheit bestand, der – wie hier – zu öffentlich-rechtlichen Maßnahmen geführt hat, die die Handelbarkeit der Ware als Bio-Ware ausgeschlossen hat (BGH a.a.O.). Dieser Verdacht muss sich nicht positiv bestätigt oder bewahrheitet haben (OLG Karlsruhe a.a.O. TZ. 10 m.w.Nw.). Die Vertragswidrigkeit ist, wie sich aus § 36 Nr. 3 EB erschließt, auch dann bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs gegeben, wenn sie in diesem Zeitpunkt zwar vorhanden ist, aber erst später offenbar wird, wenn es sich mithin um einen versteckten Mangel handelt. Dies ist hier der Fall, da dem Getreide rückwirkend bis einschließlich der Ernte 2008 der Biostatus aberkannt worden war.
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Ein Rechtsmangel ist nicht gegeben. Von einem Sachmangel und keinem Rechtsmangel ist in der Regel auszugehen, wenn die Beschränkung oder die Eingriffsbefugnisse in der Beschaffenheit der Sache begründet sind und/oder eine Nutzungsbeeinträchtigung des Käufers durch gesetzliche Eingriffsbefugnisse einer Behörde, die Eignung der Kaufsache nur zur vereinbarten oder gewöhnlichen Verwendung ausschließen, aber nicht gänzlich (vgl. Westermann in Münchener Komm. BGB 6. Aufl. § 435 Rn. 10 m.w.Nw.). So liegt der Fall hier. Die Klägerin war lediglich daran gehindert, die Gerste als Biogerste zu vermarkten. Darüber hinaus wurde nicht vorgetragen, dass die Verwendung als Gerste schlechterdings ausgeschlossen gewesen sei. Im Gegenteil wurden die streitgegenständlichen Lieferungen – wie die Klägerin selbst vorträgt – weiterverkauft und verfüttert. Entfallen ist also nur die vertraglich vorausgesetzte Verkäuflichkeit als Bioware. Darin liegt ein Sachmangel, kein Rechtsmangel (vgl. hierzu auch BGH vom 05.12.1990 – VIII ZR 75/90).
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3) Die Voraussetzungen für einen Haftungsausschluss gemäß § 36 Nr. 3 EB liegen vor.
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a) Es handelt sich vorliegend um einen verdeckten Mangel, der nicht unter § 32 EB fällt. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass im streitgegenständlichen Getreide absolute Höchstgehalte überschritten worden, unerwünschte verbotene Stoffe oder Kontaminanten enthalten gewesen wären. Dem Getreide fehlte – ausweislich des Tatbestands im Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 21.06.2012 – lediglich mangels eindeutiger Zuordenbarkeit zu einem bestimmten Erzeugerbetrieb eine im Kaufvertrag vorgesehene Zertifizierung. Darin liegt hier der Mangel; über die tatsächliche Beschaffenheit des Getreides sagt dies nichts aus.
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b) Die 20-Tage-Frist des § 36 Nr. 3 EB ist verstrichen. Die letzte Getreidelieferung war im Juni 2010. Der Mangel wurde festgestellt mit Bescheid der Kontrollbehörde vom 07.10.2010. Daher kann die Klägerin aus der mangelhaften Lieferung keine Rechte mehr herleiten; auch ein Rücktritt vom Vertrag war nicht mehr möglich.
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4) Der Beklagten ist eine Berufung auf die Rügeausschlussfrist des § 36 Nr. 3 EB nicht als rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) verwehrt.
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Der Klägerin entsteht hierdurch im konkret zu entscheidenden Fall kein mit der Rechtsordnung unvereinbarer Nachteil, da die Klägerin auch die Frist des § 377 Abs. 3 HGB versäumt hätte, innerhalb derer sie zumindest hätte erkennen lassen müssen, dass sie von den aus dem Mangel für sie hervorgehenden Rechten Gebrauch machen will (Baumbach/Hopt HGB 35. Aufl. 2012, § 377 Rn. 42). Die Klägerin hat selbst nach Aufdeckung des Mangels ihre Rechte nicht unverzüglich, nicht einmal innerhalb der 20-Tage-Frist des § 36 Nr. 3 EB geltend gemacht. Nach eigenem Vortrag hat die Klägerin die Mitteilung über die Aberkennung des Biostatus vom 01.11.2010 (K 2) am 02.11.2010 erhalten. Erst mit Schreiben vom 29.11.2010 (K 3), also 4 Wochen später, hat die Klägerin den Rechnungsbetrag gemindert und Schadensersatzansprüche in Aussicht gestellt. Dies ist zu spät, da die Klägerin nach der Mitteilung der Beklagten vom 01.11.2010 bereits definitiv wusste, dass sie keine vertragsgemäße Gerste geliefert bekommen hatte, nämlich keine Gerste aus kontrolliert biologischem Anbau. Der Hinweis der Beklagten, die Klägerin solle mit der Kontrollstelle besprechen, was zu tun sei, schadet nicht. Dies betrifft tatsächliche Konsequenzen wie etwa die weitere Verwendbarkeit der Gerste, hat aber keinen Einfluss mehr auf die Frage der vertragsgemäßen bzw. mangelhaften Lieferung.
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5) Die Beklagte hat mit der Mitteilung vom 01.11.2010 keine vertraglichen Nebenpflichten gegenüber der Klägerin verletzt.
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Bereits auf Grund der Verfügung der Kontrollbehörde Sachsen-Anhalt vom 07.10.2010 waren die Adressaten der Verfügung, nämlich die Erzeugerbetriebe verpflichtet, ihre Abnehmer, also die Beklagte, gemäß Art. 63 Abs. 2 c der EG-Öko-Verordnung (Durchführungsverordnung vom 05.09.2008, Nr. 889/2008) über die Aberkennung des Öko-Status der von ihnen gelieferten Produkte zu informieren, um sicherzustellen, dass die Bezüge auf die ökologische/biologische Produktion von den Erzeugnissen entfernt werden und die Produkte somit nicht mehr als Öko-Produkte Verwendung finden können. Ebenso entsprach es einer vertraglichen Nebenpflicht der Beklagten, auch ihre Abnehmer davon in Kenntnis zu setzen, dass die Verfügung der Kontrollbehörde vom 07.10.2010 ergangen war, um diese vor weiteren Schäden zu bewahren. Unerheblich ist, ob die Beklagte die Entscheidung der Kontrollbehörde für richtig hielt oder nicht, da allein diese behördliche Entscheidung schon die Beschaffenheit der Ware veränderte und ihre Handelbarkeit als Bio-Produkt ausschloss. Dass die Entscheidung der Kontrollbehörde noch nicht endgültig war, hat die Beklagte durch ihren Hinweis auf die eingelegten Rechtsmittel hinreichend deutlich gemacht.
III.
57
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich des angefochtenen Urteils auf §§ 708 Nr. 10 S. 2, 711 ZPO, hinsichtlich dieses Urteils auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO.
58
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichtes. Die Auslegung der Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel durch die staatlichen Gerichte betrifft wegen der grundsätzlichen Vorgängigkeit der Schiedsgerichte gemäß § 1 EB nur Einzelfälle und erfordert daher keine Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, wenn – wie hier – keine abweichenden obergerichtlichen Entscheidungen vorliegen (vgl. OLG Brandenburg vom 03.05.2012 – 6 U 56/11).
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