BGH, Urteil vom 11. Oktober 1983 – VI ZR 251/81
1. Dem bei einem Kfz-Unfall Geschädigten, der den Haftpflichtversicherer des Schädigers in Anspruch nimmt, sind in Grenzen Rücksichtspflichten bei der Schadenfeststellung auferlegt, deren Verletzung ihn unter besonderen Umständen zum Ersatz von Mehrkosten der Schadenregulierung verpflichten kann (hier: Mehrkosten wegen grundloser Verweigerung der Besichtigung des Unfallwagens durch einen Sachverständigen des Versicherers nach dessen Anreise).
2. Zur Berechnung des Schadenersatzanspruchs eines Witwers für den Verlust von Unterhaltsleistungen durch den Tod seiner Ehefrau, wenn beide Ehegatten Bareinkommen erzielten.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 12. Ferienzivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 28. September 1981 wird insoweit zurückgewiesen, als der Kläger einen Betrag von 254,50 DM geltend macht.
Im übrigen wird das angefochtene Urteil aufgehoben, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die damals 54 Jahre alte Ehefrau des Klägers wurde am 17. August 1978 bei einem vom Beklagten verursachten Verkehrsunfall als Fahrerin eines der Taxis ihres Mannes getötet. Unstreitig haftet der Beklagte dem Grunde nach in vollem Umfang. Im Revisionsverfahren stehen zur Schadenshöhe nur noch der am Wagen des Klägers entstandene Schaden, ferner ein Betrag von 254,50 DM, mit dem der Beklagte aufgerechnet hat, und der Rentenanspruch des Klägers wegen Ausfalls seiner Ehefrau im Haushalt sowie in dem vom Kläger betriebenen Taxi-Unternehmen und in dem von ihr selbst geführten Gemischtwaren-Einzelhandelsgeschäft zur Überprüfung.
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Zum Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Unterhalts hat der Kläger vorgetragen, das Gemischtwarengeschäft habe seine Ehefrau ohne seine Mithilfe geführt; er habe es zum 31. Dezember 1978 schließen müssen. In seinem Taxi-Betrieb habe seine Ehefrau etwa die Hälfte der anfallenden Fahrten durchgeführt. Im übrigen habe sie den gesamten Haushalt allein versorgt.
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Der Beklagte hat seinen Antrag auf Abweisung der Rentenansprüche damit begründet, die Ehefrau des Klägers habe eine so umfangreiche Tätigkeit, wie der Kläger sie schildere, nicht ausgeübt, zumindest sei sie dazu nicht verpflichtet gewesen. Zudem habe der Kläger durch den Tod seiner Ehefrau Aufwendungen erspart, die im Wege der Vorteilsausgleichung von dem Rentenanspruch abzuziehen seien; die entgangene Unterhaltsleistung und die ersparten Aufwendungen glichen sich in etwa aus.
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Das Landgericht hat unter Abweisung des weitergehenden Antrages seiner Verurteilung zur Zahlung von 1.743,14 DM nebst Zinsen einen Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs von 8.900 DM zugrunde gelegt, die Aufrechnung mit dem Betrag von 254,50 DM für gerechtfertigt gehalten und dem Kläger eine monatliche Rente für die Zeit vom 18. August 1978 bis 31. August 1984 in Höhe von 1.000 DM und für die Zeit vom 1. September 1984 bis 31. August 1994 in Höhe von 600 DM zuerkannt.
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Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
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Das Oberlandesgericht hat die Klageabweisung hinsichtlich der beiden streitigen Posten von 2.600 DM (Mehranspruch für den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges) und von 254,50 DM (zur Aufrechnung gestellter Betrag) bestätigt, dagegen die Rentenansprüche für den gesamten Zeitraum auf monatlich 150 DM begrenzt.
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Mit der Revision verfolgt der Kläger die beiden bezifferten streitigen Beträge weiter und begehrt ferner, wie schon im zweiten Rechtszug, als Rente einen monatlichen Betrag, der mindestens 100 DM über die vom Landgericht jeweils zuerkannten Renten hinausgeht, sowie die Verlängerung der Zahlung des Rentenbetrages von mindestens 1.100 DM bis zu dem Zeitpunkt, in dem seine Ehefrau das 65. Lebensjahr vollendet haben würde.
Entscheidungsgründe
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Das Berufungsgericht geht von folgendem festgestellten Sachverhalt aus: Der Kläger bewohnte mit seiner Ehefrau und seinen beiden damals 25 und 22 Jahre alten, bereits im Beruf stehenden Söhnen ein eigenes Haus, in dem sich im Parterre ein Ladenraum und ein Lagerraum sowie ein Zimmer (in dem einer der Söhne wohnte) und im Obergeschoß neben Küche und Bad das Schlafzimmer der Eheleute und ein weiteres (von dem anderen Sohn bewohntes) Zimmer befanden. Beide noch ledigen Söhne wurden von der Mutter mitversorgt. Neben dem Haushalt führte die Ehefrau des Klägers – mit Unterstützung einer Hilfskraft – ein Einzelhandelsgeschäft, das auf ihren Namen eingetragen war. Außerdem fuhr sie zeitweise ein Taxi im Mietwagenbetrieb ihres Ehemannes.
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Zu den einzelnen streitigen Beträgen führt das Berufungsgericht folgendes aus:
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1. Der Wiederbeschaffungswert des am 26. August 1974 zugelassenen, beim Unfall total beschädigten Taxis des Klägers sei mit 8.900 DM anzusetzen (9.500 DM abzüglich verbleibender Restwerte von 600 DM). Damit folgt es dem vom Haftpflichtversicherer des Beklagten beauftragten Sachverständigen S. und nicht dem Privatgutachter des Klägers H., der den Betrag auf 11.500 DM (12.100 DM abzüglich 600 DM) geschätzt hat. Es hält diesen höheren, von H. geschätzten Betrag deswegen nicht für richtig, weil H. von einer Fahrleistung des Fahrzeugs von 106.361 km ausgegangen sei, was für die Bemessung des Wiederbeschaffungswertes von erheblicher Bedeutung gewesen sei. Dieser auf eigenen Angaben des Klägers beruhende Kilometerstand (der Tachometer habe nur eine fünfstellige Ziffer ausgewiesen) sei unrichtig; zumindest sei von einer Fahrleistung des Taxis von 206.361 km auszugehen, wie der Sachverständige S. sie seinem Gutachten zugrunde gelegt habe. Dieser habe bei der Kundendienstwerkstatt ermittelt, daß das Taxi am 11. November 1975, also gut ein Jahr nach der Zulassung, bereits etwa 68.000 km zurückgelegt hatte. Da der Wagen im Zeitpunkt des Unfalls fast weitere drei Jahre im Einsatz gewesen und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als neueres Fahrzeug bevorzugt verwendet worden sei, erscheine es unglaubhaft, daß es während dieses Zeitraums von knapp 3 Jahren insgesamt nur etwa 40.000 km zurückgelegt habe. Die dies bestätigende Aussage des Sohnes des Klägers Georg sei widersprüchlich und nicht geeignet, die Richtigkeit der klägerischen Behauptung zu beweisen.
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Die hiergegen von der Revision erhobene Verfahrensrüge greift durch.
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Das Berufungsgericht hat davon abgesehen, die vom Kläger beantragte Vernehmung des Sachverständigen H. über den Zustand des Wagens bei seiner Besichtigung anzuordnen. Es hält dessen Vernehmung zur weiteren Aufklärung des Streitpunktes für ungeeignet, da er aus eigenem Wissen zur Kilometerleistung des Fahrzeugs nichts sagen und aus dem Zustand des Wagens keine zuverlässigen Angaben über die Fahrleistung machen könne, zumal er Motor und Getriebe nicht zerlegt gehabt habe.
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Hierin liegt ein Verfahrensfehler. Die Zurückweisung eines Beweises als ungeeignet ist nur unter größter Zurückhaltung zulässig (BGHZ 53, 245, 259). Hier hätte der sachverständige Zeuge über seine Feststellungen und konkreten Wahrnehmungen bei der Besichtigung des Fahrzeugs befragt werden können. Auch wenn er das Fahrzeug nicht zerlegt hatte, erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Besichtigung bei seiner besonderen Sachkunde einen Hinweis auf die streitige Kilometerleistung von angeblich 106.361 oder 206.361 km – möglicherweise auch mit einer Plausibilitätsbetrachtung – hätte erbringen können. Allein aus dem Umstand, daß der Kläger im Termin vom 14. September 1981 am Ende der Beweisaufnahme den Beweisantrag nicht ausdrücklich wiederholt hat, kann ohne ausdrückliche Befragung durch das Gericht nicht davon ausgegangen werden, er wolle ihn nicht aufrechterhalten. Hierauf hat es das Berufungsgericht auch nicht abgestellt.
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2. Das Berufungsgericht hält die Aufrechnung des Beklagten gegen die dem Kläger zuerkannte Forderung mit einem Betrag von 254,50 DM für berechtigt. Diesen Betrag habe der Haftpflichtversicherer des Beklagten wegen der zunächst erfolgten Beauftragung des Sachverständigen P. nutzlos aufwenden müssen. Nachdem der Kläger diesem Sachverständigen den Zutritt zur Besichtigung des Fahrzeugs verweigert und ihn grundlos abgelehnt hatte, habe der Versicherer einen anderen Sachverständigen mit der Überprüfung des vom Kläger vorgelegten Privatgutachtens betrauen müssen. Das Berufungsgericht wertet die Verweigerung des Zutritts als Verstoß gegen die Pflicht des Klägers, innerhalb des Abwicklungsverhältnisses über den eingetretenen Schaden diesen möglichst gering zu halten. Es sieht darin eine positive Forderungsverletzung, die den Beklagten zur Aufrechnung berechtige.
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Diese Ausführungen halten jedenfalls im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.
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Zwischen dem Kläger und dem Haftpflichtversicherer des Beklagten bestand nach § 3 PflVG ein gesetzliches Schuldverhältnis. Das Gesetz gibt dem Geschädigten auf Grund eines gesetzlich angeordneten Schuldbeitritts in der Person des Versicherers einen weiteren Schuldner für seinen deliktischen Schadensersatzanspruch (BGHZ 57, 265, 269; 69, 153, 157; 69, 315, 316; zustimmend Johannsen in Bruck/Möller/Sieg, VVG, 8. Aufl., Anm. B 9 b S. 12). In Grenzen sind damit auch dem Geschädigten Pflichten zur Rücksichtnahme auf den Haftpflichtversicherer bei der Schadensfeststellung auferlegt, deren Verletzung über prozessuale Nachteile für die Durchsetzung der eigenen Schadensersatzansprüche hinaus ihn unter besonderen Umständen zum Ersatz von Schäden des Versicherers verpflichten kann. Nach Auffassung des Senats sind die Voraussetzungen für eine Einstandspflicht des Klägers hier dadurch erfüllt, daß er dem vom Versicherer des Beklagten beauftragten Sachverständigen P. die zur Begutachtung erforderliche Inaugenscheinnahme des Fahrzeuges – nachdem der Gutachter bereits angereist war – grundlos verwehrte. Denn der Haftpflichtversicherer konnte begründete Zweifel an der Richtigkeit des vom Kläger vorgelegten Privatgutachtens des Sachverständigen H. haben, weil der darin angeführte, angeblich abgelesene Tachometerstand von 106.361 km für das seit rd. 4 Jahren als Taxi eingesetzte Fahrzeug ungewöhnlich niedrig war. Wie das Berufungsgericht feststellt, hatte der Sachverständige P. sich über die Rechtsanwälte des Klägers bei diesem angemeldet. Der Kläger beruft sich erstmals im Revisionsrechtszug – was unzulässig ist – darauf, daß er von seinen Anwälten hiervon nicht unterrichtet worden sei. Zwar war der Termin nicht zwischen P. und ihm „vereinbart“. Der Kläger war aber beim Erscheinen des Sachverständigen anwesend und hat nicht dargetan, daß ihm die Inaugenscheinnahme des Fahrzeugs durch P. etwa unzumutbar gewesen wäre. Diese eilte, denn unstreitig war dem Sachverständigen von den Prozeßbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt worden, daß das zu begutachtende Fahrzeug vom Kläger verkauft worden war und sehr wahrscheinlich noch am selben Tage weggebracht werden würde. Unter diesen besonderen Umständen verstieß der Kläger gegen die ihm obliegende Rücksichtspflicht, wenn er dem Sachverständigen, ohne einen berechtigten Grund zu haben, die Besichtigung des Fahrzeugs verwehrte. Es ist unstreitig, daß dem Versicherer durch die daraufhin notwendig werdende Beauftragung eines anderen Sachverständigen – die dafür anfallenden Kosten gehören grundsätzlich zum nicht erstattungsfähigen Bearbeitungsaufwand des den Schaden regulierenden Versicherers (s. Himmelreich/Klimke, Kfz-Schadensregulierung Rdz. 1903 ff. m.w.Nachw.) – zusätzlich Kosten in Höhe von 254,50 DM entstanden sind. Mit ihnen kann er daher gegen die Forderung des Klägers aufrechnen.
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3. Zum Rentenanspruch des Klägers führt das Berufungsgericht aus: Der gesamte wegen entgangener Haushaltsführung und entgangener gewerblicher Tätigkeit nach § 844 Abs. 2 BGB zu ersetzende Schaden des Klägers belaufe sich auf monatlich 150 DM. Die ihm geschuldete Haushaltsführung sei unter Berücksichtigung einer Mitarbeitspflicht des Klägers auf täglich 2, also wöchentlich auf 14 Stunden zu schätzen. Hinzu komme eine Stunde täglich an sechs Tagen der Woche für die Mithilfe seiner Frau in seinem Taxibetrieb. Zu einer darüber hinausgehenden Mitarbeit sei sie weder in der Lage noch gar verpflichtet gewesen, weil sie im wesentlichen das Einzelhandelsgeschäft geführt habe. Die für eine Ersatzkraft nach BAT VIII aufzuwendende Vergütung würde monatlich 1.190,72 DM betragen. Hiervon seien jedoch 890,92 DM ersparter Unterhaltsaufwand abzuziehen, die der Kläger seiner Ehefrau unter Berücksichtigung ihrer beider Einkommen geschuldet habe. Weiterhin sei ein Betrag von monatlich 150 DM für die Benutzung des Ladenraumes abzuziehen, der seit Schließung des Geschäftes (31. Dezember 1978) vom Kläger teilweise als Büro für den Taxibetrieb, teilweise als Lagerraum benutzt werde. Die verbleibende Differenz von monatlich 150 DM werde als Rente bis zum 31. August 1994 (= dem 70. Lebensjahr seiner Ehefrau) geschuldet.
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Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind zum Teil berechtigt.
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a) Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß sich die gesamten Rentenansprüche des Klägers, also auch hinsichtlich der entgangenen Mitarbeit seiner Ehefrau in seinem Taxibetrieb, nach neuem Eheverständnis allein aus § 844 Abs. 2 BGB (und nicht mehr aus § 845 BGB) herleiten (BGHZ 77, 157) und der Kläger nur Ersatz für die i h m entgangene Haushaltsführung verlangen kann; die Versorgung der Getöteten selbst und ihrer beiden Söhne muß außer Betracht bleiben (Senatsurteile vom 14. März 1972 – VI ZR 160/70 = VersR 1972, 743 und vom 8. Juni 1982 – VI ZR 314/80 = VersR 1982, 951).
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Ebensowenig ist zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den nach § 844 Abs. 2 BGB für die Entziehung des Rechts auf Unterhalt zu leistenden Schadensersatz, und zwar sowohl für die Mitarbeit im Taxibetrieb als auch für die entgangene Haushaltsführung, im Wege der Schätzung nach dem Arbeitszeitaufwand bestimmt, der benötigt wird, um den Verlust des von der Ehefrau zur Sicherung der wirtschaftlichen Grundlage der ehelichen Lebensgemeinschaft erbrachten Unterhaltsbeitrages auszugleichen. Eine solche Schätzung hält sich im Ermessensspielraum des § 287 ZPO, obwohl – wie noch darzulegen sein wird – bei der Ermittlung des entgangenen Barunterhaltes als Ausgangspunkt eine Addition der von beiden Ehegatten erzielten Einkünfte die Berechnung erleichtert. Daß das Berufungsgericht dabei die Einkünfte aus der Führung des Einzelhandelsgeschäftes durch die Ehefrau des Klägers zunächst (BU S. 20) außer Betracht ließ, hat sich entgegen der Ansicht der Revision nicht zum Nachteil des Klägers ausgewirkt; denn es hat diese Einnahmen bei der Berechnung der Vorteilsausgleichung, da sie der Ehefrau zur Bestreitung ihres eigenen Unterhaltsbedarfs dienten, berücksichtigt. (Zweckmäßigerweise wäre dieser Betrag allerdings schon bei der Feststellung des gesamten Familieneinkommens einzusetzen gewesen). Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß auch diese Geschäftseinnahmen in die Berechnung einzubeziehen sind, da die Eheleute ohnehin nur über ein Gesamteinkommen von mtl. 3.150,84 DM netto (wie das Berufungsgericht es errechnet) verfügten.
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Schließlich kann der Revision auch nicht darin zugestimmt werden, daß das Berufungsgericht bei der Bewertung der entgangenen Haushaltstätigkeit den Arbeitszeitbedarf für den durch den Tod der Ehefrau reduzierten 2-Personen-Haushalt mit wöchentlich 20 Stunden fehlerhaft zu niedrig angesetzt habe. Wenn auch die Begründung des Berufungsgerichts (BU S. 21), dies sei ein Mittelwert zwischen den dort aufgeführten 17,9 und 22 Stunden, sich deswegen als fehlerhaft erweist, weil es sich bei den angeführten 22 Stunden um den nicht reduzierten, also mit zwei Personen zu versorgenden Haushalt handelt, hält sich die zugrunde gelegte Stundenzahl mit wöchentlich 20 dennoch im Rahmen tatrichterlicher Schätzung. Diese Stundenzahl liegt etwas über der von Schulz-Borck/ Hofmann (Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, Tabelle 1 S. 13) für einen Haushalt geringen Zuschnitts vorgeschlagenen wöchentlichen Stundenzahl von 17,9, aber unterhalb der in dieser Tabelle für den reduzierten 2-Personen-Haushalt mittleren Zuschnitts angegebenen Zahl von 27 Wochenstunden.
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b) Das angefochtene Urteil kann, soweit die Ansprüche des Klägers aus § 844 Abs. 2 BGB abgewiesen wurden, jedoch keinen Bestand haben, weil es in mehrfacher Hinsicht auf fehlerhaften Bewertungskriterien beruht.
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aa) Es liegt ein Berechnungsfehler darin, daß das Berufungsgericht bei der Schätzung entgangener Haushaltsführung dem Kläger, obwohl seine Ehefrau unstreitig die im Haushalt anfallenden Arbeiten allein verrichtete, mit der Begründung, dies sei eine „überobligationsmäßige Leistung“, eine Stunde täglicher Mitarbeitspflicht anlastet. Durch die Wandlung des Eheverständnisses, wie sie insbesondere im 1. Eherechtsreformgesetz von 1977 ihren Niederschlag gefunden hat, bestimmen sich Art und Ausmaß der gegenseitigen Unterhaltspflicht nach der besonderen Ausgestaltung der wirtschaftlichen Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft, wie die Ehegatten sie im Einzelfall vereinbarungsgemäß nach §§ 1356 ff. BGB geregelt haben. Nachdem das Leitbild der „Hausfrauenehe“ in Fortfall gekommen ist, kann die Erledigung der Hausarbeit absprachegemäß sowohl zwischen den Eheleuten aufgeteilt als auch einem von ihnen allein als auch einer dritten Person (entgeltlich oder unentgeltlich) übertragen werden. Unstreitig hatte im Streitfall die Ehefrau des Klägers den Haushalt zu versorgen. Der Beklagte muß also jedenfalls für den Zeitraum, in welchem der Kläger mit ganzer Kraft berufstätig ist, die entgangene Haushaltsführung in vollem Umfang ausgleichen, d.h. mit 20 Wochenstunden und nicht nur, wie das Berufungsgericht annimmt, mit 14 Wochenstunden. Im übrigen wird das Berufungsgericht für den Zeitraum, in welchem der Kläger seinen Beruf nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr ausübt, die alsdann von den Ehegatten (vermutlich) vorzunehmende Aufteilung der Haushaltsführung der Berechnung zugrundezulegen haben.
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bb) Derselbe Fehler hat sich auch bei der Bewertung der Mitarbeit der Ehefrau im Taxibetrieb des Klägers, also bei der Berechnung der entgangenen Bareinkünfte, ausgewirkt. Das Berufungsgericht stellt (nach altem Recht) darauf ab, welche Arbeitsleistung die Ehefrau dem Kläger „gesetzlich schuldete“, und kommt dabei zu einer Schätzung von einer Stunde täglich. Die tatsächlich von ihr übernommenen Taxifahrten sind dabei nicht ermittelt, sie könnten aber jedenfalls ein Indiz für die Absprache der Ehegatten sein. Zwar ist die Würdigung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, daß die Behauptung des Klägers, seine Ehefrau habe etwa die Hälfte der Taxifahrten übernommen, im Hinblick auf ihre sonstige Unterhaltsleistung im Haushalt und Einzelhandelsgeschäft fernliegend sei und durch die Beweisaufnahme in keiner Weise bestätigt werde. Das Berufungsgericht wird sich bei Ermittlung der absprachegemäß geschuldeten Taxifahrten aber zunächst ein Bild über die Vereinbarung der Ehegatten in einem solchen Familienbetrieb zu machen und zu ermitteln haben, wie stark die Ehefrau tatsächlich im Taxibetrieb mit eingespannt war. Sollten seine Ausführungen dahin zu verstehen sein, daß die Ehefrau neben ihren anderen Unterhaltsverpflichtungen tatsächlich nur zu einer einstündigen Mithilfe im Taxibetrieb des Klägers in der Lage war, wäre die eingesetzte Stundenzahl nicht zu beanstanden. Jedoch weist die Revision zu Recht darauf hin, daß diese, dem Barunterhalt der Ehegatten dienende Tätigkeit der Höhe nach selbständig zu bewerten und nicht ohne weiteres mit dem für die entgangene Haushaltstätigkeit eingesetzten Tarif BAT VIII angemessen abgegolten ist. Bei der Überprüfung seiner Berechnung wird das Berufungsgericht ferner zu berücksichtigen haben, daß die Einkünfte aus dem Taxibetrieb Bestandteil des dem Unterhalt beider Ehegatten dienenden Bareinkommens gewesen sind, die Ehefrau des Klägers ihre Mitarbeit im Ergebnis also teilweise auch zur Bestreitung ihres eigenen Unterhalts geleistet hat.
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cc) Vor allem aber ist dem Berufungsgericht insoweit ein Fehler unterlaufen, als es bei Schätzung des auszugleichenden Vorteils durch ersparten Unterhaltsaufwand außer Betracht läßt, daß der Kläger auch nach dem Tod seiner Ehefrau – im wesentlichen unverändert – mit den sog. „fixen Kosten“ belastet geblieben ist, die er nunmehr aus den Bareinkünften allein bestreiten muß. Dabei handelt es sich um unabhängig von dem Wegfall seiner Ehefrau gleich hoch anfallende Ausgaben, wie beispielsweise die mit der Wohnung und ihrer Unterhaltung zusammenhängenden Kosten (einschl. Licht, Heizung, Reparaturen pp.), Ausgaben für erforderliche Information (Zeitung, Rundfunk, Fernsehen), Telefon-Grundgebühr, evtl. Pkw-Aufwendungen und ähnliches. Es gehörte zur Aufklärungspflicht des Gerichtes (§ 139 ZPO), den Kläger auf eine entsprechende Ergänzung seines Sachvortrages hinzuweisen.
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dd) Das Berufungsgericht hat auch zu Unrecht einen Betrag von monatlich 150,– DM als Nutzungswert für die beiden früher dem Einzelhandelsgeschäft der Ehefrau dienenden Räume im Wege der Vorteilsausgleichung abgezogen. Diese beiden Räume, die nunmehr dem Kläger als Büro für den Taxibetrieb und als Lagerraum dienen, sind wegen ihrer räumlichen Zuordnung zu dem als Einfamilienhaus genutzten Wohnhaus nicht ohne weiteres anderweitig verwertbar und stellen somit für den Kläger, da dieser hierdurch nicht etwa Mietausgaben erspart, keinen vermögenswerten Vorteil dar.
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4. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht bei der Bewertung der entgangenen Haushaltsführung bei nur gedachtem Aufwand die Senatsurteile vom 8. Juni 1982 – VI ZR 314/80 = VersR 1982, 951 und vom 8. Februar 1983 – VI ZR 201/81 = BGHZ 86, 372 = VersR 1983, 458 zu beachten haben. Im übrigen mag – im Interesse einer in diesem Bereich möglichst einheitlichen Handhabung – zur Neuberechnung folgendes Modell mit fiktiv eingesetzten Zahlen (vgl. für die Berechnung des Unterhaltsschadens eines Witwers auch Senatsurt. v. 22. März 1983 – VI ZR 67/81 = VersR 1983, 726) als Beispiel dienen:
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A: Bar-Einkünfte:
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Ehemann mtl. netto 2.400,- DM
abz. anteiliger * „fixer Kosten“ – 300,- DM
für die persönlichen Bedürfnisse der
Ehegatten verfügbares Manneseinkommen 2.100,- DM
Verteilungsschlüssel (hier 1:1) geteilt durch 2
ersparter Unterhaltsbeitrag an die Ehefrau = 1.050,- DM
* Anm.: Wenn beide Ehegatten Einkünfte
erzielen, trägt jeder von ihnen zu den
fixen Kosten im Verhältnis seines in
das Familieneinkommen eingebrachten
Anteils bei, im Streitfall bei angenommenen
fixen Kosten von 400,– DM
3:1.
Ehefrau mtl. netto 800,-. DM
abz. anteiliger „fixer Kosten“ (1/4 von 400) -100,- DM
für die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten verfügbares Fraueneinkommen 700,– DM
Verteilungsschlüssel (hier 1:1) geteilt durch 2
dem Ehemann entgangener Unterhalts-Baranteil 350,– DM
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B: Entgangene Haushaltsführung (Schaden)
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Zu berechnen nach dem Arbeitszeitbedarf (hier etwa 20 Wochenstunden nach BAT VIII), wobei i.a. folgende Möglichkeiten des Ausgleichs für die entgangene Haushaltsführung denkbar sind:
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a) Einstellung einer Ersatzkraft (Tarifgehalt brutto)
b) Verwandtenhilfe (s. Senatsurteil vom 8. Juni 1982
– VI ZR 288/79 = VersR 1982, 874)
c) „fiktive“ Ersatzkraft (Senatsurteil v. 8. Februar 1983 aaO)
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C: Vorteilsausgleichung zu Lasten des Witwers
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Ersparter Unterhaltsbeitrag 1.050,– DM
abz. entgangenem Unterhaltsbarbeitrag
der Ehefrau 350,– DM
und anteiliger
„fixer Kosten“
Ehefrau 100,– DM
zusammen 450,– DM
anzurechnender Vorteilsbetrag: =
600,– DM
Dieser Betrag von 600 DM ist von dem Ersatzbetrag für entgangene Haushaltsführung (B) abzuziehen.
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Im Streitfall würde allerdings, da unterhaltsbedürftige Kinder nicht vorhanden sind, ebenso wie in Fällen, in denen die Ehefrau nicht über eigene Bareinkünfte verfügt, ein Abzug der gesamten „fixen Kosten“ von dem Gesamteinkommen und deren Hinzurechnung zum hälftigen Familieneinkommen zu demselben Ausgleichsbetrag eines ersparten Vorteils von 600,– DM führen.