VG Koblenz, Urteil vom 29.05.2019 – 4 K 1252/18.KO
Bewertung einer Klausur mit „nicht ausreichend“ bei wesentlicher Überschreitung der Bearbeitungszeit
Das VG Koblenz hat entschieden, dass eine Vorschrift in der Prüfungsordnung einer Hochschule, wonach bei einem Überschreiten der Bearbeitungszeit eine schriftliche Klausur mit der Sanktionsnote „nicht ausreichend“ belegt wird, rechtmäßig ist, soweit die Überschreitung wesentlich ist.
Der Kläger, Student an der Hochschule Koblenz, nahm im Juni 2018 an einer 90-minütigen Klausur teil. Nachdem die Aufsichtsführende nach dem Ende der Bearbeitungszeit bereits über 50 Klausuren eingesammelt hatte, stellte sie fest, dass der Kläger noch immer seine Klausur bearbeitete. Dies wurde im Protokoll vermerkt und die Klausur des Klägers im Anschluss vom Prüfungsausschuss auf Grundlage der Prüfungsordnung mit der Sanktionsnote „nicht ausreichend“ bewertet.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren trug der Kläger mit seiner Klage vor, er habe die Ansagen bzgl. des Endes der Bearbeitungszeit nicht gehört, weil er intensiv in seine Bearbeitung vertieft gewesen sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er nicht aus Deutschland stamme und der deutschen Sprache nicht hundertprozentig mächtig sei. Im Gegensatz zu anderen Prüfungsteilnehmern benötige er allein schon für das Verständnis des Textes bzw. das Formulieren Zeit. Die Vergabe einer Sanktionsnote, selbst wenn man unterstelle, er habe die Abgabeansage gehört, sei bei einer nur geringfügigen Überschreitung der Bearbeitungszeit – wie hier der Fall – unverhältnismäßig.
Das VG Koblenz hat die Klage des Studierenden gegen die entsprechende Bewertung seiner Klausur abgewiesen.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts muss sich eine solche Sanktionsvorschrift, wie sie sich in der Prüfungsordnung der Beklagten finde, aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Berufsfreiheit zwar auf ein förmliches Gesetz stützen. Das rheinland-pfälzische Hochschulgesetz sehe hingegen derartige Sanktionen nicht ausdrücklich vor, sondern nur Regelungen zum Bestehen der Prüfung. Dies umfasse bei einer verfassungskonformen Auslegung aber auch das Aufstellen typischer verfahrensrechtlicher Regelungen im Prüfungsrecht. Eine solche Regelung sei es, bei einer wesentlichen Überschreitung der Bearbeitungszeit einer Klausur diese mit der Note „nicht ausreichend“ zu bewerten. Dies ergebe sich aus dem Grundsatz der Chancengleichheit der übrigen Prüfungsteilnehmer. Eine derart wesentliche Überschreitung der Bearbeitungszeit bejahten die Richter im vorliegenden Fall. Ob eine solche vorliege, sei neben der Berücksichtigung des Klausurtyps auch nach der Bearbeitungsdauer zu bestimmen. Hier habe die Bearbeitungszeit insgesamt 90 Minuten betragen. Der Kläger hingegen habe nach Überzeugung des Gerichts seine Klausur mindestens noch 1:30 Minuten nach Ende der Bearbeitungszeit weiterbearbeitet. Dies sei ausreichend gewesen, um sich einen für die Bewertung erheblichen Vorteil zu verschaffen.
Gegen das Urteil können die Beteiligten die Zulassung der Berufung durch das OVG Koblenz beantragen.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 21/2019 des VG Koblenz vom 14.06.2019