Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 05. Februar 2019 – 7 U 160/18
1. Derjenige, der eine Gefahrenlage schafft (bzw. verantwortet), ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung Anderer möglichst zu verhindern. Dabei sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger des betroffenen Verkehrskreises für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm nach den Umständen auch zuzumuten sind.
2. Bei einem durch ein Gitterrost abgedeckten, nach ca. 8 m abrupt in einer 83 cm tiefer liegenden, ungesicherten Grube endenden Amphibientunnel in einem Stadtpark handelte es sich um eine Gefahrenquelle, die als solche zumindest deutlich zu kennzeichnen und ggf. abzusichern ist.
3. Einem Stadtparkbetreiber obliegt die Pflicht, das Benutzen der Geh- und Fahrwege in dem öffentlich zugänglichen Parkgelände möglichst gefahrlos zu gestalten. Im Rahmen des Zumutbaren sind dabei auch Anlagen außerhalb von Geh- und Fahrwegen, die nicht ohne weiteres als Gefahrenstelle erkennbar sind, zu sichern. Auf eine allgemeine Beleuchtungspflicht in öffentlichen Parkanlagen kommt es dabei nicht an. Wenn das das Parkgelände auch in der Nacht zumindest teilweise ausgeleuchtet ist, dürfen potentielle Parknutzer darauf vertrauen durften, dass auch besondere Gefahrenquellen links und rechts des Weges gesichert oder aber zumindest deutlich gekennzeichnet sind.
4. Den Geschädigten trifft ein Mitverschulden, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schäden zu bewahren. Wer in alkoholisiertem Zustand nachts mit dem Fahrrad durch einen teilweise unbeleuchteten Stadtpark fährt und dabei ungebremst in eine ungesicherte, 83 cm tiefer liegende Kuhle fällt, trifft eine Mitverschuldensquote von 60%.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
I. Die Beklagte wird gem. § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung gegen das angefochtene Urteil offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.
III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für den 2. Rechtszug auf 222.323,85 € festzusetzen (Wert der Berufung: 88.929,54 € = 67.508,80 € + 1.420,74 € + 20.000,00 € für den Feststellungsausspruch; Wert der Anschlussberufung: 133.394,31 € = 101.263,21 € + 2.131,10 € + 30.000,00 € für den Feststellungsantrag).
Gründe
I.
1
Die Klägerinnen machen aus übergegangenem Recht (§ 116 SBG X) Ansprüche der gesetzlich krankenversicherten … (geboren …) aus einem Fahrradunfall geltend, der sich am 22.07.2013 gegen 23.45 Uhr im Stadtpark N ereignet hat. Die Beklagte ist Betreiberin des Stadtparks und für diesen verkehrssicherungspflichtig. Zu diesem Stadtpark gehört ein See mit einem Rundweg sowie eine Wasserskianlage mit einem Cafe nebst Terrasse und außen stehenden Liegestühlen. Der Rundweg wird von einem Gitterrost gekreuzt, der zur Abdeckung einer dort vorhandenen Amphibienleiteinrichtung (im Folgenden: Amphibientunnel) dient. Diese Einrichtung sah aus wie ein überdachter Abwasserkanal und endete nach ca. 8 m abrupt an einer Kante, die in eine 83 cm tiefer liegende Kuhle mündete.
2
Die Zeugin X, die mit ein paar Freunden abends noch im Stadtpark unterwegs gewesen war, wollte gegen 23.30 Uhr mit dem Fahrrad nach Hause fahren. Sie bog vom Rundweg nach rechts ab und fuhr auf dem mit Stahlgittersegmenten abgedeckten Amphibientunnel weiter bis sie in die Kuhle stürzte. Sie erlitt u. a. eine komplette Querschnittslähmung unterhalb D 12 nach ASIA Typ A sowie diverse Knochenbrüche, eine Unterkieferfraktur, eine Orbitalbodenfraktur rechts, ein Brillenhämatom sowie eine Kalottenfraktur frontal. Zuvor hatte die Geschädigte im Laufe des Abends vier Bier getrunken. Die am 23.07.2013 um 03.20 Uhr entnommene Blutprobe enthielt eine BAK von 0,78 ‰.
3
Die Klägerinnen haben behauptet, die Beklagte habe als Betreiberin des Stadtparks ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Die auf dem Hauptweg vorhandenen Beleuchtungseinrichtungen seien größtenteils nicht eingeschaltet oder aber defekt gewesen. Die Unfallstelle sei nicht ordnungsgemäß abgesichert gewesen.
4
Die Klägerin zu 1. hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 168.772,01 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. aus 108.141,69 € seit dem 06.06.2014 und aus weiteren 60.630,32 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen und
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2. die Beklagte zu verurteilen, sie von den Anwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten für deren vorgerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von 3.161,83 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 10.06.2015 freizustellen.
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Die Klägerin zu 2. hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.551,84 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. hieraus seit dem 06.06.2014 zu zahlen und
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2. die Beklagte zu verurteilen, sie von Anwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten für deren vorgerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von 564,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem seit dem 10.06.2015 freizustellen.
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Beide Klägerinnen haben ferner beantragt,
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festzustellen, dass die Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, ihnen sämtliche weiteren Kosten, Schäden und Aufwendungen zu ersetzen, die ihnen aus der Verletzung der …, vom 22.07.2013 gegen 23:45 Uhr im Stadtpark N entstanden sind und noch entstehen werden.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat behauptet, die Beleuchtung im Stadtpark sei regelmäßig durch die Stadtwerke N kontrolliert worden. Die Abdeckung des Amphibientunnels sei für jeden Benutzer schon durch den unterschiedlichen Belag ohne weiteres erkennbar gewesen. Die Klägerinnen müssten sich außerdem ein ganz erhebliches, anspruchsausschließendes Mitverschulden der Geschädigten zurechnen lassen.
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Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Y, Z, H, K, B, S, N und M. Ferner ist die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte (…) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
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Mit dem angefochtenen Urteil vom 30.10.2010 hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin zu 1. einen Betrag in Höhe von 67.508,80 € nebst Zinsen und an die Klägerin zu 2. einen Betrag in Höhe von 1.420,74 € nebst Zinsen zu zahlen und ferner festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen sämtliche weitere Schäden aus der Verletzung der … vom 22.07.2013 in Höhe von 40 % zu ersetzen.
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Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB verletzt habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne ein verständiger Dritter erwarten, dass ein derartiger Gefahrenherd abgesperrt, ausgeschildert oder zumindest ausreichend beleuchtet sei. Dies alles habe die Beklagte versäumt. Aufgrund des fahrlässigen Verhaltens der Geschädigten sei der Anspruch jedoch gem. § 254 Abs. 1 in Höhe von 60 % zu kürzen. Die Zeugin X sei in alkoholisiertem Zustand und im Dunkeln unbedarft auf die Abdeckung des Amphibientunnels geraten. Angesichts des veränderten Wegebelags, der neuen Geräuschkulisse und des Umstandes, dass sie zuvor Alkohol konsumiert hatte, hätte sie das Tempo verlangsamen und ggf. sogar absteigen und ihr Fahrrad schieben müssen. Allerdings wäre auch bei langsamerer Fahrt oder auch bei einem Schieben des Fahrzeugs eine schwere Verletzung möglich gewesen. Die Geschädigte habe nicht damit rechnen müssen, urplötzlich 83 cm in die Tiefe zu stürzen. Die Beklagte sei dafür haftbar zu machen, dass sie einen Gefahrenherd mit lebensbedrohlichem Verletzungspotential völlig ungesichert auf dem Stadtparkgelände belassen habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteil Bezug genommen.
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Dagegen richten sich die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung der Klägerinnen.
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Die Beklagte meint, eine Verkehrssicherungspflichtverletzung läge nicht vor. Es habe keine Pflicht zur besonderen Sicherung des Amphibientunnels bestanden. Dieser stellte weder zur Tages- noch zur Nachtzeit eine Gefahrenquelle für berechtigte Nutzer des Parks dar. Eine Beleuchtungspflicht – zumindest außerhalb der Benutzungszeiten – habe nicht bestanden. Nach der Parkordnung (Anl. B 5) sei der Aufenthalt im Park täglich nur von 05.00 Uhr bis 23.00 Uhr gestattet gewesen. Ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer habe leicht erkennen können, dass der Hauptweg an der Stelle des kreuzenden Amphibientunnels nicht beleuchtet gewesen sei. Schließlich habe die Geschädigte ihre eigenen Sorgfaltspflichten in erheblicher Weise verletzt. Sie sei ohne nachvollziehbaren Grund vom Hauptweg abgekommen. Die Geschädigte habe grob fahrlässig gehandelt mit der Folge, dass ihr Mitverschulden tatbestandsausschließend wirke.
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Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerinnen beantragen,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung
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1. das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 101.263,21 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 64.885,02 € seit dem 06.06.2014 und aus weiteren 36.378,19 € seit dem 20.10.2016 zu zahlen,
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2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2. über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 2.131,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 06.06.2014 zu zahlen,
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3. das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen über die erstinstanzlich zuerkannten 40 % der sämtliche weitere Kosten, Schäden und Aufwendungen hinaus weitere 60 % der sämtliche weiteren Kosten, Schäden und Aufwendungen zu ersetzen, die den Klägerinnen aus der Verletzung der …, vom 22.07.2013 gegen 23.45 Uhr im Stadtpark N entstanden sind und noch entstehen werden,
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4. das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Beklagte auf die Anschlussberufung zu verurteilen, die Klägerin zu 1. über die erstinstanzlich zuerkannten Anwaltskosten hinaus von weiteren Anwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten für deren vorgerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von 910,35 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit 10.06.2015 freizustellen sowie
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5. das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Beklagte auf die Anschlussberufung zu verurteilen, die Klägerin zu 2. über die erstinstanzlich zuerkannten Anwaltskosten hinaus von weiteren Anwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten für deren vorgerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von 335,58 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 10.06.2015 freizustellen.
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Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass das Landgericht zutreffend eine Verkehrssicherungspflichtverletzung bejaht habe. Ein Mitverschulden der Geschädigten lasse sich nicht feststellen. Es stehe nicht fest, dass sich die Alkoholisierung der Geschädigten überhaupt auf das Schadensereignis ausgewirkt habe. Eine Rückrechnung komme nicht in Betracht, da nicht bekannt sei, wann und wieviel die Geschädigte getrunken habe. Die Geschädigte durfte annehmen, dass der Amphibientunnel gefahrlos zu befahren gewesen sei. Eine Sicherung des Abgrundes sei der Beklagten auch zumutbar gewesen zumal inzwischen unstreitig das damals vorhandene Loch mit Erde verfüllt worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
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Die Berufung hat i. S. v. § 522 Abs. 2 ZPO offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Die Ausführungen der Beklagten aus der Berufungsbegründung vom 07.01.2019 rechtfertigen keine andere Entscheidung. Zur Begründetheit der Anschlussberufung sind zunächst Ausführungen des Senats nicht erforderlich, da diese gem. § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verliert, wenn die Berufung der Beklagten durch Beschluss zurückgewiesen werden sollte.
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Die Beklagte ist gem. § 823 Abs. 1 BGB als Betreiberin des Stadtparks für die Verkehrssicherheit auf dem gesamten Gelände verantwortlich. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass hier im Hinblick auf den Amphibientunnel Verkehrssicherungspflichten verletzt worden sind. Ein haftungsausschließendes Mitverschulden der Geschädigten liegt nicht vor. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
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1. Die Verkehrssicherungspflicht für den Amphibientunnel und die dahinter liegende ungesicherte Grube folgt aus allgemeinen Grundsätzen. Derjenige, der eine Gefahrenlage schafft (bzw. verantwortet), ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung Anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um Andere vor Schäden zu bewahren. Dabei sind diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung Anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt i. S. v. § 276 Abs. 2 ZPO (Fahrlässigkeitsmaßstab) ist nur dann genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Es sind deshalb diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger des betroffenen Verkehrskreises für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm nach den Umständen auch zuzumuten sind (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 10.08.2017, 7 U 28/16, SchlHA 2018, 25 – 31, juris Rn 45).
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Diesen Maßstäben wird der im Stadtpark N seinerzeit vorhandene Amphibientunnel nicht gerecht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Benutzung des Stadtparks nach der Parkordnung (Anl. B 5) nur bis 23.00 Uhr gestattet war und – nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – nur eine Lampe im Bereich des Amphibientunnels ausgefallen war. Das gesamte Parkgelände war nämlich unstreitig auch nachts öffentlich zugänglich. Der Gastronomiebereich im Park war zum Unfallzeitpunkt (22.07.2013 gegen 23.45 Uhr) zwar bereits geschlossen, gleichwohl hielten sich noch mehrere Personen (u.a. die Zeugen Patrick H und Jannik K) in dieser Sommernacht auf dem Parkgelände auf (die vorgenannten Zeugen saßen z. B. auf Holzliegestühlen bzw. auf dem Boden vor dem Restaurant). Nach den Bekundungen des Gartenbauingenieurs Erik Y war der „Gitterweg“ (= Abdeckung über dem Amphibientunnel) sowohl begeh- als auch befahrbar und war zumindest im Bereich der Wegekreuzung sogar ausdrücklich dafür gedacht (Bl. 146 d. A., Protokoll vom 05.07.2018).
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Bei dem nach ca. 8 m abrupt in einer 83 cm tiefer liegenden, ungesicherten Grube endenden Amphibientunnel handelte es sich um eine Gefahrenquelle, die als solche zumindest deutlich zu kennzeichnen gewesen wäre. Es wäre ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, entweder die Mulde abzusperren (z. B. durch Geländer oder mechanische Absperrungen) oder aber zumindest deutlich auf entsprechende Gefahren hinzuweisen (z. B. durch entsprechende ausgeleuchtete Warn- oder Hinweisschilder). Dies alles hat die Beklagte versäumt.
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Der Unfall der Zeugin Z war schließlich kein Einzelfall. Der Zeuge M war am 20.06.2013 (mithin nur gut einen Monat vor dem streitgegenständlichen Unfall) ebenfalls nach einer After-Work-Party im Stadtpark mit seinem Fahrrad in die Kuhle gefallen war. Neben einer Gehirnerschütterung hatte er sich dabei mehrere Rippenbrüche und eine Verletzung der Milz zugezogen.
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Die der Beklagten obliegende Verkehrssicherungspflicht umfasst die Pflicht, das Benutzen der Geh- und Fahrwege in dem öffentlich zugänglichen Parkgelände möglichst gefahrlos zu gestalten. Im Rahmen des Zumutbaren sind dabei auch Anlagen, die nicht ohne weiteres als Gefahrenstelle erkennbar sind, außerhalb von Geh- und Fahrwegen zu sichern. Auf eine allgemeine Beleuchtungspflicht in öffentlichen Parkanlagen kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass besondere Gefahrenquellen (wie hier der nicht abgesicherten Amphibientunnel) entweder besonders gekennzeichnet oder aber durch entsprechende Absperrungen gesichert sind. Diese Anforderungen hat die Beklagte nicht erfüllt. Unstreitig war das Parkgelände auch in der Nacht zumindest teilweise ausgeleuchtet, sodass potentielle Parknutzer darauf vertrauen durften, dass besondere Gefahrenquellen links und rechts des Weges gesichert oder aber zumindest deutlich gekennzeichnet sind. Der Weg vom Strandbad zum Parkausgang war mit sog. Mastleuchten, der Rundweg um den See seit Inbetriebnahme des Stadtparks im Jahr 2011 mit einer sensorgesteuerten Effektbeleuchtung ausgestattet (vgl. die Übersichtsskizze Anl. B 1, Bl. 80 – 82 d. A.). Die steile Grube am Ende des Amphibientunnels war hingegen weder gesichert noch ausgeleuchtet.
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2. Zu Recht hat das Landgericht den Klägerinnen eine Mitverschuldensquote von 60 % angerechnet. Gem. § 254 Abs. 1 BGB ist die Ersatzpflicht des Schädigers beschränkt, wenn bei der Entstehung des Schadens ein „Verschulden“ des Geschädigten mitgewirkt hat. Verschulden i. S. v. § 254 BGB umfasst auch die Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden Obliegenheit. Die Regelung beruht auf dem Rechtsgedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schäden zu bewahren, den Verlust oder Kürzung eines Schadenersatzanspruchs hinnehmen muss (BGH, NJW 1997, 2234). Den Geschädigten trifft ein Mitverschulden, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schäden zu bewahren (sog. Verschulden gegen sich selbst). Diesen Verschuldensanteil der Geschädigten Z bemisst der Senat – in Übereinstimmung mit dem Landgericht – mit 60 %.
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Die Geschädigte Z hat unfallkausal gegen die auch für Radfahrer geltende Vorschrift des § 3 Abs. 1 StVO verstoßen. Danach darf nur so schnell gefahren werden, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird, wobei die Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften Fahrzeugs anzupassen ist. Gem. § 3 Abs. 1 S. 4 StVO darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke angehalten werden kann. Nach eigenen Bekundungen der Geschädigten … ist diese – ungebremst – vom Gitterrost in die 83 cm tiefer liegende Grube gestürzt. Sie war zuvor mit dem Fahrrad noch nie im Dunkeln im Stadtpark unterwegs gewesen, d. h. die örtlichen Verhältnisse waren ihr offensichtlich nicht bekannt. Außerdem hatte sie zuvor im Strandbad Alkohol getrunken und musste damit rechnen, dass ihr Fahr- und Reaktionsvermögen eingeschränkt war. Dies rechtfertigt die vom Landgericht angenommene Anspruchskürzung von 60 %.
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Ein haftungsausschließendes grobes Mitverschulden der Geschädigten liegt hingegen nicht vor. Der ungesicherte Amphibientunnel mit der 83 cm tiefen Grube wies ein hohes Gefährdungspotential auf. Unstreitig wurde der Stadtpark nicht nur von Fußgängern, sondern auch von Radfahrern genutzt. Der Gitterweg diente unstreitig – zumindest im Bereich der Wegekreuzung – auch zum Befahren durch Fahrräder. Es gab weder Schilder noch Absperrungen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war die Straßenlampe im Bereich des Amphibientunnels zum Unfallzeitpunkt ausgefallen. Grobe Fahrlässigkeit kann der Geschädigten mithin nicht angelastet werden, zumal auch einem anderen Radfahrer zuvor Ähnliches passiert war. Das Verletzungspotential der ungesicherten Grube war erheblich.
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Nach alledem ist die Berufung offensichtlich unbegründet. Die Erfolgsaussichten der Anschlussberufung müssen mit Blick auf § 524 Abs. 4 ZPO noch nicht beurteilt werden.