Zur Haftung bei Betreten eines Hotelaufzugs mit einem angeleinten Hund

AG Bremen, Urteil vom 06. Februar 2019 – 19 C 242/17

1. Das Betreten eines Aufzugs mit einem angeleinten Hund stellt keine ordnungsgemäße und sichere Benutzung eines Aufzugs dar, wenn der Hundehalter nicht dafür Sorge trägt, dass sein Hund unmittelbar mit ihm die Lichtschranke der Aufzugstüren passiert, sondern erst nach ihm an einer längeren Leine.

2. Ein Anspruch aus § 833 BGB (Tierhalterhaftung) scheidet dabei jedoch aus, wenn der Schaden durch die Hundeleine und nicht unmittelbar durch den Hund, der sich lediglich passiv verhält, verursacht wird.

3. Ein Mitverschulden des Fahrstuhlbetreibers kann gegeben sein, wenn nur Teile des Aufzugs, hier die Lichtschranken, nicht dem neuesten Stand der Technik entsprechen.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 289,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2017 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien jeweils die Hälfte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf EUR 579,10 festgesetzt.

Tatbestand
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Von der Erstellung eines Tatbestands wird gem. § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

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Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadenersatz in tenorierter Höhe gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Hotelaufnahmevertrag.

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Zwischen den Parteien bestand ein gemischter Vertrag dahingehend, dass der Beklagte vorübergehend eine Unterkunft der Klägerin mietete und vertraglich zur Nutzung der Sachen und damit auch des streitgegenständlichen Aufzugs der Klägerin befugt war.

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Durch die Nutzung des Aufzugs der Klägerin 15.04.2017 zusammen mit seinem angeleinten Hund hat der Kläger seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Nutzung des Aufzugs verletzt. Denn der Beklagte betrat den Aufzug mit einer Leine von üblicher Breite an dessen Ende sich der Dackel des Beklagten befand, welcher es nicht mehr vor Schließen der Aufzugtüren in den Aufzug schaffte. Durch diese Handlung des Beklagten ist es zu einem Schaden der Klägerin gekommen, weil diese Nutzungsart einen Nothalt verursachte, dessen Instandsetzung Kosten der Klägerin in Höhe von EUR 579,10 verursachte. Dem Beklagten ist dabei auch ein Verschulden in Form von Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil er beim Betreten des Fahrstuhls die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ (§ 276 Abs. 2 BGB).

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Zu dieser Überzeugung gelangt das Gericht aufgrund der nachvollziehbaren und klaren Feststellungen des Sachverständigen Dr. A. in seinem Gutachten vom 22.07.2018 und aufgrund seiner mündlichen Erläuterung am 09.01.2019. Danach war der streitgegenständliche Aufzug TÜV geprüft und die Schließzeit der Aufzugstüren mit zwei Sekunden nach dem Passieren der Lichtschranke lag im Toleranzbereich. Für eine längere Schließzeit, wie sie nach den Ausführungen des Sachverständigen in Seniorenheimen üblich ist, sieht das Gericht bei dem hier streitgegenständlichen Aufzug keinen Anhaltspunkt. Die Klägerin betreibt ein Hotel für „jedermann“. Soweit sie Aussagen getätigt hat, dass das Hotel seniorengeeignet sei, dürfte sich dies als unqualifizierte Aussage darauf beschränkt haben, dass Zuwege barrierefrei und auch ältere Menschen in dem Hotel regelmäßig gastieren. Zudem stellte der Sachverständige fest, dass Gegenstände mit einem Durchmesser kleiner als 5 cm, wie eine Leine, auch nach neuester Lichtschrankentechnik nicht unbedingt erkannt werden können. Dies hängt damit zusammen, dass es sich bei der installierten Lichtschranke um ein Gitter mit entsprechend großen Lücken und nicht um einen vollständig engmaschigen Teppich handelt. Damit lag die Schadensverursachung zunächst in der Sphäre des Beklagten. Ihm hätte klar sein müssen, dass er einen Aufzug nicht mit seinem Hund an einer Leine betreten kann ohne Gefahr zu laufen, dass dieser nicht mit hineingelangt. Zudem wäre es dem Beklagten leicht möglich gewesen seinen Hund zu tragen, da es sich um einen Dackel handelte.

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Allerdings ist der Anspruch der Klägerin hier zu reduzieren gemäß § 254 Abs. 1 BGB aufgrund eines ihr ebenfalls vorzuwerfenden Mitverschuldens gemäß § 276 Abs. 2 BGB. Denn die Klägerin hat einen Fahrstuhl betrieben, der nicht dem neuesten Stand der Technik in Bezug auf die Lichtschranke entsprach. Zu dieser Überzeugung gelangt das Gericht ebenfalls aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. Ein Aufzug mit der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen und erforderlichen Technik hätte zwar nicht in jedem Fall die Leine des Beklagten erfasst und ein Schließen der Türen verhindert, weil auch nach der neuesten Lichtschrankentechnik Lücken verbleiben. Allerdings wäre die Lichtschranke engmaschiger gewesen und hätte, die Wahrscheinlichkeit nicht nur geringfügig erhöht, dass die Leine des Beklagten erkannt wird. Damit war die Klägerin jedenfalls zum Teil mitursächlich für den Schadenseintritt, da sie als Betreiberin eines Fahrstuhls im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflichten veranlassen muss, Schäden von den Nutzern ihres Gefahrenraums (Aufzug) so gut wie möglich zu schützen.

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Das Gericht erachtet vor diesem Hintergrund eine hälftige Teilung des Schadens für sachgerecht und angemessen im Rahmen von §§ 249, 254 BGB.

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Ein Anspruch aus Tierhalterhaftung gemäß § 833 BGB scheidet dagegen aus, weil sich in dem Ereignis nicht die dazu erforderliche Tiergefahr realisiert hat. Sofern ein Tier nur wie eine (leblose) Sache genutzt wird, greift die Tierhalterhaftung nicht ein (BeckOGK/Spickhoff, 1.11.2017, BGB § 833 Rn. 69-80). Denn in diesem Fall ist die Tatsache, dass ein Tier beteiligt ist, nicht ursächlich für die Schadensverursachung. Nichts anderes gilt vorliegend, da ursächlich für den Schadenseintritt, die von dem Beklagten benutzte Leine und nicht das daran befindliche Tier war. Von dem Hund des Beklagten ging kein (aktives) Verhalten aus, außer dass sich der Hund am anderen Ende der den Schaden verursachenden Leine hing.

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Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Verzug des Beklagten mit der Zahlung gemäß §§ 280, 286, 288 Abs. 1 BGB.

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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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