Interessenkollision eines Betriebsratsmitglieds

BAG, Beschluß vom 10.11.2009 – 1 ABR 64/08

Interessenkollision eines Betriebsratsmitglieds

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 30. Juni 2008 – 4 TaBV 1/08 – unter Zurückweisung der Rechtsbeschwerde im Übrigen teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 11. Oktober 2007 – 6 BV 113/07 – teilweise abgeändert.

Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, wegen der Eingruppierung der Arbeitnehmerin J in die Vergütungsgruppe 7 Gehaltsgruppe 4 des Entgeltrahmentarifvertrags T-Mobile das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten und durchzuführen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.


Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Eingruppierung einer Arbeitnehmerin.

Die Arbeitgeberin ist ein Telekommunikationsunternehmen. Antragsteller ist der für ihre Niederlassung S gebildete Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin ersuchte den Betriebsrat am 13. April 2007 um die Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme der Arbeitnehmerin J. In dem verwandten Formblatt war die Maßnahme als „Versetzung/Beförderung“ bezeichnet. Frau J war ursprünglich als Vertriebskoordinatorin beschäftigt. Die Arbeitgeberin bat rückwirkend zum 22. Februar 2007 um die Zustimmung des Betriebsrats zur Übertragung der Aufgaben als „Teamleiterin Vertriebssupport Privatkunden“. Nach den Angaben im Formblatt sollte der Tätigkeitswechsel zu keiner Änderung der bisherigen Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 7 Gruppenstufe 4 der Anlage 1 des zwischen der Arbeitgeberin und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Entgeltrahmentarifvertrags (ERTV) führen.

Der Betriebsrat stimmte mit Schreiben vom 16. April 2007 der Versetzung zu, verweigerte jedoch seine Zustimmung zur Eingruppierung mit der Begründung, die Arbeitnehmerin sei in die Vergütungsgruppe 8 ERTV einzugruppieren . Der zugrunde liegende Betriebsratsbeschluss wurde unter Mitwirkung der Betriebsratsvorsitzenden B gefasst. Frau B war eine bei der Deutschen Telekom AG beurlaubte Beamtin, die bis zum 30. Dezember 2007 bei der Arbeitgeberin im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt war. Frau B war nach § 38 BetrVG in vollem Umfang von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt. Bei der Arbeitgeberin besteht eine am 15. Februar 2007 abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung „zur Ausgestaltung der sich aus §§ 37, 38 und 78 BetrVG ergebenden Ansprüche der Betriebsratsmitglieder“ (GBV 2007), die folgende Regelung enthält:

„ § 4 Benennung von Vergleichspersonen

(1) Für jedes voll freigestellte Betriebsratsmitglied sind 3 (drei) Vergleichspersonen zu benennen. Das an das freigestellte Betriebsratsmitglied zu zahlende Entgelt orientiert sich dynamisch ab dem Zeitpunkt der Benennung an dem jeweiligen Entgelt der Vergleichspersonen im Sinne des § 3.

(4) Sofern eine Vergleichsperson höhergruppiert wird, erhält das freigestellte Betriebsratsmitglied eine monatliche Zahlung von 50 % des Differenzbetrages zwischen der Vergütungsgruppe, in die das Betriebsratsmitglied eingruppiert ist und des regelmäßigen Monatsentgelts der Vergleichsperson.

(5) Die Zahlungen gemäß Abs. 4 werden im Rahmen des ergebnisbezogenen Entgelts/der variablen Vergütung als Berechnungsgrundlage im Rahmen des jeweiligen variablen Vergütungssystems des freigestellten Betriebsratsmitglieds berücksichtigt.“

Eine der drei für Frau B benannten Vergleichspersonen war die Arbeitnehmerin J. Aufgrund der GBV 2007 erhielt Frau B zuletzt neben ihrem monatlichen Gehalt von 2.816,00 Euro eine monatliche Zulage von 430,49 Euro.Bei der vom Betriebsrat geforderten Höhergruppierung von Frau J in die Vergütungsgruppe 8 ERTV hätte sich die Vergütung von Frau B im Zeitraum vom 22. Februar 2007 bis 30. Dezember 2007 um etwa 15,00 Euro erhöht.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin habe mit ihrem Antrag vom 13. April 2007 lediglich die Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung der Arbeitnehmerin J beantragt. Einen Antrag auf Zustimmung zu deren Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 7/4 ERTV habe die Arbeitgeberin bislang nicht gestellt. Selbst wenn dieser Antrag zugleich als ein solcher auf Zustimmung zur Eingruppierung von Frau J in ihre bisherige Vergütungsgruppe anzusehen sei, sei die Arbeitgeberin zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens verpflichtet, da er der beantragten Eingruppierung seine Zustimmung verweigert habe.

Der Betriebsrat hat beantragt,

der Antragsgegnerin aufzugeben, die Arbeitnehmerin Frau J innerhalb des Gehaltsgruppengefüges nach der Anlage 1 des auf den Betrieb zur Anwendung kommenden, zwischen der Arbeitgeberin und der Gewerkschaft ver.di vereinbarten Entgeltrahmentarifvertrages in die Vergütungsgruppe 8 Stufe 2 einzugruppieren sowie die Zustimmung des Betriebsrats hierzu einzuholen und sich diese im Fall der Verweigerung durch den Betriebsrat arbeitsgerichtlich ersetzen zu lassen,

hilfsweise,

der Arbeitgeberin aufzugeben, wegen der Eingruppierung der Arbeitnehmerin Frau J in die Vergütungsgruppe 7 Stufe 4 des Entgeltrahmentarifvertrages T-Mobile die Zustimmung des Betriebsrats zu beantragen und im Fall der Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten und durchzuführen,

für den Fall, dass in der Betriebsratsvorlage vom 13. April 2007 ein Antrag auf Zustimmung zur Eingruppierung zu sehen sei,

höchst hilfsweise,

der Arbeitgeberin aufzugeben, wegen der Eingruppierung der Arbeitnehmerin Frau J in die Vergütungsgruppe 7 Stufe 4 des Entgeltrahmentarifvertrages T-Mobile das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten und durchzuführen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung von Frau J in die Vergütungsgruppe 7/4 ERTV gelte als erteilt. Der die Zustimmung verweigernde Beschluss des Betriebsrats leide an einem erheblichen Mangel und sei deshalb unwirksam. An ihm habe die Betriebsratsvorsitzende B mitgewirkt, die wegen ihrer persönlichen Betroffenheit von der Beratung und Entscheidung ausgeschlossen gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine Anträge weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist hinsichtlich des Hauptantrags unzulässig, hinsichtlich des ersten Hilfsantrags unbegründet, aber hinsichtlich des höchst hilfsweise gestellten Antrags begründet. Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin J in die Vergütungsgruppe 7/4 ERTV gerichtlich ersetzen zu lassen.

I. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hauptantrags richtet. Ihre Begründung genügt insoweit nicht den Anforderungen des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG.

1. Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muss die Rechtsbeschwerdebegründung angeben, welche rechtliche Bestimmung durch den angefochtenen Beschluss verletzt sein und worin diese Verletzung bestehen soll. Dazu hat sie den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzuzeigen, dass Gegenstand und Richtung ihres Angriffs erkennbar sind. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses. Sie darf sich nicht darauf beschränken, die Ausführungen des Rechtsbeschwerdeführers aus den Vorinstanzen zu wiederholen (BAG 15. November 2006 – 7 ABR 6/06 – Rn. 13; 6. Januar 2004 – 9 AZR 680/02 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 109, 145). Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden eine auf die angefochtene Entscheidung zugeschnittene Begründung gegeben werden (BAG 12. November 2002 – 1 AZR 632/01 – zu B I der Gründe, BAGE 103, 312). Hat das Gericht die angefochtene Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende Erwägungen gestützt, muss die Rechtsmittelbegründung beide Erwägungen angreifen. Setzt sich die Begründung nur mit einer der beiden Erwägungen auseinander, ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig. Denn die Rechtsmittelbegründung muss – im Falle ihrer Berechtigung – geeignet sein, die gesamte Entscheidung in Frage zu stellen (BAG 15. November 2006 – 7 ABR 6/06 – Rn. 14 mwN).

2. Diesen Anforderungen wird die Rechtsbeschwerdebegründung des Betriebsrats mit Blick auf die Abweisung seines als Hauptantrag gestellten Begehrens nicht gerecht. Sie enthält insoweit nur eine unzureichende Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des zweitinstanzlichen Beschlusses. Das Landesarbeitsgericht hat die Abweisung des Hauptantrags auf zwei selbständig tragende Begründungen gestützt. Es hat die Beschwerde für unzulässig gehalten, weil die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen des § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG genüge. Daneben hat es seine Entscheidung damit begründet, dass der Betriebsrat nach § 101 BetrVG nicht eine Eingruppierung der Arbeitnehmerin J in die Vergütungsgruppe 8 ERTV verlangen könne. Die Rechtsbeschwerdebegründung geht auf die aus Sicht des Beschwerdegerichts unzureichende Beschwerdebegründung nicht ein. Das Befassen des Landesarbeitsgerichts mit einem Antrag, der mangels Zulässigkeit nicht mehr zur materiellrechtlichen Prüfung anstand, hat der Betriebsrat ebenfalls nicht beanstandet. Damit genügt die Rechtsbeschwerde den Anforderungen des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG nicht.

II. Die Rechtsbeschwerde ist in dem zulässigen Umfang nur hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags begründet. Den ersten Hilfsantrag hat das Landesarbeitsgericht zu Recht abgewiesen.

1. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, beim Betriebsrat die Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin J in die Vergütungsgruppe 7/4 ERTV zu beantragen. Einen solchen Antrag hat sie bereits mit der Betriebsratsvorlage vom 13. April 2007 gestellt.

a) Der Betriebsrat kann zur Sicherung seines Mitbeurteilungsrechts nach § 99 Abs. 1 BetrVG in entsprechender Anwendung von § 101 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Eingruppierungsentscheidung vorzunehmen und ihn um Zustimmung zu ersuchen, falls der Arbeitgeber die gebotene Eingruppierung unterlässt (BAG 12. Dezember 2006 – 1 ABR 38/05 – Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 27 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 13). Eine Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG besteht in der rechtlichen Beurteilung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung zuzuordnen ist. Diese Beurteilung hat der Arbeitgeber bei jeder Einstellung und Versetzung vorzunehmen. Das folgt bereits aus § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, der für diese Fälle die Unterrichtung des Betriebsrats über die vorgesehene Eingruppierung ausdrücklich vorschreibt. Die Verpflichtung zur Eingruppierung besteht danach auch im Falle der Versetzung. Zwar ist der Arbeitnehmer in einem solchen Fall regelmäßig aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit bereits einer bestimmten Vergütungsgruppe zugeordnet. Eine Versetzung ist aber nach § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG stets mit der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs verbunden. Daher muss der Arbeitgeber auch in diesem Fall die Eingruppierung des Arbeitnehmers überprüfen. Gelangt er hierbei zu dem Ergebnis, dass aufgrund der geänderten Tätigkeit der Arbeitnehmer einer anderen Vergütungsgruppe zuzuordnen ist, handelt es sich um eine Umgruppierung. Ergibt die Prüfung des Arbeitgebers, dass es trotz geänderter Tätigkeit bei der bisherigen Zuordnung verbleibt, liegt eine erneute Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor (BAG 12. Dezember 2006 – 1 ABR 13/06 – Rn. 14, BAGE 120, 303).

b) Für den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zu einer der in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bezeichneten personellen Maßnahmen sieht das Gesetz keine besondere Form vor. Fehlt es an einem ausdrücklichen Zustimmungsersuchen, ist es ausreichend, wenn der Betriebsrat der Mitteilung des Arbeitgebers entnehmen kann, dass er um die Zustimmung zu einer personellen Maßnahme iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG angegangen wird. Maßgeblich sind insoweit die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB). Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zu mehreren personellen Maßnahmen einholen will.

c) Die Arbeitgeberin hat das Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG eingeleitet.

Nach dem Inhalt der Betriebsratsvorlage vom 13. April 2007 war für den Betriebsrat mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar, dass die Arbeitgeberin seine Zustimmung nicht nur zu der Übertragung der Aufgaben einer „Teamleiterin Vertriebssupport Privatkunden“ einholen wollte, sondern auch zu der damit verbundenen Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 7/4 ERTV. Ein solches Verständnis des Schreibens wird nicht durch die von der Arbeitgeberin gewählte Bezeichnung für die beabsichtigte personelle Maßnahme ausgeschlossen, die in dem Formblatt als „Versetzung/Beförderung“ bezeichnet wird. Eine Beschränkung des Antrags auf die Zustimmung zu einer Versetzung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG lässt dies nicht erkennen. Die Arbeitgeberin ist gehalten, bei einer Versetzung iSd. § 95 Abs. 3 BetrVG zugleich die bisherige Eingruppierung zu überprüfen. Der Betriebsrat konnte aus der in der Vorlage vom 13. April 2007 enthaltenen Gegenüberstellung der bisherigen und der zukünftigen tariflichen Vergütungsgruppe entnehmen, dass es der Arbeitgeberin nicht nur um sein Einverständnis zur Übertragung der geänderten Tätigkeit, sondern zugleich um die Zustimmung zur unveränderten Einstufung von Frau J in die bisherige Vergütungsgruppe 7/4 ERTV ging. Daneben wird das Formblatt „Versetzung/Beförderung“ von der Arbeitgeberin stets verwandt, wenn die Zustimmung des Betriebsrats sowohl zu einer Versetzung wie auch einer Eingruppierung eingeholt werden soll. Der Betriebsrat hat das Ersuchen der Arbeitgeberin auch in diesem Sinn verstanden. In seinem Schreiben vom 16. April 2007 hat er der beantragten Versetzung ausdrücklich zugestimmt und nur der Eingruppierung von Frau J widersprochen.

2. Die Arbeitgeberin ist zur Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens verpflichtet. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung von Frau J in die Vergütungsgruppe 7/4 ERTV gilt nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unter hinreichender Angabe eines Zustimmungsverweigerungsgrundes iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wirksam verweigert. Der Betriebsratsbeschluss ist nicht unwirksam. Die Betriebsratsvorsitzende B war nicht wegen einer Interessenkollision gehindert, an der Beschlussfassung mitzuwirken.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann dem Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrats gemäß § 101 Satz 1 BetrVG die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG aufgegeben werden, wenn er einen Arbeitnehmer ein- oder umgruppiert, obwohl der Betriebsrat seine hierzu nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderliche Zustimmung frist- und ordnungsgemäß verweigert hat. Der Anspruch dient der Sicherung des Mitbeurteilungsrechts des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen. Er setzt voraus, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgenommen hat (vgl. 23. September 2003 – 1 ABR 35/02 – zu B I 2 der Gründe mwN, BAGE 107, 338).

b) Ein Betriebsratsmitglied ist bei Maßnahmen und Regelungen, die es in seiner Stellung als Arbeitnehmer individuell und unmittelbar betreffen, grundsätzlich von seiner Organtätigkeit ausgeschlossen. Das folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach niemand „Richter in eigener Sache“ sein kann. Die Funktion des Betriebsrats als Organ der von ihm repräsentierten Belegschaft ist nicht mehr gesichert, wenn bei der Wahrnehmung der gesetzlichen Beteiligungsrechte die Eigeninteressen der betroffenen Betriebsratsmitglieder für ihre Amtsführung bestimmend sein können. Liegt eine derartige Interessenkollision vor, ist das Betriebsratsmitglied zeitweilig verhindert iSd. § 25 Abs. 1 BetrVG und darf sich an der Beratung und der Beschlussfassung der ihn betreffenden Angelegenheit nicht beteiligen (BAG 3. August 1999 – 1 ABR 30/98 – zu B II 1 a, b der Gründe, BAGE 92, 162). Eine solche Konfliktsituation hat das Bundesarbeitsgericht bei dem Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung des Betriebsratsmitglieds nach § 103 Abs. 1 BetrVG (23. August 1984 – 2 AZR 391/83 – zu B II 1 a der Gründe, BAGE 46, 258) und bei einer den Amtsträger individuell und unmittelbar betreffenden Herabgruppierung angenommen (3. August 1999 – 1 ABR 30/98 – aaO). Für die Beurteilung des Interessenkonflikts ist der Zeitpunkt der Beratung und Beschlussfassung des Betriebsrats maßgeblich. Wirkt das betroffene Betriebsratsmitglied trotz einer bestehenden Interessenkollision an der Beratung oder Beschlussfassung in einer eigenen Angelegenheit mit, leidet der Betriebsratsbeschluss an einem erheblichen Mangel und ist grundsätzlich unwirksam (3. August 1999 – 1 ABR 30/98 – zu B II 2 der Gründe, aaO).

c) Nach diesen Grundsätzen war die Betriebsratsvorsitzende B nicht gehindert, an der Beratung und Beschlussfassung des Betriebsrats über den Antrag auf Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin J in die Vergütungsgruppe 7/4 ERTV mitzuwirken. Die Behandlung des Antrags führte zu keiner rechtlich erheblichen Interessenkollision zwischen den mit ihrem Mandat verbundenen Aufgaben und ihrer Stellung als Arbeitnehmerin. Durch die von der Arbeitgeberin beantragten personellen Maßnahmen konnte sie keinen unmittelbaren Vorteil erlangen. Nach der Betriebsratsvorlage vom 13. April 2007 sollte der Betriebsrat neben der Versetzung der Beibehaltung der bisherigen Eingruppierung von Frau J in die Vergütungsgruppe 7/4 ERTV zustimmen. Die von der Arbeitgeberin beantragte Maßnahme wirkte sich nicht unmittelbar auf die Grundvergütung oder die Frau B auf der Grundlage der GBV 2007 gewährten Zulage aus. Gegenstand des Antrags des Arbeitgebers war nicht die Umgruppierung von Frau J in eine höhere Vergütungsgruppe. Erst deren Höhergruppierung hätte nach § 4 Abs. 1 und 4 GBV 2007 ohne Hinzutreten von weiteren Umständen zu einer erhöhten Zulage und damit zu einem unmittelbaren Vorteil von Frau B geführt.

d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führte allein die mögliche Ablehnung des Zustimmungsantrags der Arbeitgeberin durch den Betriebsrat zu keiner Interessenkollision bei Frau B, die ihrer Mitwirkung bei der Behandlung des Antrags vom 13. April 2007 entgegenstand. Zwar hätte die Arbeitgeberin nach einer beachtlichen Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats ein Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einleiten müssen, wenn sie an der unveränderten Einreihung in die Vergütungsgruppe 7/4 ERTV festhalten wollte. Einen unmittelbaren Vorteil konnte Frau B von der Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens aber nicht erlangen.

aa) Entschließt sich der Arbeitgeber nach einer beachtlichen Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats gegenüber einer Eingruppierung zur Einleitung eines Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG, hat er nur die vom Betriebsrat angeführten beachtlichen Verweigerungsgründe zu widerlegen. Wird dem Antrag des Arbeitgebers entsprochen, gilt die Zustimmung des Betriebsrats zu der Eingruppierung als ersetzt. Unterliegt der Arbeitgeber im Zustimmungsersetzungsverfahren, steht damit nur fest, dass die von ihm als richtig angesehene Einstufung unzutreffend ist. Aus einer solchen Entscheidung kann der Arbeitnehmer, dessen Eingruppierung Gegenstand des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG war, keinen Anspruch auf die Zahlung der Vergütung nach einer höheren Vergütungsgruppe herleiten.

bb) Danach führte die von der Arbeitgeberin beantragte Zustimmung zur Beibehaltung der bisherigen Vergütungsgruppe von Frau J nicht zu einer Interessenkollision bei der Betriebsratsvorsitzenden B, die ihrer Mitwirkung bei der Beschlussfassung des Betriebsrats entgegenstand. Selbst wenn die Arbeitgeberin die vom Betriebsrat als zutreffend angesehene Eingruppierung von Frau J in die Vergütungsgruppe 8 ERTV akzeptiert hätte, beruhte dieses Verhalten auf einem neuerlichen Willensentschluss der Arbeitgeberin. Es bedarf keiner Erörterung, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Interessenkollision von Frau B anzunehmen gewesen wäre, wenn die Arbeitgeberin die im Zustimmungsverfahren geäußerte Rechtsauffassung des Betriebsrats üblicherweise übernimmt. Dafür, dass dies der Fall ist und diese Bereitschaft für den Betriebsrat bei seiner Beratung und Beschlussfassung am 16. April 2007 vorhersehbar gewesen ist, bestehen nach dem Vortrag der Beteiligten keine Anhaltspunkte. Über die Wirksamkeit der in § 4 Abs. 1 und 4 GBV 2007 enthaltenen Ausgleichsregelung musste der Senat daher nicht befinden.

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