LG Tübingen, Urteil vom 30.03.2005 – 5 O 45/03
Zur Frage der Widerruflichkeit eines in der Türkei von einem deutschen Pauschalreisenden geschlossenen Teppichkaufvertrages
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 45.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.11.2002 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe der Teppiche …, Größe 0,81 x 0,56 m, Design „trauriger Herbst“, Zertifikat Nr. .. und …, Größe 0,61 x 0,45 m, Design „Unendliche Liebe“, Zertifikat Nr. .. .
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit 13.8.2003 im Annahmeverzug befindet.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 45.000 Euro
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt Rückabwicklung eines am 17.4.2002 im Teppichknüpfzentrum Tavas/Türkei bei der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrages über zwei Teppiche.
2
Die Klägerin buchte im März 2002 eine einwöchige Pauschalreise vom 14.4. – 21.4.2002 nach Antalya/Türkei bei der Firma …. Die gesamte Reise einschließlich der Busreisen wurde von der Firma … organisiert. Bestandteil der Reise war unter anderem auch eine Busreise vom Hotel zum Teppichknüpfzentrum in Tavas am 17.4.2002. Die Reiseteilnehmer waren auf die Teilnahme an der Rundfahrt angewiesen, da das abseits liegende Hotel und das Schwimmbad tagsüber geschlossen waren, und darüber hinaus keine Zugangsmöglichkeiten zum Strand oder zu Sehenswürdigkeiten direkt um das Hotel bestanden. Im Geschäftslokal der Beklagten unterzeichnete die Klägerin einen in deutscher Sprache formulierten Kaufvertrag über zwei … Teppiche mit den Motiven „Trauriger Herbst“, Größe 0,81 x 0,56 m, Zertifikat Nr. .. zum Preis von 43.000,– Euro und „Unendliche Liebe“, Größe 0,61 x 0,45 m, Zertifikat Nr. .. zum Preis von 15.000,– Euro (Anlage K 2, Blatt 9 der Akten). Die Teppiche sollten der Klägerin nach ihrer Rückkehr am Heimatort übergeben werden. Bei Vertragsabschluss erfolgte eine Anzahlung in Höhe von 1000,– Euro. Der restliche Kaufpreis sollte bei Anlieferung der Teppiche in … bezahlt werden. Eine Belehrung über ein Widerrufsrecht der Klägerin enthielt der Kaufvertrag nicht.
3
Nach dem Vertragsabschluss stellte die Klägerin fest, dass sie sich in der Währung geirrt hatte. Die Klägerin war davon ausgegangen, dass der Kaufpreis insgesamt nicht 58.000 Euro, sondern 58.000 DM betragen würde. Auf Vermittlung der örtlichen Reiseleitung wurde der Kaufpreis auf insgesamt 45.000,– Euro herabgesetzt. Am 30.4.2002 wurden der Klägerin die Teppiche vereinbarungsgemäß an ihrem Heimatort übergeben. Bei der Übergabe leistete die Klägerin den restlichen Kaufpreis in Höhe von 44.000,– Euro. Nach dem Erhalt der Teppiche kamen der Klägerin Bedenken, ob der Wert der gekauften Teppiche dem gezahlten Kaufpreis entsprach. Die Klägerin legte die Teppiche daher am 12.9.2002 dem Teppichsachverständigen Schulz zur Wertermittlung vor. Dieser teilte mit, dass die streitgegenständlichen Teppiche lediglich einen Wert von insgesamt 12.500,– Euro hätten. Ein weiterer Sachverständiger, Herr …, hat den Wert der beiden Teppiche noch geringer, nämlich auf höchstens 7.000,– Euro bemessen.
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Am 2.10.2002 setzte sich eine Mitarbeiterin der Beklagten mit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Aufforderung in Verbindung, eine schriftliche Bewertung der Teppiche vorzulegen. Die schriftliche Wertangabe des Sachverständigen Schulz erfolgte mit Schreiben vom 17.10.2002, das sodann mit weiterem Schreiben vom 21.10.2002 mit der Bitte um Rückabwicklung des Kaufvertrags an die Beklagte weitergeleitet wurde.
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Die Klägerin trägt vor, der Besuch des Teppichknüpfzentrums sei in Absprache zwischen dem Reiseunternehmen, dem Reiseführer und den Geschäftsinhabern erfolgt. Zwischen der Firma … und der Beklagten bestünden enge Verflechtungen und Geschäftsbeziehungen bis hin zu Gewinnabsprachen. Nur so sei es möglich, dass die Reise zu einem Preis von 255,13 Euro habe angeboten werden können, wobei nach der Reisebeschreibung der Preis nur auf den Flug entfallen sei, die Übernachtung im Hotel sowie die angebotenen Ausflüge indessen kostenfrei gewesen seien.
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Die Klägerin trägt desweiteren vor, mit Schreiben vom 24.9.2002 (Anlage K 7, Blatt 14 der Akten) habe sie ihr Widerrufsrecht gem. §§ 312 Abs. 1 Nr. 2, 355 BGB ausgeübt und den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Dieses Schreiben habe die Beklagte auch erhalten. Das Schreiben sei der Beklagten sowohl am 24.9.2002 per Telefax (vgl. Anlage K 12, Blatt 83 der Akten) als auch am Folgetag per E-Mail zugegangen.
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In rechtlicher Hinsicht trägt die Klägerin vor, bei dem vorliegenden Kaufvertrag handele es sich um einen im Rahmen eines Haustürgeschäfts abgeschlossenen Verbrauchervertrag. Das Landgericht Tübingen sei deshalb gem. § 29c ZPO zuständig.
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Darüber hinaus sei der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO einschlägig. Da sich die Ware vertragsgemäß in Reutlingen befinde und eine Zug – um – Zug – Verurteilung begehrt werde, sei Reutlingen einheitlicher Erfüllungsort für die Rückabwicklung des Vertrages.
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Aufgrund der engen Verflechtungen und Absprachen der Beklagten mit dem Reiseunternehmen der Firma … sei gem. Art. 29 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 EGBGB deutsches Recht anzuwenden. Die Klägerin habe sich auf Grund der in Deutschland bei der Firma … gebuchten Reise in die Türkei begeben. Dort sei sie dann im Rahmen der von der Firma … in Absprache mit der Beklagten organisierten Busreise zum Teppichgeschäft der Beklagten geführt worden und habe dort schließlich den Kaufvertrag abgeschlossen.
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Im Übrigen sei aber auch nach der allgemeinen Anknüpfungsregel des Art. 28 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 EGBGB deutsches Recht anzuwenden. Die Übergabe und Übereignung der Teppiche seien als vertragscharakteristische Leistungen in Deutschland erfolgt. Darüber hinaus bestünden auf Grund weiterer Umstände (insbesondere Vertragsverhandlungen, Vertragssprache, Währung, Lieferungsort) engere Verbindungen nach Deutschland, so dass im Übrigen gem. Art. 27 Abs. 2 EGBGB von einer stillschweigenden Rechtswahlvereinbarung im Hinblick auf deutsches Recht ausgegangen werden könne.
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Der Klägerin stehe deshalb ein Widerrufsrecht gem. §§ 312 Abs. 1 Nr. 2, 355 BGB zu. Der Kaufvertrag sei anlässlich einer Busrundreise im Rahmen eines Pauschalurlaubes geschlossen worden. Es liege daher eine Freizeitveranstaltung, die von einem Dritten, nämlich der Firma … zumindest auch im Interesse der Beklagten durchgeführt worden sei, vor. Der Widerruf am 24.9.2002 sei auch noch rechtzeitig erfolgt. Gemäß § 355 Abs. 3 BGB erlösche das Widerrufsrecht mangels Belehrung erst 6 Monate nach Erhalt der Ware.
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Darüber hinaus sei die Klägerin über den tatsächlichen Wert der Teppiche getäuscht worden, sodass der Kaufvertrag zum einen gem. § 123 BGB anfechtbar und zum anderen gem. § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit (Abs. 1) und Wucher (Abs. 2) nichtig sei.
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Daneben begehrt die Klägerin Verzugszinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit 16.11.2002.
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Die Klägerin hat nach Erweiterung ihrer Klage zuletzt beantragt zu erkennen,
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– die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 45.000 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 16.11.2002 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe der Teppiche …, Größe 0,81 x 0,56 m, Design „trauriger Herbst“, Zertifikat Nr. .. und … Größe 0,61 x 0,45 m, Design „Unendliche Liebe“, Zertifikat Nr. ..,
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– festzustellen, dass die Beklagte sich seit Rechtshängigkeit im Annahmeverzug befindet.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.
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Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Besuch des Teppichgeschäftes in Absprache zwischen dem Reiseunternehmen, dem Reiseführer und dem Geschäftsinhaber erfolgt sein solle. Darüber hinaus werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Beklagte eine Geschäftsbeziehung zu dem Reiseunternehmen … mit dem die Klägerin ihre Reise in die Türkei angetreten habe, unterhalte.
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Darüber hinaus werde der rechtzeitige Eingang eines Widerrufs seitens der Klägerin bestritten.
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Die Beklagte bestreitet schließlich, dass die Klägerin von einem Mitarbeiter der Beklagten über den tatsächlichen Wert der Teppiche getäuscht worden sei, und dass der Mitarbeiter der Klägerin vorgespielt haben solle, dass es sich bei dem Verkaufspreis der Teppiche um einen äußerst günstigen Preis gehandelt habe. Darüber hinaus werde bestritten, dass die Teppiche überteuert verkauft worden seien und nur einen tatsächlichen Wert von ca. 12.500,– Euro hätten.
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In rechtlicher Hinsicht rügt die Beklagte wegen der Anwendbarkeit türkischen Rechts ausdrücklich die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Tübingen.
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Eine Sonderanknüpfung über Art. 29 EGBGB komme vorliegend nicht in Betracht. Die Beklagte sei ein Teppichunternehmen und kein Reiseunternehmen. Es reiche nicht aus, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Reiseunternehmen andere Unternehmen wie das der Beklagten für ihre eigenen Zwecke als Sonderzusatzleistung einsetze.
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Darüber hinaus sei zwischen den Parteien auch keine ausdrückliche oder konkludente Rechtswahl erfolgt. Auf Grund des Abschlusses des Teppichkaufvertrags als Versendungskaufvertrag in den Geschäftsräumen der Beklagten weise der streitgegenständlichen Kaufvertrag mit der Türkei die engsten Verbindungen auf. Das anzuwendende Recht bestimme sich deshalb vielmehr nach Art. 28 EGBGB, wonach türkisches Recht anzuwenden sei.
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Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und sonstigen Aktenteilen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 14.4.2004 (Blatt 69 f.) und 23.12.2004 (Blatt 102 f.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Klage war vollumfänglich stattzugeben, denn die Klage ist zulässig und begründet.
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A. Die Klage ist zulässig.
28
Das Landgericht Tübingen ist gem. § 29c ZPO sowohl örtlich als auch international zuständig. Zwar kommen im Anwendungsbereich der EuGVVO vorrangig die Gerichtsstände der Art. 15 und Art. 16 zur Anwendung. Die Türkei ist der EuGVVO indessen nicht beigetreten. Außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs der EuGVVO ist der Gerichtsstand des § 29c ZPO indessen doppelfunktional (Zöller – Vollkommer, 25. Aufl., § 29c ZPO, Rdnr. 3) und begründet die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ohne Rücksicht darauf, ob nach deutschem IPR in der Sache deutsches Recht zur Anwendung kommt (Zöller – Geimer, IZPR, Rdnr. 90c).
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Grundlage der Zuständigkeitsprüfung ist der Klagevortrag. Die Klägerin hatte als Verbraucherin ihren Wohnsitz zur Zeit der Klageerhebung in Reutlingen, also im Landgerichtsbezirk Tübingen. Um eine Vorwegnahme der Sachprüfung zu vermeiden, kann das Vorliegen der weiteren Voraussetzung, nämlich ob im vorliegenden Fall ein Haustürgeschäft i. S. des § 312 Abs. 1 BGB vorliegt, als sogenannte „doppeltrelevante Tatsache“ im Rahmen der Zulässigkeit der Klage dahingestellt bleiben. Denn die Zuständigkeit ist bereits dann anzunehmen, wenn die Klägerin – wie im vorliegenden Fall – die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen zumindest schlüssig vorgetragen hat (Zöller – Vollkommer, § 12 ZPO, Rdnr. 14). Aus dem Schutzzweck des § 29c ZPO ergibt sich darüber hinaus, dass die Lösung weiterer schwieriger Rechtsfragen gerade im Zusammenhang mit Haustürgeschäften des Verbrauchers der Begründetheit der Klage vorzubehalten ist. Die weit auszulegende Vorschrift soll den prozessualen Rechtsschutz des Verbrauchers verbessern (Zöller – Vollkommer, § 29c ZPO, Rdnr. 1). Im Übrigen sollen gerade die vorliegend geltend gemachten Ansprüche auf Rückgewähr der empfangenen Leistungen, die sich aus dem Widerruf des Haustürgeschäfts nach §§ 355, 357 BGB ergeben, vom Anwendungsbereich der Norm erfasst werden (Zöller – Vollkommer, § 29c ZPO, Rdnr. 4).
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B. Die Klage ist auch begründet.
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I. Anwendbarkeit deutschen Rechts
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Auf den zwischen den Parteien am 17.4.2002 geschlossenen Kaufvertrag ist gem. Art. 29 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 EGBGB deutsches Recht anzuwenden.
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Die Klägerin beruft sich mit Erfolg auf die Vorschrift des Artikels 29 Abs. 2 EGBGB, wonach Verbraucherverträge dem Recht des Staates unterliegen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Klägerin ist nach der Definition des Art. 29 Abs. 1 EGBGB Verbraucherin. Der Erwerb der Teppiche ist weder ihrer beruflichen noch gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen, was sich bereits daraus ergibt, dass der Kaufvertrag im Rahmen einer Pauschalreise abgeschlossen wurde. Die Klägerin hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch in Deutschland.
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Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen der Alternative des Art. 29 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB vor. Art. 29 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB betrifft Vertragsabschlüsse, die zwar ihren Schwerpunkt im Ausland haben, bei welcher der Verkäufer die Auslandsreise des Verbrauchers jedoch selbst zu diesem Zweck zumindest mitorganisiert oder mitveranlasst (BGH NJW 1991, 1054; LG Hamburg RIW 1999, 391, 392 I. Sp.; Bamberger/Roth – Spickhoff, Band 3, 1. Aufl. 2003, Art. 29 EGBGB, Rdnr. 14). Es genügt, wenn er die Reise durch eine Vereinbarung mit einem Beförderungsunternehmen (z. B. Reisebüro oder Busunternehmen) organisiert hat (MüKo – Martiny, 3. Aufl. 1998, Art. 29 EGBGB, Rdnr. 24 m.w.N.). Andererseits soll nach wohl herrschender Meinung das bloße Ausnutzen der von einem anderen veranstalteten Reise für Verkaufszwecke nicht genügen (LG Hamburg, a.a.O.; Palandt – Heldrich, 64. Auflage, Art. 29 EGBGB, Rdnr. 5). Danach soll bei einer organisierten Pauschalreise ins Ausland und der dortigen Zuführung des Kunden an einen ausländischen Verkäufer die Vorschrift grundsätzlich nicht eingreifen (LG Düsseldorf NJW 1991, 2220; a. A. aber LG Limburg NJW 1990, 392).
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Im vorliegenden Fall bestehen zwischen dem Reiseveranstalter, der Firma … und der Beklagten jedoch unstreitig enge Verflechtungen und Geschäftsbeziehungen bis hin zu Gewinnabsprachen. Darüber hinaus war der Besuch des Teppichknüpfzentrums der Beklagten unstreitig in Absprache zwischen dem Reiseunternehmen, dem Reiseführer und der Beklagten erfolgt. Denn die Beklagte hat Absprachen und Geschäftsbeziehungen mit der Firma … unzulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Erklärung mit Nichtwissen ist jedoch nur dann zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat, z. B. weil der Vorgang sich außerhalb seiner Wahrnehmung abgespielt hat (Zöller – Greger, § 138 ZPO, Rdnr. 13). Bei Vorgängen im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich kann sich die Beklagte aber nicht ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte daher nicht nur übliche Freizeiten im Rahmen einer Auslandsreise ausgenutzt, um Verkaufsveranstaltungen durchzuführen oder dafür zu werben. Die Beklagte hat die Reise vielmehr durch eine Vereinbarung mit einem Beförderungsunternehmen, nämlich der Firma …, zumindest mitorganisiert. Durch die mit der Firma … im Zusammenhang mit der Busreise getroffenen Absprachen und durch die bereits bestandenen engen Geschäftsbeziehungen bis hin zu Gewinnabsprachen hat die Beklagte schon im Verbraucherland Absatztätigkeit entfaltet, ist also sozusagen „zum Verbraucher gekommen“ und hat den Verbraucher als Vertragspartner mit dem Ziel des Geschäftsabschlusses aus der vertrauten Rechtsordnung herausgeholt (vgl. dazu Erman – Hohloch, Band II, 11. Aufl. 2004, Art. 29 EGBGB, Rdnr. 9). Die Klägerin weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass sich der extrem niedrige Preis der Pauschalreise nur durch sogenannte „Drittzuschüsse“ erklären lässt. Das pauschale Bestreiten der Beklagten von Geschäftsbeziehungen und Gewinnabsprachen mit Nichtwissen sind jedenfalls auch in diesem Zusammenhang völlig unzureichend. Das bisweilen vorgebrachte Argument, es fehle an der Zielrichtung des Verkäufers auf Absatz im Verbraucherstaat, kann im vorliegenden Falle jedenfalls nicht überzeugen. Die Beklagte hat auf die konkrete Gestaltung der Pauschalreise derart intensiv Einfluss genommen, dass sie der Beklagten im Sinne des Art. 29 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB zuzurechnen ist.
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Entscheidend ist, dass auch der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Reise und der Verschaffung der Kaufgelegenheit, die vergleichbare psychologische Situation und das der Kaffeefahrt vergleichbare Gewinninteresse des Verkäufers wie des die Reise Veranstaltenden im vorliegenden Fall vorliegen.
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Im Übrigen handelt es sich vorliegend nicht nur um eine organisierte Reise ins Ausland, bei der es den Teilnehmern völlig freisteht, ob und wo sie am Zielort in ihrer Freizeit Waren erwerben wollen (vgl. MüKo – Martiny, a.a.O.). Vielmehr ist unstreitig, dass im vorliegenden Fall die Reiseteilnehmer auf die Teilnahme an der Busfahrt angewiesen waren, da das abseits liegende Hotel und das Schwimmbad tagsüber geschlossen waren, und darüber hinaus keine Zugangsmöglichkeiten zum Strand oder zu Sehenswürdigkeiten direkt um das Hotel bestanden. Im vorliegenden Fall kann jedenfalls nicht mehr von der „Ausnutzung einer üblichen Freizeit“ (vgl. Bamberger/Roth – Spickhoff, a.a.O.) oder von einer „fakultativ vom Reiseveranstalter vorgeschlagenen Zusatzveranstaltung, die mit den Verantwortlichen der Beklagten zeitlich abgestimmt sein mag“ (vgl. LG Hamburg a.a.O.), gesprochen werden. Vielmehr wurde gezielt eine faktische Zwangslage zur Teilnahme an der Busreise geschaffen.
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Zusammenfassend ist deshalb festzuhalten, dass gem. Art. 29 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 EGBGB deutsches Recht anzuwenden ist.
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II. Rückabwicklung gem. §§ 312 Abs. 1, Abs. 1, Satz 1, Nr. 2; 355 Abs. 1, Abs. 3; 357 Abs. 1; 346 Abs. 1; 348 BGB
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Die Klägerin hat mit Erfolg ihre auf Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung widerrufen, da ihr ein Widerrufsrecht gem. §§ 312 Abs. 1, Satz 1, Nr. 2; 355 Abs. 1, Satz 1 i. V. m. Abs. 3 BGB zusteht.
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1. Die Klägerin hat nämlich als Verbraucher i. S. des § 13 BGB anlässlich einer Freizeitveranstaltung eine auf den Abschluss des Kaufvertrags mit der Beklagten als Unternehmer i. S. des § 14 BGB gerichtete Willenserklärung abgegeben.
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a. Als besonders situationsbedingte Voraussetzung des Vertragsschlusses liegt eine Freizeitveranstaltung i. S. des § 312 Abs. 1, Satz 1 Nr. 2 vor. Bei der Beurteilung, ob eine Freizeitveranstaltung vorliegt, ist die Einzelveranstaltung und nicht die Gesamtreise maßgeblich (BGH NJW – RR 1991, 1524). Der Schutzzweck des Gesetzes, das den Verbraucher vor der Beeinträchtigung seiner rechtlichen Entscheidungsfreiheit durch Überrumpelung oder anderweitige unlautere Beeinflussung durch unseriöse Gewerbetreibende schützen soll, verbietet eine die Widerrufsmöglichkeiten des Kunden zu sehr einschränkende Auslegung (BGH NJW 1990, 181). Freizeitveranstaltungen i. S. des § 312 Abs. 1, Satz 1 Nr. 2 BGB sind solche Veranstaltungen, bei denen der Verkehr nach dem von der Ankündigung und Durchführung geprägten Gesamtbild von einem Freizeiterlebnis ausgeht, angesichts dessen für die Teilnehmer weniger die eigentliche gewerbliche Zielsetzung des Veranstalters im Vordergrund steht und deshalb die Gefahr gegeben ist, dass der Kunde durch das Freizeitangebot vom eigentlichen Zweck der Veranstaltung abgelenkt und unter Beeinträchtigung seiner rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit für die Verkaufsabsicht des Veranstalters gewogen gemacht wird (BGH NJW 1990, 3265). Der Schutzzweck des § 312 BGB greift selbst noch in den Fällen ein, in denen die Werbeveranstaltung im Programm angekündigt worden war und als solche keine Überraschung für den Verbraucher bedeutet (OLG Düsseldorf NJW – RR 1996, 1269).
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Die Klägerin wurde vorliegend in eine ihre rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit beeinflussende Freizeitstimmung versetzt. Der Tagesausflug vom 17.4.2002 war der Unterhaltung, Bildung und Erholung gewidmet und so auch von der veranstaltenden Firma … angeboten und von der Klägerin angenommen worden. Bei der Veranstaltung im Teppichgeschäft der Beklagten wurden mit der eigentlichen gewerblichen Absicht nicht in Zusammenhang stehende, attraktive Leistungen in den Vordergrund gestellt, die die Kunden über den Hauptzweck haben hinwegsehen lassen und sie in den Verkaufsabsichten gewogen gemacht haben.
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Im Teppichknüpfzentrum fand für die Teilnehmer zunächst eine zwei bis dreistündige Veranstaltung statt, in deren Rahmen eine ausführliche Besichtigung des Teppichknüpfbetriebes stattfand. Von außen war der Betrieb der Beklagten nicht als Verkaufsstätte erkennbar. Während die Herstellung, die Historie und Bedeutung der einzeln vorgeführten Teppiche erläutert wurden, wurden den Teilnehmern Imbisse und Getränke gereicht. Hinzu kommt, dass vorformulierte und in deutscher Sprache abgefasste Kaufverträge zur Anwendung kamen, was darauf schließen lässt, dass man sich auf die jeweilige Besuchergruppe eingestellt und den Verkauf von Teppichen gezielt verfolgt hat. Nicht unbeachtet bleiben darf der Preis der von der Klägerin gekauften Teppiche, der mit zunächst insgesamt 58.000,– Euro und schließlich – nach einvernehmlicher Herabsetzung des Kaufpreises – mit 45.000,– Euro eine beträchtliche Höhle erreicht. Der im Reiseprospekt der Firma … enthaltene Hinweis auf eine „Ferienverkaufsschau – Teilnahme freigestellt!“ wurde dagegen derartig „blumig“ untermalt und versteckt (vgl. Anlage K 1, Blatt 6 der Akten unten), dass das für das Haustürgeschäft typische Überraschungsmoment im vorliegenden Fall ohne weiteres gegeben ist. Der gewerbliche Zweck der Reise ist im vorliegenden Fall eindeutig in den Hintergrund getreten (vgl. aber auch OLG München DB 1990, 2262 f., wonach ein gewerblicher Zweck als verschleierter Hauptzweck nicht erforderlich ist).
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b. Im Übrigen wird die Anwendung des § 312 Abs. 1, Satz 1 Nr. 2 BGB auch nicht dadurch gehindert, dass die Präsentation und der Verkauf der Teppiche in den Geschäftsräumen der Beklagten erfolgte. Eine Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers ist auch dann gegeben, wenn die eigentliche Verkaufsveranstaltung in den Geschäftsräumen der anderen Vertragspartei abgehalten wird (BGH NJW – RR 1991, 1524).
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c. Des Weiteren war die Organisationsform der Veranstaltung auch derart konzipiert, dass sich die Klägerin als Verbraucherin ihr nur schwer entziehen konnte. Denn es ist unstreitig, dass im vorliegenden Fall die Reiseteilnehmer auf die Teilnahme an der Busfahrt am 17.4.2002 angewiesen waren, da das abseits liegende Hotel und das Schwimmbad tagsüber geschlossen waren, und darüber hinaus keine Zugangsmöglichkeiten zum Strand oder zu Sehenswürdigkeiten direkt um das Hotel bestanden.
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d. Die Firma … hat darüber hinaus als Dritte i. S. von § 312 Abs. 1, Satz 1 Nr. 2 BGB den Tagesausflug zumindest auch im Interesse der Beklagten als der anderen Vertragspartei veranstaltet. Die Firma … ist unstreitig Veranstalter des Tagesausflugs vom 17.2.2002. Der Dritte veranstaltet die Freizeit schon dann im Interesse des Unternehmers, wenn er weiß, dass der Unternehmer während dieser Veranstaltung Geschäfte machen will (BGH NJW – RR 1991, 1524, 1525). Diese Kenntnis der Firma … lässt sich im vorliegenden Fall ohne weiteres bereits aus dem versteckten Hinweis auf die „Ferienverkaufsschau“ ihres Reiseprospekts entnehmen.
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e. Die Klägerin hat sich schließlich auch anlässlich des Tagesausflugs als Freizeitveranstaltung zur Abgabe ihrer Willenserklärung bestimmen lassen. Der Zusammenhang wird bereits dadurch hergestellt, dass die Klägerin die Willenserklärung am damaligen Ort der Veranstaltung abgegeben hat. Hierdurch ist der zeitliche, räumliche und sachliche Bezug unmittelbar gewahrt (OLG Stuttgart NJW – RR 1989, 1144). Dem Kausalitätserfordernis genügt, dass die Veranstaltung der Anlass für die Abgabe der Willenserklärung war.
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2. Die Beklagte hat mit ihrem Schreiben vom 24.9.2002 gem. § 355 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 BGB rechtzeitig den Widerruf erklärt (Anlage K 7, Blatt 14 der Akten). Die Widerrufsfrist beträgt gem. § 355 Abs. 1 BGB zwar grundsätzlich zwei Wochen und erlischt gem. § 355 Abs. 3, Satz 1 BGB spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. Gemäß Abs. 3, Satz 3 erlischt das Widerrufsrecht indessen abweichend von Satz 1 nicht, wenn der Verbraucher – wie im vorliegenden Fall – nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Im Übrigen erscheint dem Gericht auf Grund der unstreitigen Tatsache, dass sich eine Mitarbeiterin der Beklagten mit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 2.10.2002 in Verbindung gesetzt hat, der Einwand der Beklagten, ihr sei die Widerrufserklärung vom 24.9.2002 nicht zugegangen, weder überzeugend noch glaubwürdig.
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3. Rechtsfolgen
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Gem. § 357 Abs. 1, Satz 1 finden die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung. Dementsprechend haben sich die Parteien die empfangenen Leistungen gemäß § 346 Abs. 1 i. V. m. § 348 BGB Zug um Zug zurückzugewähren.
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4. Der Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus § 286 Abs. 1, Satz 1; 288 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat der Beklagten mit Schreiben vom 21.10.2002 wiederholt um Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises in Höhe von 45.000 Euro bis spätestens zum 15. November 2002 aufgefordert. Die Beklagte befindet sich daher mit der Rückzahlung des Kaufpreises seit 16.11.2002 in Verzug.
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C. Der Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der streitgegenständlichen gegenständlichen Teppiche seit Rechtshängigkeit der Klage in Annahmeverzug befindet, ist gem. §§ 293, 295 BGB, 256, 756 ZPO zulässig und begründet. Die Klägerin kann aus oben genannten Gründen Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der streitgegenständlichen Teppiche verlangen. Das Feststellungsinteresse ergibt sich aus § 756 ZPO, wonach eine Zwangsvollstreckung bei einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung grundsätzlich eine Darlegung des Annahmeverzuges durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden erfordert.
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D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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E. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 2 ZPO.