Zur Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts hinsichtlich der Erfolgsaussicht der vom Mandanten angestrebten Klage

OLG Koblenz, Urteil vom 26.06.2006 – 12 U 1017/05

Der im Zivilprozess mandatiere Rechtsanwalt muss aufgrund seiner dienstvertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Mandanten den Sachverhalt daraufhin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen. Insbesondere über eine im Einzelfall fehlende Erfolgsaussicht der in Aussicht genommenen Berufung muss er den Mandanten aufklären, damit dieser eigenverantwortlich entscheiden kann, ob er das damit verbundene Prozessrisiko eingehen will oder nicht. Hat der Mandant sich eigenverantwortlich für die Durchführung des Berufungsverfahrens entschieden und unterlassen die Prozessbevollmächtigten es dann, das gewünschte Rechtsmittel fristgerecht zu begründen, so liegt eine schuldhafte Verletzung einer Verpflichtung zur anwaltlichen Vertretung vor. Eine Prozesspartei erleidet aber nur dann einen ersatzfähigen Vermögensschaden, wenn sie einen Prozess verliert, den sie bei sachgemäßer Vertretung tatsächlich gewonnen hätte.(Rn.16)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 8. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche der Klägerin aufgrund anwaltlicher Vertretungsmängel im Berufungsverfahren zu einem Arzthaftungsprozess.

2
Die Beklagten zu 1), 3) und 4) waren im Vorprozess 10 O 238/02 des Landgerichts Koblenz mit der Durchführung des Berufungsverfahrens nach Abweisung der Klage der Klägerin auf Schadensersatz gegen den Zahnarzt Dr. D. G. aus K. beauftragt worden. Dass auch der Beklagte zu 2) zu jener Zeit noch der Anwaltskanzlei angehörte und ebenfalls mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragt wurde, wie die Klägerin meint, hat dieser bestritten. Die Bevollmächtigten legten in jenem Verfahren für die Klägerin das Rechtsmittel der Berufung ein, begründeten es aber nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist, weshalb die Berufung durch Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18. September 2003 – 5 U 849/03 – als unzulässig verworfen wurde. Darauf bezieht sich die Schadensersatzklage im vorliegenden Anwaltshaftungsprozess. Die Klägerin meint, die Berufung im Vorprozess gegen den Zahnarzt Dr. G. hätte Erfolg gehabt. Wegen der Nichtdurchführung des Berufungsverfahrens sei ihr der im Vorprozess gegen den Zahnarzt geltend gemachte Schaden nun von den Beklagten zu ersetzen.

3
Gegenstand des Vorprozesses war nach dem dortigen erstinstanzlichen Urteil folgendes: Die Klägerin begab sich am 3. November 1999 in die zahnärztliche Behandlung von Dr. G. Zu dieser Zeit war eine Zahnbrücke im Bereich der Zähne Nr. 2.4. bis 2.6. vorhanden; Zahn Nr. 2.5. fehlte. Dr. G. diagnostizierte eine Sekundärkaries im Kronenrandbereich des Zahnes Nr. 2.6. Nach Absprache mit der Klägerin ließ Dr. G. die bisherige Zahnbrücke bestehen und nahm am Zahn Nr. 2.6. nur eine Füllung vor. Im folgenden Behandlungstermin gab die Klägerin keine Beschwerden an. Am 20. Juni 2000 machte sie eine Überempfindlichkeit des Zahnes Nr. 2.6. geltend, worauf Dr. G. die Erneuerung der Zahnbrücke empfahl. Am 10. Juli 2000 machte die Klägerin Schmerzen im linken Oberkiefer geltend, worauf am 27. Juli 2000 die bisherige Zahnbrücke entfernt wurde. An den Zähnen Nr. 2.4. und 2.6. wurde Karies entfernt. Am 4. August 2000 wurde die neue Zahnbrücke eingegliedert. Am 13. September 2000 stellte sich die Klägerin erneut vor und klagte über Schmerzen. Dr. G. diagnostizierte einen Bruxismus, also ein unbewusstes Aufeinanderpressen der Zähne mit der Folge einer besonderen mechanischen Belastung von Zähnen, Kieferknochen und Kiefergelenken. Dies versuchte er mit einer Zahnschiene zu therapieren. Bei der nächsten Untersuchung am 23. Oktober 2000 stellte er fest, dass der Zahn Nr. 2.6. nicht klopfempfindlich war; er erwies sich als vital. Zahn Nr. 2.7. wurde mit einer Füllung nach Entfernung von Karies versorgt. Am 13. November 2000 suchte die Klägerin den Zahnarzt Dr. R. auf, der ein Gutachten über die Zahnbrücke anfertigte und dabei einen Frühkontakt der Brücke auf der Krone des Zahnes Nr. 2.4. feststellte. Am 8. Januar 2001 holte die Klägerin ein weiteres Gutachten des Zahnarztes Dr. S. ein. Im Zeitraum vom 18. Dezember 2000 bis zum 2. April 2001 war die Klägerin wiederum in der Behandlung des Zahnarztes Dr. Sch. Dieser stellte am 18. Dezember 2000 eine verzögerte Vitalität und am 11. Januar 2001 das Fehlen einer Vitalität des Zahnes Nr. 2.6. fest und führte daraufhin eine Wurzelbehandlung durch. Schließlich ergab sich eine Wurzelentzündung, die im Zeitraum vom 2. April bis 19. April 2001 von dem Kieferchirurgen Dr. L. operativ versorgt wurde.

4
Die Klägerin hat im Vorprozess geltend gemacht, Dr. G. hätte im Juli 2000, spätestens aber im September 2000 Karies beim Zahn Nr. 2.6. diagnostizieren und eine Behandlung auch im Wurzelbereich durchführen müssen. Dazu hätte die bisherige Zahnbrücke entfernt werden müssen. Zudem sei das am 10. Juli 2000 angefertigte Röntgenbild derart fehlerhaft gewesen, dass ein Diagnosemangel zu verzeichnen sei. Die Untersuchung des von ihr beklagten Schmerzbefundes durch Dr. G. sei mangelhaft gewesen. Mangels rechtzeitiger Behandlung sei es zur Entzündung im Bereich der Wurzel des Zahnes Nr. 2.6. gekommen. Die neue Zahnbrücke sei fehlerhaft eingegliedert worden, so dass es zum Frühkontakt bei Zahn Nr. 2.4. gekommen sei; auch dies habe den entzündlichen Prozess bei Zahn Nr. 2.6. gefördert. Die Öffnung und Verfüllung von Zahn Nr. 2.7. sei hingegen medizinisch nicht erforderlich gewesen. Aufgrund der Behandlungsfehler habe sie in der Zeit von August bis Dezember 2000 unter starken Schmerzen gelitten. Erst seit Oktober 2001 sei sie schmerzfrei.

5
Die Klägerin hat im Vorprozess die Verurteilung des Zahnarztes Dr. G. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 4.500 Euro und zum Ersatz von nicht durch die Krankenkasse erstatteten Kosten der Nachbehandlung in Höhe von 133,90 Euro jeweils nebst Zinsen beantragt sowie die Feststellung begehrt, dass Dr. G. ihr zum Ersatz allen weiteren materiellen und immateriellen Schadens aus Fehlern bei der zahnärztlichen Behandlung im Zeitraum vom 20. Juni 2000 bis zum 30. November 2000 verpflichtet ist.

6
Der Beklagte des Vorprozesses, Dr. G., beantragte Klageabweisung im Wesentlichen mit der Behauptung, er habe die Klägerin im November 1999 darauf hingewiesen, dass die Zahnbrücke alsbald erneuert werden müsse. Am 13. September 2000 habe die Klägerin über Schmerzen im Kiefergelenk geklagt. Durch eine Wurzelbehandlung am Zahn Nr. 2.6. im September 2000 wäre der später aufgetretene entzündliche Befund nicht sicher verhindert worden.

7
Das Landgericht hat im Vorprozess ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. D. eingeholt und diesen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ergänzend befragt. Danach hat es die Klage der Klägerin im Arzthaftungsprozess abgewiesen und dazu ausgeführt, die Kariesbehandlung durch Dr. G. sei nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Die von diesem angefertigte Röntgenaufnahme vom 10. Juli 2000 sei sachgerecht erstellt worden und habe noch keinen krankhaften Befund ergeben. Nachdem der Zahn Nr. 2.6. der Klägerin acht Monate lang beschwerdefrei gewesen und auch danach eine Vitalitätsprüfung positiv ausgefallen sei, habe zunächst noch keine Indikation für eine Abnahme der bisherigen Zahnbrücke bestanden. Die später aufgetretene Entzündung im Zahnwurzelbereich sei nicht vorhersehbar gewesen. Der Frühkontakt der neuen Zahnbrücke bei Zahn Nr. 2.4. sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht für die Entzündung im Wurzelbereich des Zahnes Nr. 2.6. ursächlich geworden. Insgesamt folge das Gericht dem Gutachten des Sachverständigen Dr. D., das im Kern auch durch die Privatgutachten der Zahnärzte Dr. R. und Dr. S. bestätigt werde.

8
Die Klägerin hat im vorliegenden Anwaltshaftungsprozess geltend gemacht, ihre von den Beklagten nicht durchgeführte Berufung im Arzthaftungsprozess hätte schon deshalb Erfolg gehabt, weil das Landgericht den Zahnarzt Dr. Sch. entgegen ihrem Beweisantrag nicht als Zeugen vernommen habe. Dieser Zeuge hätte ihr schon vor der Behandlung durch Dr. G. zur Erneuerung der Zahnbrücke geraten. Die abweichende Zahnbehandlung durch Dr. G. sei fehlerhaft gewesen. Mangelhaft sei zudem die Dokumentation seiner Diagnosen gewesen.

9
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld von mindestens 4.500 Euro und 133,90 Euro zum Ersatz materieller Schäden jeweils nebst Zinsen zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr allen weiteren materiellen oder immateriellen Schaden aufgrund der fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung durch Dr. G. zu ersetzen.

10
Der Beklagte zu 2) hat seine Passivlegitimation mit der Behauptung bestritten, er sei schon Mitte des Monats April 2003 aus der von der Klägerin mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragten Kanzlei ausgeschieden. Das sei der Klägerin bekannt, weil sie vorher von ihm, nach seinem Ausscheiden aber von dem neu in die Kanzlei eingetretenen Beklagten zu 4) anwaltlich beraten worden sei. Alle Beklagten haben vorgetragen, die Klage im Anwaltshaftungsprozess sei auch in der Sache nicht gerechtfertigt. Die Berufung im Vorprozess hätte auch im Fall ihrer formgerechten Durchführung keinen Erfolg gehabt. Ein Dokumentationsmangel in den Aufzeichnungen des Zahnarztes Dr. G. sei im Vorprozess nicht substanziiert behauptet worden. Soweit die Klägerin geltend mache, es sei im Vorprozess zu Unrecht von der Vernehmung des Zahnarztes Dr. Sch. als Zeuge abgesehen worden, gehe das Vorbringen der Klägerin fehl. Diesen Zahnarzt habe die Klägerin gerade nicht mehr konsultiert, weil sie seinem Rat zum Auswechseln der Zahnbrücke nicht habe folgen wollen. Das gerichtliche Sachverständigengutachten habe auch ergeben, dass zu Beginn der Behandlung durch Dr. G. der Zahn Nr. 2.6. der Klägerin im Vitalitätstest nicht aufgefallen sei, so dass eine Wurzelbehandlung dann noch nicht angezeigt gewesen sei. Diese aufwändige und riskante Behandlung werde nämlich nur gewählt, wenn dies unumgänglich sei. Weder das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten noch die beiden von der Klägerin eingeholten Gutachten hätten deren Sachvortrag zu Behandlungsfehlern durch den Zahnarzt Dr. G. bestätigt. Nach der Erneuerung der Zahnbrücke sei die Karies an Zahn Nr. 2.6. auch nach den Feststellungen des Privatgutachters Dr. R. zunächst „beseitigt“ gewesen. Erst als der Zahn am 8. Januar 2001 bei der Vitalitätsprüfung aufgefallen sei, sei eine Wurzelbehandlung indiziert gewesen. Auch dann sei freilich auf dem Röntgenbild noch kein krankhafter Befund festzustellen gewesen. Die Klägerin gehe nicht darauf ein, dass der Zahn Nr. 2.6. im November 1999 bei der Erneuerung der Zahnbrücke tatsächlich freigelegt und behandelt worden sei. Eine Karies habe sich auch nach dieser erfolgreichen Behandlung binnen weniger Monate wieder neu bilden können. Die Klägerin trage nicht vor, warum der Zahnarzt Dr. Sch. Angaben dazu machen könne, dass der später behandelnde Zahnarzt Dr. G. die Behandlung nicht nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst durchgeführt habe. Dem von der Klägerin vermissten Zeugenbeweis wäre deshalb im Berufungsverfahren zum Vorprozess keine Bedeutung beizumessen gewesen. Die Kariesbehandlung an Zahn Nr. 2.7. sei für den geltend gemachten Schmerzbefund nicht relevant gewesen. Die Behauptung einer Fehldiagnose von Bruxismus sei unzutreffend und unerheblich. Ein Mangel der zahnärztlichen Patientenaufklärung durch Dr. G. sei nicht festzustellen gewesen, zumal die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag schon von Dr. Sch. auf die Erforderlichkeit der Erneuerung der Zahnbrücke hingewiesen worden sei. Dr. G. habe ihr sodann erläutert, dass die Ersetzung der Zahnbrücke nur hinausgeschoben, aber nicht verhindert werden könne.

11
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil der 15. Zivilkammer vom 8. Juni 2005 abgewiesen (Bl. 191 ff. GA). Es hat ausgeführt, die Berufung im Arzthaftungsprozess hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Im Vorprozess sei entscheidend gewesen, ob der Zahnarzt Dr. G. die Klägerin nach den Regeln der ärztlichen Kunst behandelt habe. Das sei aufgrund der dem Gericht vorliegenden Sachverständigengutachten verneint worden. Für die Berufung der Klägerin sei es unerheblich gewesen, dass Dr. Sch. nicht als sachverständiger Zeuge vernommen worden sei; denn die Klägerin habe keine Tatsachen vorgetragen, die die Notwendigkeit seiner Vernehmung ergeben hätten. Die Anknüpfungstatsachen zum gerichtlichen Sachverständigengutachten seien vollständig gewesen. Von besonderer Bedeutung seien die von Dr. G. angefertigten Röntgenaufnahmen gewesen, die der gerichtliche Sachverständige entgegen der Behauptung der Klägerin als sachgemäß erstellt angesehen habe. Die Klägerin habe weder im Vorprozess über die Arzthaftung noch im vorliegenden Verfahren über die Anwaltshaftung dargelegt, welche abweichenden Befunde der Zahnarzt Dr. Sch. mitteilen könnte. Dessen Wertung, dass eine Entfernung der Zahnbrücke angezeigt gewesen sei, falle in den Bereich der Aufgaben des medizinischen Sachverständigen. Das Ergebnis des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen sei nicht zweifelhaft gewesen.

12
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie eine Entscheidung nach Maßgabe ihrer erstinstanzlichen Sachanträge, hilfsweise die Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht erstrebt. Sie meint, das Landgericht habe ihre Beanstandungen der ärztlichen Leistungen teilweise nicht bewertet. Sie habe das Nichtentfernen der Brücke bis Ende 1999, die unterlassene Aufklärung über Behandlungsalternativen, eine unzureichende Kariesbehandlung der Zähne Nr. 2.6. und Nr. 2.7. zum Ende des Jahres 1999, die Verursachung und Nichtbeseitigung des Frühkontaktes der neuen Zahnbrücke bei Zahn Nr. 2.4., die unzutreffende Diagnose eines Bruxismus und das Fehlen einer ordnungsgemäßen Diagnose- und Behandlungsdokumentation bemängelt. Damit habe sich das Landgericht zum Teil gar nicht und im Übrigen nur kursorisch befasst. Zudem sei der sachverständige Zeuge Dr. Sch. zu Unrecht nicht vernommen worden. Dr. Sch. habe ihr Ende des Jahres 1999 unbedingt zu einer sofortigen Erneuerung der Zahnbrücke geraten. Welche Befunde dem zugrunde gelegen hätten, sei von ihr nicht darzulegen gewesen; das könne im Arzthaftungsprozess nicht verlangt werden. Daher sei es unschädlich, dass sie in ihrem Beweisangebot keine konkreteren Behauptungen aufgestellt habe. Zudem hätte das Landgericht darauf hinweisen müssen, dass es von einem Substanziierungsmangel ausgehen wollte. Die Privatgutachten der Sachverständigen Dr. R. und Dr. S. hätten sich nur mit der Eingliederung der neuen Zahnbrücke befasst, nicht mit der Kariesbehandlung. Dr. G. hätte sie dahin aufklären müssen, dass eine sofortige Erneuerung der Zahnbrücke in Betracht zu ziehen sei. Insbesondere wegen des vorherigen Rates des Zahnarztes Dr. Sch. zur sofortigen Erneuerung der Zahnbrücke sei für diesen Fall von einem anschließenden aufklärungsrichtigen Verhalten durch sie auszugehen. Weder darüber, dass die bisherige Zahnbrücke allenfalls noch für einzelne Monate erhalten bleiben könne noch darüber, dass der Vitalitätsverlust des Zahnes Nr. 2.6. drohe, sei sie aufgeklärt worden; andernfalls hätte sie sich für die sofortige Entfernung der Zahnbrücke entschieden. Der Aufklärungsmangel habe zur Unwirksamkeit ihrer Einwilligung in alle Behandlungsmaßnahmen des Zahnarztes Dr. G. geführt. Das gerichtliche Sachverständigengutachten des Zahnarztes Dr. D. zeige inhaltlich deutliche Solidarisierungstendenzen auf, wie sie unter Ärzten oft zu beobachten seien. Auch deshalb wäre ihre Berufung im Vorprozess erfolgreich gewesen. Das Landgericht habe zudem im Vorprozess ihr Vorbringen übergangen, dass auch in dem Frühkontakt der neuen Zahnbrücke bei Zahn Nr. 2.4. eine Ursache für den späteren Schmerzbefund gelegen habe. Der gerichtliche Sachverständige hätte sich zudem ohne weiteres auf die Dokumentation des Arztes Dr. G. gestützt, obwohl sie diese beanstandet habe. Damit habe sich das Landgericht in beiden Prozessen nicht auseinandergesetzt. Schließlich sei ihr Vortrag übergangen worden, dass eine Karies nicht im Anschluss an eine sachgerechte Behandlung nach nur einem dreiviertel Jahr erneut entstanden wäre. Zur Passivlegitimation des Zweitbeklagten habe das Landgericht keine Ausführungen gemacht, so dass auch ein Berufungsvorbringen dazu entbehrlich sei.

13
Die Beklagten betonen, dass die Klägerin vor der Konsultation des Zahnarztes Dr. G. nur einmal bei dem Zahnarzt Dr. Sch. gewesen sei und sich von diesem nicht habe behandeln lassen, weil er ihr „zu resolut“ gewesen sei. Die Dokumentation des Dr. Sch. hätte dem gerichtlichen Sachverständigen vorgelegen. Daher sie nicht ersichtlich, welche Befundtatsachen im Vorprozess durch die Nichtvernehmung des Zeugen Dr. Sch. unbeachtet geblieben seien. Die Diagnose eines Bruxismus sei nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen. Soweit die Klägerin nun auf zahnärztliche Aufklärungsversäumnisse des Zahnarztes Dr. G. hinweise, bleibe unberücksichtigt, dass ihre Klageerwiderung in erster Instanz unbestritten geblieben sei, wonach der vorher behandelnde Zahnarzt Dr. Sch. bereits auf die Notwendigkeit der baldigen Entfernung der Zahnbrücke hingewiesen und der Dr. G. danach ergänzt habe, dass die Erneuerung der Zahnbrücke nur aufgeschoben, aber nicht verhindert werden könne. Der Vorwurf der Parteilichkeit des gerichtlichen Sachverständigen im Vorprozess sei unzutreffend. Der Vorwurf von Dokumentationsmängeln sei unsubstanziiert. Das erneute Entstehen von Karies nach einer richtigen Behandlung sei Gegenstand des Sachverständigenbeweises gewesen.

14
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, einschließlich des Schriftsatzes der Klägerin vom 13. Juni 2006, verwiesen. Wegen der Feststellungen des Landgerichts nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug.

II.

15
Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist nach dem Prüfungsmaßstab des § 529 Abs. 1 ZPO nicht zu beanstanden.

16
1. Die Nichtdurchführung der Berufung im Vorprozess war möglicherweise ein schuldhafter Fehler bei der anwaltlichen Vertretung der Klägerin, auch wenn Näheres zu den Gründen dafür, dass die Berufung zwar eingelegt, aber nicht mehr begründet wurde, nicht dargelegt worden ist. Der Anwalt muss aufgrund seiner dienstvertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Mandanten den Sachverhalt auch daraufhin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen (vgl. BGH NJW 2006, 501, 503). Insbesondere über eine im Einzelfall fehlende Erfolgsaussicht des in Aussicht genommenen Rechtsbehelfs muss er den Mandanten aufklären, damit dieser eigenverantwortlich entscheiden kann, ob er das damit verbundene Prozessrisiko eingehen will oder nicht (vgl. Senat Urt. vom 12. Juni 2006 – 12 U 315/05 – m.w.N.). Deshalb hätten die Beklagten – soweit sie von der Klägerin mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragt wurden – auch prüfen müssen, welche Erfolgsaussichten das Rechtsmittel hat und sie hätten die Klägerin nach einem objektiven Beurteilungsmaßstab darüber aufklären müssen, dass das Rechtsmittel nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Vorprozess letztlich kaum Erfolg versprechend war. Ob das geschehen ist und wie sich die Klägerin zur Frage der weiteren Durchführung des Berufungsverfahrens gegenüber den Beklagten geäußert hat, ist von der Klägerin im Anwaltshaftungsprozess nicht dargetan worden. Der Korrespondenz mit dem Rechtsschutzversicherer allein ist dazu nichts Verbindliches zu entnehmen. Die Frage, ob sich die Klägerin eigenverantwortlich für die Durchführung des Berufungsverfahrens entschieden hat und die Beklagten es auch vor diesem Hintergrund vertragspflichtwidrig und schuldhaft unterlassen haben, das Rechtsmittel rechtzeitig zu begründen, kann aber offen bleiben. Selbst wenn eine schuldhafte Verletzung einer Verpflichtung der Beklagten zur anwaltlichen Vertretung der Klägerin vorgelegen hätte, so hätte sich diese jedenfalls nicht dahin ausgewirkt, dass die Klägerin nun von den Beklagten den zuvor gegenüber dem Zahnarzt Dr. G. geltend gemachten Schaden ersetzt verlangen kann. Eine Prozesspartei erleidet nur dann infolge eines anwaltlichen Beratungsmangels oder Vertretungsfehlers einen ersatzfähigen Vermögensschaden, wenn sie einen Prozess verliert, den sie bei sachgemäßer Vertretung tatsächlich gewonnen hätte. Für die hypothetische Betrachtung ist maßgebend, wie der Vorprozess nach Auffassung des Gerichts, das mit der Frage der Anwaltshaftung befasst ist, richtig hätte entschieden werden müssen. Grundsätzlich ist dabei von dem Sachverhalt auszugehen, der dem Gericht des Vorprozesses bei pflichtgemäßem Verhalten des Prozessbevollmächtigten unterbreitet oder von diesem Gericht aufgeklärt worden wäre. Die dazu notwendigen Feststellungen sind von dem im Anwaltshaftungsprozess neu entscheidenden Gericht unter Würdigung aller Umstände nach seiner freien Überzeugung zu treffen. Die für den Vorprozess geltenden Regeln über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, insbesondere im Arzthaftungsprozess, sind allerdings grundsätzlich auch im nachfolgenden Verfahren über die Anwaltshaftung zu beachten (vgl. PfzOLG Zweibrücken OLG-Report Zweibrücken 2001, 175 ff.). Die Klägerin kann aber auch nach diesem Maßstab hier nur auf dasjenige verweisen, was die versäumte Berufungsbegründung im Vorprozess mit Erfolg hätte geltend machen können. Aspekte, die im Vorprozess nach dem Maßstab der §§ 529, 531 ZPO nicht mit Erfolg zu rügen gewesen wären, können ihr auch im Anwaltshaftungsprozess keinen Erfolg bringen.

17
a) Das gilt zunächst für den angeblichen Mangel der Aufklärung der Klägerin durch Dr. G. Eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht war zunächst nicht Gegenstand der Klage im Vorprozess gewesen (vgl. Bl. 6 f. BA). Sie ist vor diesem Hintergrund – unbeschadet späterer Details im Vorbringen der Klägerin, die aber auch unter der Überschrift „Behandlungsfehler“ (Bl. 100 ff. BA) erwähnt wurden – im landgerichtlichen Urteil über die Arzthaftung dadurch schon im Urteilstatbestand in Abrede gestellt worden, dass dort ausgeführt wurde, die bisherige Zahnbrücke sei von Dr. G. nach „Absprache mit der Klägerin“ beibehalten worden, um nur am Kronenrand des Zahnes Nr. 2.6. eine Kariesbehandlung vorzunehmen. Damit wurde eine wirksame Einwilligung der Klägerin in die konkrete Zahnbehandlung ohne vorherige Entfernung der Zahnbrücke angenommen. Eine Tatbestandsberichtigung wurde von der Klägerin nicht beantragt. Deren Unterlassen wird den Beklagten im vorliegenden Anwaltshaftungsprozess auch nicht als Verletzung ihrer dienstvertraglichen Pflichten vorgeworfen. Vor diesem Hintergrund erscheint es schon aus prozessrechtlichen Gründen ausgeschlossen, dass die Berufung im Vorprozess mit diesem Angriff Erfolg gehabt hätte (vgl. zur Bindungswirkung des Urteilstatbestands für das Berufungsgericht mangels Tatbestandsberichtigung OLG Rostock Urt. vom 23. Oktober 2003 – 3 U 6/03). Aber auch in der Sache selbst ist jedenfalls die Klageerwiderung im vorliegenden Anwaltshaftungsprozess dazu, welche Hinweise durch Dr. Sch. und – insoweit auch ergänzend – durch Dr. G. im Rahmen der Patientenaufklärung erfolgt waren, unbestritten geblieben. Danach war die Klägerin tatsächlich über die Erforderlichkeit der Ersetzung der Zahnbrücke informiert gewesen. Die Dringlichkeit dieser Maßnahme hing von den jeweils vorliegenden Kariesbefunden ab und unterlag einem ärztlichen Beurteilungsspielraum. Dass die Klägerin unzureichend aufgeklärt worden war und sich das auf die Wirksamkeit ihrer Einwilligung in die konkrete Behandlung durch den Zahnarzt Dr. G. ausgewirkt hat, ist danach nicht anzunehmen. Von dem dafür maßgeblichen erstinstanzlichen Streitstand abweichendes Vorbringen der Klägerin in zweiter Instanz des vorliegenden Prozesses ist gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.

18
b) Die Nichtvernehmung des Zahnarztes Dr. Sch. als sachverständiger Zeuge durch das Landgericht im Arzthaftungsprozess ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Dies hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zur Frage der Anwaltshaftung damit erklärt, dass die Klägerin keine Befundtatsache in das Wissen dieses Zeugen gestellt habe. Dessen behauptete Äußerung, eine Ersetzung der Zahnbrücke sei dringend angezeigt, müsse dagegen als eine Wertung angesehen werden, die dem Sachverständigenbeweis zuzuordnen sei. Konkrete Befundtatsachen als Beweisthema seien von der Klägerin dagegen nicht genannt worden. Diese Überlegung des Landgerichts trifft zu. Der Einwand der Berufung, das Landgericht habe damit die Substanziierungspflichten eines Klägers im Arzthaftungsprozess überhöht, geht demgegenüber fehl.

19
Der Arzthaftungsprozess ist unbeschadet gewisser Besonderheiten, die sich aus dem Gebot der Beachtung des Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit ergeben (vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, 2002, S. 378 ff.), ein Zivilprozess, in dem die Parteimaxime gilt. Wie in jedem anderen zivilprozessualen Erkenntnisverfahren hat auch im Arzthaftungsprozess grundsätzlich eine Prozesspartei diejenigen Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sie in Verbindung mit den materiellrechtlichen Normen die von ihr geltend gemachte Rechtsfolge herleitet. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arzt bei der Behandlung gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen habe, liegt demnach zuerst bei dem angeblich geschädigten Patienten (vgl. BVerfGE 52, 131, 158). Zwar werden im Arzthaftungsprozess zum Teil auch Erleichterungen hinsichtlich der Darlegungslast für die klagende Partei zugelassen, soweit ihr Informationen aus der Sphäre des behandelnden Arztes nicht zugänglich sind, die für diesen hingegen ohne weiteres verfügbar und verständlich sind. Darum geht es im vorliegenden Fall aber nicht, zumal die Dokumentation des Zahnarztes Dr. Sch. in das gerichtliche Sachverständigengutachten eingeflossen ist. Unter anderem aus demselben Grund kommt auch eine Umdeutung des Beweisantrages der Klägerin in einen Antrag auf Einholung des Gutachtens eines weiteren Sachverständigen hier nicht in Betracht (vgl. die Kontroverse bei Stimmengleichheit zum umgekehrten Umdeutungsweg in BVerfGE 52, 131, 149, 161).

20
Nachdem Dr. Sch. die Zahnbrücke selbst nicht entfernt, den darunter zur Zeit der Brückenentfernung vorhandenen Kariesbefund nicht erhoben und auch keine im Vorprozess unausgewertet gebliebene Röntgenaufnahme angefertigt hat, bezieht sich das zum Beweisthema nicht konkretisierte Beweisangebot der Klägerin nicht auf bestimmte und erhebliche Tatsachen, die Gegenstand des Zeugenbeweises sein könnten. Es ist nicht Aufgabe eines sachverständigen Zeugen, sondern des Sachverständigen, dem Richter Erfahrungssätze oder besondere Kenntnisse des jeweiligen Wissensgebietes zu vermitteln oder aufgrund seiner Fachkenntnisse Schlussfolgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt zu ziehen (vgl. OLG Koblenz MedR 2005, 473, 474). Daher war die von der Klägerin allein behauptete und unter Beweis gestellte wertende Äußerung des Zahnarztes Dr. Sch., die Entfernung der Zahnbrücke sei zur Kariesbehandlung der hiervon verdeckten Zähne erforderlich, noch kein tauglicher Anlass zur Zeugenvernehmung. Darauf musste das Landgericht die anwaltlich beratene Klägerin nicht gesondert nach § 139 Abs. 1 ZPO hinweisen; denn das versteht sich von selbst. Die abweichende Ansicht der Klägerin, Befundtatsachen seien bei der Vernehmung des sachverständigen Zeugen erst zu erfragen gewesen, geht fehl. Der Beweisführer muss im Zivilprozess allgemein die Tatsache, für deren Richtigkeit Beweis angeboten wird, konkret bezeichnen und dabei die tatsächlichen Anhaltspunkte für die aufgestellte Behauptung darlegen. Andernfalls würde eine Ausforschung erfolgen, die mit der Beibringungsmaxime des Zivilprozesses unvereinbar ist (vgl. OLG Saarbrücken OLG-Report Saarbrücken 2006, 461, 462 f.). Im Arzthaftungsprozess gilt insoweit nichts anderes. Das führt hier auch nicht zu einer unzumutbaren Benachteiligung der Klägerin; denn ihr wäre es unbenommen gewesen, durch ihre anwaltlichen Bevollmächtigten Auskünfte bei Dr. Sch. über eventuell vorliegende Befundtatsachen von Beweisbedeutung einzuholen. Das hat sie jedoch versäumt.

21
c) Andere Mängel der ärztlichen Diagnose, Behandlung oder Dokumentation durch Dr. G. sind entweder nicht festzustellen oder jedenfalls für die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin unerheblich.

22
aa) Der Frühkontakt der neuen Zahnbrücke am Zahn Nr. 2.4. war nach dem gerichtlichen Sachverständigengutachten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht für die spätere Entzündung im Wurzelbereich des Zahnes Nr. 2.6. ursächlich.. Die Klägerin vermag im Arzt- und Anwaltshaftungsprozess keinen durchgreifenden Einwand dagegen zu erheben. Zweifel an der Richtigkeit der landgerichtlichen Tatsachenfeststellung im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergeben sich auch sonst nicht.

23
bb) Der Bruxismus und dessen Behandlung waren für den Schmerzbefund infolge einer Karies und der nachfolgenden Wurzelentzündung, die „mit großer Wahrscheinlichkeit“ alleine für den Schmerzbefund ursächlich waren (Bl. 39 GA), nicht von Bedeutung. Deshalb ist dieser Aspekt zu Recht nicht ausdrücklich in die Urteile des Landgerichts im Vorprozess und im vorliegenden Arzthaftungsprozess aufgenommen worden; die Gründe einer gerichtlichen Entscheidung haben sich zu den wesentlichen Aspekten zu äußern, aber nicht zu allen erkennbar unerheblichen Einzelheiten (vgl. Senat NJW-RR 2004, 392, 393). Schließlich hat die Klägerin auch nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Diagnose des Bruxismus durch Dr. G. falsch gewesen sein soll.

24
cc) Ob die Verfüllung des Zahnes Nr. 2.7. erforderlich war, ist ohne Belang, weil es für die Schadensersatzklage der Klägerin hier nur um den entzündungsbedingten Schmerzbefund im Bereich des Zahnes Nr. 2.6. geht.

25
dd) Die Wurzelbehandlung ist zu Recht erst ab dem Zeitpunkt einer konkreten Indikation vorgenommen worden, nicht schon zuvor. Insoweit bestehen ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des sachverständig beratenen Landgerichts gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Dies gilt auch, weil zu berücksichtigen ist, dass bei der ärztlichen Diagnose und Behandlung ein Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum des Arztes im Rahmen der Abwägung von Risiken und Chancen sowie bei der prognostischen Bewertung des weiteren Krankheitsverlaufes anerkannt werden muss (vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 304 ff.).

26
Eine Wurzelkanalbehandlung ist eine komplizierte Zahnbehandlung in der Endodontie mit dem Ziel, den Zahn zu erhalten, obwohl dessen Mark bereits irreversibel geschädigt ist. Die Ursachen für die Entzündung des Zahnmarks sind vielfältig. Meist beginnt dieser Prozess – wie hier – mit einem kariösen Defekt, der als Eintrittspforte für Krankheitserreger wirkt und anfangs nicht unbedingt Schmerzen verursacht. Karies ist bei entsprechend veranlagten Menschen zahnärztlich auch nicht zu verhindern. Das entspricht der Lebenserfahrung, gegen die das Vorbringen der Klägerin vergeblich ankämpft; weiterführende Erfahrungssätze zur Frage, unter welchen Umständen etwa im Kronenrandbereich eines Zahnes Karies entsteht, gibt es nicht (vgl. LG Hannover Arzt und Recht 2003, 82 f.). Ein Behandlungstrauma, insbesondere durch das Beschleifen des Zahnes für eine Krone oder eine Zahnbrücke, kann auch zu einer Pulpitis führen, also zu einer Entzündung des Gewebes im Zahninnenraum. Von allen diesen geläufigen Prämissen ist der gerichtliche Sachverständige ausgegangen, ohne dass dies besonders betont und erläutert werden musste. Eine akute Pulpitis kann schmerzhaft sein; das war auch bei der Klägerin dann der Fall, als sich der entzündliche Prozess ausgebreitet hatte. In vielen Fällen verläuft die Entzündung der Pulpa aber zu Beginn fast schmerzfrei, das Zahnmark stirbt ab und die Keime breiten sich im System der Wurzelkanäle aus. Der Körper kann außerhalb des Zahnes mit einer Entzündung des Zahnhalteapparates (parodontitis apicalis) reagieren; das ist eine Abwehrreaktion des Immunsystems. Sie war bei der Klägerin durch Knochenabbau im Röntgenbild hervorgetreten. Eine Wurzelbehandlung wird aber auch vor diesem Hintergrund im Regelfall erst bei zwei verschiedenen Ausgangssituationen durchgeführt. Der Zahn ist im ersten Fall noch vital, aber der Nerv ist irreversibel geschädigt. Dann wird eine Vitalexstirpation durchgeführt, die hingegen bei intaktem Nerv weder medizinisch indiziert ist noch vertretbar erscheint; denn sie führt zur Beseitigung von Zahnnerv und Zahnmark als lebender Substanz. Der Zahn ist im zweiten Indikationsfall bereits tot und Keime sind eingedrungen. Auch dann besteht das Ziel der Wurzelbehandlung in der Entfernung der Keime aus dem Zahninneren. Nach der Eröffnung des Zahnes wird das System der Wurzelkanäle gereinigt und gefüllt. Unter Beachtung der begrenzten Indikationslagen für eine solche Behandlung ist die Bewertung des Falles der Klägerin durch den gerichtlichen Sachverständigen im Vorprozess nicht zu beanstanden, weil die besonders eingriffintensive Wurzelbehandlung vor einer Indikation im genannten Sinne nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst noch nicht durchzuführen war. Eine frühere Erkennbarkeit der Zahnwurzelentzündung über die tatsächlich getroffenen Diagnosen hinaus war im Vorprozess nicht anzunehmen. Das geht aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen nachvollziehbar hervor und die Privatgutachten, die sich entgegen der Annahme der Klägerin nicht nur zur Eingliederung der Zahnbrücke äußern, fügen sich in dessen Lagebild ein. Der von der Klägerin erhobene Vorwurf der Parteilichkeit des gerichtlichen Sachverständigen entbehrt bei dieser Sachlage einer Grundlage.

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ee) Die von der Klägerin ins Blaue hinein behauptete Verletzung der zahnärztlichen Dokumentationspflicht ergibt für sich genommen noch keinen Haftungsgrund. Sie würde gegebenenfalls Beweiserleichterungen für anderweitig zu begründende Ansprüche vermitteln können (vgl. BGHZ 72, 132, 138 f.). Ein relevanter Behandlungsfehler durch Dr. G. oder eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht liegen aber – unbeschadet dieses Beweisaspekts – nicht vor. Zudem ist für eine Verletzung der zahnärztlichen Dokumentationspflicht nichts ersichtlich. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, welche Informationen in den zahnärztlichen Unterlagen sie beanstandet oder vermisst. Auch der gerichtliche Sachverständige im Vorprozess fand keinen Hinweis auf einen Dokumentationsmangel. Nach allem ist es nicht zu beanstanden, dass er seinem Gutachten die Aufzeichnungen des im Vorprozess beklagten Zahnarztes Dr. G. zu Grunde gelegt hat.

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2. Die Klageabweisung bezüglich des Zweitbeklagten ist im Übrigen, worauf es aber nicht mehr entscheidend ankommt, auch mangels Passivlegitimation zutreffend. Sein Vorbringen zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Anwaltskanzlei der anderen Beklagten und zur Kenntnis der Klägerin hiervon ist von dieser nicht substantiiert bestritten worden. Der Zweitbeklagte wurde im Übrigen schon zur Zeit der Deckungsanfrage an den Rechtsschutzversicherer wegen des Berufungsverfahrens im Vorprozess nicht mehr im Briefkopf der Kanzlei aufgeführt. Nichts spricht demnach dafür, dass auch er mit der Durchführung des Berufungsverfahrens im Vorprozess beauftragt wurde

III.

29
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

30
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 5.653,90 Euro.

31
Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegt.

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