Wer muss den Anwalt bezahlen?
Wenn zwei sich streiten und ein Rechtsanwalt eingeschaltet wird, stellt sich die Frage, wer dessen Kosten zu tragen hat. Dieser Beitrag geht dieser Frage nach.
„Ich bin im Recht, also muss mein Gegner meinen Anwalt bezahlen.“ Mit dieser gar nicht so seltenen Vorstellung beauftragen Mandanten einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen. Sie sind dann erstaunt, wenn sie von ihrem Rechtsanwalt eine Rechnung erhalten, mit dem dieser z. B. die Zahlung eines Vorschusses verlangt. Wo bleibe denn da die Gerechtigkeit? Diese Rechnung müsse doch der Gegner bezahlen.
Zur Überprüfung der Richtigkeit dieser Annahmen ein kleines Gedankenspiel: A hat eine unbestrittene und fällige Geldforderung gegen B. Dieser zahlt trotz Mahnung nicht. A geht zum Rechtsanwalt R und beauftragt ihn, seine Forderung bei B für ihn einzutreiben. A schlägt dann dem Anwalt R vor, dass dieser sein Honorar ja dem Gegner B in Rechnung stellen kann. Ob der Anwalt mit diesem Vorschlag einverstanden ist?
Sie ahnen es schon: Rechtsanwalt R wird seine Rechnung nicht dem Gegner B, sondern seinem Mandanten A schicken. Denn Anwalt R ist nicht von B beauftragt worden, und R hat für B auch keine Leistung erbracht. Auftraggeber von R und Leistungsempfänger ist allein A. Und nur der Auftraggeber erhält die Rechnung, so § 10 der Gebührenordnung der Rechtsanwälte (RVG). Die Rechnung erfüllt dabei neben der Fälligstellung der Rechnungssumme auch eine Kontrollfunktion für den Auftraggeber: Anhand der Rechnung kann er selbst oder durch Dritte überprüfen, ob der Rechtsanwalt richtig abgerechnet hat.
Die Stellung der Rechnung an den Gegner B verbietet sich für Rechtsanwalt R noch aus einem weiteren Grund: Eine Anwaltsrechnung enthält neben den Gebührenangaben z. B. auch Angaben dazu, wann das Mandat erteilt wurde. Durch Mitteilung dieser internen Details an den Gegner seines Mandanten würde R gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen.
Ist Gegner B umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer, verbietet sich die Erteilung einer Rechnung von Rechtsanwalt R an Gegner B auch aus steuerrechtlichen Gründen. Gegner B könnte dann nämlich bei seiner nächsten Umsatzsteuervoranmeldung die Umsatzsteuer aus der Rechnung von Rechtsanwalt R steuermindernd geltend machen. Rechtsanwalt R würde mithin Gegner B seines Mandanten A durch Erteilung der Rechnung einen steuerlichen Vorteil verschaffen! Wenn jetzt auch Mandant A Unternehmer ist und von R eine Rechnung zwecks Ziehung der Vorsteuer verlangt, steht Anwalt R vor einem zusätzlichen Problem: Er kann nicht dieselbe Leistung zweimal abrechnen und sähe sich gezwungen, seinem Mandanten A die Rechnung verweigern – obwohl Anwalt R doch, wie schon oben erwähnt, gesetzlich verpflichtet ist, seinem Mandanten über sein Honorar eine Abrechnung zu erteilen.
Als Zwischenergebnis können wir also festhalten, dass derjenige, der einen Rechtsanwalt beauftragt, dessen Honorar nach Maßgabe der ihm übersandten Honorarrechnung zu bezahlen hat und der Rechtsanwalt nicht vom Gegner sein Honorar einfordern kann und dies auch nicht darf.
Bleibt A nun auf den Rechtsanwaltskosten „sitzen“? Die Antwort lautet wie so häufig bei Rechtsfragen: Das kommt drauf an. Nämlich darauf, ob Gegner B eine Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten vorzuwerfen ist und hierdurch für A die Einschaltung eines Rechtsanwalts notwendig wurde. Ist dies der Fall, kann Anwalt R für seinen Mandanten A gegenüber Gegner B Schadenersatz in Höhe seines Honorars geltendmachen.
Auch wenn die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind und der Gegner zur Erstattung der Anwaltskosten sogar durch Urteil verpflichtet wird, kann es sein, dass der Gegner zahlungsunfähig ist. Der Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten besteht dann zwar; er ist aber – vorübergehend oder ständig – nicht durchsetzbar.
Unser Endergebnis lautet somit: Wer einen Rechtsanwalt beauftragt, hat als Auftraggeber dessen Anwaltshonorar zu bezahlen. Er hat jedoch gegen seinen Gegner einen Schadenersatzanspruch, wenn die Einschaltung aufgrund eines schuldhaften Fehlverhaltens des Gegners erfolgte und deshalb die Einschaltung eines Rechtsanwalts notwendig war.
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