Zur Versagung der Restschuldbefreiung wegen unvollständiger Angabe der Gläubiger

AG Fürth, Beschluss vom 19.06.2017 – IN 611/16

Zur Versagung der Restschuldbefreiung wegen unvollständiger Angabe der Gläubiger

Tenor

Der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 04.05.2017 (Bl. 124 d. A.) wird nicht abgeholfen, §§ 6 Abs. 1 InsO, 572 Abs. 1 ZPO, im Hinblick auf die Beschwerdebegründung wird der Beschluss jedoch in den Gründen neu gefasst.

Gründe
1
Das Vorbringen aus der Beschwerdeschrift rechtfertigt es nicht, im Ergebnis von der angegriffenen Entscheidung abzuweichen. Insbesondere enthält der Beschwerdevortrag keine tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte – insbesondere das Fehlen eines Gläubigerantrags -, mit denen sich die angefochtene Entscheidung nicht befasst hat. Zwischenzeitlich ist unter dem 31.5.2017 jedoch ein Versagungsantrag beim Insolvenzgericht eingegangen, so dass die Gründe insoweit neu gefasst werden:

1.

2
Die Schuldnerin stellte mit Eingang 07.10.2016 Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen. In Anlage 1 gab die Schuldnerin an, ehemals selbstständig gewesen zu sein. In Anlage 6 (Bl. 38 d. A.) gab sie an, insgesamt über 17 Gläubiger zu verfügen. Ebenfalls im Rahmen der Anlage 6 versicherte die Schuldnerin unterschriftlich die Richtigkeit und Vollständigkeit des Gläubiger- und Forderungsverzeichnisses.

3
Der mit gerichtlichem Beschluss vom 25.10.2016 eingesetzte Insolvenzsachverständige, Rechtsanwalt B., stellte im Rahmen des vom Gericht beauftragten Gutachtens (vgl. Bl. 82 d. A.) fest, dass die Schuldnerin mindestens 23 Gläubiger hat. Das von der Schuldnerin bei Antragsstellung vorgelegte Gläubiger- und Forderungsverzeichnis war somit objektiv nicht richtig. Die insgesamt 6 nicht genannten Gläubiger waren die A.-Rechtsschutzversicherung AG, A. S.C.A., die G.-Versicherung AG, K. AB, L. GmbH und M. N. Die Gläubiger entnahm der Sachverständige B. den Unterlagen, die die Schuldnerin ihm im Rahmen der Gutachtenserstellung überlassen hatte. Mit gerichtlicher Verfügung vom 21.12.2016 wurde die Schuldnerin aufgefordert, mitzuteilen, warum sie die Gläubiger nicht in ihrer Gläubigerliste angegeben hatte.

4
Am 11.01.2017 beantragte die Schuldnerin die Umstellung auf das Regelinsolvenzverfahren.

5
Mit Eingang 25.01.2017 teilte die Schuldnerin dem Gericht mit, dass sie die Unterlagen der Gläubiger erst gefunden habe, nachdem sie den Antrag bereits gestellt hatte. Sie habe bei den Schuldnerberatern der Diakonie nachgefragt, ob diese noch auf der Gläubigerliste eingetragen werden könnten, aber die Auskunft erhalten, dass dies nicht mehr erfolgen kann, da der Antrag bereits bei Gericht sei. Auf Nachfrage des Gerichts vom 06.02.2017 teilte der Schuldnerberater mit, dass ihm bei Antragstellung nur 17 Gläubiger bekannt waren, die Schuldnerin die neuen Gläubiger erst mitgeteilt habe, nachdem sie vom Gericht zur Berichtigung der Gläubigerliste aufgefordert wurde.

6
Daraufhin wurde die Schuldnerin mit Verfügung vom 01.03.2017 zur Frage der Feststellung der Erlangbarkeit der Restschuldbefreiung angehört.

2.

7
Die Feststellung, dass die Schuldnerin Restschuldbefreiung erlangen wird, ist abzulehnen.

8
a) Der gesetzliche Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO liegt zweifelsfrei zur Überzeugung des Gerichts vor. Die Insolvenzschuldnerin hat in den von ihr nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorgelegten Verzeichnissen – unter welche die Anlage 6 als Gläubiger- und Forderungsverzeichnis eindeutig fällt – bereits mit Einreichung des Eröffnungsantrages ihre Vermögensverhältnisse richtig und vollständig anzugeben (vgl. BGH, NZI 2009, S. 65; Vallender-Uhlenbruck, § 290, RdNr. 67).

9
Gegen diese Pflicht hat die Schuldnerin hier verstoßen. Sie hat insgesamt 6 verschiedene Gläubiger in ihrem Gläubigerverzeichnis nicht angegeben. Bei dem Anspruch des Gläubiger A.-Rechtsschutzversicherungs AG handelt es sich um eine Forderung in Höhe von 1.288,42, bei der A. S.C.A. handelt es sich um eine Forderung von 67,86 €, die Forderung der G.-Versicherung AG beläuft sich auf 3.095,47 €, die der K. AB auf 128,96, die der L. GmbH auf 1,00 € und die des Gläubigers M. N. auf 35,00 €. Das Verzeichnis war damit objektiv unvollständig.

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Ein Verstoß gegen § 290 Nr. 5 InsO liegt bei unrichtigen Angaben auch dann vor, wenn sie sich nicht zum Nachteil der Gläubiger auswirken. Es genügt, dass der Verstoß seiner Art nach geeignet sind, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu gefährden (MüKoInsO/Stephan InsO § 290 Rn. 67). Die Nichtangabe von Gläubigern ist der Art nach geeignet, die Befriedigung der Gläubiger zu beeinträchtigen, da deren Forderungen aus diesem Grund im Verfahren unbekannt bleiben und keine Berücksichtigung finden.

11
Eine Versagung der Restschuldbefreiung wegen dieser fehlerhaften Angabe wäre auch nicht unverhältnismäßig. Die Schuldnerin hat die Angaben nicht von sich aus nachgeholt, sondern erst auf Nachfrage des Gerichts angegeben. Die Tatsache, dass Sie die Unterlagen im Eröffnungsverfahren an Rechtsanwalt B. übergab, heilt die unterlassene Auskunftserteilung nicht. Eine Heilung kann zwar grundsätzlich möglich sein, z.B. wenn der Schuldner von sich aus eine zunächst unterlassene Auskunftserteilung nachholt, und zwar bevor sein Fehlverhalten aufgedeckt wurde (vgl. hierzu BGH v. 16.12.2010, NZI 2011, 114ff; BGH v. 20.6.2013, NZI 2013, 940ff), kommt jedoch bei vorsätzlich falschen Angaben nicht in Betracht (vgl. BGH v. 17.3.2005, ZVI 2005, 641f.).

12
Zwar hat die Schuldnerin vorgetragen, versucht zu haben, das Gläubigerverzeichnis aufgrund nachträglichen Auffindens der Gläubigerschreiben von der Schuldnerberatung der Diakonie zu ergänzen, jedoch wird seitens der Diakonie Fürth erklärt, dass auch diese Ergänzung erst versucht wurde, nachdem das Insolvenzgericht die Schuldnerin auf das unvollständige Gläubigerverzeichnis hingewiesen hat.

13
Vorliegend ist zudem zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin ursprünglich ein Verbraucherinsolvenzverfahren beantragte, welches statthaft gewesen wäre, wenn die Angaben im Antrag im Hinblick auf die Gläubigerzahl der Wahrheit entsprochen hätten. Im Falle einer Verbraucherinsolvenz wäre der Versagungsgrund des § 290 I Nr. 6 InsO erfüllt. Dieser ist jedoch hier nicht einschlägig, da aufgrund der Gläubigerstruktur vom Gericht trotz des Antrags auf Verbraucherinsolvenz ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde, welches offenlegte, dass die Voraussetzungen der Verbraucherinsolvenz nicht vorliegen. In dieser besonderen Konstellation sind jedoch ihre insolvenzrechtlichen Auskunftspflichten im Eröffnungsverfahren auch unter dem Licht des § 290 I Nr. 6 InsO zu betrachten. Es ist zwar anerkannt, dass ein Schuldner in Verbraucherinsolvenzverfahren unvorsätzlich unrichtige Auskünfte bis zur Eröffnung korrekt berichtigen oder ergänzen kann (BGH, Beschluss vom 17. 3. 2005 – IX ZB 260/03, NZI 2005, 461). Gleichwohl hat die Schuldnerin eine Korrektur „von sich aus“ in dem vorliegenden Fall aber nicht vorgenommen. Die „mittelbaren“ Angabe durch Vorlage der Unterlagen beim Sachverständigen ändert daran nichts. Ein Schuldner hat die Pflicht, die Angaben in den vorgesehenen Formularen vorzunehmen, da diese als Grundlage für die Entscheidungen des Gerichts im Eröffnungsverfahren der Verbraucherinsolvenz dienen.

14
Diese Falschangaben geschahen mindestens grob fahrlässig, wenn nicht vorsätzlich.

15
Sämtliche dem Gericht vorliegenden Schreiben der betroffenen nicht genannten Gläubiger an die Schuldnerin stammen aus der Zeit kurz vor Antragstellung. So mahnte der Vertreter der Gläubigerin A. die Schuldnerin unter dem 22.09.2016, mithin weniger als einem Monat vor Stellung des Insolvenzantrages bei Gericht. Die Gläubigerin G. forderte die Schuldnerin mit Schreiben vom 18.08.2016 zur Leistung auf, auch dies geschah kurz vor Antragstellung. Das dem Gericht vorliegende Schreiben der Gläubigerin A., datiert vom 31.08.2016, dass der Gläubigerin K. vom 22.08.2016 und dass des Gläubigers N. vom 07.06.2016. Sämtliche Gläubiger waren der Schuldnerin damit aus aktuellst laufendem Schrift- und Mahnverkehr bekannt. Es handelt sich vorliegend nicht um Gläubiger, die man einfach vergessen konnte, da die Rechnungen oder deren Zahlungsaufforderungen lange Zeit zurücklagen. Bei derart kurzfristig vor Antragstellung laufendem Schriftverkehr ist ein Unterlassen der Angabe dieser mindestens grob fahrlässig, wenn nicht als vorsätzlich zu bezeichnen. Ein Schuldner, der sich anschickt, einen Insolvenzantrag bei Gericht einzureichen, ist verpflichtet, mit größter Sorgfalt die entsprechenden Unterlagen zusammen zu suchen. Dazu gehört selbstverständlich der aktuelle und laufende Schriftverkehr. Zudem wurde hier nicht nur ein Gläubiger „vergessen“, sondern gleich 6.

16
Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin ein Verbraucherinsolvenzverfahren beantragte, welches auch statthaft gewesen wäre, wenn die Angaben im Hinblick auf die Gläubigerzahl der Wahrheit entsprochen hätten. Die Falschangaben der Schuldnerin im Rahmen des Gläubigerverzeichnisses waren daher sogar unter Umständen geeignet, eine für sie falsche Verfahrensart zu begründen.

17
Daher ist bereits jetzt evident klar, dass der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vorliegt.

18
b) Die Eingangsentscheidung ist sowohl aufgrund der zeitlichen Stellung im Verfahren als auch des Wortlauts keine rein deklaratorische Ankündigung mehr, da noch kein Schlusstermin erfolgt ist, welcher das Fehlen von Fällen des § 290 InsO gewährleistet. Genau darin unterscheidet sich die neue Regelung von der des § 291 InsO a.F. und begründet hierdurch entgegen anderer Ansicht (zB Ahrens, VIA 2015, 49, 51; Blankenburg, ZInsO 2015, 2258ff.) die Pflicht zur Prüfung. Vom Gesetzeswortlaut her ist im Beschluss eine gerichtliche Prognose angelegt: „Der Schuldner kann die RSB erlangen, wenn…“. Eine solche gerichtliche Prognose kann aber nicht erfolgen, wenn dem Gericht bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung gegenteilige Erkenntnisse vorliegen. Diese Erkenntnisse sind von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Insolvenzrichter kann nicht prognostisch im Eröffnungsbeschluss etwas feststellen, wenn er das Gegenteil bereits definitiv kennt („und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297 bis 298 nicht vorliegen“), er also gerade weiß, dass die Voraussetzung für eine Versagung schon zum Entscheidungszeitpunkt vorliegen (vgl. auch Braun/Pehl, InsO § 287a Rn. 2; Nerlich/Römermann/Römermann InsO § 287a Rn. 18).

19
Im vorliegenden Fall kann auch die umstrittene Frage der Zulässigkeit dieser richterlichen Begründetheitsprüfung wegen des Vorrangs der Gläubigerautonomie und des Erfordernisses eines Gläubigerantrags auf Versagung der Restschuldbefreiung dahinstehen, da unter dem 31.5.2017 bereits im Eröffnungsverfahren der Versagungsantrag eines Gläubigers – im Gläubigerverzeichnis der Schuldnerin unter laufender Nr. 8 aufgeführt – bei Gericht eingegangen ist. Dieser macht den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO geltend.

20
Inwieweit und ob ein Versagungsantrag nach § 290 InsO bereits vor der Eröffnungsentscheidung zulässig sein kann und ob auch in diesem Fall eine Bindung des Gerichts ausschließlich an den dort geschilderten Sachverhalt gegeben ist, bedarf vorliegend nicht der Entscheidung, da das entsprechende Schreiben im Ergebnis als Schutzschrift eines Gläubigers gewertet werden kann. Schutzschriften sind als reinste Form der Gläubigerbeteiligung insbesondere im Rahmen von Verfahren gem. §§ 270a, 270b InsO üblich und finden Eingang in die entsprechenden richterlichen Entscheidungen. Gleiches muss im Restschuldbefreiungsverfahren gelten: Der Gläubiger bringt gegenüber dem Gericht zum Ausdruck, dass er mit der gewählten Verfahrensform – hier das Regelinsolvenzverfahren mit Restschuldbefreiungsverfahren – nicht einverstanden ist. Er macht bereits zu diesem frühen Zeitpunkt klar, dass er einen Versagungsantrag stellen wird. Diese Willensbekundung eines künftigen Insolvenzgläubigers muss das Gericht berücksichtigen, umso mehr, wenn das Gericht bereits selbst das Vorliegen eines Versagungsgrundes als gegeben erachtet. In diesem Fall liegt somit nicht nur ein Versagungsgrund vor, sondern das Gericht muss auch davon ausgehen, dass von einem Gläubiger ein Versagungsantrag gestellt werden wird.

21
Im vorliegenden Fall steht somit das Vorliegen des Versagungsgrundes des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO und die künftige Stellung eines Versagungsantrags durch einen Gläubiger zur Überzeugung des Gerichts fest.

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