BGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 – VIII ZR 302/11
Wer sein Girokonto einem Fake-Onlineshop zur Verfügung stellt, haftet selbst den geschädigten Kunden
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bautzen vom 14. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger bestellte am 12. Oktober 2009 bei einem – wie sich später herausstellte – fiktiven Online-Shop („g. .de“) gegen Vorkasse eine Digitalkamera zum Preis von 295,90 € und überwies diesen Betrag anweisungsgemäß auf das auf der Website des Online-Shops angegebene Konto der Beklagten bei der Postbank. Die Kamera wurde nicht geliefert. Der Verkäufer blieb unbekannt.
Die Beklagte hatte ihr Girokonto über das Internet an eine als Online-Händler auftretende Person namens „A. T. “ für monatlich 400 € „vermietet“ und dieser unbekannt gebliebenen Person (im Folgenden „T. „) die Online-Zugangsdaten für ihr Konto offenbart, nachdem T. die erste Monatsmiete von 400 € an die Beklagte überwiesen hatte. Auf dem Konto gingen in kurzer Zeit 158 Zahlungen in Höhe von insgesamt 51.860,10 € ein, die von dort sukzessive weitergeleitet wurden. Die Beklagte hob von dem Konto die erste Miete von 400 € sowie einen weiteren Betrag von 2.000 € ab, den ihr T. aufgrund einer gesonderten Vereinbarung als Darlehen zur Verfügung gestellt hatte.
Nachdem die Beklagte aufgrund von bei ihr eingegangenen Beschwerden enttäuschter Käufer selbst Strafanzeige erstattet hatte, gelang es der Postbank, einen in die Türkei überwiesenen Teilbetrag von rund 16.000 € auf das Konto der Beklagten zurück zu holen. Das Guthaben wurde im Wege der Rückgewinnungshilfe zugunsten der Geschädigten gemäß § 111b Abs. 1 und 5 StPO gepfändet und sichergestellt. Ein gegen die Beklagte eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum Betrug wurde von der Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Beklagte wurde vom Amtsgericht Hoyerswerda mit Urteil vom 10. März 2011 wegen leichtfertiger Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 und 5 StGB schuldig gesprochen; von einer Strafe wurde abgesehen.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung des auf ihr Konto überwiesenen Betrages von 295,90 € nebst Zinsen in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Gründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung von 295,90 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion). Mit der Überweisung dieses Betrages sei der Beklagten ein entsprechendes Guthaben auf dem Konto erwachsen, dessen Auszahlung sie von der Bank habe verlangen können. Denn in ihren Rechten gegenüber der Postbank sei die Beklagte durch die Vereinbarung mit „T. “ über die Nutzung ihres Kontos nicht beeinträchtigt gewesen. Den auf dem Konto gutgeschriebenen Betrag habe die Beklagte „in sonstiger Weise“ ohne rechtlichen Grund erlangt, weil der Kaufvertrag über die Digitalkamera wegen der betrügerischen Absicht des Verkäufers sittenwidrig und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. Aus diesem Grund stehe der grundsätzliche Vorrang der Leistungskondiktion dem Bereicherungsanspruch gegenüber der Beklagten nicht entgegen. Die Beklagte sei durch die Überweisung des Klägers auch nach wie vor bereichert. Das Girokonto der Beklagten bei der Postbank weise Deckung auf, die den Bereicherungsanspruch des Klägers übersteige. Die Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft Bautzen ändere daran nichts, sondern schränke die Beklagte lediglich in ihrer Verfügungsmacht ein.
Der Betrag von 295,90 € stehe dem Kläger auch als Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 261 Abs. 1 und 5 StGB zu. Die Beklagte habe sich, unter anderem zum Nachteil des Klägers, der Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 und 5 StGB schuldig gemacht. Die das Urteil 5 des Amtsgerichts Hoyerswerda tragenden Tatsachen seien zwischen den Parteien unstreitig. Auch § 261 Abs. 1 StGB sei Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB. Zwar wolle die wohl herrschende Rechtsprechung mit Blick auf die Gesetzesmaterialien nur § 261 Abs. 2 StGB als Schutzgesetz gelten lassen. Die Kammer gelange jedoch nach Würdigung von Sinn und Zweck, systematischem Zusammenhang und Entstehungsgeschichte der Norm zu einer anderen Auffassung.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Nicht frei von Rechtsfehlern ist allerdings die Begründung, mit der das Berufungsgericht einen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion) bejaht hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Kaufvertrag über die Digitalkamera nicht wegen der betrügerischen Absicht des unbekannten Verkäufers gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, so dass auch nicht mit diesem Argument begründet werden kann, dass der grundsätzliche Vorrang der Leistungskondiktion dem Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB hier nicht entgegenstehe.
Ob der Kläger von der Beklagten gleichwohl Rückzahlung des von ihm auf das Konto der Beklagten überwiesenen Betrages wegen Bereicherung „in sonstiger Weise“ verlangen kann, bedarf jedoch keiner Entscheidung. Denn dem Kläger steht jedenfalls ein deliktischer Schadensersatzanspruch in Höhe von 295,90 € wegen der von der Beklagten leichtfertig begangenen Geldwäsche zu (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 261 Abs. 1, 2 und 5 StGB). 9 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht dem Kläger einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 261 Abs. 1 und 5 StGB zugesprochen.
Die Beklagte hat sich nach den nicht angegriffenen Feststellungen im Strafurteil des Amtsgerichts Hoyerswerda vom 10. März 2011 der leichtfertigen Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 und 5 StGB schuldig gemacht, indem sie ihr Girokonto für den Empfang, den vorübergehenden Aufenthalt und die spätere Weiterleitung der durch gewerbsmäßigen Betrug erlangten Gelder zur Verfügung gestellt und dadurch das Auffinden der auf ihr Konto überwiesenen Beträge vereitelt oder gefährdet hat. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass § 261 Abs. 1 StGB bei gewerbsmäßigem Betrug als Vortat ein Gesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist, das auch den Schutz des Vermögens der durch den Betrug Geschädigten bezweckt.
In der Gesetzesbegründung zum Straftatbestand der Geldwäsche wird zwar nur im Hinblick auf die Tatbestandsalternativen des § 261 Abs. 2 StGB ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch diese Strafvorschrift sowohl das durch die Vortat verletzte Rechtsgut – hier: das Vermögen der durch den gewerbsmäßigen Betrug Geschädigten – als auch die Rechtspflege geschützt werden sollen (BT-Drucks. 12/989 S. 27). Dementsprechend ist § 261 Abs. 2 StGB nach einhelliger Auffassung ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (OLG Frankfurt am Main, OLGR 2004, 209, 211; OLG Schleswig, OLGR 2007, 800 f.; OLG Zweibrücken, MMR 2010, 346, 347; KG, WM 2010, 312, 314 mwN).
Für § 261 Abs. 1 StGB gilt jedoch im Hinblick auf § 823 Abs. 2 BGB nichts anderes (aA KG, aaO). Dieser Grundtatbestand der Geldwäsche stellt Handlungen unter Strafe, die den Zugriff der Strafverfolgungsorgane auf Gegenstände aus bestimmten Straftaten verhindern und erschweren; geschützt 12 werden soll die Aufgabe der inländischen staatlichen Rechtspflege, die Wirkungen von Straftaten zu beseitigen (BT-Drucks. 12/989 S. 26 f.). Dazu gehört auch die Wiedergutmachung eines durch die Vortat entstandenen und durch die Geldwäsche perpetuierten Schadens auf dem Zivilrechtsweg. Denn die Wirkungen von Straftaten können mit Hilfe der Rechtspflege, wie das Berufungsgericht überzeugend ausgeführt hat, nur dann wirksam beseitigt werden, wenn nicht nur der Staat beim Geldwäscher auf die inkriminierten Gegenstände – durch Anordnung von Verfall oder Einziehung (§§ 73 ff. StGB) – zugreifen kann, sondern zugleich auch der durch die Vortat Geschädigte effektiv die Möglichkeit hat, zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegenüber dem Geldwäscher geltend zu machen und gerichtlich durchzusetzen.
Auch dieses Interesse des Geschädigten an der Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen den Vortäter wird von § 261 Abs. 1 StGB geschützt. Denn nach dieser Vorschrift macht sich auch strafbar, wer die Sicherstellung des Geldwäschegegenstandes vereitelt oder gefährdet. Die Sicherstellung gemäß § 111b ff. StPO dient nicht nur dazu, den Verfall oder die Einziehung zu sichern, sondern auch zur Sicherung der – gegenüber dem Verfall vorrangigen (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB) – Ersatzansprüche des Geschädigten (§ 111b Abs. 5 StPO). Dementsprechend ist im vorliegenden Fall das Guthaben auf dem Konto der Beklagten – gestützt auch auf § 261 Abs. 1 StGB – im Wege der Rückgewinnungshilfe zugunsten der Geschädigten durch Beschlagnahme sichergestellt worden.
Dafür, dass nicht nur § 261 Abs. 2 StGB, sondern auch § 261 Abs. 1 StGB – jedenfalls auch – dem Individualinteresse der durch die Vortat Geschädigten dient und damit ebenfalls ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist, spricht schließlich, dass es sich bei § 261 Abs. 2 StGB gegenüber § 261 Abs. 1 StGB um einen Auffangtatbestand für die Fälle handeln soll, in 16 denen die engeren Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt sind (BT-Drucks. 12/989, S. 27). Der Schutzzweck dieser Erweiterung des Geldwäschetatbestandes, der auch das durch die Vortat verletzte Rechtsgut umfasst (BT-Drucks. aaO), muss auch – erst recht – für den Kernbereich der Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 StGB) gelten. Denn es wäre widersinnig, wenn der Auffangtatbestand, der lediglich Lücken füllen soll, einen weitergehenden Schutzzweck hätte als der Grundtatbestand. Hinzukommt, dass sich die Handlungsalternativen der Absätze 1 und 2 teilweise überlappen. Es wäre daher nicht nachvollziehbar, wenn nur durch die Strafbarkeit der Handlungen des Absatzes 2 (verschaffen, verwahren, verwenden) auch das Rechtsgut der Vortat geschützt werden sollte, nicht aber durch die Handlungen des Absatzes 1 (verbergen, verschleiern etc.).
2. Im Übrigen hat die Beklagte durch ihr Verhalten leichtfertig auch den Straftatbestand des § 261 Abs. 2 und 5 StGB erfüllt, so dass sie dem Kläger jedenfalls wegen dieses Deliktes gemäß § 823 Abs. 2 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Die Beklagte hat nicht nur das Auffinden der durch gewerbsmäßigen Betrug erlangten Gelder vereitelt oder gefährdet (§ 261 Abs. 1 StGB), sondern hat durch ihr Verhalten die auf ihr Konto überwiesenen Beträge in der Zeit zwischen deren Eingang und Weiterleitung auch verwahrt, soweit sie diese nicht – wie die abgehobenen Beträge von 400 € und 2.000 € – für sich verwendet hat (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB). Dies ergibt sich aus dem unstreitigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnis in den Strafakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gewesen sind. Weiterer Feststellungen hierzu bedarf es deshalb nicht.
a) „Verwahren“ bedeutet – bei Sachen – die bewusste Ausübung des Gewahrsams oder unmittelbaren Besitzes (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2012 – 5 StR 461/11, NStZ 2012, 321 unter 2 b aa mwN; Schmidt/Krause in 18 Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 261 Rn. 21). Tatobjekt der Geldwäsche sind aber nicht nur Sachen, sondern alle Vermögensgegenstände, also auch Forderungen und sonstige Rechte (Stree/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 261 Rn. 4 mwN). Für das Verwahren von Forderungen kommt es deshalb darauf an, ob der Täter eine der unmittelbaren Sachherrschaft entsprechende tatsächliche Verfügungsgewalt über die Forderung hat (vgl. Altenhain in Nomos-Kommentar, StGB, 3. Aufl., § 261 Rn. 115).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte hatte die tatsächliche Verfügungsgewalt über die auf ihr Konto überwiesenen Beträge, das heißt über die daraus entstandenen Forderungen gegenüber der Bank. Denn sie war als Kontoinhaberin, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, gegenüber der Bank weiterhin uneingeschränkt befugt, über die auf ihrem Konto vorübergehend „geparkten“ Guthaben zu verfügen; die interne Vereinbarung mit T. über die Vermietung ihres Kontos ändert daran nichts. Die durch gewerbsmäßigen Betrug erlangten Gelder sind aufgrund dieser Vereinbarung und damit nicht „ohne Zutun“ der Beklagten (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. Januar 2012 – 5 StR 461/11, aaO) in deren Herrschaftsbereich gelangt. Auch der Verwahrungsvorsatz der Beklagten wird durch den mit T. geschlossenen „Mietvertrag“ dokumentiert. Denn in dieser Vereinbarung hatte sich die Beklagte verpflichtet, die auf ihrem Konto eingehenden Beträge nicht unberechtigt vom Konto zu nehmen, sondern unangetastet zu lassen. Sie hat diese Beträge damit bis zu deren Weiterleitung verwahrt im Sinne des § 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB (vgl. OLG Zweibrücken, aaO).
b) Darüber hinaus hat die Beklagte die erste Monatsmiete von 400 € und den Darlehensbetrag von 2.000 €, den sie nach den Vereinbarungen mit T. vom Konto abheben durfte, für sich verwendet und damit ebenfalls den Straftat-21 bestand des § 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB erfüllt; zugleich hat sie diese Beträge sich verschafft (§ 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB).