138 am Arbeitsplatz für private Zwecke gefertigte Ausdrucke rechtfertigen fristlose Kündigung

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.07.2009 – 3 Sa 61/09

138 am Arbeitsplatz für private Zwecke gefertigte Ausdrucke rechtfertigen die fristlose Beendigung eines Arbeitsverhältnisses (Rn. 19).

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 28.01.2009 – 5 Ca 2289/08 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und in diesem Zusammenhang jetzt nur noch um den Vorwurf der Anfertigung von 138 Ausdrucken.

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Die Klägerin ist am ….1956 geboren und seit dem 01.09.2002 bei der Beklagten als Bürokraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Sie erhielt 950,00 EUR brutto monatlich.

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Vom 01.08.2008 bis einschließlich 30.09.2008 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Am 08.08.2008 erhielt der Geschäftsführer der Beklagten aus Anlass der Installation eines neuen Servers mehr oder weniger zufällig Zugriff auf den Inhalt des Dienst-PCs der Klägerin. Dort fand er diverse private Korrespondenz zu ihren Hobbys und für ihren nebenberuflich betriebenen Hofladen in W. (Anlagenkonvolut B 2, Bl. 18 bis 72 d. A.). Darüberhinaus befand sich in den Dateien eine Auflistung von Sport-Veranstaltungen (Anlage B 3, Bl. 73 d. A.), u. a. mit Hinweis auf einen Inliner- Marathon am 10.08.2008. Am 11.08.2008 entnahm die Beklagte der Homepage des Veranstalters, dass die arbeitsunfähig erkrankte Klägerin an dem Marathon teilgenommen hatte. Diese Erkenntnisse waren Auslöser für die außerordentlich Kündigung vom 12.08.2008 (Anlage K 3, Bl. 7 d. A.).

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Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung.

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Im Berufungsverfahren streiten die Parteien noch um folgenden Sachverhalt, auf den die Kündigung seitens der Beklagten jetzt gestützt wird: Ausweislich eines Druckerjournals vom 16.05.2008 (Anlage B 1, Bl. 17 d. A.) wurden vom PC der Klägerin an diesem Tage insgesamt 138 Ausdrucke des Dokuments „Hallo nach“ vorgenommen. Es handelt sich um eine passwortgeschützte Datei (Theater-Stück). Das Passwort war nur der Klägerin bekannt.

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Im Rahmen des von der Klägerin am 18.08.2008 eingeleiteten Kündigungsschutzverfahrens hat das Arbeitsgericht eine erstinstanzliche Beweisaufnahme zu anderen Themen durchgeführt. Zu den 138 Ausdrucken existieren keine Angaben im Protokoll.

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Das Arbeitsgericht hat den Ausdruck von 138 Seiten für private Zwecke als schwerwiegende Pflichtverletzung angesehen und damit eine fristgemäße Kündigung für wirksam erachtet. Die außerordentliche Kündigung hat es hingegen für unwirksam erklärt, weil es die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB als nicht eingehalten ansah. Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils vom 28.01.2009 wird auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe verwiesen.

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Gegen dieses der Beklagten am 10.02.2009 zugestellte Urteil hat sie am 26.02.2009 Berufung eingelegt, die am Osterdienstag, dem 14.04.2009 begründet wurde.

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Die Beklagte trägt vor, sie habe von den 138 Ausdrucken nicht schon am 16.05.2008 sondern erst anlässlich der PC-Überprüfung am 08.08.2008 erfahren. Erst diese Überprüfung habe Anlass zu weiteren Nachfragen ergeben. Dabei habe der Zeuge O. den Geschäftsführer auf das Drucker-Protokoll vom 16.05.2008 und die dort ausgewiesenen 138 Privatausdrucke hingewiesen. Vorher habe der Geschäftsführer keinerlei Kenntnisse davon gehabt.

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Die Beklagte beantragt,

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unter Abänderung des am 28.01.2009 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck (5 Ca 2289/08) wird die Klage abgewiesen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Sie bestreitet, dass der Geschäftsführer der Beklagten erst in den letzten zwei Wochen vor der Kündigung Kenntnis von den 138 Ausdrucken erhalten habe. Im Übrigen habe der Geschäftsführer das Erstellen privater Ausdrucke über Jahre geduldet. Der Zeuge O. habe den Geschäftsführer schon früher über diesen Inhalt des Druckerprotokolls informiert. Das ergebe sich u. a. aus dem Protokoll der Beweisaufnahme vom 28.01.2009.

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Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, der Geschäftsführer habe erst am oder unmittelbar nach dem 08.08.2008 Kenntnis von den 138 Ausdrucken erhalten, durch Vernehmung des Zeugen O.. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 15.07.2009 verwiesen und auch begründet.

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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


Entscheidungsgründe

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I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.

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II. Die Berufung ist unter Berücksichtigung des ergänzenden zweitinstanzlichen Vorbringens sowie der durchgeführten zweitinstanzlichen Beweisaufnahme auch begründet. Das Arbeitsgericht hat zwar mit ausführlicher, überzeugender Begründung die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.08.2008 in eine ordentliche Kündigung umgedeutet, weil es die zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht als eingehalten ansah. Letzterem folgt das Berufungsgericht angesichts der ergänzend dargelegten und von der Beklagten bewiesenen Tatsachen nicht. Vielmehr hat die Kündigung der Beklagten vom 12.08.2008 das Arbeitsverhältnis außerordentlich beendet.

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1. Hinsichtlich der am 16.05.2008 gefertigten 138 Ausdrucke für private Zwecke liegt auch nach Ansicht des Berufungsgerichtsgerichtes ein wichtiger Grund zur Rechtfertigung der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist vor. Insoweit wird zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen auf Seite 12 unter Ziffer e) des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung auch explizit klargestellt, dass sie am 16.05.2008 diese insgesamt 138 Ausdrucke des Dokuments vorgenommen hat.

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2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte der Klägerin in der Vergangenheit das Erstellen privater Ausdrucke mal geduldet oder gar erlaubt hat. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob der Geschäftsführer der Beklagten anlässlich von Beschwerden der beiden Arbeitskollegen über die Arbeitseinstellung der Klägerin unmittelbar gesagt hat, private Angelegenheiten dürften während der Arbeitszeit nicht mehr bearbeitet werden.

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Allein der Umfang der von der Klägerin während ihrer Arbeitszeit ohne Einholung einer Erlaubnis der Beklagten vorgenommenen Ausdrucke eines Theaterstücks ist derartig gewichtig, dass die Klägerin nicht mehr von einer etwaigen Duldung der Beklagten ausgehen konnte. Es musste auch der Klägerin klar sein, dass 138 Ausdrucke über das von ihrer Arbeitgeberin tolerierte Maß in jedem Fall hinausgehen. Die Klägerin hat ihr Vorgehen des Ausdruckens im Dienst in der Berufungsverhandlung damit begründet, sie habe zu Hause auf ihrem PC einen Tool nicht öffnen können und das Theaterstück noch am Nachmittag des 16.05.2008 unbedingt benötigt. Dieses Vorbringen rechtfertigt ihr Verhalten jedoch nicht. Denn sie hätte die 138 Seiten dann bei der Beklagten bezahlen können; oder sie hätte zumindest die Bezahlung anbieten können; jedenfalls aber hätte sie den Geschäftsführer der Beklagten mindestens umgehend nachträglich informieren und um Genehmigung ihres Vorgehens bitten können und müssen. All das ist jedoch unterblieben. Der Ausdruck ist nicht offengelegt worden, vielmehr heimlich geblieben.

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Dadurch hat die Klägerin durch Fertigung der 138 privaten Ausdrucke am 16.05.2008 so nachhaltig das Vertrauensverhältnis gestört, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Klägerin hätte auch in der Kündigungsfrist noch bei jeder Gelegenheit zu ihren Gunsten Zugriff auf das Eigentum der Beklagten für private Zwecke nehmen können.

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3. Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme hat die Beklagte auch die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Insoweit hat die Beklagte zweitinstanzlich substantiiert dargelegt und letztendlich auch bewiesen, dass sie von den 138 Ausdrucken, die auf dem Druckerjournal vom 16.05.2008 ausgewiesen waren, erst am 08.08.2008 erfahren hat. Der Geschäftsführer der Beklagten hat dem Gericht vor Durchführung der Beweisaufnahme, von der Klägerin unwidersprochen ausführlich dargelegt, dass er aufgrund der betriebsüblichen Arbeitsteilung nicht ständig die Arbeit seiner Büromitarbeiter kontrolliert hatte. Für ihn, der überwiegend außerhalb des Büros arbeite, sei ausschließlich maßgeblich gewesen, dass die Arbeit funktioniere und erledigt werde. Lediglich zufällig habe er nach einem Zusammenbruch des PCs sowie bei Gelegenheit der Installation eines neuen Servers in den Rechner der arbeitsunfähigen Klägerin geschaut und entsetzt feststellen müssen, in welchem Umfang sich dort private Angelegenheiten auf dem Dienstrechner befanden. Sodann habe er die beiden Büromitarbeiter, die im gleichen Raum mit der Klägerin zusammen gearbeitet haben, nach weiteren Vorkommnissen gefragt. Erst daraufhin habe der Zeuge O. die 138 Ausdrucke erwähnt und ihm das Protokoll vom 16.05.2008 gezeigt. Das sei an dem Freitag vor dem Inliner-Marathon, an dem die Klägerin trotz Arbeitsunfähigkeit teilgenommen habe, gewesen.

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Diese Angaben hat der Zeuge O. in der nachfolgenden Beweisaufnahme bestätigt. Er hat insoweit dargelegt, dass die Druckerprotokolle automatisch erstellt und von niemandem kontrolliert werden und er es mit anderem Papier als Schmierpapier sammelt. Später habe er dann die Druckerjournale sogar gesondert aussortiert, um sie ggf. nochmals zu verwenden. Die Kammer deutet Letzteres dahingehend, dass sich der Zeuge insoweit darauf vorbereitet hat, ggf. später Belege gegen die Klägerin in Bezug auf ihre Arbeitsleistung in der Hand zu haben. Die Kammer erspart sich eine Bewertung derartigen kollegialen Umgangs miteinander, zumal dazu immer mehrere Seiten gehören. Ein offenes Ansprechen wäre besser gewesen.

25

Die von der Beklagten dargelegten Fakten, die im Rahmen der Beweisaufnahme bestätigt wurden, sind jedoch unwiderlegbar und unwiderlegt. Der Beklagte hat die Klägerin in der Vergangenheit nicht kontrolliert und erst am 08.08.2008 Kenntnis von dem Druckerjournal vom 16.05.2008 erhalten. Hieran hat die Kammer keine Zweifel. Der Zeuge hat ausdrücklich bestätigt, dass und vor welchem Hintergrund er den Geschäftsführer am 08.08.2008 auf dieses Druckerjournal und die 138 Ausdrucke angesprochen hat. Er sei hierzu nach Auffinden der Privatdateien im PC befragt worden und erst auf dieses Befragen, „ob da noch mehr wäre, als das, was der Geschäftsführer im PC gefunden habe“, habe er die 138 Seiten erwähnt. Die Kammer sieht im Gegensatz zum Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch keinen Widerspruch zwischen dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz und dem Ergebnis der Beweisaufnahme zweiter Instanz. Auf Seite 3 des Protokolls der erstinstanzlichen Beweisaufnahme vom 28.01.2009 sind insoweit nur unklare, verschwommene Angaben zu Berichterstattungen an den Geschäftsführer über Kopierpapier erwähnt. Einige Angaben bleiben nebulös, weil dem Protokoll nicht entnommen werden kann, was tatsächlich damit gemeint war. Dadurch werden die Angaben jedoch nicht wahrheitswidrig.

26

4. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht daher zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Zeuge den Geschäftsführer der Beklagten erst am 08.08.2008 erstmalig darüber informiert hat, dass die Klägerin 138 Seiten für private Zwecke auf dem Firmendrucker ausgedruckt hat. Da die Beklagte sodann am 12.08.2008 die außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, ist die zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Aus diesem Grunde war das angefochtene Urteil auf die Berufung der Beklagten abzuändern. Die Kündigungsschutzklage war abzuweisen. Die Kündigung der Beklagten vom 12.08.2008 hat das Arbeitsverhältnis der Klägerin ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist wirksam fristlos beendet.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

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