Zur Zulässigkeit der formularmäßigen Vereinbarung eines Bearbeitungsentgelts bei Gewährung eines Kredits

OLG Hamm, Urteil vom 11.04.2011 – 31 U 192/10, I-31 U 192/10

Regelungen, die kein Entgelt für den Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbrachte Sonderleistungen zum Gegenstand haben, sondern Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlicher oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten des Klauselverwenders oder für Tätigkeiten in dessen eigenem Interesse auf den Kunden abwälzen, stellen kontrollfähige Abweichungen von Rechtsvorschriften dar. Solche (Preis-)Nebenabreden werden durch § 307 III 1 BGB einer AGB-Kontrolle nicht entzogen (Rn. 10).

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 14.09.2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
1

(§ 540 ZPO)

A.
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Der Kläger, der in der Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist, und die Beklagte streiten noch darüber, ob es sich bei einer Klausel in dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten vom 04.12.2009, in dem diese für private Ratenkredite ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 4% des ursprünglichen Kreditbetrags und für Privatkredite ein einmaliges Bearbeitungsentgelt (Entgelt als Abschlag) von 1% fordert, um unzulässige Geschäftsbedingungen handelt. Eine vom Kläger verlangte strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte nicht abgegeben.
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Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien einschließlich der genauen Fassung der erstinstanzlichen Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und u.a.die Beklagte verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft zu unterlassen, in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis entsprechende Bearbeitungsentgelte zu fordern, soweit es sich nicht um Verträge mit einem Unternehmen handelt. Zudem hat das Landgericht dem Kläger die Befugnis zugesprochen, die Urteilsformel mit der Bezeichnung der Beklagten auf deren Kosten im Bundesanzeiger und im Übrigen auf eigene Kosten bekanntzumachen.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese ihren auf Klageabweisung gerichteten Sachantrag weiter verfolgt, soweit das Landgericht sie verurteilt hat, die Verwendung der Klauseln über die Bearbeitungsentgelte zu unterlassen.
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Die Beklagte wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Ausführungen. Sie ist insbesondere der Meinung, die Klauseln seien als Preishauptabreden einer Inhaltskontrolle entzogen. Die Bearbeitungsgebühr stelle neben dem Darlehenszins einen Teil der Gegenleistung dar, die der Darlehensnehmer für die Zurverfügungstellung des Darlehens zu bezahlen habe. Der Kreditgewährung gehe in aller Regel eine Kreditprüfung voraus, die in hohem Maße durch individuellen, einzelfallbezogenen Prüfungsaufwand geprägt sei. § 488 I 2 BGB stehe der Qualifizierung des Bearbeitungsentgelts als Preishauptabrede nicht entgegen, weil diese Vorschrift keine preisrechtliche Vorgabe enthalte. Ein gesetzliches Leitbild, wie ein Entgelt als Gegenleistung für eine vertragliche Hauptleistung auszusehen hat, existiere nicht. Für die Annahme, dass es sich bei der Bearbeitungsgebühr um einen Teil der Hauptleistung des Darlehensnehmers handele, spreche im Übrigen das in der Anlage zur Preisangabenverordnung angegebene Berechnungsbeispiel.
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Jedenfalls halte die streitgegenständliche Klausel aber auch einer Inhaltskontrolle stand. Es sei in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie in der Literatur anerkannt, dass Banken berechtigt seien, im Zusammenhang mit der Bearbeitung und der Verwaltung eines Darlehens Bearbeitungsgebühren in banküblicher Höhe zu vereinbaren. Die Zulässigkeit der Klauseln ergebe sich zudem aus Art. 247 § 3 I Nr. 10 EGBGB sowie aus Art. 247 § 3 I Nr. 3, II 3 EGBGB i.V.m. § 6 PAngV. Durch diese Regelungen habe der Gesetzgeber bewusst klar gemacht, dass er von der Zulässigkeit der Vereinbarung von Bearbeitungsgebühren ausgehe, zumal dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben sein könne, dass es sich bei der Vergabe von Krediten um ein Massengeschäft handele, in dem typischerweise Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet würden. Der Bearbeitungsgebühr stünden auch Dienstleistungen der Beklagten entgegen, da es im Rahmen der Kreditvergabe zu Beratungsleistungen komme.
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Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

B.
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Die Berufung ist unbegründet. Die Klage ist begründet.

I.
10

Dem Kläger steht gemäß §§ 1, 3 I UKlaG ein Anspruch gegen die Beklagte zu, es zu unterlassen, die im Klageantrag genannte Klausel zu verwenden, weil diese nach § 307 I 1, II Nr. 1 BGB unwirksam ist.
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1. Die streitige Klausel unterliegt, anders als dies die Beklagte meint, der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Gemäß § 307 III 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, kontrollfähig. Darunter fallen zwar weder Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung. Hingegen stellen Regelungen, die kein Entgelt für den Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbrachte Sonderleistungen zum Gegenstand haben, sondern Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlicher oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten des Klauselverwenders oder für Tätigkeiten in dessen eigenem Interesse auf den Kunden abwälzen, kontrollfähige Abweichungen von Rechtsvorschriften dar. Solche (Preis-)Nebenabreden werden durch § 307 III 1 BGB einer AGB-Kontrolle nicht entzogen (BGH BeckRS 2009, 13142 Rz. 16)
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a) Bei der streitgegenständlichen Klausel handelt es sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht um eine Preis-, sondern um eine Preisnebenklausel. Leistung und Gegenleistung des Darlehensvertrags sind in § 488 BGB geregelt. Während es die Haupflicht des Darlehensgebers ist, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in vereinbarter Höhe zur Verfügung zu stellen, ist der Darlehensnehmer verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen (§ 488 I 2 BGB). Im Regelfall ist mithin die Pflicht zur Zinszahlung Hauptleistungspflicht und steht zur Darlehensgewährung im Gegenseitigkeitsverhältnis. Entgelt für die Gewährung eines Darlehens ist somit der vom Schuldner zu zahlende Zins.
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b) Ohne Erfolg bleibt der Hinweis der Beklagten auf die gesetzlichen Vorschriften des Art. 247 § 3 I Nr. 10 EGBGB bzw. Art. 247 § 3 I Nr. 3, II 3 EGBGB i.V.m. § 6 PAngV. Die Beklagte verkennt, dass die zitierten Regelungen ausschließlich dem Verbraucherschutz dienen und im Sinne des Transparenzgebotes die Pflicht begründen, sämtliche anfallende Kosten des Darlehensvertrags anzugeben. Dagegen kann aus der Existenz dieser Regelungen nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass das Bearbeitungsentgelt Teil der Hauptleistung ist oder der Gesetzgeber die Erhebung von Bearbeitungsgebühren in Allgemeinen Geschäftsbedingungen generell für zulässig hält (vgl. OLG Bamberg BKR 2010, 436, 437; Nobbe, WM 2008, 185, 193; vgl. für die Abschlussgebühr einer Bausparkasse auch BGH, Urteil vom 07.12.2010, XI ZR 3/10, Juris Rz. 39 ff.; a.A. OLG Stuttgart, Urteil vom 21.10.2010, 2 U 30/10, Juris Rz. 48 f.).
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2. Mit Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klausel gegen § 307 I 1, II Nr. 1 BGB verstößt (vgl. auch OLG Bamberg BKR 2010, 436, 437). Denn die Klausel in dem Preisaushang benachteiligt Privatkunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Nach § 307 II Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
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a) Nach ihrem eigenen Vorbringen verlangt die Beklagte mit der Bearbeitungsgebühr ein – laufzeitunabhängiges – einmaliges Entgelt für den Abschluss des Darlehensvertrags. Zwar trifft es zu, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, Darlehensverträge abzuschließen. Dies allein berechtigt die Beklagte allerdings nicht zur Erhebung von Bearbeitungsgebühren, da § 488 I 2 BGB als Entgelt für die Zurverfügungstellung eines Darlehens allein Zinsen vorsieht.
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b) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die von ihr verlangte Bearbeitungsgebühr nicht unter Berufung auf die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in der Bearbeitungsgebühren als Damnum bzw. ein Disagio qualifiziert und deshalb nicht beanstandet wurden, als zulässig angesehen werden. Anders als ein Disagio, welches als laufzeitabhängiger Ausgleich für die Vereinbarung eines niedrigeren Nominalzinssatzes anzusehen ist und somit bei vorzeitiger Vertragsauflösung anteilig zurückverlangt werden kann (BGH, Urteil vom 29.05.1990, XI ZR 231/89, Juris Rz. 12 f.), ist die von der Beklagten in ihrem Preisaushang verlangte Bearbeitungsgebühr laufzeitunabhängig. Damit handelt es sich bei den Bearbeitungsgebühren mithin – anders als beim Disagio – nicht um Zinsen und damit nicht um eine Hauptleistung im Sinne des § 488 I 2 BGB. Aus diesem Grund führt die ältere Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs nicht weiter. Diese sah in einem Disagio nämlich noch ein laufzeitunabhängiges (Bearbeitungs-)Entgelt, obwohl der Darlehensvertrag in dem einen Fall noch ein einmaliges Bearbeitungsentgelt und Wertschätzungskosten und in dem anderen Fall ein Vertragsausfertigungsentgelt von 0,75% vorsah (BGH NJW 1981, 2180, 2181; BGH NJW 1981, 2181, 2182; vgl. hierzu auch Nobbe WM 2008, 185, 193).
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c) Soweit die Beklagte darauf verweist, dass mit der Gebühr die – teilweise – auch erhebliche Kundenberatungstätigkeit und die Bonitätsprüfung abgedeckt würden, rechtfertigt dieser Hinweis die Erhebung von Bearbeitungsgebühren nicht. Soweit es um die Kundenberatung und die Bonitätsprüfung geht, handelt es sich hierbei ohnehin nicht um Kosten, die durch den Darlehensvertragsabschluss verursacht werden, sondern um Kosten, die dem Abschluss des Darlehensvertrags zeitlich vorangehen. Zudem verkennt die Beklagte, dass nicht jeder privaten Ratenkreditvergabe zwingend eine Beratung vorangehen muss. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Bonitätsprüfung – anders als dies das OLG Celle in dem Beschluss vom 02.02.2010 entschieden hat (WM 2010, 355 f.) – keine Dienstleistung für den Kunden darstellt, sondern – ausschließlich – den Vermögensinteressen der Bank zu diesen bestimmt ist (vgl. statt aller Nobbe, WM 2008, 185, 193). Denn eine – etwaige – schlechtere Bonität und ein damit einhergehendes erhöhtes Risiko führen regelmäßig dazu, dass die Bank einen höheren Zinssatz erhebt. Ein durchgreifender Grund, daneben auch noch einen im eigenen Interesse der Bank liegenden Arbeitsaufwand zu Lasten des Kunden in Ansatz zu bringen, ist nicht ersichtlich.
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d) Schließlich verweist der Kläger zu Recht auf das Widerrufsrecht des Kunden aus § 495 BGB. Dieses Recht darf nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass die Beklagte von ihm ein Entgelt für die Bearbeitung seines Kreditantrags verlangt.
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e) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit einer Abschlussgebühr in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bausparkasse, rechtfertigt ebenfalls keine der Beklagten günstigere Entscheidung. Denn die Abschlussgebühr hat der Bundesgerichtshof nur deshalb als zulässig angesehen, weil eine bei Vertragsabschluss zu zahlende laufzeitunabhängige Abschlussgebühr den für das Bausparmodell notwendigen stetigen Neuzugang von Kunden sicherstellt (BGH, a.a.O., Juris Rz. 46, 49). Diese besonderen Erwägungen treffen auf die hier streitgegenständlichen Bearbeitungsgebühren in Höhe von 4% für Ratenkredite und 1% für Privatkredite offensichtlich nicht zu.

II.
20

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

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