BGH zum Haftungsprivileg des Kindes im Straßenverkehr

BGH, Urteil vom 30. November 2004 – VI ZR 335/03

 

Das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl I S. 2674) greift nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur ein, wenn sich bei der gegebenen Fallkonstellation eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat.

 

Tenor

Die Revision des Beklagten zu 1 gegen das Urteil der
1. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 28. Oktober 2003 wird
auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Am 12. September 2002 veranstalteten der damals neun Jahre alte Beklagte
zu 1 (nachfolgend: Beklagter), sein Zwillingsbruder und ein Klassenkamerad
auf der Fahrbahn der M.-straße in K. ein Wettrennen mit Kickboards.
Obgleich der Beklagte im Umgang mit einem Kickboard geübt war, stürzte er
aus Unachtsamkeit. Sein Kickboard prallte gegen den ordnungsgemäß am
rechten Straßenrand geparkten PKW des Klägers. Es entstand ein Sachschaden,
für den der Kläger nebst weiteren Folgeschäden vom Beklagten und
– wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht – auch von dessen Eltern Ersatz
begehrt hat.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers
hat das Landgericht den Beklagten zu einem Schadensersatz in Höhe von
1.904,16 € verurteilt und seine weitergehende Berufung sowie die gegen seine
Eltern gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen
Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen
Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in r+s 2004, 172 veröffentlicht ist,
hat ausgeführt, der Beklagte sei gemäß § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem
Kläger die aus der Beschädigung seines Fahrzeugs entstandenen Schäden zu
ersetzen.

Ein Schadensersatzanspruch sei nicht nach § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB
(n.F.) ausgeschlossen. Zwar könne nach dessen Wortlaut ein Sachverhalt wie
der vorliegende ohne weiteres der Haftungsprivilegierung unterfallen. Der Gesetzeswortlaut
reiche aber offensichtlich zu weit, weshalb er einschränkend
auszulegen sei. Ausweislich der Gesetzesbegründung sei es ein wichtiges Ziel
des Gesetzgebers gewesen, die haftungsrechtliche Situation von Kindern im
motorisierten Verkehr nachhaltig zu verbessern und den Mitverschuldenseinwand
gemäß §§ 9 StVG, 4 HPflG und 254 BGB im Verhältnis zu Kindern auszuschließen.
Deshalb sei der Anwendungsbereich des § 828 Abs. 2 BGB dahin
teleologisch zu reduzieren, daß ein „Unfall mit einem Kraftfahrzeug“ nur vorliege,
wenn sich die von einem in Bewegung befindlichen Kraftfahrzeug ausgehende
typische Gefahr realisiert habe. Voraussetzung der Haftungsprivilegierung
sei deshalb, daß sich das Kraftfahrzeug in Bewegung, also im sogenannten
„fließenden“ Verkehr befinde. Die von einem parkenden Kraftfahrzeug ausgehenden
Gefahren würden sich nicht von denen eines ordnungsgemäß abgestellten Fahrrads,
eines Baumes oder einer Mauer unterscheiden. Eine weitergehende
Haftungsprivilegierung führte zudem zu unbilligen Ergebnissen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im
Ergebnis stand.

Der Beklagte ist gemäß § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Kläger den
aufgrund des Zusammenpralls seines Kickboards mit dessen PKW entstandenen
Schaden zu ersetzen.

1. Unter den Umständen des Streitfalls hat das Berufungsgericht zutreffend
angenommen, daß die Verantwortung des Beklagten nicht gemäß § 828
Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist. Da das schädigende Ereignis nach dem
31. Juli 2002 eingetreten ist, richtet sich die Verantwortlichkeit des minderjährigen
Schädigers gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nach § 828 BGB in der Fassung
des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften
vom 19. Juli 2002 (BGBl I S. 2674). Danach ist für den Schaden, den er bei einem
Unfall mit einem Kraftfahrzeug einem anderen zufügt, nicht verantwortlich,
wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat.

a) Wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, könnte der hier zu beurteilende
Sachverhalt nach dem Wortlaut des neugefaßten § 828 Abs. 2 Satz 1
BGB ohne weiteres unter das Haftungsprivileg für Minderjährige fallen. Aus seinem
Wortlaut geht nicht hervor, daß das Haftungsprivileg davon abhängen soll,
ob sich das an dem Unfall beteiligte Kraftfahrzeug im fließenden oder – wie der
hier geschädigte parkende PKW – im ruhenden Verkehr befindet. Auch aus der
systematischen Stellung der Vorschrift ergibt sich nicht, daß der Gesetzgeber
einen bestimmten Betriebszustand des Kraftfahrzeugs zugrunde legen wollte,
zumal er bewußt nicht das Straßenverkehrsgesetz, sondern das allgemeine
Deliktsrecht als Standort für die Regelung gewählt hat (vgl. BT-Drucks.
14/7752, S. 26). Allein diese Auslegungsmethoden führten daher nicht zu dem
Ergebnis, daß § 828 Abs. 2 BGB auf Fälle des fließenden Verkehrs von Kraftfahrzeugen
begrenzt ist. Andererseits ist dem Wortlaut der Vorschrift auch nicht
zweifelsfrei zu entnehmen, daß sie sich ohne Ausnahme auf sämtliche Unfälle
beziehen soll, an denen ein Kraftfahrzeug beteiligt ist, wie schon die seit ihrem
Inkrafttreten dazu veröffentlichten kontroversen Meinungen im Schrifttum zeigen
(vgl. für eine weite Auslegung: Cahn, Einführung in das neue Schadensrecht,
2003, Rn. 232 ff.; Elsner DAR 2004, 130, 132; Jaklin/Middendorf, VersR
2004, 1104 ff.; MünchKommBGB/Wagner, 4. Aufl., § 828, Rn. 6; Pardey, DAR
2004, 499, 501 ff.; für eine einschränkende Auslegung: Ady, ZGS 2002, 237,
238; Erman/Schiemann, BGB, 11. Aufl., § 828 Rn. 2a; Heß/Buller, ZfS 2003,
218, 220; Huber, Das neue Schadensersatzrecht, 2003, § 3 Rn. 48 ff.; Kilian,
ZGS 2003, 168, 170; Lemcke, ZfS 2002, 318, 324; Ternig, VD 2004, 155, 157).
Im Hinblick darauf würde bei einer einschränkenden Auslegung oder bei einer
im Schrifttum und in der bisher veröffentlichten Rechtsprechung (vgl. neben
dem Berufungsurteil auch LG Koblenz NJW 2004, 858 und AG Sinzheim NJW
2004, 453) in Bezug auf parkende Fahrzeuge befürworteten teleologischen Reduktion
der Vorschrift jedenfalls keine einschränkende Anwendung vorliegen,
die einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz einen entgegengesetzten
Sinn verliehe oder den normativen Gehalt der auszulegenden Norm grundlegend
neu bestimmte und deshalb nicht zulässig wäre (vgl. BVerfG NJW 1997,
2230).

b) Da der Wortlaut des § 828 Abs. 2 BGB nicht zu einem eindeutigen Ergebnis
führt, ist der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille
des Gesetzgebers mit Hilfe der weiteren Auslegungskriterien zu ermitteln,
wobei im vorliegenden Fall insbesondere die Gesetzesmaterialien von Bedeutung
sind. Aus ihnen ergibt sich mit der erforderlichen Deutlichkeit, daß das Haftungsprivileg
des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift
nur eingreift, wenn sich bei der gegebenen Fallkonstellation eine typische
Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten
Verkehrs realisiert hat.

Mit der Einführung der Ausnahmevorschrift in § 828 Abs. 2 BGB wollte
der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, daß Kinder regelmäßig frühestens
ab Vollendung des zehnten Lebensjahres imstande sind, die besonderen
Gefahren des motorisierten Straßenverkehrs zu erkennen, insbesondere
Entfernungen und Geschwindigkeiten richtig einzuschätzen, und sich den Gefahren
entsprechend zu verhalten (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 16, 26). Allerdings
wollte er die Deliktsfähigkeit nicht generell (vgl. dazu Wille/Bettge, VersR
1971, 878, 882; Kuhlen, JZ 1990, 273, 276; Scheffen, 29. Deutscher Verkehrsgerichtstag
1991, Referat Nr. II/3, S. 97; dieselbe in Festschrift Steffen, 1995,
S. 387, 388 ff.) und nicht bei sämtlichen Verkehrsunfällen (vgl. Empfehlungen
des Deutschen Verkehrsgerichtstages 1991, S. 9; Antrag von Abgeordneten
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 18. Juli 1996, BT-Drucks.
13/5302, S. 1 ff.; Antrag von Abgeordneten und der SPD-Fraktion vom 11. Dezember
1996, BT-Drucks. 13/6535, S. 1, 5 ff.) erst mit Vollendung des zehnten
Lebensjahres beginnen lassen. Er wollte die Heraufsetzung der Deliktsfähigkeit
vielmehr auf im motorisierten Straßen- oder Bahnverkehr plötzlich eintretende
Schadensereignisse begrenzen, bei denen die altersbedingten Defizite eines
Kindes, wie z.B. Entfernungen und Geschwindigkeiten nicht richtig einschätzen
zu können, regelmäßig zum Tragen kommen (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 26).
Für eine solche Begrenzung sprach, daß sich Kinder im motorisierten Verkehr
durch die Schnelligkeit, die Komplexität und die Unübersichtlichkeit der Abläufe
in einer besonderen Überforderungssituation befinden. Gerade in diesem Umfeld
wirken sich die Entwicklungsdefizite von Kindern besonderes gravierend
aus. Demgegenüber weisen der nicht motorisierte Straßenverkehr und das allgemeine
Umfeld von Kindern gewöhnlich keine vergleichbare Gefahrenlage auf
(vgl. Bollweg/Hellmann, Das neue Schadensersatzrecht, 2002, Teil 3, § 828
BGB, Rn. 11; BT-Drucks. 14/7752, S. 16 f., 26 f.). Diese Erwägungen zeigen,
daß Kinder nach dem Willen des Gesetzgebers auch in dem hier maßgeblichen
Alter von sieben bis neun Jahren für einen Schaden haften sollen, wenn sich
bei dem Schadensereignis nicht ein typischer Fall der Überforderung des Kindes
durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs verwirklicht hat
und das Kind deshalb von der Haftung freigestellt werden soll.

Dem Wortlaut des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nicht zu entnehmen, daß
der Gesetzgeber bei diesem Haftungsprivileg zwischen dem fließenden und
dem ruhenden Verkehr unterscheiden wollte, wenn es auch im fließenden Verkehr
häufiger als im sog. ruhenden Verkehr eingreifen mag. Das schließt jedoch
nicht aus, daß sich in besonders gelagerten Fällen – zu denen der Streitfall aber
nicht gehört – auch im ruhenden Verkehr eine spezifische Gefahr des motorisierten
Verkehrs verwirklichen kann (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 29, 163,
166 f. und vom 25. Oktober 1994 – VI ZR 107/94VersR 1995, 90, 92). Der
Gesetzgeber wollte vielmehr lediglich den Fällen einer typischen Überforderung
der betroffenen Kinder durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs
Rechnung tragen. Zwar wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt, der
neue § 828 Abs. 2 BGB lehne sich an die Terminologie der Haftungsnormen
des Straßenverkehrsgesetzes an (vgl. BT-Drucks. aaO, S. 26). Die danach folgende
Erläuterung, im motorisierten Straßenverkehr sei das deliktsfähige Alter
heraufzusetzen, weil bei dort plötzlich eintretenden Schadensereignissen in der
Regel die altersbedingten Defizite eines Kindes beim Einschätzen von Geschwindigkeiten
und Entfernungen zum Tragen kämen (vgl. BT-Drucks. aaO
S. 26 f.), zeigt aber deutlich, daß für den Gesetzgeber bei diesem Aspekt nicht
das bloße Vorhandensein eines Motors im Fahrzeug ausschlaggebend war,
sondern vielmehr der Umstand, daß die Motorkraft zu Geschwindigkeiten führt,
die zusammen mit der Entfernung eines Kraftfahrzeugs von einem Kind vor
Vollendung des zehnten Lebensjahres nur sehr schwer einzuschätzen sind (vgl.
Bollweg/Hellmann, aaO).

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß der Gesetzgeber
nur dann, wenn sich bei einem Schadensfall eine typische Überforderungssituation
des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs
verwirklicht hat, eine Ausnahme von der Deliktsfähigkeit bei Kindern vor Vollendung
des zehnten Lebensjahres schaffen wollte. Andere Schwierigkeiten für ein
Kind, sich im Straßenverkehr verkehrsgerecht zu verhalten, sollten diese Ausnahme
nicht rechtfertigen. Insoweit ging der Gesetzgeber davon aus, daß Kinder
in dem hier maßgeblichen Alter mit solchen Situationen nicht generell überfordert
sind und die Deliktsfähigkeit daher grundsätzlich anzunehmen ist. Das
wird auch deutlich bei der Begründung, weshalb das Haftungsprivileg in Fällen
vorsätzlicher Schädigung nicht gilt. Hierzu heißt es, daß in diesen Fällen die
Überforderungssituation als schadensursächlich auszuschließen sei und sich
jedenfalls nicht ausgewirkt habe (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 16, 27; Hentschel,
NZV 2002, 433, 442). Allerdings kam es dem Gesetzgeber darauf an, die
Rechtsstellung von Kindern im Straßenverkehr umfassend zu verbessern. Sie
sollte insbesondere nicht davon abhängen, ob das betroffene Kind im Einzelfall
„Täter“ oder „Opfer“ eines Unfalls ist, denn welche dieser beiden Möglichkeiten
sich verwirklicht, hängt oft vom Zufall ab (vgl. Medicus, Deutscher Verkehrsgerichtstag
2000, Referat Nr. III/4, S. 121; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 828
Rn. 4). Die Haftungsprivilegierung Minderjähriger erfaßt deshalb nicht nur die
Schäden, die Kinder einem anderen zufügen. Da § 828 BGB auch für die Frage
des Mitverschuldens nach § 254 BGB maßgeblich ist (vgl. Senatsurteil BGHZ
34, 355, 366), hat die Haftungsfreistellung Minderjähriger auch zur Folge, daß
Kinder dieses Alters sich ihren eigenen Ansprüchen, gleichviel ob sie aus allgemeinem
Deliktsrecht oder aus den Gefährdungshaftungstatbeständen des
Straßenverkehrsgesetzes oder des Haftpflichtgesetzes hergeleitet werden, ein
Mitverschulden bei der Schadensverursachung nicht entgegenhalten lassen
müssen (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 16; Bollweg/Hellmann, Das Neue Schadensersatzrecht,
§ 828 Teil 3, Rn. 5; Heß/Buller ZfS 2003, 218, 219). § 828
Abs. 2 BGB gilt deshalb unabhängig davon, ob das an einem Unfall mit einem
Kraftfahrzeug beteiligte Kind Schädiger oder Geschädigter ist.
Diese Grundsätze können im Streitfall jedoch nicht eingreifen, weil nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts unter den Umständen des vorliegenden
Falles das Schadensereignis nicht auf einer typischen Überforderungssituation
des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs
beruht, so daß das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht eine Freistellung
des Beklagten von der Haftung verneint hat.

2. Entgegen der Auffassung der Revision steht auch § 828 Abs. 3 BGB
einer haftungsrechtlichen Verantwortung des Beklagten nicht entgegen.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besitzt derjenige die
zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht im Sinne von
§ 828 Abs. 3 BGB, der nach seiner individuellen Verstandesentwicklung fähig
ist, das Gefährliche seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für
die Folgen seines Tuns bewußt zu sein. Auf die individuelle Fähigkeit, sich dieser
Einsicht gemäß zu verhalten, kommt es insoweit nicht an (vgl. Senatsurteile
vom 28. Februar 1984 – VI ZR 132/82VersR 1984, 641, 642 m.w.N. und vom
29. April 1997 – VI ZR 110/96VersR 1997, 834, 835). Die Darlegungs- und
Beweislast für das Fehlen der Einsichtsfähigkeit trägt der in Anspruch genommene
Minderjährige; ab dem Alter von 7 Jahren wird deren Vorliegen vom Gesetz widerlegbar
vermutet (vgl. Senatsurteil vom 29. April 1997 – VI ZR 110/96
aaO; Baumgärtel/Strieder, 2. Aufl., § 828 BGB, Rn. 2 m.w.N.).
Der Beklagte hat zu einem Mangel, das Gefährliche seines Tuns erkennen
und sich der Verantwortung seines Tuns bewußt sein zu können, nichts
vorgetragen. Der von der Revision herangezogene Vortrag, der Beklagte habe
mit dem Kickboard zunächst die Fahrbahn einer Spielstraße befahren und habe
deren Ende im Eifer des veranstalteten Wettrennens übersehen, bevor es zu
dem Unfall mit dem PKW des Klägers gekommen sei, betrifft nicht die Einsichtsfähigkeit
des Beklagten im Sinne von § 828 Abs. 3 BGB.

3. Mit Recht hat das Berufungsgericht auch ein fahrlässiges Verhalten
(§ 276 BGB) des Beklagten bejaht.

a) Ein solches Verhalten setzt voraus, daß die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt außer acht gelassen (§ 276 Abs. 2 BGB) und dabei die Möglichkeit eines
Schadenseintritts erkannt oder sorgfaltswidrig verkannt wurde sowie ein die
Gefahr vermeidendes Verhalten möglich und zumutbar war (vgl. Senatsurteile
BGHZ 58, 48, 56 und vom 10. November 1992 – VI ZR 45/92 – VersR 1993,
230, 231; BGH Urteil vom 23. Oktober 1952 – III ZR 273/51 – LM Nr. 1 zu § 828
BGB). Dabei ist dem Alter des Schädigers Rechnung zu tragen (vgl. BGH Urteil
vom 23. Oktober 1952 – III ZR 273/51 – aaO). Bei einem Minderjährigen kommt
es darauf an, ob Kinder bzw. Jugendliche seines Alters und seiner Entwicklungsstufe
den Eintritt eines Schadens hätten voraussehen können und müssen
und es ihnen bei Erkenntnis der Gefährlichkeit ihres Handelns in der konkreten
Situation möglich und zumutbar gewesen wäre, sich dieser Erkenntnis gemäß
zu verhalten (vgl. Senatsurteile vom 27. Januar 1970 – VI ZR 157/68
VersR 1970, 374, 375 und vom 29. April 1997 – VI ZR 110/96 – VersR 1997,
834, 835).

b) Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Kinder in der Altersgruppe des
Beklagten wissen, daß sie sich so zu verhalten haben, daß ihr Kickboard nicht
gegen einen parkenden PKW prallt und diesen beschädigt. Es ist ihnen auch
möglich und zumutbar, dieses Spielgerät so zu benutzen, daß eine solche
Schädigung vermieden wird. Die danach gebotene Sorgfalt hat der Beklagte
mißachtet, indem er im Wettrennen mit seinem Bruder und einem Freund so
schnell fuhr, daß er stürzte und sein Kickboard führungslos mit dem PKW des
Klägers zusammenstieß. Insoweit ist ohne Bedeutung, ob der Beklagte das Ende
der Spielstraße im Eifer des Wettrennens übersah, da er die vorgenannten
Sorgfaltspflichten auf allen Verkehrsflächen hätte beachten müssen.
4. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß sich unter den vom Berufungsgericht
festgestellten Umständen die Betriebsgefahr des parkenden
Fahrzeugs ausgewirkt haben könnte, so daß auch nicht eine Mithaftung des
Klägers nach den Grundsätzen des § 254 BGB in Betracht kommt.

III.

Die Revision ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

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