BGH: Rundschreiben eines Rechtsanwalts an Nichtmandanten zulässig

BGH, Urteil vom 15.03.2001 – I ZR 337/98

Zur Frage der Zulässigkeit eines an Mandanten und Nichtmandanten gerichteten Rundschreibens eines Rechtsanwalts, in dem eine Gesetzesänderung zum Anlaß genommen wird, um auf den dadurch entstandenen Beratungsbedarf hinzuweisen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der
10. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 27. Mai 1998
abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagten sind in D. als Rechtsanwälte tätig und betreiben dort
im Ortsteil Hi. eine gemeinsame Kanzlei.

Der Beklagte zu 3 wandte sich unter dem 7. Juli 1997 an 120 Personen
– darunter auch solche, die keine Mandanten der Beklagten waren – mit einem
Rundschreiben (Anlage 1 der Klageschrift). Dieses wies den Kopfbogen der
Kanzlei der Beklagten auf und hatte folgenden Wortlaut:

„Sehr geehrte …,

als Serviceleistung unserer Kanzlei möchten wir Sie auf folgende
aktuelle Entwicklung aufmerksam machen:

Mit dem Jahressteuergesetz 1997 sind die seit langem erwarteten
Neuregelungen im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz sowie
bei der Grundbesitzbewertung eingeführt worden, die bereits rückwirkend
ab dem 01.01.1996 anzuwenden sind. Gleichwohl besteht
nach wie vor die Möglichkeit, Immobilien steuergünstig zu übertragen.
Eine Auswahl vorteilhafter Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug
auf die steuergünstige Übertragung von privaten Immobilien nach
neuem Recht zeigt die in der Anlage beigefügte Darstellung, die wir
der Deutschen Erbrechtszeitschrift, Ausgabe 2, Mai 1997 entnommen
haben.

Bei der Deutschen Erbrechtszeitschrift handelt es sich um ein Magazin,
das unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde
e.V. herausgegeben wird, deren Mitglied Herr Rechtsanwalt H. ist.

Trotz der deutlichen Erhöhung der Grundstückswerte durch das
Jahressteuergesetz 1997 bestehen – wie Sie der Darstellung entnehmen
können – nach wie vor interessante Gestaltungsmöglichkeiten,
um Immobilien im Privatvermögen unter Ausnutzung der ab
1996 erhöhten Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer
insbesondere im Wege der vorweggenommenen Erbfolge
auf die nächste Generation zu übertragen. Eine auf den Einzelfall
bezogene optimale Gestaltung, die auch die einkommensteuerlichen
Folgen berücksichtigen muß, sollte mit einem Rechts- und/
oder Steuerberater sorgfältig abgestimmt werden.
Zur Beantwortung von Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.“

Die Kläger betreiben ebenfalls in D. Rechtsanwaltskanzleien. Nach
ihrer Auffassung enthält das Rundschreiben vom 7. Juli 1997 eine unzulässige
und daher wettbewerbswidrige Werbung für die Kanzlei der Beklagten. Sie haben
die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Vor dem Landgericht
haben sie beantragt,

den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang
mit ihrer anwaltlichen Tätigkeit gegenüber Personen, die nicht zum Mandantenkreis
der Beklagten gehören, Schreiben der in Anlage 1 wiedergegebenen Art zu versenden,
insbesondere wenn

– dies unter Übersendung von Artikeln aus der Deutschen Erbrechtszeitschrift
geschieht, in denen auf die Gestaltungsmöglichkeiten
in bezug auf die steuergünstige Übertragung von privaten
Immobilien hingewiesen wird, und

– der Beklagte zu 3 als Mitglied der die Zeitschrift mitherausgebenden
Vereinigung benannt wird,

– und die Adressaten zur individuellen Kontaktaufnahme mit den
Worten aufgefordert werden:

„Eine auf den Einzelfall bezogene optimale Gestaltung, die
auch die einkommensteuerlichen Folgen berücksichtigen muß,
sollte mit einem Rechts- und/oder Steuerberater sorgfältig abgestimmt
werden.

Zur Beantwortung von Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.“

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie sind der Auffassung,
das Rundschreiben überschreite den Rahmen der nach § 43b BRAO
zulässigen Anwaltswerbung nicht.

Das Landgericht hat die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln
verurteilt,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs im Zusammenhang mit ihrer anwaltlichen Tätigkeit
Schreiben zu versenden, in denen es heißt:

„Bei der Deutschen Erbrechtszeitschrift handelt es sich um ein
Magazin, das u.a. von der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde
e.V. herausgegeben wird, deren Mitglied Herr Rechtsanwalt H ist“

und in denen die Leser aufgefordert werden, zur „optimalen Gestaltung“
ihrer Erbschaft- und Schenkungsteuer unter Berücksichtigung
auch der einkommensteuerrechtlichen Folgen im Zusammenhang
mit Immobilien im Privatvermögen Rücksprache mit den Beklagten
zu nehmen.

Im übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen
und diesen die Kosten des Rechtsstreits, die nach dem Urteil des Landgerichts
zu einem Viertel von den Klägern zu tragen waren, von Amts wegen in voller
Höhe auferlegt (OLG Düsseldorf MDR 1999, 258).

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese ihren
Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgen. Die Kläger beantragen, die
Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat das beanstandete Rundschreiben als wettbewerbswidrig
angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Das vom Landgericht ausgesprochene Verbot rechtfertige sich aus § 1
UWG i.V. mit § 43b BRAO. Die in den Urteilsausspruch aufgenommenen Sätze
des Rundschreibens vom 7. Juli 1997 hätten die Grenzen der nach § 43b
BRAO zulässigen Werbung überschritten.

Das Rundschreiben sei entgegen § 43b BRAO auf die Erteilung eines
Auftrags im Einzelfall gerichtet, weil es sich an einen bestimmten und überschaubaren
Adressatenkreis gewandt und anwaltliche Dienste für einen konkret
bezeichneten Regelungsbedarf angeboten habe. Daß es nicht einen den
Beklagten zuvor bekannt gewordenen akuten Beratungsbedarf der Angesprochenen
zum Anlaß gehabt habe, sei unerheblich.

Die beanstandeten Textpassagen des Rundschreibens seien zudem eine
unsachliche reklamehafte Werbung. Das Schreiben bringe die Einschätzung
der Beklagten zum Ausdruck, sie verfügten über die Kompetenz, um im
Einzelfall die optimale Vertragsgestaltung zu finden. Der Hinweis auf die Mitgliedschaft
des Beklagten zu 3 in der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde
e.V. sei keine berufsbezogene Information, sondern werde von den
Adressaten nach dem Gesamtzusammenhang des Schreibens als die anpreisende
Selbsteinschätzung verstanden, daß der Beklagte zu 3 bei Fragen der
steuergünstigen Übertragung privaten Grundvermögens besonders qualifiziert
und umfassend beraten und die individuell optimale Vertragsgestaltung erarbeiten
könne.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der
Klage. Das beanstandete Rundschreiben verstößt nicht gegen § 43b BRAO.

1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen,
daß das Rundschreiben als Werbung anzusehen ist. Werbung ist ein Verhalten,
das darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistung desjenigen
in Anspruch zu nehmen, für den geworben wird (BGH, Beschl. v.
7.10.1991 – AnwZ (B) 25/91, NJW 1992, 45; Urt. v. 1.3.2001 –
I ZR 300/98 – Anwaltswerbung II, Umdruck S. 6, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
Danach handelt es sich bei dem fraglichen Schreiben um Werbung. Der Beklagte zu 3
hat sich mit ihm gegenüber einem Kreis von potentiellen Rechtsuchenden, mit
denen zum Teil bisher keine Mandatsverhältnisse bestanden, als Spezialist für
Erbrecht und Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht präsentiert, um auf diesem
Weg neue Klienten zu gewinnen.

2. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, daß die
Werbung gegen § 43b BRAO verstößt.

a) Nach § 43b BRAO ist den Rechtsanwälten Werbung erlaubt, soweit
sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und
nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.

Bei der Auslegung dieser Vorschrift ist zu berücksichtigen, daß Rechtsanwälten
die Werbung für ihre berufliche Tätigkeit im Grundsatz nicht verboten,
sondern erlaubt ist. Die Werbefreiheit ist als Teil der Berufsausübungsfreiheit
durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet. Zu der Freiheit der Berufsausübung
gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die
mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Sie umfaßt daher
auch die Außendarstellung von selbständig Berufstätigen einschließlich der
Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste (vgl. BVerfGE 85, 248, 256;
94, 372, 389; BVerfG WRP 2000, 720, 721 = NJW 2000, 3195). Die Bestimmung
des § 43b BRAO, die dem Rechtsanwalt Werbung erlaubt, soweit sie
über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht
auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist, eröffnet mithin nicht
etwa eine ansonsten nicht bestehende Werbemöglichkeit, sondern konkretisiert
lediglich die verfassungsrechtlich garantierte Werbefreiheit. Dementsprechend
bedarf nicht die Gestattung der Anwaltswerbung der Rechtfertigung,
sondern deren Einschränkung (vgl. Mayen, NJW 1995, 2317, 2318; Krämer,
FS Piper, 1996, S. 327, 330 f.; Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl., § 43b Rdn. 2;
Hartung/Holl/Römermann, Anwaltliche Berufsordnung, Vor § 6 Rdn. 31).
Eine solche Einschränkung erfordert, da sie einen Eingriff in die Freiheit der
Berufsausübung darstellt, eine – mit der Regelung des § 43b BRAO gegebene –
gesetzliche Grundlage. Sie ist außerdem nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn
sie im Einzelfall durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt
ist und im übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfGE
76, 196, 207). Sinn und Zweck des § 43b BRAO bestehen gerade darin, einerseits
die Werbung auf solche für das Publikum nachvollziehbare und nützliche,
rein sachbezogene Maßnahmen zu beschränken, andererseits aber dem Anwalt
die Möglichkeit einzuräumen, in dem gezogenen Rahmen zur Förderung
eigener Erwerbstätigkeit sich nach außen zu wenden (BGH, Urt. v. 1.3.2001
I ZR 300/98, Umdruck S. 7 f. – Anwaltswerbung II).

Insoweit hat die durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der
Rechtsanwälte und Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) in
die Bundesrechtsanwaltsordnung eingefügte Bestimmung des § 43b BRAO die
Rechtslage verändert. Das früher aus § 43 BRAO hergeleitete Verbot berufswidriger
Werbung untersagte aufdringliche Werbemethoden, die sich als Ausdruck
eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten
Verhaltens darstellten. Hierzu wurden das sensationelle oder reklamehafte
Sich-Herausstellen und das unaufgeforderte direkte Herantreten an potentielle
Mandanten als gezielte Werbung um Praxis gerechnet (vgl. BVerfG NJW 1992,
1613; BGHZ 115, 105, 108 ff. – Anwaltswerbung I; BGH, Beschl. v. 13.9.1993
AnwSt (R) 6/93, NJW 1994, 2035, 2036; Urt. v. 16.6.1994 – I ZR 67/92, GRUR
1994, 825, 826 = WRP 1994, 608 – Strafverteidigungen). Die nunmehr in § 43b
BRAO enthaltene gesetzliche Regelung der Grenzen der dem Rechtsanwalt
gestatteten Werbung erschöpft sich nicht in einer bloßen Übernahme und
Festschreibung der überkommenen Grundsätze zum Verbot berufswidriger
Werbung. Diese Grundsätze können daher bei der Auslegung der Neuregelung
nicht ohne weiteres herangezogen werden. Mit den vom früheren Sprachgebrauch
abweichenden Formulierungen in § 43b BRAO wollte der Gesetzgeber
Änderungen in der Sache deutlich machen (vgl. Henssler/Prütting/Eylmann,
BRAO, § 43b Rdn. 5). Während früher das reklamehafte Anpreisen schlechthin
als unzulässig angesehen wurde, setzt die nunmehr geltende Regelung voraus,
daß die Werbung über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich
unterrichtet. Wurde früher das unaufgeforderte direkte Herantreten an potentielle
Mandanten als grundsätzlich verboten angesehen, so darf nunmehr nach
§ 43b BRAO die Werbung nur nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall
gerichtet sein (BGH, Urt. v. 1.3.2001 – I ZR 300/98, Umdruck S. 8 f. – Anwaltswerbung II).
b) An diesem Maßstab gemessen stellt sich die von den Klägern angegriffene
Werbung des Beklagten zu 3 als berufsrechtlich erlaubt und damit
auch als wettbewerbsrechtlich zulässig dar.

aa) Die angegriffene Werbung ist – dies ist zwischen den Parteien unstreitig
– nicht irreführend und beinhaltet im übrigen eine in Form und Inhalt
sachliche Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit des Beklagten zu 3.

Die Angabe, daß der Beklagte zu 3 Mitglied der Deutschen Gesellschaft
für Erbrechtskunde e.V. ist, hat auch einen sachlichen Bezug zu seiner beruflichen
Tätigkeit, wie er nach § 43b BRAO für eine zulässige Werbung erforderlich
ist. Sie ist geeignet, für die Entscheidung potentieller Mandanten, ob wegen
der in dem Rundschreiben angesprochenen Problematik ein Rechtsanwalt
– und gegebenenfalls welcher – um Rat angegangen werden soll, auf der
Grundlage vernünftiger und sachbezogener Erwägungen eine Rolle zu spielen
(vgl. Feuerich/Braun, aaO § 43b Rdn. 8; Henssler/Prütting/Eylmann, aaO § 43b
Rdn. 21 m.w.N.).

Das beanstandete Rundschreiben enthält auch keine mit § 43b BRAO
unvereinbare Selbstanpreisung. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung
gilt dies auch für den Hinweis, daß eine auf den Einzelfall bezogene optimale
Gestaltung einer steuerlich günstigen Übertragung von Immobilien im Privatvermögen
mit einem Rechts- und/oder Steuerberater sorgfältig abgestimmt
werden sollte. Aus der Sicht der Angesprochenen wird dies nicht so verstanden
werden, daß die eigenen Beratungsleistungen gerade im Vergleich zu anderen
Beratern herausgestellt werden sollen.

bb) Die Werbung kann weiter nicht mit der Begründung als unzulässig
beurteilt werden, sie sei unter Verstoß gegen § 43b BRAO auf die Erteilung
von Aufträgen im Einzelfall gerichtet.

Der Senat hat allerdings in seiner vor der Novellierung des anwaltlichen
Werberechts ergangenen Entscheidung „Anwaltswerbung I“ ausgesprochen,
daß es als eine nach § 1 UWG i.V. mit § 43 BRAO unzulässige reklamehafte
Anpreisung anzusehen sei, wenn ein Rechtsanwalt unaufgefordert einem Dritten,
mit dem er in keiner Mandatsbeziehung stehe oder gestanden habe, seine
anwaltliche Tätigkeit nahezubringen versuche (BGHZ 115, 105, 110).

Diese Entscheidung ist insoweit jedoch durch die Neuregelung des anwaltlichen
Werberechts in § 43b BRAO überholt. Nach dem Willen des Gesetzgebers
sollte mit der im Jahre 1994 erfolgten Einfügung der §§ 43b, 59b in
die Bundesrechtsanwaltsordnung den Rechtsanwälten insbesondere die Möglichkeit
eröffnet werden, sich potentiellen Mandanten gegenüber darzustellen
(vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des
Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993,
S. 28). Dementsprechend unterscheidet die am 11. März 1997 in Kraft getretene
Berufsordnung für Rechtsanwälte (abgedruckt in BRAK-Mitt. 1999, 123 ff.),
soweit sie in ihren gemäß § 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO erlassenen §§ 6 bis 10 Bestimmungen
über die Berufspflichten des Anwalts im Zusammenhang mit der
Werbung enthält, nicht zwischen Rundschreiben an Mandanten und Rundschreiben,
die an dritte Personen gerichtet sind.

Eine für sich genommen an sich zulässige Werbung um mögliche Auftraggeber
kann sich allerdings als eine auf die Erteilung von Aufträgen im Einzelfall
gerichtete, gegen § 43b BRAO verstoßende Werbung darstellen, wenn
der Umworbene in einem konkreten Einzelfall der Beratung oder der Vertretung
bedarf und der Werbende dies in Kenntnis der Umstände zum Anlaß für seine
Werbung nimmt. Eine solche Werbung ist als unzulässig anzusehen, weil sie in
gleicher Weise wie die offene Werbung um die Erteilung eines Auftrags im
Einzelfall in einer oft als aufdringlich empfundenen Weise auszunützen versucht,
daß sich der Umworbene beispielsweise in einer Lage befindet, in der er
auf Hilfe angewiesen ist und sich möglicherweise nicht frei für einen Anwalt
entscheiden kann (vgl. BGH, Urt. v. 1.3.2001 – I ZR 300/98, Umdruck S. 13 f. –
Anwaltswerbung II, m.w.N.).

Im vorliegenden Fall spricht nach den vom Berufungsgericht getroffenen
Feststellungen jedoch nichts dafür, daß die vom Beklagten zu 3 angeschriebenen
Personen eine Beratung oder Vertretung in einer bestimmten erbschaftoder
schenkungsteuerrechtlichen Angelegenheit benötigten und der Beklagte
zu 3 sie aus diesem Grund angeschrieben hat. Der Beklagte zu 3 hat vielmehr
lediglich eine Gesetzesänderung zum Anlaß genommen, um auf den dadurch
entstandenen Beratungsbedarf sowie darauf hinzuweisen, daß er diesen zu
befriedigen in der Lage sei. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die
Adressaten des Rundschreibens Anlaß hatten, das ganz allgemein gehaltene
Rundschreiben als eine gezielte persönliche und daher gegebenenfalls als
aufdringlich zu empfindende Kontaktaufnahme zu verstehen, wie sie durch das
Verbot der auf die Erteilung von Aufträgen im Einzelfall gerichteten Werbung
verhindert werden soll. Im Hinblick auf diesen Gesetzeszweck erfaßt das genannte
Verbot entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht auch
diejenigen Fälle, in denen ein konkreter Handlungs- oder Beratungsbedarf
beim Adressaten erst aufgrund der in der Anwaltswerbung enthaltenen Angaben
zu einer konkreten Fallgestaltung bewußt gemacht wird. Daß der Beklagte
zu 3 sich mit seiner Werbung an Personen gewandt hat, bei denen er ein generelles
Interesse an seinen Leistungen erwarten durfte und die er deshalb als
Auftraggeber zu gewinnen hoffte, ist rechtlich nicht zu beanstanden (BGH, Urt.
v. 1.3.2001 – I ZR 300/98, Umdruck S. 14 – Anwaltswerbung II).

3. Nach dem Vorstehenden kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht,
wie die Revision rügt, mit seiner Entscheidung gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen
hat und ob es, wie die Revision ebenfalls beanstandet, die vom Landgericht
getroffene Kostenentscheidung nicht zu Lasten der Beklagten hätte abändern
dürfen.

III. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil aufzuheben
und die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils mit der
Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.

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