Zur Frage der Einhaltung der versicherungsrechtlichen Klagefrist

OLG Celle, Urteil vom 11.02.2010 – 8 U 125/09

Verzögerungen von weniger als 14 Tagen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geringfügig und sind, selbst wenn sie auf einem nachlässigen Verhalten des Gläubigers beruhen, angesichts des Verzichts der Vorschrift auf eine bestimmte Frist , unschädlich, wohingegen Verzögerungen von 18 oder mehr Tagen die Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO nicht mehr auslösen können (Rn. 42).

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Mai 2009 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin ist die Erbin des am … November 2007 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Dr. R. C., geboren am … 1925. Der Erblasser war bei der Beklagten mit seiner einmotorigen Cirrus SR 20, amtl. Kennzeichen … , haftpflicht- und vollkaskoversichert. Dem Versicherungsverhältnis liegen die AKB-Lu 2007 und die AHB-Lu 2007 LuH 1 der Beklagten zugrunde (Bl. 73 ff./Bl. 71 f.).

2

In § 1 („Gegenstand der Versicherung“) der AKB-Lu 2007 heißt es unter Ziff. 5. b), dass Luftfahrzeuge nur versichert sind, wenn der/die Führer des Luftfahrzeuges bei Eintritt des Schadenereignisses die vorgeschriebenen Erlaubnisse und erforderlichen Berechtigungen oder wetterbedingte Freigabe hatte/n (Bl. 74).

3

Gegenstand der Haftpflichtversicherung ist nach § 1 AHB-Lu 2007 LuH 1 Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer wegen eines Schadenereignisses von einem Dritten in Anspruch genommen wird. § 4 regelt Ausschlüsse. Dort heißt es unter I. Ziff. 3, dass kein Versicherungsschutz besteht, wenn der/die Führer des Luftfahrzeuges bei Eintritt des Schadenereignisses nicht die vorgeschriebenen Erlaubnisse, erforderlichen Berechtigungen oder Befähigungsnachweise hatten. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt gegenüber dem Versicherungsnehmer, dem Halter oder dem Eigentümer bestehen, wenn dieser das Vorliegen der Erlaubnis bei dem berechtigten Piloten ohne Verschulden annehmen durfte, oder wenn ein unberechtigter Pilot das Luftfahrzeug gebraucht (Bl. 72).

4

Der Erblasser verfügte über eine gültige Privatpilotenlizenz. Über eine zum Zeitpunkt des Schadenereignisses gültige sog. „Musterberechtigung“ für das Fliegen des Flugzeugtyps Cirrus SR 20 verfügte er nach dem Vortrag der Parteien erster Instanz nicht (so die Klägerin selbst noch auf S. 3 ihrer Berufungsbegründung). Die „Klassenberechtigung“ war, so der Luftfahrtsachverständige Dipl.-Ing. B. in seinem schriftlichen Gutachten vom 4. Juli 2008 (Bl. 127 ff.), am 15. Juli 2006 abgelaufen. Außerdem durfte der Erblasser ein Flugzeug nur bei Anwesenheit eines Sicherheitspiloten an Bord führen.

5

Am 28. November 2007 holte der Erblasser am frühen Morgen eine individuelle Flugwetterberatung für einen Flug von A. zur Insel … ein (s. Anlage B 7, Bl. 88). Gegen 13:30 Uhr startete der Erblasser an diesem Tag vom Flugplatz A. in Richtung … . Während des Fluges verschlechterte sich das Wetter. Bei Wolkenuntergrenzen von 200 bis 300 Fuß gelang es ihm nicht, auf dem Regionalflughafen W. zu landen. Der Erblasser wurde auf den Militärflughafen J. umgeleitet. Beim Landeanflug fiel der Motor wegen Treibstoffmangels aus, das Flugzeug verlor an Höhe, kollidierte mit einer Hochspannungsleitung und stürzte ab. Der Tankwahlschalter stand auf dem rechten leeren Tank, während der linke Tank noch mit 12 Gallonen Treibstoff betankt war. Der Erblasser hatte vergessen, den Tankwahlschalter zu betätigen. Die Kontrolle des Kraftstoffvorrates gehört zum Pre-Landing-Check. Der Luftsachverständige Dipl.-Ing. B. führte in seinem Gutachten vom 4. Juli 2008 (Bl. 127 ff.) den Motorausfall darauf zurück, dass der Erblasser bei schwierigem Wetter den radargeführten Anflug durchgeführt und dabei die Lande-Checkliste nicht vollständig beachtet habe.

6

Mit Schreiben vom 12. Februar 2008 lehnte die Beklagte die Regulierung ab.

7

Das Schreiben wurde der Klägerin nach den Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil am 14. Februar 2008 zugestellt (nach dem Vortrag der Klägerin am 16. Februar 2008, Bl. 118). Die Klage ging per Fax am 13. August 2008 am Landgericht Hannover ein (Bl. 1). Unter dem 20. August 2008 wurden die Kosten angefordert. Die Anforderung ging bei den Klägervertretern am 25. August 2008 ein (Bl. 126). Die Einzahlung der Gerichtskosten erfolgte am 10. September 2008 (Vorblatt II).

8

Die Klägerin hat gemeint, sie habe die Frist nach § 12 Abs. 3 VVG a. F. eingehalten. Bei den erwähnten Klauseln der Allgemeinen Versicherungsbedingungen handele es sich nicht um Risikoausschlussklauseln, sondern um (verhüllte) Obliegenheiten, deren Verletzung nicht zur Leistungsfreiheit der Beklagten führe, da der Verstoß des Versicherungsnehmers, ohne Musterberechtigung und Sicherheitspilot geflogen zu sein, nicht kausal für den Absturz gewesen sei. Das Nichtumlegen des Tankwahlschalters sei lediglich fahrlässig gewesen. Das Flugzeug habe einen Wert von 127.888 Euro gehabt, von dem der Restwert von 18.000 Euro abzuziehen sei.

9

Die Klägerin hat beantragt (Bl. 153, 3 f.):

10

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 109.888,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.02.2008 zu zahlen,

11

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den gegen sie gerichteten Haftpflichtansprüchen

12

– des Herrn K. G. … in Höhe von 651,47 Euro,

13

– der Frau M. M. … über 440,00 Euro,

14

– des Unternehmensverbundes S. … über derzeit 100.000,00 Euro,

15

freizustellen,

16

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von weiteren Haftpflichtansprüchen aus dem Unfallereignis vom 18. November 2007 freizustellen.

17

Die Beklagte hat ihren Klagabweisungsantrag damit begründet, dass sie nach § 12 Abs. 3 VVG a. F. leistungsfrei sei. Die Klage sei nicht „demnächst“ zugestellt worden. Leistungsfreiheit ergebe sich außerdem aus den Bedingungen, die hinsichtlich der Kaskoversicherung eine primäre Risikobegrenzung enthielten, hinsichtlich der Luftfahrzeug-Haftpflichtversicherung eine sekundäre Risikobegrenzung, aber keine Obliegenheit. Unabhängig davon bestehe Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässigen Handelns in Gestalt des Einfluges in Schlechtwetter, der unterlassenen Mitnahme eines Sicherheitspiloten, durch fehlende Musterberechtigung und durch Unterlassen des Umschaltens auf den linken Tank.

18

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

19

Die Beklagte sei zwar nicht nach § 12 Abs. 3 VVG a. F. leistungsfrei, weil der maßgebende Zeitraum vom Eingang der Kostenanforderung bis zur Einzahlung der Gerichtskosten mit 16 Tagen nur unwesentlich über der regelmäßig tolerierten Verzögerungszeit liege. Die Klage sei aber unbegründet. § 1 Ziff. 5 b) AKB-Lu 2007 normiere eine Risikobegrenzung und keine Obliegenheit. Hinsichtlich der Abgrenzung komme es nicht entscheidend auf Wortlaut oder Stellung einer Versicherungsklausel an; maßgebend sei vielmehr der materielle Inhalt der einzelnen Klausel. Es komme darauf an, ob die Klausel eine individualisierende Beschreibung eines einzelnen Wagnisses enthalte, für das alleine der Versicherer Versicherungsschutz gewähren wolle, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes vorbeugendes Verhalten des Versicherungsnehmers fordere, von dem es abhänge, ob er einen Versicherungsschutz behalte oder verliere. Werde von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, handele es sich um eine Risikobegrenzung. Vorliegend wolle der Versicherer nur Deckungsschutz gewähren, wenn der Führer bei Eintritt des Schadensereignisses die vorgeschriebenen Erlaubnisse habe. Für die primäre Risikobegrenzung spreche daneben die sprachliche Fassung der Klausel. Der erste Satz: „Luftfahrzeuge sind nur versichert“ stelle klar, dass bestimmte Fälle von vornherein aus dem Deckungsbereich herausgehalten werden sollten. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Freistellung aus dem Luftfahrt-Haftpflichtversicherungsvertrag, denn die Klausel § 4 AHB-Lu 2007 enthalte ebenfalls eine (sekundäre) Risikobegrenzung. Der Erblasser aber sei ohne Musterberechtigung und ohne Sicherheitspiloten geflogen. Dabei sei entgegen der Auffassung der Klägerin ein Luftfahrzeug nicht mit einem Kraftfahrzeug zu vergleichen, sodass auch Rechtssätze nicht übertragen werden könnten. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Bedingungen teile die Kammer nicht; beide Bestimmungen seien auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich und ließen in keiner Hinsicht Zweifel über ihre Auslegung aufkommen.

20

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie – mit geringen Änderungen – ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Der Erblasser habe seit ca. 1975 über eine Fluglizenz verfügt, die zuletzt bis zum 15. Juli 2009 verlängert gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages habe diese Lizenz zum Fliegen des Flugzeugs Cirrus SR 20 berechtigt. Zum 1. Mai 2003 sei das Fluglizenzrecht geändert worden, worüber die Beklagte informiert gewesen sei, ohne ihren Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen. Erst mit dem Nachtrag zum Versicherungsschein vom 3. Juli 2007 habe die Beklagte ohne Abstimmung mit dem Erblasser den Hinweis auf den Sicherheitspiloten aufgenommen. Die Beklagte habe damit gegen Treu und Glauben verstoßen. Weiter vertritt die Klägerin die Auffassung, die in Rede stehenden Klauseln enthielten sog. verhüllte Obliegenheiten. Das Landgericht habe die langjährige Flugerfahrung des Erblassers unberücksichtigt gelassen und zu Unrecht ohne weitere Begründung angenommen, dass das Fliegen eines Luftfahrzeugs nicht mit dem Fahren eines Kraftfahrzeugs vergleichbar sei. Auch die Beklagte sei ausweislich ihres Schreibens vom 12. Februar 2008, das die Versagung des Versicherungsschutzes ausschließlich auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Erblassers gestützt habe, nicht von einer Risikobegrenzung ausgegangen. Grob fahrlässig aber habe der Erblasser nicht gehandelt. Die Auslegung der Klauseln sei auch entgegen der Auffassung des Landgerichts gerade nicht eindeutig. Schließlich weist die Klägerin hinsichtlich des Haftpflichtanspruchs auf § 43 LuftVG hin, wonach der Versicherer in jedem Fall begründete Haftpflichtansprüche zu regulieren habe.

21

Die Klägerin beantragt (Bl. 202 f.),

22

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 109.888,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.02.2008 zu zahlen,

23

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aus dem Luftfahrt-Total-Versicherungsvertrag … , Schaden-Nr. … , für die gegen die Klägerin geltend gemachten Haftpflichtansprüche Versicherungsschutz zu gewähren, insbesondere die Klägerin von den diesbezüglichen Ansprüchen

24

– des Herrn K. G. … in Höhe von 651,47 Euro,

25

– der Frau M. M. … über 440,00 Euro,

26

– des Unternehmensverbundes S. … in Höhe von bisher angemeldeter 100.000,00 Euro,

27

freizustellen,

28

3. der Klägerin für alle weiteren aus dem Schadenereignis vom 28.11.2007 gegenüber geltend gemachten Haftpflichtansprüchen Versicherungsschutz zu gewähren.

29

Die Beklagte beantragt (Bl. 247),

30

die Berufung zurückzuweisen und die erweiterte Klage abzuweisen.

31

Die Beklagte meint, da nunmehr gefordert sei, Versicherungsschutz zu gewähren, wohingegen in erster Instanz lediglich Freistellungsansprüche geltend gemacht worden seien, liege eine Klagerweiterung vor, die nicht sachdienlich sei und der sie auch nicht zustimme. Unrichtig sei die Auffassung des Landgerichts Hannover, dass die Klagfrist nicht abgelaufen sei. Ein Zeitraum von 16 Tagen stelle keine geringfügige Verzögerung mehr dar. Neuer Vortrag der Klägerin zur „Flughistorie“ des Erblassers und zum Versicherungsverhältnis sei verspätet. Die Beklagte habe keine Verpflichtung gehabt, die Vorlage von Erlaubnissen, Berechtigungen oder Befähigungsnachweisen zu prüfen. Im Ablehnungsschreiben vom 12. Februar 2008 sei die Versagung des Versicherungsschutzes nicht ausschließlich auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Piloten gestützt worden. Bei der Beurteilung der in Rede stehenden Klauseln sei zu berücksichtigen, dass es sich um Großrisiken nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 EGGVG handele, bei dem das Schutzniveau für den Versicherungsnehmer deutlich reduziert sei, was bei der Auslegung der Klauseln zu beachten sei. Die Klauseln stellten schon nach ihrem Wortlaut keine Verhaltensnormen dar, sondern objektive Risikobegrenzungen. Ein Schutz des Versicherungsnehmers durch das Verschuldens- und Kausalitätserfordernis, wie er bei Wertung der Klauseln als verhüllte Obliegenheit bestünde, sei in Anbetracht des Flugantritts durch den Erblasser in Kenntnis des Verstoßes gegen zwingende gesetzliche Vorschriften nicht angebracht. Zu § 43 LuftVG weist die Beklagte darauf hin, dass nicht das Pflichtversicherungsgesetz gelte und ein Direktanspruch von Dritten nicht bestehe.

32

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, die beigezogenen Akten 115 UJs 15731/07 StA bei dem Landgericht Flensburg, das angefochtene Urteil und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

II.

33

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

34

Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Klägerin aus dem Versicherungsverhältnis mit der Beklagten ein Anspruch nicht zusteht.

35

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Anträge aus der Berufungsbegründung tatsächlich, wie die Beklagte meint, eine Klagänderung in Form mehrfacher Klagerweiterungen beinhalten. Die Fassung der Anträge hat sich nur leicht verändert; auch das Klagziel ist letztlich kein anderes. Es kommt, von den folgenden Ausführungen ganz abgesehen, darauf aber schon deswegen nicht an, weil zum einen Sachdienlichkeit vorliegt und auch keine neuen, streitigen Tatsachen zugrunde gelegt werden müssten (§ 533 ZPO).

36

2. Das Landgericht ist im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass die Klagfrist des § 12 Abs. 3 VVG a. F. aufgrund einer demnächst erfolgten Zustellung eingehalten ist. Dem folgt der Senat, wie bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert, nicht.

37

Dabei kommt es nicht darauf an, ob das nunmehr als Anlage B K 3 vorgelegte Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 12. Februar 2008 der Klägerin am 14. oder am 16. Februar 2008 zugegangen ist. Für die Frage nach der Einhaltung der Frist kommt es darauf an, ob der Zeitraum zwischen dem Eingang der Kostenanforderung bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25. August 2008 bis zur Einzahlung der Gerichtskosten am 10. September 2008 noch unschädlich ist. Um § 12 Abs. 3 VVG a. F. selbst und dessen restriktive Auslegung geht es dabei, anders als die Klägerin ausweislich ihres Schriftsatzes vom 29. Januar 2010 zu meinen scheint, nicht, sondern um die Auslegung des § 167 ZPO.

38

Das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 12. Februar 2008 setzte die Frist des § 12 Abs. 3 VVG a. F. in Lauf; Gegenteiliges behauptet auch die Klägerin nicht. Die Frist endete sechs Monate nach Zugang des Schreibens, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es der Klägerin am 14. (so das Landgericht im angefochtenen Urteil) oder am 16. Juli 2008 zuging, denn die Klagschrift ging am 13. August 2008 beim Landgericht Hannover ein (insbesondere kann der Klägerin dieser „Rest“ von maximal drei Tagen nicht auf die Frist des § 167 ZPO „gutgeschrieben“ werden). Die Klagzustellung erfolgte zwar erst am 17. September 2008 (Bl. 25). Die Klagzustellung wirkte aber auf den Zeitpunkt der Klageinreichung zurück, sodass die Klage als rechtzeitig erhoben anzusehen wäre, wenn – Voraussetzung der Rückwirkung nach § 167 ZPO – die Zustellung „demnächst“ erfolgt wäre.

39

Dabei darf nicht auf eine rein zeitliche Betrachtungsweise abgestellt werden, weil vor dem Hintergrund, dass die Zustellung von Amts wegen geschieht, die Parteien vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebes bewahrt werden sollen, weil solche Verzögerungen von ihnen nicht beeinflusst werden können. Es gibt daher auch keine absolute zeitliche Grenze, nach deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als „demnächst“ anzusehen ist. Das gilt sogar dann, wenn es zu mehrmonatigen Verzögerungen kommt (vgl. nur BGH, IV ZR 23/05, Urteil vom 12. Juli 2006, m. w. N.).

40

Mit Zugang der – in der Sache auch zutreffenden – Kostenanforderung vom 25. August 2008 lag bis zur Einzahlung der Gerichtskosten die Verantwortung für das Betreiben des Verfahrens allein bei der Klägerin. Erst mit erfolgter Einzahlung der Gerichtskosten lag die Verantwortung dann wieder in den Händen des Gerichts und bestanden weitere Pflichten der Klägerpartei nicht mehr (ebenda).

41

Gerade im Hinblick auf die Schutzfunktion, die das Kriterium des „demnächst“ im Hinblick auf den Prozessgegner entfaltet, sind einer Partei sämtliche Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können. Zwar darf die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses jedenfalls innerhalb eines zeitlichen Rahmens von ca. drei Wochen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., Rdnr. 15 zu § 167 m. w. N.) abgewartet werden. Mit Eingang der Anforderung aber muss die Partei weitere Verzögerungen vermeiden. Sie muss nunmehr unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung tun. Ihr schadet jedes nachlässige, auch nur leicht fahrlässige Verhalten, das zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (BGH, NJW 1993, 2811, 2812).

42

Verzögerungen von weniger als 14 Tagen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geringfügig und sind, selbst wenn sie auf einem nachlässigen Verhalten des Gläubigers beruhen, angesichts des Verzichts der Vorschrift auf eine bestimmte Frist unschädlich (ebenda, zu § 270 Abs. 3 ZPO a. F.; BGH, NJW 2004, 3775, 3776). Verzögerungen von 18 oder mehr Tagen hingegen sollen die Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO nicht mehr auslösen können (BGH, FamRZ 1988, 1154, 1155, zu § 270 Abs. 3 ZPO a. F.). Im Sinne der Einheitlichkeit, damit der Vorhersehbarkeit, und schließlich der Rechtssicherheit, erscheint es geboten, von einer Frist von zwei Wochen auszugehen. Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen dem nicht entgegen. Die Klägerin durfte nicht darauf vertrauen, dass in dieser Sache, selbst wenn man den unbestimmten Rechtsbegriff des „demnächst“ nach wie vor und auch durch die Praxis nicht für eindeutig geregelt halten will, eine längere Frist zu ihren Gunsten wirkt. Auch das Landgericht, das eine Frist von 16 Tagen noch für unschädlich gehalten hat, legt sich nicht auf eine feste Grenze fest. Im Sinne einer möglichst großen Klarheit in diesem Bereich, der auch nicht nur ganz selten den Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten bildet, sind solche Grauzonen aber untunlich und können durch Festlegung einer allgemeingültigen, die Interessen beider Parteien berücksichtigenden Frist vermieden werden. Dass es der Klägerin ungeachtet der an sie zu stellenden Anforderungen nicht möglich gewesen sein sollte, die – mit 14 Tagen nicht knapp bemessene – Frist einzuhalten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass es auch nicht darauf ankommt, ob im Einzelfall die Fristüberschreitung entschuldigt werden kann. Daran hat auch der Schriftsatz der Klägerin vom 29. Januar 2010 nichts geändert. Eine urlaubsbedingte Abwesenheit des von ihr bestellten Bevollmächtigten (s. Schriftsatz vom 20. Januar 2009) entschuldigt die Klägerin nicht. Aufgrund der Klagerhebung in der ersten Augusthälfte musste der anwaltlich vertretenen Klägerin klar sein, dass in den Folgetagen die Kosten angefordert werden würden. Dann war für den Fall einer längeren Urlaubsabwesenheit Vorsorge zu treffen, damit die Einzahlung der Kosten sichergestellt ist, zumal deren Höhe doch auch klar war und auf der Grundlage eines Streitwerts festgesetzt wurde, den die Klägerin in ihrer Klagschrift bereits in gleicher Höhe angegeben hatte. Eine ausreichende Entschuldigung – ihr schadet bereits leichte Fahrlässigkeit (BGH, NJW 1993, 2811, 2812) – kann der bloße Verweis auf einen Urlaub bei Würdigung der berechtigten Interessen des Prozessgegners daher vorliegend nicht darstellen.

43

Danach war die Klage schon wegen Versäumung der Klagfrist nach § 12 Abs. 3 VVG a. F. abzuweisen und ist dementsprechend die Berufung unbegründet.

44

3. Davon unabhängig besteht der Anspruch auch in der Sache nicht, weil die Beklagte insgesamt leistungsfrei ist.

45

a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass § 1 Ziff. 5 b) AKB-Lu 2007 (Kaskoversicherung) eine Risikobegrenzung und nicht nur eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers enthält.

46

Das Landgericht hat dazu zutreffend ausgeführt, dass es bei der Unterscheidung zwischen einer Risikobegrenzung und einer Obliegenheit nicht entscheidend auf Wortlaut und Stellung einer Versicherungsklausel ankommt, sondern der materielle Inhalt der einzelnen Klausel maßgebend ist. Es kommt darauf an, ob die Klausel eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der Versicherer keinen Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder ob er ihn verliert.

47

Wird von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt, handelt es sich um eine Risikobeschränkung, beim Entzug eines gegebenen Versicherungsschutzes wegen nachlässigen Verhaltens um eine Obliegenheit (vgl. nur BGH, VersR 2008, 1107).

48

Das Landgericht hat sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. Januar 1990 (IV ZR 227/88) gestützt, dem bereits die gleiche Abgrenzung von Risikobeschränkung und Obliegenheit zugrunde lag. Dieses Urteil ist zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangen. Es ging darum, dass eine Gesellschaft keine Genehmigung zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen besaß. In den Versicherungsbedingungen hieß es, dass der Versicherungsschutz nur gewährt werde, wenn der Luftfahrtbetrieb behördlich genehmigt sei. Der Bundesgerichtshof hat darin eine (sekundäre) Risikobegrenzung gesehen. Dafür spreche bereits die sprachliche Fassung der Klausel. Aus ihr ergebe sich, dass der Versicherer Deckungsschutz nur bei Vorliegen der erforderlichen behördlichen Genehmigungen gewähren wolle.

49

Die in Rede stehenden Versicherungsbedingungen weichen vorliegend von denen, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde lagen, nicht entscheidend ab. Nach § 1 Ziff. 5 b) AKB-Lu 2007 sind Luftfahrzeuge nur versichert, wenn die dortigen Voraussetzungen hinsichtlich Erlaubnissen usw. vorliegen. Damit ist nicht an ein Verhalten des Versicherungsnehmers, sondern auf den tatsächlich bestehenden Zustand des Vorliegens erforderlicher Erlaubnisse abgestellt. Es besteht daher, was ein Indiz auf eine Obliegenheit gewesen wäre, in der Klausel auch keine Exkulpationsmöglichkeit. Eine solche ist ohnehin gerade im Hinblick auf das bestehende Risiko auch nur schwer vorstellbar. Es geht damit ersichtlich nicht darum, einem Versicherungsnehmer an sich Versicherungsschutz zu gewähren und für den Fall eines bestimmten (Fehl-)Verhaltens, insbesondere wegen des Fliegens ohne die erforderlichen Erlaubnisse, wieder zu entziehen, sondern von vornherein solche Fälle vom Versicherungsschutz auszuschließen, in denen aus Sicherheitsgründen erforderliche Minimalanforderungen nicht erfüllt sind.

50

Ergänzend wird auf das Urteil des OLG Oldenburg vom 11. Dezember 1996 (2 U 169/96) verwiesen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das OLG für § 4 Ziff. 2 AKB-Lu, der wiederum die Leistungsfreiheit beim Fehlen von behördlichen Genehmigungen sowie für den Fall regelt, dass der Führer des Luftfahrzeugs nicht die vorgeschriebenen Erlaubnisse und Berechtigungen zum Führen dieses Luftfahrzeugs hatte, angenommen, dass es sich dabei nicht um Obliegenheiten, sondern Risikobeschreibungen handelt.

51

b) Nichts anderes gilt für die Luftfahrt-Haftpflichtversicherung.

52

Auch insoweit liegt eine Risikobegrenzung vor. Die Formulierung ist zwar eine andere („Kein Versicherungsschutz besteht …“), aber damit ist eine Änderung in der Sache nicht verbunden, zumal es auf den Wortlaut ohnehin nicht entscheidend ankommt, sondern auf den materiellen Inhalt. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil kann verwiesen werden. Ob ein Mitarbeiter der Beklagten in einem vorgerichtlichen Schreiben eine andere Auffassung vertreten hat, wie die Klägerin unter Hinweis auf die Anlage B K 3 (Bl. 230) gemeint hat, ist nicht entscheidend.

53

c) Der Senat hat auch keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der in Rede stehenden Klauseln.

54

Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. nur BGH, VersR 1993, 957). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an. Auf dieser Grundlage waren die in Rede stehenden Klauseln auch dem Erblasser ohne weiteres verständlich und lassen Zweifel über ihre Auslegung nicht aufkommen (ebenso OLG Oldenburg, a. a. O., unter 3.). Den Unterschied zwischen Risikobegrenzung und Obliegenheit musste der Erblasser nicht kennen. Schon deswegen war seitens der Beklagten eine Aufklärung darüber auch nicht geschuldet. Dem Erblasser war jedenfalls erkennbar, dass er unter den in den Versicherungsbedingungen ausreichend deutlich genannten Bedingungen mit Leistungen nicht rechnen konnte.

55

d) Dem Erblasser fehlte die erforderliche Klassenberechtigung.

56

Zwar hat die Klägerin nunmehr mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2009 vorgetragen, dass der Erblasser für einmotorige Kolbenflugzeuge bis 2000 kg keiner Musterberechtigung bedurft habe, was durch das im Anlagenkonvolut zum Schriftsatz enthaltene Beiblatt A bestätigt zu werden scheint (wobei aber das letzte der vorgelegten Beiblätter auch nur bis zum 5. Oktober 2002 gültig war). Daraus ergibt sich aber, von der Frage, ob dieser Vortrag in der zweiten Instanz überhaupt noch zuzulassen ist, ganz abgesehen, aus zwei Gründen nichts für die Klägerin.

57

aa) Zum einen liegt hinsichtlich der Musterberechtigung ein Geständnis der Klägerin vor. Diese hat bereits auf S. 3 der Klagschrift die fehlende Musterberechtigung des Erblassers eingeräumt. Dass dieser Vortrag von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nicht ausdrücklich wiederholt wurde, ist unschädlich, weil der Vortrag jedenfalls durch eine – ausreichende – konkludente Bezugnahme gemäß § 137 Abs. 3 ZPO im Sinne von § 288 ZPO zur Erklärung in der mündlichen Verhandlung wurde (vgl. BGH, VersR 1999, 838; Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., Rdnr. 5 zu § 288).

58

Im Grunde zutreffend weist die Klägerin in ihrem letzten Schriftsatz vom 29. Januar 2010 dazu darauf hin, dass § 288 ZPO nicht für Rechtsbegriffe gilt; diese können nicht zugestanden werden. Ob der Kläger Inhaber einer bestimmten Berechtigung war, ist im Sinne der genannten Vorschrift aber eine Tatsachenfrage. Dass der Tatsache rechtliche Bedeutung zukommt und Tatsachenfrage einerseits und Rechtsfrage andererseits auch gar nicht vollständig getrennt werden können, führt noch nicht zur Unanwendbarkeit des § 288 ZPO (vgl. MüKo-Prütting, ZPO, 3. Aufl., § 288, Rdnrn. 16 ff.). Einem Geständnis zugänglich sind auch juristisch eingekleidete Tatsachen (BGH, II ZR 89/06, Urteil vom 18. Juni 2007).

59

bb) Davon wiederum unabhängig verkennt die Klägerin, dass der Erblasser jedenfalls eine Klassenberechtigung brauchte, um fliegen zu dürfen. Die Notwendigkeit der gesonderten, mit der Musterberechtigung nicht zu verwechselnden Klassenberechtigung ergibt sich aus § 3 b LuftPersV. Dass der Erblasser über eine solche Klassenberechtigung am Tage des Unfalls verfügte, hat die Klägerin mit Substanz nicht dargelegt. Die bloße Behauptung ist ungenügend, und zwar insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass in dem Gutachten des Dipl.-Ing. B., das die Klägerin selbst vorgelegt und auf das sie auch Bezug genommen hat, sich insoweit ein gegenteiliger Hinweis findet, als es dort nämlich heißt, dass die Klassenberechtigung des Erblassers am 15. Juli 2006 abgelaufen gewesen sei. Eine Eintragung der Verlängerung der Klassenberechtigung nach einem Trainingsflug mit Fluglehrer fehle in der Lizenz (Bl. 129). An dem Umstand ungenügenden Vortrags insoweit hat ungeachtet des Hinweises des Senats in der mündlichen Verhandlung dazu auch der Schriftsatz der Klägerin vom 29. Januar 2010 nichts geändert. Ob dem Erblasser aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die fehlende Berechtigung auf seinen Antrag hin zu erteilen gewesen wäre, lässt sich nicht mehr klären. Es genügt die Tatsache, dass ihm die Klassenberechtigung fehlte, wovon der Senat nach wie vor ausgehen muss.

60

4. Schließlich steht dem Fehlen des Haftpflichtanspruches entgegen der Auffassung der Klägerin, wie sie in ihrer Berufungsbegründung enthalten ist, § 43 LuftVG nicht entgegen. Es trifft schon nicht zu, dass es für Pflichtversicherungen charakteristisch ist, dass der Versicherer in jedem Fall begründete Haftpflichtansprüche gegenüber Dritten zu regulieren hat.

61

Die Regelung aus dem Pflichtversicherungsgesetz ist insoweit nicht verallgemeinerungsfähig. § 43 Abs. 3 LuftVG verweist auf die Vorschriften des VVG (a. F.). Dort finden sich Regelungen zur Pflicht-Haftpflichtversicherung in den §§ 158 b ff. VVG a. F. Zwar bestimmt § 158 c Abs. 1 VVG a. F., dass die Verpflichtung des Versicherers in Ansehung des Dritten bestehen bleibt, wenn der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei ist. Dies aber ändert nichts daran, dass der Versicherer gemäß § 158 c Abs. 3 VVG a. F. nur im Rahmen der von ihm übernommenen Gefahr haftet. Die Grenzen der Gefahrübernahme etwa in Gestalt der zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer in zulässiger Weise vereinbarten Ausschlüsse gelten damit auch gegenüber dem Dritten, zu dessen Gunsten § 158 c Abs. 1 VVG a. F. nicht bestimmen will, dass sein Anspruch weiter geht als der des Versicherungsnehmers. Absatz 1 bedeutet lediglich, dass dem Dritten Obliegenheitsverletzungen nicht schaden, wohingegen Risikobeschränkungen das Risiko im Sinne von § 158 c Abs. 3 VVG a. F. insgesamt und damit auch zulasten des Dritten beschränken (Prölss/Martin-Knapp-mann, VVG, 27. Aufl., Rdnr. 18 zu § 158 c). Dort, wo ein Versicherungsschutz mangels des Vorliegens der Voraussetzungen nie entstanden ist, kann es auch keinen Vertrauensschutz eines Dritten geben.

62

Wenn die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 18. Dezember 2009 meint, der Verstoß gegen die Auflage, nur mit einem Sicherheitspiloten zu fliegen, sei nicht irgendwie strafbewehrt und habe auch keine Auswirkungen auf die Lizenz, so kann dies dahinstehen, denn es geht nicht um diese Fragestellung, sondern um das Versicherungsverhältnis, dessen Inhalt auch ist, dass beim Fehlen von Erlaubnissen kein Versicherungsschutz besteht.

63

5. a) Die Klägerin kann nichts daraus für sich herleiten, dass sie der Beklagten vorwirft, die Änderung des Fluglizenzrechts zum 1. Mai 2003 gekannt, den Erblasser darüber aber nicht informiert zu haben. Dass die Beklagte insoweit irgendwelche Aufklärungs- und/oder Belehrungspflichten gegenüber dem Erblasser verletzt haben könnte, ist schon deshalb nicht ersichtlich, weil solche Pflichten regelmäßig nicht bestehen. Inwieweit Änderungen des Fluglizenzrechts vorliegend überhaupt eine Rolle spielen, ist schon nicht ersichtlich und kann auch dahingestellt bleiben, weil der Erblasser sich darüber ggf. selbst informieren musste. Die Klägerin verkennt, dass dem deutschen Recht eine generelle Aufklärungspflicht einer Partei gegenüber der anderen vollständig fremd ist. Es ist vielmehr Sache jeder Partei selbst, sich über die für den Abschluss und die Durchführung des Vertrages maßgeblichen Umstände selbst zu informieren. Zwar begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, die Grundsätze zur Haftung wegen Verletzung von Aufklärungs- bzw. Beratungspflichten, denen in der Vergangenheit insbesondere Bedeutung im Bereich des Bankrechts zukam (vgl. nur Richrath, WM 2004, S. 653 ff.), auch auf Versicherer anzuwenden (vgl. Kieninger, AcP 199, S. 190 ff.). Aufklärungspflichten einer Partei gegenüber der anderen können aber immer nur ausnahmsweise, d. h. in eng umgrenzten Ausnahmefällen (BGH NJW 1999, 2032), und im Falle des Vorliegens besonderer Voraussetzungen anerkannt werden, wobei alles auf den Einzelfall und dabei auch auf die Art des angestrebten Vertrages ankommt. Der als Grundlage einer Aufklärungspflicht anzuerkennende Informationsbedarf ist dabei auch davon abhängig, ob und wie ausgeprägt insbesondere das intellektuelle Übergewicht einer Partei gegenüber der anderen ist. Schließlich ist von Bedeutung, ob eine Partei ausdrücklich nach bestimmten Umständen gefragt hat (vgl. nur Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 6. Aufl., § 7 II. 1, S. 86 ff. m. w. N.). Dies vorausgeschickt, fehlt für jedwede Aufklärungspflicht der Beklagten vorliegend die Grundlage. Ein nennenswertes intellektuelles Übergewicht der Beklagten ist in Bezug auf die hier in Rede stehenden Fragen nicht ersichtlich. An den tatsächlichen Umständen hinsichtlich seiner Flugberechtigung und deren Einschränkungen war der Erblasser doch „näher dran“ als die Beklagte. Die fehlende Klassenberechtigung sowie der Umstand, dass er aufgrund medizinischer Probleme nur noch unter der Auflage fliegen durfte, einen Sicherheitspiloten (Def. in JAR-FCL 1.035 und JAR-FCL 3.035) mitzunehmen, waren dem Erblasser selbst bekannt. Die Beklagte hat demgegenüber das Versicherungsverhältnis lediglich den neuen Umständen angepasst. Inwieweit dies treuwidrig sein soll, ist nicht ersichtlich.

64

b) Bedeutung kommt dem Vortrag der Klägerin, wie sie ihn nunmehr erstmals in zweiter Instanz gehalten hat, auch im Hinblick auf § 5 VVG a. F. nicht zu.

65

Durch die nachträgliche Einschränkung „Sicherheitspilot“ wich die Beklagte nicht von den getroffenen Vereinbarungen ab. Eine zum Nachteil des Erblassers wirkende Abweichung lag in dem Hinweis auf den Sicherheitspiloten nicht, weil die insoweit recht allgemein gehaltene Fassung der Versicherungsbedingungen (Befähigungen, Erlaubnisse usw.) die Notwendigkeit des Sicherheitspiloten – sobald sie einem Piloten von der zuständigen Behörde auferlegt wurde – ohnehin bereits mit umfasste. Damit liegt eine Veränderung gegenüber dem geschlossenen Vertrag („den getroffenen Vereinbarungen“ im Sinne von § 5 Abs. 1 VVG a. F.) nicht vor.

III.

66

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

67

Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

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